Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Dem am 12. 6. 1983 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzten Betroffenen, der rechtsschutzversichert ist und seine Schadenersatzansprüche gegen den Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherer klagsweise geltend macht, wurde Mag. Thomas M*****, Rechtsanwalt in Wien, als Sachwalter für den betreffenden, seit 1990 anhängigen Rechtsstreit bestellt. Der Rechtsschutzversicherer des Betroffenen zahlte an den Sachwalter im Hinblick auf die inzwischen aufgelaufenen Verfahrenskosten, die gesamte von ihm zu leistende Versicherungssumme von EUR 8.648,06 aus (sodass seine Zahlungspflicht erschöpft ist).
Der Sachwalter beantragte unter Vorlage eines Verzeichnisses seiner bisher aufgelaufenen Verfahrenskosten die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Einbehaltung des an ihn überwiesenen Betrages als Kostenvorschuss.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und den Sachwalter an, den einbehaltenen Betrag auf einem Treuhandkonto anzulegen. Der Betroffene habe wiederholt erklärt, mit der Einbehaltung durch den Sachwalter nicht einverstanden zu sein. Da das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei und die Frage eines allfälligen Kostenersatzanspruches des Betroffenen gegen seine Prozessgegner vom Prozesserfolg abhänge, sei eine Einbehaltung durch den Sachwalter ebensowenig zulässig, wie die vom Betroffenen angestrebte Auszahlung der Versicherungssumme an ihn selbst.
Das sowohl vom Sachwalter als auch vom Betroffenen angerufene Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Sachwalters als verspätet zurück und gab jenem des Betroffenen keine Folge, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,- -, nicht aber EUR 20.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den zurückweisenden Teil der Entscheidung zulässig sei. Die inhaltliche Behandlung des erst einen Tag nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist zur Post gegebenen Rekurses des Sachwalters iSd § 11 Abs 2 AußStrG sei nicht möglich, weil der Betroffene, dem der ausbezahlte Betrag jedenfalls nicht selbst gebühre, durch die erstgerichtliche Entscheidung bereits das Recht erworben habe, dass der ausbezahlte Betrag nicht vom Sachwalter einbehalten werden dürfe. Der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rechtsmittels des Sachwalters sei zulässig, da zur Frage, ob in einem vergleichbaren Fall die Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels iSd § 11 Abs 2 AußStrG möglich sei, keine veröffentlichte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 16 Abs 3 AußStrG), ist der Revisionsrekurs des Sachwalters mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.
Die angefochtene Entscheidung steht im Einklang mit der stRsp des Obersten Gerichtshofes zu § 11 Abs 2 AußStrG: Nach dieser Bestimmung bleibt es dem Ermessen des Gerichtes überlassen, auch nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist des Abs 1 leg cit auf Rekurse in denjenigen Fällen Rücksicht zu nehmen, wo sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern lässt. Dies trifft nur dann zu, wenn durch eine Abänderung weder die materiell- noch die verfahrensrechtliche Stellung des Dritten beeinträchtigt wird (EFSlg 44.532; EFSlg 76.447; 4 Ob 15/97b uva). Eine Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels scheidet daher aus, wenn die Rechtsstellung eines Dritten beeinträchtigt wird (SZ 40/65; 4 Ob 517/94; 7 Ob 329/99d; 10 Ob 57/02h uva). Bei den Beschlüssen, die sich ohne Nachteil eines Dritten ändern lassen, handelt es sich um solche, die weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig sind (SZ 60/103 = ÖA 1988, 48; 8 Ob 3/02b, RIS-Justiz RS0007084). "Dritter" im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist jede am Verfahren beteiligte, vom Rechtsmittelwerber verschiedene Person (NZ 1967, 28; JBl 1978, 269; SZ 60/103; 8 Ob 647/87 ua, somit im vorliegenden Fall der Betroffene.
Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass es bei der Ermessensentscheidung, ob durch den betreffenden Beschluss die Rechte Dritter berührt werden, stets auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles ankommt (SZ 40/65 = RZ 1967/165; RIS-Justiz RS0007107). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit wäre die vom Rekursgericht als iSd § 14 Abs 1 AußStrG erheblich erachtete Rechtsfrage nur dann revisibel, wenn dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.
Davon kann aber hier keine Rede sein: Die Ansicht des Revisionsrekurswerbers, ein "Nachteil eines Dritten" iSd § 11 Abs 2 AußStrG komme hier, da der vom Rechtschutzversicherer überwiesene Betrag jedenfalls nicht dem Betroffenen selbst zustehe, nicht in Betracht, ist unrichtig. Schon wegen des sich für den Betroffenen aus der vom Sachwalter angestrebten Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses wohl ergebenden Zinsennachteils werden die Interessen des Betroffenen durch die erstinstanzliche Entscheidung tangiert.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
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