European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00050.23F.0418.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
[1] Mit Beschluss vom 8. 9. 2022 genehmigte das Erstgericht auf Antrag des gerichtlichen Erwachsenenvertreters den zwischen dem Betroffenen, vertreten durch seinen Erwachsenenvertreter, und den Einschreitern als Käufer geschlossenen Kaufvertrag über eine Liegenschaft des Betroffenen.
[2] Dieser Beschluss wurde dem Erwachsenenvertreter am 12. 9. 2022 per ERV zugestellt. Nach den Erhebungen des Erstgerichts und der Aktenlage war noch am 12. 9. 2022 eine Mitarbeiterin des Erwachsenenvertreters beim Betroffenen und händigte diesem eine Kopie der an den Erwachsenenvertreter zugestellten Beschlussausfertigung aus. Die Postsendung mit der nach der Zustellverfügung des Erstgerichts für den Betroffenen bestimmten Beschlussausfertigung wurde aufgrund eines Nachsendeauftrags an die Kanzlei des Erwachsenenvertreters nachgesendet und dort am 14. 9. 2022 übernommen. Der Betroffene wurde am 14. 9. 2022 ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb dort am 15. 9. 2022.
[3] Das Erstgericht wies die Anträge der Käufer auf Anbringung einer Rechtskraft‑ und Vollstreckbarkeitsbestätigung auf dem Genehmigungsbeschluss, in eventu Fortsetzung des Verfahrens, in eventu neuerliche Zustellung des Genehmigungsbeschlusses an die Verlassenschaft nach dem Betroffenen mangels Parteistellung zurück.
[4] Das Rekursgericht wies den dagegen gerichteten Rekurs der Käufer mangels Beschwer zurück.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Käufer zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
[6] 1. Eine Zustellsanierung nach § 7 ZustG setzt voraus, dass die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung diesem tatsächlich ausgehändigt wurde (7 Ob 504/92). Das in § 7 ZustG aufgestellte Erfordernis des tatsächlichen Zukommens ist nur dann erfüllt, wenn das Schriftstück in die Hände des Empfängers gelangt (RS0083731). Nach der Rechtsprechung setzt die Heilung voraus, dass das Schriftstück dem Empfänger im Original zukommt; hingegen reicht der bloße Zugang einer Kopie nicht aus (3 Ob 128/18x [ErwGr 8.2]; RS0083731 [T4]). Ebenso wenig genügt es, dass der Empfänger bloß faktisch Kenntnis vom Inhalt der Sendung erlangt, etwa indem ihm eine Ausfertigung, die ihm gar nicht zugestellt werden sollte, von einer anderen Person zugemittelt wurde (3 Ob 106/97b; 7 Ob 504/92; RS0083711 [T2]).
[7] Im vorliegenden Fall erfolgte durch die Aushändigung einer Kopie der an den Erwachsenenvertreter zugestellten Beschlussausfertigung daher keine Heilung des Zustellmangels. Der Genehmigungsbeschluss vom 8. 9. 2022 wurde dem Betroffenen nie zugestellt.
[8] 2.1. Der Tod des Betroffenen beendet das Rechtsinstitut der Erwachsenenvertretung; ein Einstellungsbeschluss hat nur noch deklarative Bedeutung (7 Ob 210/22t; 8 Ob 4/19z; RS0049121; RS0048925 [T4, T7]).
[9] Nach dem Tod des Betroffenen ist eine Genehmigung eines von ihm oder in seinem Namen von seinem gesetzlichen Vertreter geschlossenen Rechtsgeschäfts nicht mehr möglich. Eine dann dennoch erfolgte gerichtliche Genehmigung wäre – ebenso wie die Versagung einer Genehmigung – wirkungslos (RS0049211), sodass auch die Überprüfung einer davor erteilten Genehmigung im Rechtsmittelverfahren in diesem Stadium nicht mehr in Frage kommt (7 Ob 210/22t; vgl 8 Ob 4/19z). Vielmehr ist es allein Sache der Verlassenschaft nach dem Betroffenen bzw der Erben, ob sie den vom Erwachsenenvertreter geschlossenen Vertrag gegen sich gelten lassen wollen (RS0049211 [T2, T4]).
[10] 2.2. Wurde der Genehmigungsbeschluss – wie im vorliegenden Fall – vor dem Ableben dem Betroffenen selbst (vgl 1 Ob 199/15v [ErwGr 3.]; zum Rekursrecht des Betroffenen RS0124785) nicht zugestellt, bleibt der Beschluss wirkungslos. Daran ändert auch eine nachträgliche Zustellung des Genehmigungsbeschlusses an die Verlassenschaft oder die Erben des Betroffenen nichts (7 Ob 210/22t).
[11] Die Beurteilung des Rekursgerichts, durch das Ableben des Betroffenen sei die Erwachsenenvertretung beendet und der Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses nicht mehr möglich, ist daher nicht korrekturbedürftig.
[12] Die in der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 166/12v betraf keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts, sondern die Genehmigung des Schlussberichts des (damals) Sachwalters nach dem Tod des Betroffenen und ist daher nicht einschlägig.
[13] 3. Weitere Argumente gegen die Ansicht des Rekursgerichts, der Rekurs sei aufgrund der durch das Ableben des Betroffenen eingetretenen Beendigung der Erwachsenenvertretung und der damit nicht mehr möglichen Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses mangels Beschwer unzulässig, enthält der außerordentliche Revisionsrekurs nicht; darauf muss daher nicht näher eingegangen werden. Auch ob den Antragstellern im vorliegenden Fall ein Antragsrecht zukam, kann offen bleiben.
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