European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00096.20S.1125.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:
„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Erstkläger 481.720 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2014 sowie dem Zweitkläger 806.935 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2014 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Erstkläger weitere 473.219 EUR sowie dem Zweitkläger weitere 792.589 EUR jeweils samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2014 zu zahlen, wird abgewiesen.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, binnen 14 Tagen dem Erstkläger dessen mit 12.582 EUR und dem Zweitkläger dessen mit 21.423,50 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.
Entscheidungsgründe:
Die Firma G***** L***** befasst sich seit 1838 mit der Erzeugung und mit dem Vertrieb von Zement. 1940 wurde die bis dahin bestehende OHG in eine KG umgewandelt.
Vor ihrer am 20. 12. 2013 vollzogenen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft firmierte die Erstbeklagte unter der Bezeichnung „G***** KG“. Der Zweitbeklagte vertrat die KG ab dem 1. 8. 1997 bis zu ihrer Umwandlung selbständig als einziger unbeschränkt haftender Gesellschafter; daneben waren mehrere Prokuristen eingesetzt. Seit Umwandlung der KG in die Erstbeklagte bekleidet der Zweitbeklagte die Funktion des Vorstands.
Zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine AG verfügte die KG einschließlich der Kläger über insgesamt 215 Gesellschafter.
Das Kommanditkapital der G***** KG betrug laut des Gesellschaftsvertrags vom 18. 6. 2005 3.036.000 EUR und war in 4.048 volle Anteile geteilt. Der Erstkläger war mit 40 Anteilen (0,99 %) am Kommanditkapital beteiligt, der Zweitkläger mit 67 Anteilen (1,66 %).
Die Zahl der Gesellschafter wuchs im Lauf der Jahre an. Aus diesem Grund wurde am 18. 6. 2005 der Gesellschaftsvertrag neu gefasst. Es wurden unter anderem folgende Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen:
„§ 19c
Änderung der Rechtsform der Gesellschaft
(1) Ein Beschluss auf Änderung der Rechtsform der Gesellschaft hat alle erforderlichen Erklärungen über die Gründung der neuen Gesellschaft, insbesondere deren Satzung, den Vertrag über die Einbringung der Gesellschaftsanteile und den Übergang des Gesellschaftsvermögens zu enthalten. […]
(4) Gesellschaftern, die der Rechtsformänderung nicht zustimmen oder an der betreffenden Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen haben oder dort vertreten waren, ist anzubieten, sich der Rechtsformänderung anzuschließen [...].
(5) Gesellschafter, die nicht fristgemäß die Anschlusserklärung abgeben, scheiden mit Ablauf der gemäß Abs 4 gesetzten Frist aus der Gesellschaft aus und werden nach Abs 6 abgefunden. Für die Berechnung der Abfindung gilt der Stichtag der Einbringungsbilanz als Tag des Ausscheidens.
(6) Ein ausscheidender Gesellschafter erhält eine angemessene Abfindung, mindestens jedoch den Bilanzwert seiner Einlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen (v gl § 29 Abs 2 Satz 2).“
Nach § 29 Abs 2 Satz 2 erhalten im Fall der Kündigung nach Ablauf der Vertragszeit (31. 12. 2038) die kündigenden Gesellschafter den Bilanzwert ihrer Kapitaleinlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen.
Die Formulierung der Änderungen, insbesondere § 19c, stammen von einer Juristenkommission, die vom Beirat der G***** KG eingesetzt wurde. Die Problematik der Abfindung von im Zuge der Rechtsformänderung ausscheidenden Gesellschaftern wurde im Vorfeld der Änderung des Gesellschaftsvertrags im Beirat diskutiert. Im Beirat befürchtete man, es würde die Gesellschaft gefährden, wenn sich anlässlich einer Abstimmung über die Rechtsformänderung mehrere Gesellschafter gleichzeitig entscheiden, aus der Gesellschaft auszuscheiden und die Abfindung nach dem Anteil am Gesamtwert des Unternehmens berechnet würde, was nach Ansicht der Beiratsmitglieder dem Gesellschaftszweck – dem Fortbestehen als reine Familiengesellschaft – zuwider gelaufen wäre. In diesem Fall wäre das Vorhaben der Rechtsformänderung nicht in Angriff genommen worden, weil dies dem Beirat als zu gefährlich für den Fortbestand der Gesellschaft erschien. Im Beirat wurde es als gerecht erachtet, dass sich die Abfindung am üblichen Preis, der für Anteile innerhalb der Familie zu erzielen ist, orientieren sollte. Allerdings wurde im Vorfeld der Gesellschafterversammlung vom 18. 6. 2005 den Gesellschaftern nicht kommuniziert, was die Formulierung „angemessene Abfindung“ konkret bedeuten soll. Im Zuge der Gesellschafterversammlung vom 18. 6. 2005 wurde lediglich erläutert, dass Untergrenze der Abfindung der Bilanzwert der Einlagen des Gesellschafters und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen sei. Es konnte nicht festgestellt werden, dass weitere Erläuterungen stattfanden. Der Wille der Gesellschafter bei Abstimmung über die Gesellschaftsvertragsänderung war in erster Linie, die Möglichkeit einer Rechtsformänderung vorzusehen. Dass sie dabei schon auf eine konkrete Methode der Berechnung der Abfindungshöhe abzielten, kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls wollten die Gesellschafter aber eine von den Regeln des UGB abweichende Bewertungsmethode vorsehen.
Zum Zeitpunkt der Rechtsformänderung gab es etwa 600 gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrags zum Anteilserwerb berechtigte Familienmitglieder. Die Anteile konnten seit Bestehen der G***** KG entweder zwischen den Familienmitgliedern direkt oder seit September 2003 über eine bei einer Steuerberatungskanzlei eingerichtete familieninterne Handelsplattform gehandelt werden. Bei Transaktionen von Anteilen unter den Familienmitgliedern bildete sich in der Vergangenheit die Übung heraus, dass der Preis der Anteile zum Zweck der leichteren Vergleichbarkeit stets mit einem sogenannten „Erhöhungsfaktor“ bzw „Multiplikator“ des Nominales angegeben wurde. Jeder Anbieter konnte von sich aus einen Käufer ermitteln. Wenn er keinen Käufer fand, konnte er seine Verkaufsabsicht der Steuerberatungskanzlei unter Angabe der zum Verkauf anstehenden Anzahl von Anteilen sowie eines Mindest‑Multiplikators mitteilen. Daraufhin informierte die Steuerberatungskanzlei alle Kommanditisten und forderte diese innerhalb einer Frist von sechs Wochen zur Angebotsabgabe auf. Durch ein Bieterverfahren wurde der Meistbietende ermittelt.
Für den 19. 10. 2013 wurde eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der G***** KG einberufen. Die Kläger nahmen an dieser Gesellschafterversammlung nicht teil. In dieser Gesellschafterversammlung wurde mit großer Mehrheit die Umwandlung der G***** KG in eine Aktiengesellschaft beschlossen. Die Kläger teilten mit, sich der Rechtsformänderung nicht anzuschließen, weil sie mit dieser nicht einverstanden seien. Gemäß § 19c Abs 5 des Gesellschaftsvertrags schieden die Kläger daher mit Ablauf des 20. 12. 2013 als Kommanditisten der G***** KG aus. Dem Erstkläger wurde als Abfindung für sein Ausscheiden ein Betrag von 123.000 EUR, dem Zweitkläger ein Betrag von 206.025 EUR ausgezahlt (jeweils das 4,1‑fache des Nominales ihrer Beteiligung an der G***** KG).
Der durchschnittliche zwischen den Familienmitgliedern gehandelte Preis für Anteile an der G***** KG lag in den Jahren vor der Rechtsformänderung beim 4,1‑fachen des Nominales. Dieser Wert wurde vom Beirat der G***** KG als für die Berechnung der Abfindung potentiell ausscheidender Gesellschafter maßgeblicher Schlüssel fixiert, weil man der Meinung war, dass der durchschnittliche familieninterne Kaufpreis der Anteile den familieninternen Verkehrswert und damit die „angemessene Abfindung“ am ehesten abbilde.
Der Wert des Eigenkapitals der G***** KG lag per 31. 12. 2013 zwischen 65.621.000 EUR bis 87.587.000 EUR. Daraus ergibt sich ein Verkehrswert der Anteile von 755.900 EUR für den Erstkläger und 1.266.200 EUR für den Zweitkläger.
Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Handelbarkeit (Fungibilitätsabschlag) sowie eines Minderheitenabschlags beläuft sich der (unter dem Maßstab von fremdüblichen Transaktionen unter vertragswilligen Parteien errechnete) erzielbare Preis der Anteile des Erstklägers auf 400.100 EUR und des Zweitklägers auf 670.200 EUR.
Der Bilanzwert der Anteile der beiden Kläger an der G***** KG beträgt bei Berechnung gemäß Einzelabschluss hinsichtlich des Erstklägers 37.256,62 EUR und hinsichtlich des Zweitklägers 62.404,84 EUR.
Bei einer Berechnung gemäß geprüftem Konzernabschluss der G***** KG ohne Durchrechnung der S***** & Co GmbH beträgt dieser Wert hinsichtlich des Erstklägers 346.367,59 EUR und hinsichtlich des Zweitklägers 580.165,71 EUR.
Bei einer Berechnung gemäß geprüftem Konzernabschluss der G***** KG mit Durchrechnung der S***** & Co GmbH beträgt dieser Wert hinsichtlich des Erstklägers 650.611,21 EUR und hinsichtlich des Zweitklägers 1.089.773,77 EUR.
Im Gesellschaftsvertrag der G***** KG findet sich kein Hinweis darauf, dass eine Durchrechnung bei sämtlichen Gesellschaften vorgenommen werden soll. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht besteht eine Konsolidierungsverpflichtung der Beteiligung an der S***** & Co GmbH nach den rechnungslegungsbezogenen Vorschriften des UGB nicht.
Im Zeitpunkt der Änderung des Gesellschaftsvertrags im Jahr 2005 war die G***** KG weder in Deutschland noch in Österreich verpflichtet, eine Konzernbilanz zu erstellen. Es wurde aber ein freiwilliger Konzernabschluss erstellt.
Im Jahr 1996 erwarb die G*****‑Gruppe Anteile in Höhe von 9,43 % an der S***** & Co GmbH sowie die S*****‑Gruppe umgekehrt Anteile an der Z***** L***** GmbH in Höhe von rund 26 %. Der Zweck der gegenseitigen Beteiligung bestand darin, die zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehende Zusammenarbeit durch eine gesellschaftsrechtliche Wechselbeteiligung dauerhaft zu stärken. Es bestand keine Absicht, die Beteiligung ausschließlich zu Wertsteigerungszwecken zu erwerben.
Die Kläger begehren 954.939 EUR sA (Erstkläger) sowie 1.599.524 EUR sA (Zweitkläger). Bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung sei den Klägern die selbe Rechtsposition zu verschaffen, die sie hätten, wenn die Gesellschaft liquidiert worden wäre. Der Umfang der Abfindung der Kläger bemesse sich nach dem Wert des Gesellschaftsvermögens der G***** KG zum 1. 1. 2014 und nach den Kapitalanteilen der Kläger an der G***** KG zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 20. 12. 2013. Der Wert des Gesellschaftsvermögens richte sich nach dem Wert des lebenden Unternehmens. Maßgeblich sei nicht der Einzelabschluss der KG, sondern die Konzernbilanz unter Einbeziehung aller nachgelagerten Gesellschaften. Der Faktor von 4,1 sei von Geschäftsführung und Beirat der KG gegenüber den Gesellschaftern erst nachträglich kommuniziert worden.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren. Das Abstellen auf das Nominale eines Anteils verbunden mit dem Faktor von 4,1 entspreche den gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Aufgrund der jahrelangen, mehr als zwei Jahrzehnte praktizierten Handhabung des Erhöhungsfaktors sei gewährleistet, dass die Gesellschafter ausreichend Kenntnis der Berechnungsmethode und somit der Folgen eines Austritts bzw Ausscheidens gehabt hätten.
Das Erstgericht wies die Klagen ab. Es stellte den eingangs – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – wiedergegeben Sachverhalt fest. Rechtlich führte es aus: In einer Gesamtabwägung aller Umstände sei nach dem hypothetischen Parteiwillen die Formulierung „Bilanzwert seiner Einlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen“ dahin zu ergänzen, dass damit auf den Einzelabschluss der KG abzustellen sei. Ein Abstellen auf den Konzernabschluss würde zu einem ähnlichen Ergebnis führen wie ein Rückgriff auf § 137 UGB. Zumal die sich aus dem Konzernabschluss ergebenden Abfindungswerte die am familieninternen Markt erzielbaren Preise für Anteilsübertragungen weit übersteigen, könnte die Abfindung nach Konzernbilanz einer Vielzahl von Gesellschaftern lukrativ erscheinen und nicht absehbare– potentiell unternehmensschädigende – Folgen zeitigen, die dem Gedanken des Fortbestands des Unternehmens zuwiderliefen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da die Gesellschafter bei der Beschlussfassung des § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags eine von den Regeln des UGB abweichende Berechnungsmethode haben vorsehen wollen, stehe fest, dass sie die dispositiven Regeln über die Auseinandersetzung nicht wollten. Es sei auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückzugreifen, weil die Gesellschafter keine vollständige Regelung an die Stelle des dispositiven Rechts setzten. Bei der Behandlung der Rüge der Feststellung „Im Gesellschaftsvertrag der KG findet sich allerdings kein Hinweis darauf, dass eine Durchrechnung bei sämtlichen Gesellschaften vorgenommen werden soll“ führte das Berufungsgericht aus, es sei auf den Einzelabschluss der KG abzustellen. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Gesellschaft, das Unternehmen innerhalb der Familie der Nachkommen des Gründers zu erhalten.
Gemessen an der Gesamtregelung des Vertrags über die Abfindung bei Ausscheiden eines Gesellschafters (in allen anderen Fällen als wegen Nichtteilnahme an der Rechtsformänderung) und der nur eingeschränkten Veräußerungsmöglichkeiten an Familienmitglieder und des zwischen den Familienmitgliedern bei Veräußerungsgeschäften gehandelten Preises entspreche es den von den Gesellschaftern verfolgten Absichten bei der Änderung des Gesellschaftsvertrags im Jahr 2005 nach Treu und Glauben am besten, die angemessene Abfindung mit jenem Preis zu bestimmen, der bei Veräußerung der Anteile an andere Familienmitglieder hätte erzielt werden können.
Die Revision hält dieses Auslegungsergebnis für sittenwidrig.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
1.1. Fragen der Auslegung eines Gesellschaftsvertrags kommt zwar im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu (vgl zum Gesellschaftsvertrag einer GmbH 6 Ob 231/05x; vgl auch 2 Ob 138/08w; 6 Ob 48/09s). Im vorliegenden Fall stellen sich jedoch über den Einzelfall hinausgehende Fragen der Grenzen zulässiger Gestaltung der Abfindung im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters sowie der Auslegung gesellschaftsvertraglicher Buchwertklauseln.
1.2. Die Revision ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
2.1. Im vorliegenden Fall ist die Auslegung des § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags strittig. Diese Bestimmung spricht von einer „angemessenen“ Abfindung, wobei jedoch als Untergrenze der „Bilanzwert seiner Einlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen (vgl § 29 Abs 2 Satz 2)“ vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage nach der Bedeutung der „angemessenen“ Abfindung, sondern auch die Frage, ob der als Untergrenze vorgesehene Buchwert auf Basis des Einzelabschlusses oder des Konzernabschlusses zu ermitteln ist.
2.2. Dabei ist zunächst der Bedeutungsgehalt der Abfindungsvereinbarung durch Auslegung zu ermitteln (dazu Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 22 mwN; Jud, ÖZW 1978, 110 ff; Loitlsberger, GesRZ 1979, 148 ff; Jud, GesRZ 1980, 56; Loitlsberger, GesRZ 1980, 190); erst in einem zweiten Schritt muss der Gesellschaftsvertrag einer am objektiven Recht ausgerichteten Inhaltskontrolle unterworfen werden (Schön, Buchwertabfindung im Personengesellschaftskonzern, ZHR 166 [2002] 585, 588 f).
2.3. Allerdings besteht zwischen diesen beiden Prüfungsebenen insofern ein Zusammenhang, als den Gesellschaftern im Zweifel nicht unterstellt werden kann, eine gesetz- oder sittenwidrige Regelung intendiert zu haben. Grundsätzlich sind Verträge so auszulegen, dass sie gültig und nicht sittenwidrig sind (1 Ob 633/85; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 914 Rz 24).
3.1. Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften sind nach § 914 ABGB auszulegen (2 Ob 209/10i; 7 Ob 559/90; 3 Ob 2135/96h; 4 Ob 229/07s). Dabei ist insbesondere der dem Gesellschaftsrecht eigene Treuegedanke unter Bedachtnahme auf die berechtigten Belange aller Beteiligten zu berücksichtigen (vgl RS0109668).
3.2. Demgegenüber sind korporative Regelungen in Satzungen juristischer Personen und Stiftungen nach nunmehr ständiger Rechtsprechung nach ihrem Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv auszulegen (3 Ob 59/07h; 1 Ob 61/97w; RS0108891). Für (typische) Personengesellschaften hat der Oberste Gerichtshof jedoch an der Maßgeblichkeit der allgemeinen Vertragsauslegungsregeln des § 914 ABGB festgehalten (7 Ob 559/90; 3 Ob 2135/96h). Dies entspricht auch der herrschenden Auffassung in Deutschland, die eine objektive Auslegung nur bei Publikumsgesellschaften vornimmt (vgl K. Schmidt in MünchKomm HGB4 § 105 Rz 150). Bei anderen Personengesellschaften, insbesondere bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, richtet sich die Auslegung grundsätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben (4 Ob 229/07s).
3.3. Nach neuerer Auffassung kommt es jedoch auch bei der Auslegung eines Gesellschaftsvertrags von Personengesellschaften nur auf jene Parteiabsicht an, die den aktuellen Gesellschaftern gemeinsam ist. Hingegen gelten diese Auslegungsregeln nicht nach einem Wechsel im Mitgliederbestand der Gesellschaft, weil dem neu hinzutretenden Gesellschafter in der Regel nur die Erklärungstatbestände, auf denen die Gesellschaft beruht, als Vertrauensgrundlage zur Verfügung stehen. Grund für dieses Abgehen von der Maßgeblichkeit des tatsächlich Gewollten ist der Schutz von Neugesellschaftern, die auf eine (andere) schriftlich festgelegte Gesellschaftsstruktur vertraut hatten (4 Ob 229/07s ua).
3.4. Auch bei Publikumsgesellschaften tritt die objektive Auslegung des Gesellschaftsvertrags in den Vordergrund (4 Ob 229/07s). Unter Publikumsgesellschaften werden Gesellschaften verstanden, die nicht auf einen festen Mitgliederbestand angelegt sind, sondern sich, zumeist mit Prospektwerbung, an ein breites Anlegerpublikum wenden, also grundsätzlich für beliebige Interessenten als Anlagegesellschaften offen sind (1 Ob 531/86).
3.5. Die G***** KG war – wie der Oberste Gerichtshof bereits in einem diese Gesellschaft betreffenden Verfahren ausgesprochen hat – keine Publikumsgesellschaft in diesem Sinn, weil das Prinzip offener Mitgliedschaft bei ihr nicht verwirklicht ist; vielmehr ist im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich der Charakter als Familienunternehmen hervorgehoben (1 Ob 531/86). Allerdings ist der Umstand, dass die Gesellschaft eine außerordentlich große Anzahl von Gesellschaftern aufwies, bei der Auslegung zu berücksichtigen. Dieser Umstand lässt es zumindest nicht naheliegend erscheinen, dass alle Gesellschafter den gleichen Informationsstand aufweisen. Aus diesem Grund ist auch bei einer derartigen Gesellschafterstruktur der Gesellschaftsvertrag jedenfalls dann objektiv auszulegen, wenn keine Feststellungen über allen Gesellschaftern gemeinsame Vorstellungen oder Absichten getroffen werden können.
3.6. Zudem hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Grundsatz, wonach Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften nach § 914 ABGB auszulegen sind, nicht nach einem Wechsel im Mitgliederbestand der Gesellschaft gilt, weil dem neu eintretenden Gesellschafter in der Regel nur die Erklärungstatbestände, auf denen die Gesellschaft beruht, als Vertrauensgrundlage zur Verfügung stehen (4 Ob 229/07s; 2 Ob 209/10i; 6 Ob 226/13y). Die Frage der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters muss aber für alle Gesellschafter schon aus Gründen der Gleichbehandlung notwendig gleich beurteilt werden; insoweit besteht für eine Differenzierung danach, ob der konkrete Rechtsstreit zwischen den ursprünglichen Gesellschaftern stattfindet oder ob daran auch neu hinzugekommene Gesellschafter beteiligt sind, kein Raum.
3.7. Die Revisionswerber gelangen über § 137 UGB zum Verkehrswert als maßgebliche Bezugsgröße. Demgegenüber lehnt das Berufungsgericht eine Orientierung an § 137 Abs 2 UGB ab. Dies wird damit begründet, dass nach den Feststellungen mit § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags die gesetzliche Regelung des § 137 UGB abbedungen werden sollte. Daraus leitet das Berufungsgericht letztlich ab, dass jede Orientierung an § 137 Abs 2 UGB ausgeschlossen sein soll.
3.8. Allerdings wurde von den Vorinstanzen gleichzeitig die Negativfeststellung getroffen, es stehe nicht fest, dass die Gesellschafter bei der Abstimmung schon auf eine bestimmte Berechnungsmethode abgezielt hätten. Damit kann aber nicht zwanglos davon ausgegangen werden, dass die „angemessene“ Abfindung gemäß § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags keinerlei Bezug zu § 137 Abs 2 UGB haben sollte. Vielmehr liegt nahe, zur Konkretisierung der „Angemessenheit“ auf das dispositive Recht – als Leitbild eines abgewogenen und gerechten Interessenausgleichs (RS0014676; RS0016591) – zurückzugreifen.
4.1. Für Zwecke der Ermittlung des Abfindungsbetrags ist nach § 137 Abs 2 UGB anzunehmen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters aufgelöst worden wäre (Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 Rz 2/746). Dem ausscheidenden Gesellschafter einer Personengesellschaft ist in Geld auszuzahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhielte, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sein Geschäftsanteil geht unter und anstelle des Kapitalanteils tritt die Abfindungsverpflichtung der Gesellschaft (6 Ob 169/17w). Dem Abfindungsanspruch liegt die Zielsetzung zugrunde, dem ausscheidenden Gesellschafter möglichst dieselbe Rechtsposition zu verschaffen, die er hätte, wenn die Gesellschaft liquidiert würde (6 Ob 169/17w; vgl RS0061746).
4.2. Dabei vollzieht sich die Ermittlung des Abfindungsguthabens in zwei Schritten: Zunächst muss der Wert des Gesellschaftsvermögens ermittelt werden; sodann ist aufgrund des Kapitalanteils der auf den Gesellschafter entfallende Anteil zu berechnen (Schauer aaO mwN; Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 8 mwN).
4.3. Der Wert des Gesellschaftsvermögens ist erforderlichenfalls durch Schätzung zu ermitteln (§ 137 Abs 2 Satz 2 UGB). Dabei sind die wahren Werte, nicht die Buchwerte heranzuziehen (Schauer aaO Rz 2/747; Jabornegg/Artmann in Artmann, UGB3 § 137 Rz 12). Betreibt die Gesellschaft ein Unternehmen, so ist jener Wert anzusetzen, der bei einer Veräußerung im Zuge eines Liquidationsverfahrens erzielt werden könnte. Bei einem lebensfähigen Unternehmen, das als Ganzes veräußert würde, ist vom Wert des lebenden Unternehmens auszugehen (Schauer aaO Rz 2/747 mwN), der sich in der Regel am Ertragswert orientiert (Schauer aaO; vgl auch Ulmer, Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbH-Verträgen. Plädoyer für die Ertragswertklausel, in FS Quack [1991] 477). Der Substanzwert bildet in der Regel die Untergrenze des Abfindungswerts (4 Ob 188/00a; Schauer aaO Rz 2/747).
4.4. § 137 Abs 2 UGB schreibt zwar keine spezifische Methodenwahl vor, determiniert sie aber mittelbar durch seine Zwecksetzung (Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 12; Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 10). Maßgeblich ist stets das Bewertungsziel, dem ausscheidenden Gesellschafter möglichst dieselbe Rechtsposition zu verschaffen, die er hätte, wenn die Gesellschaft liquidiert würde (Koppensteiner/Auer aaO). Ziel der Unternehmensbewertung ist daher stets die Ermittlung des Marktwerts, somit jenes Preises, der bei Verkauf des Unternehmens im Liquidationsverfahren erzielt werden könnte (Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 10).
4.5. Die von den Klägern im Berufungsverfahren im Rahmen der Beweisrüge geltend gemachten Argumente zur (nach dem Gesagten: objektiv vorzunehmenden) Auslegung des Gesellschaftsvertrags sind überwiegend der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Bei der Ermittlung des Unternehmenswerts handelt es sich demgegenüber um ein grundsätzlich dem Tatsachenbereich zuzuordnendes Problem der Betriebswirtschaftslehre (zu verschiedenen Ansätzen Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, § 138 Rz 10 mwN), deren Ergebnisse im Rahmen der Beweiswürdigung darauf zu prüfen sind, ob sie für die konkrete Bewertungsaufgabe geeignet sind (2 Ob 189/01k; SZ 53/172). Die diesbezügliche Verfahrensrüge hat das Berufungsgericht erledigt. Im Übrigen hat der Sachverständige ohnedies auch eine Bewertung der S*****‑Beteiligung vorgenommen.
4.6. Die Höhe der Abfindung entspricht nach § 137 Abs 2 S 1 UGB dem fiktiven Auseinandersetzungserlösnach einer Auflösung der Gesellschaft. Daher ist grundsätzlich der Gegenwert der Beteiligung am lebenden Unternehmen, nicht der Zerschlagungswert anzusetzen (Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 8 mwN). Anders als beim Squeeze-out nach dem GesAusG muss dabei kein im Verhältnis zu den verbleibenden Gesellschaftern „gerechter“ Abfindungspreis ermittelt werden; § 137 Abs 2 S 1 UGB erübrigt die daran notwendig geknüpften diffizilen Wertungsfragen schon dadurch, dass er – ausgehend vom personengesellschaftlichen Grundkonzept der Auflösung der Gesellschaft – die Abfindung zum fiktiven Liquidationserlös vorschreibt (Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 8).
4.6. Aus diesem Grund werden auch sogenannte shareholder‑level‑discounts nicht berücksichtigt. Daher ist kein Minderheiten- und Fungibilitätsabschlag vorzunehmen (Leupold in Torggler, UGB3 §§ 137, 138 Rz 8; Zollner/Hartlieb in Zib/Dellinger, UGB§ 137 Rz 39 mwN). Dass Anteile nur innerhalb der Familie veräußert werden konnten, spielt bei der Bemessung der Abfindung nach § 137 Abs 2 UGB keine Rolle, kommt doch diese Einschränkung bei der – Maßstab für die Bemessung der Abfindung bildenden – (fiktiven) Liquidation nicht zum Tragen. Im Übrigen kann der in der Vergangenheit bei Veräußerung innerhalb der Familie erzielte Preis in Höhe des 4,1-fachen Nominalwerts schon aufgrund der relativ geringen Anzahl der Transaktionen nicht als repräsentativ angesehen werden.
4.7. Nach § 137 Abs 2 UGB stünde den Klägern daher der volle Verkehrswert ihrer Anteile zu.
5.1. Die gesetzlichen Regelungen über den Abfindungsanspruch sind dispositiv (6 Ob 169/17w; vgl RS0061758; Schauer aaO Rz 2/751). Abweichende Gestaltungen in Gesellschaftsverträgen dienen einerseits der Beseitigung von Unsicherheiten über die Bewertung durch die Vereinbarung bestimmter Bewertungsansätze, andererseits dem Ziel, die Höhe oder Fälligkeit des Abfindungsanspruchs derart zu modifizieren, dass die mit der Erfüllung verbundene Einbuße an Liquidität für die Gesellschaft erträglicher wird (Schauer aaO Rz 2/751; Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 20 mwN; K. Schmidt in MünchKomm HGB4 § 131 Rz 150 ff). Dabei können auch beide Zwecke miteinander verbunden werden. Als Beispiel dafür wird die Buchwertklausel angeführt (Schauer aaO Rz 2/751). Durch sie sollen klare und eindeutige Bewertungsansätze vereinbart werden. Zudem wird die Gesellschaft zumeist damit rechnen können, dass die Buchwerte hinter den tatsächlichen Werten zurückbleiben (Schauer aaO Rz 2/751).
5.2. Letztlich bezwecken Abfindungsklauseln stets einen Ausgleich zwischen den Interessen des Ausscheidenden einerseits und denjenigen der Gesellschaft bzw der verbleibenden Gesellschafter andererseits.
5.3. Buchwertklauseln werden als grundsätzlich zulässig angesehen (vgl Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 22; K. Schmidt in MünchKomm HGB4 § 131 Rz 167). Diese tragen dem Interesse der Gesellschaft Rechnung, Liquidität und Fortbestand des Unternehmens nicht durch unerträglich hohe Abfindungen zu gefährden (vgl Schauer aaO Rz 2/751; BGHZ 123, 281 ff).
5.4. Allerdings sind bei diesen – wie bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelungen überhaupt – die gesetzlichen Zulässigkeitsschranken zu beachten (vgl dazu Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 22 ff).
5.5. Die Unwirksamkeit eines Abfindungsausschlusses oder einer diesbezüglichen Beschränkung kann sich aus der Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ergeben, etwa weil sie nur beim Ausscheiden infolge Gesellschafterkonkurses oder Gläubigerkündigung gilt (Schauer aaO Rz 2/752). Darauf ist im vorliegenden Fall nicht weiter einzugehen, weil sich diesbezügliche Bedenken nach dem festgestellten Sachverhalt hier nicht stellen.
5.6. Unter dem Aspekt der sittenwidrigen Benachteiligung eines Gesellschafters hat der BGH die Einräumung einer Ratenzahlung auf 15 Jahre als sittenwidrig angesehen (BGH NJW 1989, 2685). Für das österreichische Recht wären hier die sich aus § 767 ABGB idF ErbRÄG 2015 ergebenden Wertungen zu beachten, wonach eine Pflichtteilsstundung unter bestimmten Voraussetzungen (nur) bis auf fünf Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf insgesamt 10 Jahre möglich ist.
5.7. Außerdem ist eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs sittenwidrig, wenn die Einschränkung des Abflusses von Gesellschaftskapital vollkommen außer Verhältnis zu der Beschränkung steht, die erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern (Henze, FS K. Schmidt 624 mwN). Eine derartige grobe Unbilligkeit muss bereits bei der Entstehung der Regelung bestehen. Dies wird im Wesentlichen dann angenommen, wenn der Maßstab für die Bemessung des Abfindungsanspruchs niedriger als der Buchwert ist oder wenn er unterhalb der Grenze liegt, die zu einer Gefährdung des Bestands der Gesellschaft führen könnte. Bei Nichtigkeit der Abfindungsklausel wegen Sittenwidrigkeit ist dem Gesellschafter der volle anteilige Unternehmenswert zu zahlen.
5.8. Unter diesem Aspekt können Buchwertklauseln sittenwidrig sein, wenn eine bilanzielle Unterbewertung des Anlagevermögens gegeben ist, die zu einem groben Missverhältnis zwischen anteiligem Verkehrswert und vereinbarter Abfindung nach dem Buchwert führt, etwa für den Fall, dass der Substanzwert der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke das Zehnfache des Buchwerts beträgt (Henze aaO 627; BGH WM 1993, 1412 ff).
5.9. Nach Auffassung des BGH stellt eine Klausel, die dem ausscheidenden Gesellschafter nur den halben Buchwert überließ, einen einschneidenden Eingriff in die Vermögensposition des ausscheidenden Gesellschafters dar und entfernt sich so erheblich vom gesetzlichen Leitbild des § 738 BGB, dass der Regelungszweck der Vorschrift, dem Gesellschafter eine angemessene Abfindung zu sichern, völlig verfehlt wird (BGH ZIP 1989, 770 ff). Auch in der deutschen Literatur wird vielfach die Grenze von 50 % der Buchwerte als kritisch angesehen (Ulmer, Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbH-Verträgen. Plädoyer für die Ertragswertklausel, in FS Quack [1991] 477, 486). Hingegen seien – vorbehaltlich stark einschränkend wirkender Zahlungsmodalitäten – solche Regelungen im Grundsatz unproblematisch, die zu einer Abfindung in Höhe von 70–80 % des Anteilswerts führen (Ulmer aaO 500). Auch aus Sicht des österreichischen Rechts legt § 934 ABGB eine Orientierung an einer Grenze von 50 % nahe, wobei dieser Wert jedoch keine absolute Grenze darstellt (vgl auch § 935 ABGB).
5.10. Gestaltungsgrenzen für Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht ergeben sich zudem aus § 132 UGB, der das Interesse des Gesellschafters, seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft zu beenden, durch ein zwingendes Kündigungsrecht schützt. Demnach kann eine Abfindungsklausel unwirksam sein, wenn sie die Entscheidungsfreiheit des Gesellschafters über die Vornahme der Kündigung in unvertretbarer Weise einengt (Schauer aaO Rz 2/752). In diesem Fall gebührt dem Gesellschafter – anders als im Fall der Sittenwidrigkeit – nicht der volle Wert seines Anteils, sondern nur eine angemessene Abfindung, deren Bemessung unter Berücksichtigung der von den Beteiligten mit der Abfindungsregelung verfolgten Zwecke vorzunehmen ist (BGHZ 116, 359, 371; Henze aaO 637).
5.11. Nach Ansicht der neueren deutschen Judikatur können Abfindungsbeschränkungen auch im Wege derergänzenden Vertragsauslegung angepasst werden, wenn sich erst im Zeitablauf eine grobe Diskrepanz zwischen Verkehrswert und Abfindungsbetrag ergibt (BGH WM 1993, 1412; BGHZ 123, 281; OLG München NZG 2004, 1055; Henze aaO 625). Rechtsfolge ist aber dann nicht, dass zum Verkehrswert abgefunden werden muss. Vielmehr wird auf jene Abfindung abgestellt, die die Gesellschafter vereinbart hätten, wäre die Entwicklung vorhersehbar gewesen (BGHZ 123, 281, 286; BGH WM 1993, 1412, 1413; Henze aaO 638; Ulmer/Schäfer in MünchKomm HGB5 § 738 Rz 53 f). Dabei sind nach der Rechtsprechung die gesamten sonstigen Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, wobei der BGH in die Abwägung auch die persönlichen Umstände des ausscheidenden Gesellschafters einbezieht (BGHZ 123, 281, 286; BGH WM 1993, 1412, 1413; ablehnend Henze aaO 639).
5.12. Die Rechtsprechung stützt sich dabei auf § 242 BGB. Ähnliche Ergebnisse ließen sich indes auch mit dem Rechtsmissbrauchsverbot erzielen (Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 137, 138 Rz 24; Koppensteiner, GesRZ 991, 124 ff). Koppensteiner/Auer betonen jedoch zu Recht, dass eine derartige Vertragsanpassung aus Gründen der Rechtssicherheit nur in extremen Ausnahmefällen erfolgen sollte (Koppensteiner/Auer aaO; ähnlich Rüffler in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung 89; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 Anh § 71 Rz 18).
6.1. § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags spricht von einer „angemessenen“ Abfindung, wobei jedoch als Untergrenze der „Bilanzwert seiner Einlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen (vgl § 29 Abs 2 Satz 2)“ vorgesehen ist. Alle übrigen gesellschaftsvertraglichen Tatbestände, die das Ausscheiden eines Gesellschafters regeln und nicht zur Liquidation der Gesellschaft führen, sehen vor, dass die ausscheidenden Gesellschafter den Bilanzwert ihrer Kapitaleinlagen und aller anteilsmäßigen offenen Rücklagen erhalten. Daraus kann jedoch für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden, ist doch die Abfindung in § 19 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags für den im Jahr 2005 neu vorgesehenen Fall des Ausscheidens deutlich anders formuliert.
6.2. Die von den Beklagten vertretene Beschränkung der Abfindung auf das 4,1‑fache des Nominales geht aus dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrags auch nicht annähernd hervor. Ein angeblich vor der Gesellschafterversammlung versendetes Rundschreiben, wonach die Abfindung das 4,1‑fache des Nominalwerts betragen würde, fand im beschlossenen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags jedenfalls keinen Niederschlag. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte gerade nicht festgestellt werden, dass die Gesellschafter bei der Beschlussfassung über die Neufassung des Gesellschaftsvertrags schon auf eine konkrete Methode der Berechnung der Abfindungshöhe abzielten.
6.3. Der Verkehrswert der Anteile der Kläger an der KG beträgt für den Erstkläger 755.900 EUR und für den Zweitkläger 1.266.200 EUR. Demgegenüber steht nach Auffassung der Beklagten den Klägern nur das 4,1‑fache des Nominalwerts der Anteile zu. Demgemäß haben der Erstkläger nur 123.000 EUR und der Zweitkläger 206.025 EUR erhalten. Damit haben sie eine Abfindung erhalten, die zwar das rund 3,3‑fache des Mindest‑Bilanzwerts bei einer Berechnung nach dem Einzelabschluss ist, aber nur rund 16 % des Verkehrswerts bzw 35,51 % bzw rund 19 % der Buchwerte nach dem Konzernabschluss (jeweils mit und ohne Durchrechnung der S*****-Beteiligung) entspricht. Träfe diese Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu, würde dies ein grobes Missverhältnis zwischen gesetzlicher und vertraglich vereinbarter Abfindung ergeben.
6.4. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder des Beirats vor der Abstimmung über die Änderung des Gesellschaftsvertrags ihre Vorstellungen von einer angemessenen Abfindung den übrigen Gesellschaftern vorenthielten. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Klausel entsprechend zu formulieren, sodass allen Gesellschaftern klar gewesen wäre, womit sie zu rechnen haben. Zutreffend werden in der Literatur die Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen hervorgehoben. Gerade Bestimmungen, die zu erheblichen Vermögenseinbußen der ausscheidenden Gesellschafter führen, müssen ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen deutlich erkennbar machen, sodass sichjeder Gesellschafter auf sie einstellen kann (Kellermann, FS Haas [1996] 187 [189]).
6.5. Das Gesetz sieht an vielen Stellen ein „angemessenes“ Entgelt vor (vgl etwa §§ 98, 230, 365, 1152, 1431 ABGB). Damit soll grundsätzlich immer der Gegenwert voll abgebildet werden.
6.6. Die Bewertung einer Sache nach dem gemeinen Wert des § 305 ABGB (objektiver Verkehrswert) ist mangels anderslautender Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung die gesetzliche Regel (Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 306 Rz 1; Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 306 Rz 1).
6.7. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer GmbH ein vertragliches Kündigungsrecht mit einem Aufgriffsrecht des Anteils des gekündigten Gesellschafters durch den kündigenden Gesellschafter vor und enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über die Ermittlung der Abfindung, ist daher gemäß § 306 ABGB der objektive Verkehrswert (Ertragswert) heranzuziehen (RS0118023). In der einen GmbH-Geschäftsanteil betreffenden Entscheidung 2 Ob 189/01k hat der Oberste Gerichtshof zur Begründung dieser Auffassung auch darauf verwiesen, dass auch die Abfindung des aus einer OHG ausgeschiedenen Gesellschafters nach dem Verkehrswert erfolgt.
6.8. Zwar trifft zu, dass die Kläger im Zuge der Umwandlung freiwillig ausgeschieden sind. Damit bietet das GesAusG keine unmittelbare Wertungsgrundlage, weil es dort nur um unfreiwilliges Ausscheiden geht. Allerdings sehen §§ 244, 253 AktG idF GesRÄG 2007 und AktRÄG 2009 beim Rechtsformwechsel von einer GmbH in eine AG und umgekehrt denselben Rechtsschutz wie nach dem GesAusG (einschließlich des Gremialverfahrens) auch bei freiwilligem Ausscheiden im Zusammenhang mit einem Rechtsformwechsel vor. Zweck dieser Änderung war es, Gesellschaftern, die mit dem Rechtsformwechsel nicht einverstanden sind, die Möglichkeit des Ausscheidens gegen angemessene Barabfindung zu gewähren (Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, Aktiengesetz2 § 244 Rz 2). Vergleichbare Regelungen bestehen im Umgründungsrecht (§ 11 SpaltG, § 2 UmwG, § 234b AktG und § 10 EU-VerschG).
6.9. Die Höhe der Barabfindung muss angemessen sein, dh sie muss eine Abgeltung des vollen wirtschaftlichen Werts der Anteilsrechte des ausscheidenden Gesellschafters darstellen (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 234b Rz 13 mwN; zum GesAusG Kalss/Zollner, Squeeze Out § 2 Rz 14 f; Gall/Potyka/Winner, Gesellschafterausschluss Rz 202; Aschauer, Unternehmensbewertung 132 ff). Der Gesellschafter soll aus der Ausübung des Austrittsrechts keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden (Kalss aaO § 234b Rz 13).
6.10. Aus diesen Regelungen ergibt sich die Wertung, dass der Gesetzgeber der jüngeren Zeit auch bei freiwilligem Ausscheiden bei einem Rechtsformwechsel einer nicht angemessenen Abfindung grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, dass der Rechtsformwechsel zwischen Kapitalgesellschaften weniger einschneidend sein dürfte als der Rechtsformwechsel zwischen einer eingetragenen Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft.
6.11. Im vorliegenden Fall kann die Normierung einer von den Regeln des UGB abweichenden Berechnungsmethode nur bedeuten, dass die Vereinbarung einer „angemessenen“ Abfindung dahin auszulegen ist, dass der ausscheidende Gesellschafter nicht in einer Höhe abgefunden werden muss, der seinem Anteil am Verkehrswert des Gesellschaftsvermögens (wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Unternehmen betrieben wird, sohin: des Unternehmens) entspricht. Eine angemessene Abfindung im Sinne des § 19c Abs 6 des Gesellschaftsvertrags liegt demnach zwischen Verkehrswert und Mindestabfindung.
6.12. Nach K. Schmidt (in MünchKomm HGB4 § 131 Rz 167) hat die „Angemessenheit“ verschiedene Maßstäbe, einen auf den Abfindungswert bezogenen Maßstab, einen auf den Abfindungsanlass bezogenen Maßstab und einen auf die Art der Beteiligung bezogenen Maßstab. Nur eine Gesamtschau dieser Maßstäbe lässt eine Entscheidung im Einzelfall zu. Entscheidend ist, ob die Abfindungsregelung im Kern der gesetzlichen Regelung entspricht und im Wesentlichen zur Abgeltung des vollen Werts des Gesellschaftsanteils und nicht zu einer Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter führt.
6.13. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass den gegenläufigen Interessen der ausscheidenden Gesellschafter einerseits und der verbleibenden Gesellschafter andererseits durch einen Abschlag vom anteiligen Verkehrswert Rechnung zu tragen ist. Für diesen Abschlag erscheint eine Höhe von 20 % sachgerecht, sodass die Kläger Anspruch auf Abfindung in Höhe von 80 % des Verkehrswerts ihrer Anteile an der KG haben.
7.1. Damit bedarf es keiner abschließenden Beurteilung der Frage, ob der in § 19 Abs 6 des Gesellschaftsvertrags als Untergrenze des Abfindungsanspruchs vorgesehenen Buchwert auf Basis des Einzelabschlusses oder des Konzernabschlusses zu ermitteln ist (dazu Schön, Buchwertabfindung im Personengesellschaftskonzern, ZHR 166 [2002] 585). Die betreffende Regelung im Gesellschaftsvertrag soll nämlich ersichtlich lediglich für den Fall eine Mindestabfindung sicherstellen, dass die „angemessene Abfindung“ besonders niedrig ausfällt. Wenn diese jedoch – wie ausgeführt – ohnedies (nahezu) in Höhe des Verkehrswerts und damit in weitestgehender Anlehnung an das dispositive Recht festgesetzt wird, würde es der (hypothetischen) Absicht der Gesellschafter nicht entsprechen, stattdessen auf höhere, rein rechnerisch ermittelte, bei einer Unternehmensveräußerung jedoch nicht zu erzielende Buchwerte zurückzugreifen.
7.2. Hingegen würde ein Rückgriff auf die Buchwerte als Korrektiv dann erforderlich sein, wenn man die „angemessene Abfindung“ im Einklang mit dem Prozessstandpunkt der Beklagten dahin verstünde, dass lediglich das 4,1-fache des Nominales zustände. In diesem Fall wäre eine Heranziehung von bloß auf Basis des Einzelabschlusses ermittelten Buchwerten im vorliegenden Fall nicht sachgerecht:
7.3. Bei einer Abfindung auf der Grundlage des Einzelabschlusses werden die in den Tochtergesellschaften gebündelten Werte ausschließlich mit den historischen Anschaffungskosten der Beteiligungen erfasst. Diese Anschaffungskosten setzen sich zusammen aus den bei der Gründung oder dem Erwerb der Tochtergesellschaften geleisteten Einlagen oder gezahlten Kaufpreisen sowie – gegebenenfalls – den im Rahmen von Kapitalerhöhungen oder sonstigen gesellschaftsrechtlich veranlassten Mittelzuführungen geleisteten Zuwendungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaften (§§ 253, 255, 272 UGB). Die innere Wertsteigerung der Tochterunternehmen, die sich nach Erwerb der Beteiligung vollzogen hat, wird hingegen nicht erfasst, und zwar weder hinsichtlich der in den Tochtergesellschaften vorhandenen stillen Reserven und Firmenwerten noch hinsichtlich der realisierten, aber nicht ausgeschütteten Gewinne, die in die gesetzlichen oder freiwilligen offenen Rücklagen der Tochtergesellschaften eingegangen sind.
7.4. Bei einer auf die Einzelbilanz bezogenen Betrachtung würde die Höhe der Abfindung der ausscheidenden Gesellschafter davon abhängen, ob und in welchem Umfang die Geschäftsführung der Obergesellschaft eine Ausschüttung der in der Tochtergesellschaft erzielten Gewinne beschließt und auf diese Weise die Wahl trifft, ob die erzielten Gewinne in ihrer eigenen Bilanz oder in der Bilanz der Tochtergesellschaft als offene Rücklagen erscheinen und damit die Kapitalkonten der Gesellschafter erhöhen oder nicht (Schön, ZHR 166, 593).
7.5. Ein Abstellen auf den Einzelabschluss würde dazu führen, dass nicht nur alle in den Tochter- und Enkelgesellschaften vorhandenen stillen Reserven den ausscheidenden Gesellschaftern entzogen werden, sondern dass auch alle bei den Tochtergesellschaften vorhandenen offenen Rücklagen, die sich in fassbaren und voll bewerteten Vermögensgegenständen niederschlagen, bei der Bemessung der Abfindung ausscheiden. Damit verbleiben der Gesellschaft sämtliche Reserven, die in den Tochtergesellschaften nach dem Erwerb oder der Gründung der Tochterbeteiligung entstehen, während der Gesellschafter auf die ursprünglichen Anschaffungskosten beschränkt bleibt und allenfalls außerordentliche Abschreibungen hinnehmen muss (Schön, ZHR 166, 592 f). Damit würde der ausscheidende Gesellschafter von der Partizipation an der inneren Wertsteigerung der operativen Teile der Unternehmensgruppe nahezu vollständig ausgeschlossen werden.
7.6. Im vorliegenden Fall fungierte die KG schon vor 2005 als Holding‑Gesellschaft (vgl zur Differenzierung zwischen „ursprünglicher“ und „nachträglicher“ Holdingfunktion Schön, ZHR 166, 589 ff). Der Konzernbuchwert ist infolge der offenen Rücklagen eklatant höher als der Einzelbuchwert. Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, dass die Gesellschafter mit der Übernahme der seit Jahrzehnten im Gesellschaftsvertrag der KG enthaltenen Buchwertklausel (vgl 1 Ob 531/86), die aber nie zur Anwendung gelangte, im Jahr 2005 für den neuen Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters, wonach aber die Abfindung primär in angemessener Höhe geschuldet wird, die klare Vorstellung verbanden, dass ihr Abfindungsguthaben dauerhaft nach Maßgabe der ursprünglichen Anschaffungskosten der erworbenen Beteiligungen bemessen sein wird (vgl Schön, ZHR 166, 590 f).
7.7. Ein überzeugendes Interesse der Gesellschaft daran, dass sich ein Gesellschafter, der eine Rechtsformänderung nicht mitmachen will und deshalb ausscheiden muss, mit dem in der Regel niedrigeren Ansatz aus der Einzelbilanz der KG zufrieden geben soll, ist nicht zu sehen:
7.8. Die Vereinbarung einer Buchwertklausel verfolgt einerseits das Interesse an Bewertungsklarheit. Dieses Interesse bietet keinen Anhaltspunkt dafür, eine Bezugnahme auf die Konzernbilanz der KG auszuschließen, erfordert doch die Einbeziehung lediglich der offen ausgewiesenen Rücklagen der Tochter‑ und Enkelunternehmen bei der Abfindung weder Bewertungsvorgänge noch komplizierte Rechenschritte.
7.9. Auch das anzuerkennende Interesse der KG als Holding-Gesellschaft bzw der in der KG verbleibenden Gesellschafter an einem Liquiditäts‑ und Bestandschutz der Gesellschaft erfordert nicht, die Buchwertabfindung nach Maßgabe der Einzelbilanz zum Nachteil der ausscheidenden Gesellschafter zu berechnen. Diese Berechnung würde nicht nur dazu führen, dass alle in den Tochtergesellschaften vorhandenen stillen Reserven, sondern dass auch alle bei den Tochtergesellschaften vorhandenen offenen Rücklagen, die sich in fassbaren und voll bewerteten Vermögensgegenständen niederschlagen, bei der Bemessung der Abfindung ausscheiden (Schön, ZHR 166, 593).
7.10. Damit wird die in der Vereinbarung einer Buchwertklausel liegende Interessenabwägung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (Zuordnung der stillen Rücklagen an die Gesellschaft und der offenen Rücklagen an die Gesellschafter) aus den Angeln gehoben: Der Gesellschaft (bzw den übrigen Gesellschaftern) verblieben nämlich sämtliche Reserven, die in den Tochtergesellschaften nach dem Erwerb oder der Gründung der Tochterunternehmung entstehen, während der Gesellschafter auf den ursprünglichen Anschaffungskosten des Tochterunternehmens „sitzen bleibt“. An einem derartigen überzogenen Liquiditätsschutz kann auch die Gesellschaft kein schutzwürdiges Interesse haben (Schön, ZHR 166, 593). Die Höhe der Abfindung des ausscheidenden Kommanditisten hinge bei einer auf die Einzelbilanz bezogenen Betrachtung davon ab, ob und in welchem Umfang die Geschäftsführung der Holding‑Gesellschaft eine Ausschüttung der in einer Tochtergesellschaft erzielten Gewinne beschließt und auf diese Weise die Wahl trifft, ob die erzielten Gewinne in ihrer eigenen Bilanz oder in der Bilanz einer Tochtergesellschaft als offene Rücklagen erscheinen und damit die Kapitalkonten der Gesellschaft erhöhen oder nicht.
7.11. Für die Durchrechnung der Anteile an der S***** gelten diese Erwägungen hingegen nicht in voller Stärke. Die mangelnde gesetzliche Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses sowie die diesbezügliche Handhabung in der Vergangenheit kann Indiz für diesbezüglichen Gesellschafterwillen sein, diese Beteiligung nicht durchzurechnen. Hier ist auf die Besonderheit hinzuweisen, dass die (nicht kontrollierende) Überkreuzbeteiligung (vgl auch § 244 Abs 1 und 3 UGB) lediglich der strategischen Absicherung der Zusammenarbeit zwischen der S***** und der L*****‑Gruppe dient und die Anteile im Fall einer Change of control wieder zurückgetauscht würden. Die betreffenden Wertansätze ließen sich im – dem gesetzlichen Leitbild der Ermittlung des Abfindungsbetrags zugrundeliegenden – Fall der Unternehmensveräußerung der G***** KG somit keinesfalls erzielen. Auch bestehen die aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bei einer von der G***** KG nicht kontrollierten Gesellschaft nicht in gleichem Maße wie bei 100%‑igen Tochtergesellschaften.
7.12. Die Frage der Notwendigkeit der Durchrechnung auch der Anteile an der S***** braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend beantwortet werden, weil die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass der Abfindungsbetrag ohnedies in weitgehender Anlehnung an den Verkehrswert der Anteile festzusetzen ist.
8.1. Zusammenfassend steht den Klägern somit eine Abfindung in Höhe von 80 % des Verkehrswerts ihrer Anteile an der KG zu. Dies ergibt für den Erstkläger 604.720 EUR und für den Zweitkläger 1.012.960 EUR. Abzüglich der bereits unstrittig erhaltenen Beträge von 123.000 EUR für den Erstkläger und 206.025 EUR für den Zweitkläger ergibt dies für den Erstkläger 481.720 EUR und für den Zweitkläger 806.935 EUR.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 43 Abs 2, 46 Abs 2 ZPO. Die Kläger haben rund zur Hälfte obsiegt. Die Beklagten haben zur ungeteilten Hand den Klägern die Hälfte der Pauschalgebühr für die Revision entsprechend dem Verhältnis der Streitwerte der Klagebegehren zur Summe der Klagebegehren zu ersetzen.
Aufgrund der Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist auch eine neuerliche Entscheidung über die Kosten der ersten und der zweiten Instanz erforderlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht nur um zwei verbundene, besondere umfangreiche Verfahren mit Klagsänderungen und Einholung mehrerer Gutachten, sondern wurden zudem von beiden Parteien umfangreiche (in einem Fall sogar 12 Seiten umfassende) Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Gegenseite erhoben. In einem derartigen Fall kann der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts aufheben und diesem eine neuerliche Kostenentscheidung auftragen (RS0124588; Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 510 Rz 15 mwN). Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung von Neumayr (in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 510 Rz 15) an, wonach in diesem Fall auch eine Aufhebung in die erste Instanz möglich ist. Dafür spricht nicht nur, dass nach § 52 Abs 3 ZPO im Fall eines Vorbehalts der Kostenentscheidung das Erstgericht die endgültige Kostenentscheidung zu treffen hat, sondern auch die Überlegung, dass dadurch gegebenenfalls die Überprüfung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Rekursweg ermöglicht wird.
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