European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00035.16I.0330.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt ist seit 29. 11. 2013 zu FN ***** die S***** GmbH mit dem Sitz in B***** eingetragen. Ihre Gesellschafter sind G***** S***** mit einer Stammeinlage von 5.000 EUR sowie Mag. F***** S***** und die M***** GmbH (FN *****) mit Stammeinlagen von je 2.500 EUR. Alleiniger Geschäftsführer mit selbstständiger Vertretungsbefugnis ist seit der Ersteintragung G***** S*****.
Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 9. 10. 2013 gegründet und am 17. 11. 2013 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet. Mit Beschluss vom 22. 11. 2013 erging ein Verbesserungsauftrag, den Gesellschaftsvertrag durch einen Nachtrag so zu ändern, dass ein Gesellschafter im Falle seines Ausscheidens nach den Punkten 11.1.1. (rechtskräftige Eröffnung eines Insolvenzverfahrens), 11.1.2. (rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens) und 11.1.3. (rechtskräftige Bewilligung der Befriedigungsexekution auf den Geschäftsanteil eines Gesellschafters) den vollen Abtretungspreis gemäß Punkt 12.1. erhält und nicht nur die Hälfte, wie dies der letzte Satz von Punkt 12.1. vorsah. Das Erstgericht vertrat unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 3. 2007, 6 Ob 142/05h, den Standpunkt, in diesen Fällen würden Ansprüche von Gläubigern des Gesellschafters geschmälert, dies sei sittenwidrig.
Diesem Verbesserungsauftrag wurde entsprochen, mit Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom 28. 11. 2013 der Punkt 12.1. des Gesellschaftsvertrags entsprechend geändert und mit Beschluss vom selben Tag die Eintragung der Gesellschaft bewilligt.
Mit Eingabe vom 9. 7. 2014 begehrte die Gesellschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer, die Eintragung der Abänderung des Gesellschaftsvertrags vom 9. 10. 2013 in seinem Punkt 12.1., die in der Generalversammlung vom 23. 4. 2014 beschlossen worden war. Die ursprüngliche Fassung des Gesellschaftsvertrags, die mit dem Verbesserungsauftrag vom 22. 11. 2013 beanstandet worden war, sollte wiederhergestellt werden. Dieses Eintragungsgesuch wies das Erstgericht mit Beschluss vom 28. 8. 2014, rechtskräftig ab, wobei die Abweisung einerseits mit der unzureichenden Vollmacht des in der Generalversammlung für alle Gesellschafter einschreitenden Rechtsanwalts und andererseits mit der Sittenwidrigkeit des neu gefassten Punktes 12.1. begründet wurde.
Mit ihrem Antrag vom 15. 10. 2014 begehrt die Gesellschaft neuerlich die Eintragung des geänderten Punktes 12.1. des Gesellschaftsvertrags (Beschlussfassung in der Generalversammlung vom 6. 10. 2014).
Die maßgebenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags in der aktuellen Fassung vom 9. 10. 2013 mit Nachtrag vom 28. 11. 2013 lauten wie folgt:
„ 10. Teilung, Belastung und Übertragung von Geschäftsanteilen
10.1. Die Übertragung, Teilung und Belastung von Geschäftsanteilen bedarf der Zustimmung der Gesellschaft, die durch Beschluss der Gesellschafter, bei dem auch der abtretungswillige Gesellschafter stimmberechtigt ist und der einer Mehrheit von zumindest Dreiviertel der abgegebenen Stimmen bedarf, erteilt wird. Der Beschlussfassung sind die genaue Bezeichnung des Übernehmers sowie die konkreten Übernahmebedingungen zugrunde zu legen. Ausdrücklich festgehalten wird, dass dieses Zustimmungserfordernis eine Vinkulierung im Sinne von § 76 Absatz 4 GmbHG darstellt. Für eine Übertragung des Geschäftsanteiles an eine mindestens im 75 % Eigentum stehende Gesellschaft eines Gesellschafters gilt die Zustimmung als erteilt.
10.2. ... Der abtretungswillige Gesellschafter hat im Falle einer gänzlichen Abtretung seinen gesamten Geschäftsanteil und im Falle einer teilweisen Abtretung den entsprechenden Teil seines Geschäftsanteils den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung schriftlich anzubieten und die Geschäftsführung darüber schriftlich zu informieren ... Den übrigen Gesellschaftern steht dann ... ein Vorkaufsrecht zu den Bedingungen zu, zu denen die Übertragung an den Dritten erfolgen würde. Für den Fall, dass die Gegenleistung sich nicht in Geld bemisst, ist die Gegenleistung in Geld zu bewerten. Für den Fall, dass die Übertragung unentgeltlich ist, ist der Geschäftsanteil des abtretungswilligen Gesellschafters nach Punkt 12. zu bewerten. Einigen sich der abtretungswillige Gesellschafter und die übrigen Gesellschafter nicht über den Wert, so ist die Bewertung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in sinngemäßer Anwendung des Punkt 11.3. durchzuführen. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechtes beginnt ...
11. Abtretungsverpflichtungen/Aufgriffsrechte
11.1. Ist einer der nachfolgenden Tatbestände (Aufgriffstatbestand) verwirklicht, steht den übrigen Gesellschaftern an dem Geschäftsanteil (oder Teil desselben, der vom Aufgriffstatbestand betroffen ist) desjenigen Gesellschafters, in dessen Person einer der nachfolgenden Tatbestände verwirklicht ist (abtretungspflichtiger Gesellschafter) ein Aufgriffsrecht nach Maßgabe nachstehender Bedingungen zu:
11.1.1. Rechtskräftige Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Form des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters;
11.1.2. Rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens;
11.1.3. Rechtskräftige Bewilligung der Befriedigungsexekution auf den Geschäftsanteil eines Gesellschafters zur Hereinbringung offener Forderungen, soweit die Exekution nicht innerhalb von 6 Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Exekutionsbewilligungs-beschlusses oder binnen einem Monat nach Beendigung eines bezughabenden Oppositions‑/Impugnations‑/Exszindierungs-prozesses eingestellt wird;
11.1.4. Rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes gemäß § 77 GmbHG, mit der die fehlende Zustimmung zur Übertragung oder Verpfändung gemäß Punkt 10.1. ersetzt wird;
11.1.5. Die erfolgte Übertragung (aufgrund Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge, sei es unter Lebenden oder von Todes wegen) eines Geschäftsanteiles eines Gesellschafters ungeachtet der absoluten Wirkung des Übertragungsverbotes gemäß Punkt 10.1. rechtswirksam sein sollte und bei einer Übertragung von Todes wegen binnen 2 Monaten nach Einantwortung kein Zustimmungbeschluss nach Punkt 10.1. erteilt wird;
11.1.6. Eine Verkaufsanzeige nach 10.2 übermittelt wird;
11.1.7. Kündigung durch den Gesellschafter;
11.1.8. Beschluss der übrigen Gesellschafter, einen Gesellschafter nach Punkt 13. auszuschließen;
...
11.4. Erklärt jedoch im Falle des Punktes 11.1.5. der übernahmewillige Dritte, dass er bereit ist, auch sämtliche Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter zu denselben Bedingungen, wie die Veräußerung des Geschäftsanteiles des abtretungswilligen Gesellschafters erfolgen soll, übernehmen zu wollen, und übermittelt der übernahmewillige Dritte eine beglaubigte Abschrift des mit dem übernahmewilligen Dritten abgeschlossenen notariellen Abtretungsvertrages und gleichzeitig jeweils ein an sämtliche übrigen Gesellschafter gerichtetes notarielles Anbot auf Erwerb deren gesamter Anteile zu denselben Bedingungen mit einer Bindungsfrist von zumindest 60 Tagen, so ist der Abtretungspreis nicht mittels Schiedsgutachtens zu ermitteln, sondern entspricht der Abtretungspreis und die Bedingungen für die Abtretung für den Fall, dass das Aufgriffsrecht dennoch ausgeübt wird, denselben Bedingungen, wie die Abtretung an den übernahmewilligen Dritten erfolgt wäre ...
12. Abtretungspreis
12.1. Greifen die Gesellschafter einen Geschäftsanteil nach Punkt 11. auf und gelangt nicht Punkt 11.4. zur Anwendung, so errechnet sich der zu leistende Abtretungspreis nach dem Fachgutachten KFS/BWI des Fachsenates für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder nach einem allenfalls an seine Stelle tretenden Fachgutachten. Der Abtretungspreis entspricht dabei dem, dem Geschäftsanteil anteilsmäßig entsprechenden, nach den Grundsätzen des Fachgutachtens zu ermittelnden Unternehmenswert, wobei im Falle der Punkte 11.1.7. und 11.1.8. ein Abschlag in der Höhe von 50 % vorzunehmen ist ...
12.2. Im Falle eines vor dem 1. 7. 2015 liegenden Abtretungsstichtages entspricht der Abtretungspreis dem anteiligen Buchwert des ausgewiesenen Eigenkapitals (§ 224 Abs 3 A I‑IV UGB) zuzüglich allfälliger unversteuerter Rücklagen (§ 224 Abs 3 B UGB) zu dem dem Abtretungsstichtag unmittelbar vorangehenden Regelbilanzstichtag, es sei denn, dass der Abtretungsstichtag ohnedies mit einem solchen zusammenfällt.“
In der Neufassung laut Generalversammlungs-protokoll vom 6. 10. 2014 soll Punkt 12.1. nun wie folgt lauten:
„12.1. Greifen die Gesellschafter einen Geschäftsanteil nach Punkt 11. auf und gelangt nicht Punkt 11.4. zur Anwendung, so errechnet sich der zu leistende Abtretungspreis nach dem Fachgutachten KFS/BWI des Fachsenates für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder nach einem allenfalls an seine Stelle tretenden Fachgutachten. Der Abtretungspreis entspricht dabei dem Geschäftsanteil anteilsmäßig entsprechenden, nach den Grundsätzen des Fachgutachtens zu ermittelnden Unternehmenswert wobei im Falle der Punkte 11.1.1., 11.1.2., 11.1.3., 11.1.7. und 11.1.8 ein Abschlag in Höhe von 50 % vorzunehmen ist ...“
Das Erstgericht wies das Eintragungsgesuch ab. Im Fall des Konkurses würden Gläubiger nur die Hälfte des Verkehrswerts erhalten. Dies sei schon deshalb sittenwidrig, weil kein redlicher Mensch bewusst seine Gläubiger benachteilige. Außerdem sei es sittenwidrig, dass die aufgriffsberechtigten Gesellschafter aus der Notsituation des insolventen Gesellschafters zu Lasten von dessen Gläubigern einen Vorteil dadurch erzielten, dass sie den Geschäftsanteil um die Hälfte des wahren Werts erwerben könnten.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Nach herrschender Ansicht sei eine Regelung in der Satzung einer GmbH wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig, wenn sie den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Insolvenzeröffnung oder Gläubigerkündigung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränke. Eine Benachteiligung der Gläubiger eines ausscheidenden Gesellschafters liege nur dann nicht vor, wenn sämtliche Fälle des freiwilligen und nicht freiwilligen Ausscheidens gleich behandelt würden. Nur dann sei sichergestellt, dass alle Personengruppen, die zu den Profiteuren aus der Geltendmachung einer Abfindungsregelung zählen würden, wirtschaftlich gleich gestellt seien. Dass die Neufassung der Satzung aufgrund der sittenwidrigen Gläubiger-benachteiligung nichtig sei, stelle ein von Amts wegen wahrzunehmendes Eintragungshindernis dar. Hinzu komme, dass im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer GmbH eine Abtretungsverpflichtung zu Lasten des Masseverwalters nicht wirksam vereinbart werden könne, weil dieser im Konkurs des Gesellschafters gemäß § 26 Abs 3 IO an einen Antrag, den der Gesellschafter an seine Mitgesellschafter vor der Insolvenzeröffnung gestellt habe, nicht gebunden sei.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Sittenwidrigkeit von gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkung wegen Gläubigerbenachteiligung noch keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege. Ebensowenig habe das Höchstgericht bisher zur Frage Stellung genommen, ob eine Abtretungsverpflichtung des Masseverwalters im Konkurs eines Gesellschafters mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 26 Abs 3 IO im Gesellschaftsvertrag wirksam vereinbart werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Regelt der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Abfindung ausscheidender Gesellschafter nicht, so hat der ausscheidende Gesellschafter Anspruch auf den vollen Wert ‑ den Verkehrswert ‑ des Geschäftsanteils (Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 Anh § 71 Rz 17; 6 Ob 142/05h mwN). Die Frage, inwieweit hier Raum für abweichende Regelungen durch den Gesellschaftsvertrag besteht, wird in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
2.1. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 142/05h ausgesprochen, dass eine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung dann vorliegt, wenn eine Klausel den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränkt, wobei der Fall der Kündigung der Gesellschaft durch den Gesellschafter kein in diesem Sinne „vergleichbarer“ Fall ist.
2.2. Der Grund dafür liege darin, dass der Gesellschafter nicht kündigen müsse, um aus der Gesellschaft auszuscheiden, sondern seinen Geschäftsanteil an einen Mitgesellschafter oder mit ‑ gemäß § 77 GmbHG gerichtlich ersetzbarer ‑ Zustimmung der übrigen Gesellschafter an Dritte veräußern und so den vollen Wert seines Geschäftsanteils realisieren könnte. Auch Gläubiger eines Gesellschafters seien im Exekutionsverfahren ‑ anders als bei einer offenen Gesellschaft (§ 135 UGB) ‑ nicht auf eine Kündigung der Gesellschaft angewiesen. Sie könnten trotz der Vinkulierung den Geschäftsanteil pfänden und zum Schätzwert verkaufen lassen (6 Ob 142/05h).
2.3. An dieser Entscheidung hat der erkennende Senat in der Folgeentscheidung 6 Ob 150/08i festgehalten und darauf hingewiesen, dass Aufgriffsrechte im Gesellschaftsvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig sein können, was insbesondere dann naheliege, wenn der für den Fall des Konkurses oder der Zwangsvollstreckung vorgesehene Preis sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen unterscheide.
3.1. In der Literatur wird vielfach ein erheblicher Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Festlegung des Abfindungspreises angenommen (vgl etwa Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 71 Rz 18). Allerdings betonen mehrere Autoren, dass eine Abfindungsklausel wegen Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig und unwirksam sein kann (Rauter in Wiener Kommentar GmbHG § 76 Rz 138/2). Auch Koppensteiner/Rüffler (aaO Anh § 71 Rz 18) räumen bei einem Ausschluss ohne wichtigen Grund ein, dass es sittenwidrig sei, einen derartigen Ausschluss an eine Buchwertklausel zu koppeln.
3.2. Nach verbreiteter Auffassung reicht aus, dass auch für einen Ausschluss aus wichtigem Grund derselbe reduzierte Abfindungsbetrag vorgesehen sei (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 71 Rz 18; Rauter in Wiener Kommentar GmbHG § 75 Rz 137 mwN).
3.3. Die Entscheidung 6 Ob 142/05h wurde im Schrifttum teilweise kritisiert und die Auffassung vertreten, dass eine für den Fall der Konkurseröffnung vorgesehene Reduktion des Entgeltanspruchs auf weniger als den Verkehrswert schon dann zulässig sei, wenn ein solcher auch für die Kündigung der Gesellschaft vorgesehen sei (Wenger, RWZ 2007/40; Höller, GesRZ 2007, 258; Umlauft, GesRZ 2009, 4; derselbe NZ 2012/110).
3.4. Kalss/Eckert (Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, in Kodek/Konecny, Insolvenz‑Forum 2007, 65 [95]) betonen die sich aus § 879 ABGB ergebenden Grenzen. Entscheidend sei, dass der Gesellschafter nicht mehr die Wahl habe, seinen Anteil zum vollen Wert zu veräußern. Zulässig sei daher eine Buchwertklausel, die neben dem Insolvenzfall auch für den Fall des Ausschlusses aus wichtigem Grund vereinbart worden sei, ebenso, wenn der gesellschaftsvertraglich vereinbarte niedrigere Aufgriffspreis auch für die Anteilsübertragung vereinbart werde, dh wenn es für den Aufgriff anlässlich einer beabsichtigten Anteilsübertragung nicht auf den vom Dritten angebotenen Preis ankomme; auch in diesem Fall habe der Gesellschafter eben nicht die Wahl der Veräußerung zum vollen Wert (Kalss/Eckert aaO 98; zustimmend Rauter in Wiener Kommentar GmbHG § 75 Rz 137).
3.5. Teilweise wird in der Literatur hingegen die Auffassung vertreten, dass selbst eine Gleichbehandlung von Exekution, Insolvenz, Ausschluss und Kündigung noch nicht ausreiche, weil der Gesellschafter dann immer noch die Möglichkeit habe, seinen Anteil zu verkaufen (vgl Umfahrer, Aufgriffsrechte, Abfindungsregelungen und Vinkulierungsbestimmungen als Gestaltungsinstrumente im GmbH‑Gesellschaftsvertrag, in 100 Jahre GmbH, 30; Trenker, JBl 2012, 289).
3.6. Nach Umfahrer müssten Fälle des freiwilligen und nicht freiwilligen Ausscheidens eines Gesellschafters gesellschaftsvertraglich für Zwecke der Bestimmung des Abfindungspreises gleich behandelt werden, jedoch könne der Abfindungspreis nicht unter 50 % des Verkehrswerts des betroffenen Geschäftsanteils gesenkt werden.
3.7. Nach anderen Autoren (Umlauft, GesRZ 2009, 4 [8 ff]; Fragner, Aufgriffsrecht 111 ff unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Kletečka, Aufgriffsrechte, Optionsrechte und Anbote im Konkurs, GesRZ 2009, 82 [87]) sei § 76 Abs 4 GmbHG auf Aufgriffsrechte zu erstrecken. Die darin enthaltene Regelung sei eine verallgemeinerungsfähige „Grundwertung des Gesetzgebers“. Das Gesetz normiere eine zwischen den Interessen der Gesellschaft und demjenigen des Gesellschafters bzw seiner Gläubiger ausgleichende Lösung: die Vinkulierung bleibt zwar aufrecht, die Masse erhält aber den Schätzwert. Damit sei dem Masseverwalter die dem veräußernden Gesellschafter außerhalb von Exekution und Insolvenz offenstehende Möglichkeit verwehrt, einen Käufer zu suchen, der mehr als den Schätzwert bietet, den dann der von der Gesellschaft namhaft gemachte Erwerber (vgl § 77 letzter Satz GmbHG) zu akzeptieren hätte ( Kletečka, aaO, 87; Umlauft , GesRZ 2009, 7). Der § 76 Abs 4 GmbHG zu entnehmende Interessenausgleich bestehe gerade darin, einerseits die gesellschaftsvertragliche Klausel auch im Konkurs bestehen zu lassen (Gesellschafterinteresse), auf der anderen Seite der Masse den Schätzpreis (Gläubigerinteresse) zu sichern. Diese gesetzgeberische Wertung dürfe bei der Prüfung von Aufgriffsrechten nicht vernachlässigt werden ( Kletečka aaO).
3.8. Nach Trenker (GmbH-Geschäftsanteile in Exekution und Insolvenz, JBl 2012, 281) seien Aufgriffspreisbeschränkungen in der Exekution oder Insolvenz des Gesellschafters nicht nur dann unwirksam, wenn sie im Wesentlichen nur für den Fall der Insolvenzeröffnung getroffen wurden; vielmehr seien sie sittenwidrig, sofern sie nicht auch für jede Konstellation des sonstigen Ausscheidens vereinbart würden.
3.9. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt es für die Zulässigkeit einer derartigen Klausel, dass die Satzung für vergleichbare Fälle die gleiche Regelung treffe. Dies sei dann der Fall, wenn sich der Gesellschafter außer im Fall der Anteilspfändung auch bei seiner Ausschließung aus wichtigem Grund mit einem Einziehungsentgelt begnügen müsse, das ohne Ansatz eines Geschäftswerts zu berechnen sei (BGH II ZB 12/73 Rz 15; BGH II ZR 73/99). Dieser Auffassung haben sich in Österreich unter anderem Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ Anh § 71 Rz 18) angeschlossen.
4.1. Nach neuerlicher Prüfung findet der erkennende Senat keinen Grund, von der in der Entscheidung 6 Ob 142/05h zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht abzugehen.
4.2. Bereits in dieser Entscheidung hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, dass dem Gesellschafter außerhalb seines Konkurses die Möglichkeit der Veräußerung seines Anteils offen stehe; diese Möglichkeit sei dem Gesellschafter im Anlassfall genommen worden. Durch die Normierung eines Aufgriffsrechts gezielt für den Insolvenzfall werden die Gläubiger im Fall der Insolvenz eines Gesellschafters schlechter gestellt als sie außerhalb der Insolvenz stünden. Damit wird die Befriedigung der Gläubiger gerade in einer Situation beeinträchtigt, in der sie auf den Zugriff auf den durch die Gesellschaftsanteile repräsentierten Vermögenswert am meisten angewiesen sind. Ein redlicher Schuldner würde eine derartige Vereinbarung nicht abschließen, weil sich diese Vereinbarung nur zu Lasten der Befriedigung der Gläubiger auswirkt, dem aber kein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gegenübersteht.
4.3. Nach der Literatur bezwecken Buchwertklauseln in aller Regel die Förderung der Rechtssicherheit und die Vereinfachung der Berechnung der Abfindung (Koppensteiner/Rüffler aaO Anh § 71 Rz 18). Das Argument der Vereinfachung der Berechnung vermag im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht zu tragen, weil für die nunmehr vorgesehene Begrenzung des Entgeltanspruchs des Gesellschafters auf die Hälfte des Verkehrswerts zunächst ohnedies der Verkehrswert ermittelt werden müsste. Im Vergleich zur Stammfassung des Gesellschaftsvertrags führt die neue Regelung daher nicht zu einer Vereinfachung, sondern erfordert vielmehr einen zusätzlichen, wenn auch einfachen Rechenschritt. Anders als bei einer Buchwertklausel greift bei der vorliegenden Klausel das Vereinfachungsargument daher nicht. Gleiches gilt für das Argument der Rechtssicherheit, ist doch nicht zu erkennen, inwiefern durch die nunmehr vorgesehene Halbierung des nach derzeitigen Regelung maßgeblichen Verkehrswerts ein Gewinn an Rechtssicherheit liegen soll.
4.4. Nicht überzeugend ist auch der Einwand, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, auf den bei der Prüfung der Gültigkeit abzustellen ist, typischerweise kein Missverhältnis zwischen Wert der Einlage und Abfindungsbetrag vorliege (Koppensteiner/Rüffler aaO Anh § 71 Rz 18 mwN), weil das Entstehen eines Firmenwerts und von stillen Reserven in aller Regel vorhersehbar ist (dies räumen auch Koppensteiner/Rüffler aaO Anh § 71 Rz 18 aE ein).
4.5. Überzeugend erscheint im vorliegenden Zusammenhang hingegen der Hinweis auf die aus § 76 Abs 4 GmbHG, der die exekutive Verwertung eines vinkulierten Gesellschaftsanteils regelt, zu entnehmende Wertung. Daraus ergibt sich zweifelsfrei die Wertung des Gesetzes, dass die Gläubigerbefriedigung den Interessen der Gesellschaft vorgeht und die Gläubiger jedenfalls den Schätzwert des Anteils erhalten sollen.
4.6. Die Entscheidung 3 Ob 223/11g, wonach § 76 Abs 4 GmbHG auf Aufgriffsrechte nicht anzuwenden ist, weil diese kein ‑ einer Vinkulierung vergleichbares - Vetorecht, sondern nur ein Vorkaufsrecht darstellen, steht dem nicht entgegen, weil diese Entscheidung nur die Frage des Schutzes eines (Mit‑)Gesellschafters betraf. Im vorliegenden Zusammenhang geht es demgegenüber um die auf allgemeiner Ebene zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung, dass die Gläubigerbefriedigung Vorrang vor Gesellschaftsinteressen hat.
4.7. Im Rahmen der für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit erforderlichen Gesamtabwägung ist auch zu beachten, dass die Insolvenz eines Gesellschafters bei der GmbH für die Gesellschaft weniger nachteilig ist als bei einer Personengesellschaft, weil die Gesellschafter nicht persönlich haften, sodass die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft nicht in gleichem Ausmaß von jener der Gesellschafter abhängt. Auch ist bei der Veräußerung eines Geschäftsanteils weder Bestand noch Liquidität der Gesellschaft tangiert, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine sachliche Rechtfertigung für eine Beschränkung des Entgeltanspruchs des Gesellschafters erkennbar ist.
4.8. Soweit der BGH darauf verweist, die Gesellschaft und die Gesellschafter hätten ein legitimes Interesse daran, das Eindringen eines Fremden in die Gesellschaft zu verhindern (BGH II ZR 12/73 Rz 15), ist dem entgegenzuhalten, dass die Gesellschaft und die Gesellschafter ein derartiges Eindringen auch außerhalb der Insolvenz hinnehmen müssen. Wenn der Gesellschafter seinen Anteil frei veräußern kann, muss dies auch außerhalb der Insolvenz hingenommen werden. Dem Schutz vor Veränderungen im Stand der Gesellschafter dient die Vinkulierung, die aber nach § 76 Abs 4 GmbHG gerade nicht die Erzielung des Schätzwerts für die Gläubiger verhindert.
4.9. Damit erweist sich die begehrte Satzungsänderung ‑ wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben ‑ aber als unzulässig. Rechtsfolge der dargelegten Sittenwidrigkeit ist die Nichtigkeit der betreffenden Satzungsbestimmung (§ 879 Abs 1 ABGB). Diese durch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung begründete Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen (6 Ob 142/05h) und begründet ein Eintragungshindernis (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG § 15 Rz 33; 6 Ob 142/05h).
5.1. Damit kommt es im vorliegenden Fall auf die im Schrifttum unterschiedlich beantwortete Frage, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters überhaupt vereinbart werden können oder ob einer solchen Regelung in der Satzung § 26 Abs 3 IO entgegensteht (für Anwendbarkeit des § 26 Abs 3 IO Weber‑Wilfert/Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert § 26 KO Rz 91 ff; ebenso die überwiegende Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz, vgl Umlauft, GesRZ 2009, 6; dagegen Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Anh § 76 Rz 10; Kletečka, GesRZ 2009, 82 ff;vgl auch Kalss/Eckert, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, in Kodek/Konecny, Insolvenz‑Forum 2007 65 [95 ff]; für Einschränkung auf den Fall, dass der Abfindungspreis dem Verkehrswert entspricht Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 423; Fantur, GeS 2007, 188; offen gelassen in 6 Ob 21/79; 6 Ob 241/98d und 6 Ob 142/05h; für Anwendbarkeit des § 26 Abs 3 IO auf Kaufoptionen aber 8 Ob 4/92), nicht an.
5.2. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass im vorliegenden Fall der Gesellschaftsvertrag bereits in der Stammfassung ein Aufgriffsrecht für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters vorsah, allerdings noch zum vollen Verkehrswert. Die einzige Änderung, die nunmehr vorgenommen wurde, liegt darin, den Übernahmepreis unter anderem für diesen Fall auf die Hälfte zu reduzieren. Damit liegt aber in der grundsätzlichen Normierung eines Aufgriffsrechts für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters gar keine im Eintragungsverfahren zu prüfende Änderung des Gesellschaftsvertrags vor (vgl 6 Ob 271/03a).
6.1. Ebenso wenig bedarf es eines Eingehens auf die vom Rekursgericht weiters herangezogene Begründung, wonach der Insolvenzverwalter von der Abtretungsverpflichtung ‑ selbst wenn man diese für zulässig erachten würde ‑ als zweiseitig noch nicht erfülltem Vertrag zurücktreten könne. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass Gesellschaftsverträge von § 21 IO nicht erfasst sind, weil sie keine synallagmatischen Verträge sind (7 Ob 2097/96z).
6.2. Die Rekursausführungen zur Anwendbarkeit der §§ 25a, 25b IO gehen ins Leere, weil das Rekursgericht die Abweisung des Eintragungsbegehrens nicht mit den zitierten Bestimmungen begründet hat. Auf diese in der Literatur unterschiedlich beantwortete Frage (für Anwendbarkeit im Gesellschaftsrecht Fichtinger/Foglar-Deinhardstein, Die Zulässigkeit von Lösungsklauseln für den Insolvenzfall nach dem IRÄG 2010, insbesondere bei Kreditgeschäften, ÖBA 2010, 818; Konecny, Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, ZIK 2010, 82 [86]; Leupold, Das IRÄ‑BG ‑ Überblick und ausgewählte Fragen, ZIK 2010, 167 [170 f]; Schmidsberger, Gestaltung von GmbH-Verträgen [2011] 61 f; Umlauft, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Gesellschafters, NZ 2012, 289 [292 ff]; dagegen Eckert, Insolvenz von Gesellschaftern, in Konecny, Insolvenzforum 2010, 59 [63 ff]; Fellner, Auswirkungen des IRÄG 2010 auf gesellschaftsvertraglich verankerte Aufgriffsrechte, RdW 2010, 259; Taufner, Gesellschaftsvertragliche Ausschluss- und Aufgriffsrechte nach dem IRÄG 2010, GesRZ 2011, 157 ff; Trenker, GmbH‑Geschäftsanteile in Exekution und Insolvenz JBl 2012, 281 [287 f]; Wildhalm‑Budak, Verhinderung der Vertragsauflösung und unwirksame Vereinbarungen, in Konecny, ZIK Spezial ‑ IRÄG 2010, 23 [27]) ist daher im vorliegenden Fall nicht weiter einzugehen.
7. Zusammenfassend erweisen sich somit die Entscheidungen der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
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