OGH 6Ob48/10t

OGH6Ob48/10t19.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj A***** B*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dragan B*****, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Dezember 2009, GZ 44 R 572/09g-S-68, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge übertragen werden soll, ist dann eine solche des Einzelfalls, der keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde und keine Verletzung der leitenden Grundsätze der Rechtsprechung vorliegt (RIS-Justiz RS0115719 [T1]; RS0007101 [T7]; RS00971114).

Voraussetzung der Entziehung von Elternrechten ist eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls (RIS-Justiz RS0085168; RS0048699). Unter dem Begriff der Gefährdung des Kindeswohls ist nicht geradezu ein Missbrauch der elterlichen Befugnisse zu verstehen. Es genügt, dass die elterlichen Pflichten (objektiv) nicht erfüllt oder (subjektiv) gröblich vernachlässigt worden sind und die Eltern durch ihr Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden (RIS-Justiz RS0048633). Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der aktuellen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS-Justiz RS0048632).

Eine Gefährdung des Kindeswohls kann auch dann vorliegen, wenn der Erziehungsberechtigte nicht selbst Gewalt gegen sein Kind ausübt, sondern diese Gewaltausübung durch einen Dritten - etwa die Ehegattin (den Ehegatten) oder die Lebensgefährtin (den Lebensgefährten) duldet. Der Schutz des Kindes erfordert die Anlegung eines solchen strengen Maßstabs (RIS-Justiz RS0106311). Der die Übertragung der Obsorge an den anderen Teil erfordernde Tatbestand der Gefährdung des Kindeswohls liegt bei nachhaltiger Verletzung des Gewaltverbots vor. Dabei stellt jedenfalls bei besonders schwerer Misshandlung nicht erst die erwiesene Mitwirkung des Elternteils daran einen Grund für die Entziehung der Obsorge dar, sondern - zur Vermeidung einer extremen Gefährdung des Minderjährigen - schon ein qualifizierter, auch durch umfassende Beweisaufnahmen nicht auszuräumender Verdacht (6 Ob 18/09d = RIS-Justiz RS0047973 [T3]). Auf diese Rechtsprechung ist der Revisionsrekurswerber zu verweisen, wenn er geltend macht, ihm sei keine konkrete Kindeswohlgefährdung anzulasten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass der Vater von den schweren Verletzungen des Kindes monatelang nichts mitbekommen hat.

Den Erwägungen des Rekursgerichts, dass eine Betreuung der Minderjährigen durch die Mutter des Revisionsrekurswerbers im Hinblick darauf, dass sie keinen Aufenthaltstitel hat, nicht gesichert wäre, setzt der Rechtsmittelwerber nichts entgegen.

Im außerstreitigen Revisionsrekursverfahren besteht Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG; RIS-Justiz RS0119918; RS0079200). Neue Tatsachen und Beweismittel können grundsätzlich nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsrekursgründe vorgebracht werden. Selbst bei der Berücksichtigung von neuen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Kindeswohl sind nur aktenkundige Entwicklungen zu berücksichtigen; es besteht jedoch keine Pflicht zur ständigen amtswegigen Erhebung der jeweiligen aktuellen Umstände (RIS-Justiz RS0048056 [T3]). Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers, dass - für den Fall, dass seine Mutter wieder nach Serbien zurückkehren müsse - seine Lebensgefährtin, die er zu heiraten beabsichtige, ihn bei der Betreuung der Tochter unterstützen könne, sind unzulässige Neuerungen.

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