Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 834,48 EUR (darin 139,08 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Ein Filmteam drehte auf dem Gelände der Donauinsel in Wien Pornoszenen mit Laiendarstellern. Die sexuellen Handlungen (ua Oralverkehr) wurden in der Öffentlichkeit ausgeführt, und zwar unter den Augen von Passanten auf Wegen sowie auch vor bzw in zwei Gastwirtschaftslokalen der klagenden KEG vor dem Personal bzw überraschten Gästen. Mitarbeiter des beklagten ORF begleiteten das Filmteam und filmten ihrerseits das Geschehen. Der Beklagte gestaltete einen im Juli im Fernsehen ausgestrahlten Beitrag zum Thema „Sex in der Öffentlichkeit". In diesem Beitrag wurden einzelne Sexszenen gezeigt, weiters aber auch die Arbeit des Filmteams und die Reaktionen der Zuschauer. Dazwischen wurden Interviews mit der „Hauptdarstellerin", die sich als Exhibitionistin bezeichnete, sowie mit einer Psychologin, einem Passanten und dem Produzenten des Pornofilms eingeschaltet. Eine Sexszene wurde unmittelbar vor bzw in einem Geschäftslokal der Klägerin gefilmt. Aufgrund der gezeigten Örtlichkeit und insbesondere wegen des gefilmten Personals der Gastwirtschaft war die Klägerin (zumindest für Stammkunden und besondere Kenner der Örtlichkeit) identifizierbar. Einer der beiden Angestellten der Klägerin verwies das Kamarateam und die Darsteller des Lokals, was im Film des Beklagten auch gezeigt wurde.
Die Klägerin begehrt mit ihrer auf § 1330 ABGB gestützten Klage und mit dem im Wesentlichen gleichlautenden Sicherungsantrag die Unterlassung der Veröffentlichung der ohne ihre Zustimmung in ihren beiden Geschäftslokalen aufgenommenen und in drei Fernsehsendungen ausgestrahlten Pornoszenen. Das Filmteam habe im Bereich des Lokals der Klägerin eine Pornoszene gedreht. Ein Mitarbeiter der Klägerin habe die Darsteller und das Filmteam verjagt. Daraufhin habe sich das Filmteam in das zweite Lokal der Klägerin begeben. Dort seien die Pornoszenen weitergedreht worden, bis das Filmteam neuerlich „verjagt" worden sei. Die Klägerin, deren persönlich haftender Gesellschafter Necmi U***** sei, habe keine Zustimmung zu den Filmaufnahmen erteilt. Im Fernsehprogramm des ORF am 28. 7. um 18.30 Uhr und weiters in der Wiederholung am 29. 7. um 02.10 Uhr nachts und schließlich in der Wiederholung am 29. 7. um 11.20 Uhr vormittags sei ein Beitrag unter dem Titel „Sex in der Öffentlichkeit" ausgestrahlt worden. Dieser Beitrag sei im Internetprogramm der Beklagten unter Hinweis auf den „ultimativen Tabubruch" angekündigt worden. Im Film des Beklagten seien die Sexhandlungen, auch wenn die Geschlechtsteile der handelnden Personen nicht sichtbar gewesen seien, völlig zweifelsfrei erkennbar gewesen. Im Lokal der Klägerin sei ein Oralverkehr durchgeführt worden. Die Gäste des Lokals seien schockiert gewesen. Zwei Mitarbeiter der Klägerin hätten das Filmteam sofort des Lokals verwiesen. Der ORF habe das Filmteam begleitet, im ausgestrahlten Film seien die Pornoszenen in den Gastronomiebetrieben der Klägerin deutlich erkennbar gewesen. Necmi U***** sei noch in der Nacht vom 28. 7. auf den 29. 7. 2004 von verschiedenen Personen auf den Pornofilm angesprochen und gefragt worden, wie er denn „so etwas Ungeheuerliches zulassen" könne. Die gedrehten Pornoszenen seien als öffentliche unzüchtige Handlungen iSd § 218 StGB zu qualifizieren. Ein Teil des angesprochenen Fernsehpublikums habe den Eindruck erlangen können, dass die Klägerin es billige, dass öffentliche Pornoszenen gedreht werden. Die Klägerin bzw ihr persönlich haftender Gesellschafter werde in den Augen der Öffentlichkeit zum Beitragstäter einer gerichtlich strafbaren Handlung abgestempelt. Der Gesellschafter sei Moslem. Seine Familienangehörigen und zahlreiche Freunde, aber auch die Kunden seiner Lokale empfänden die unzüchtigen Handlungen als besonders unehrenhaft. Die Wertschätzung des Unternehmens sei bedroht. Die Fernsehsendung des Beklagten sei ehrverletzend und tatbildlich iSd § 1330 Abs 1 ABGB. Der implizite Vorwurf, das Verhalten der Darsteller und des Filmteams werde in Lokalen der Klägerin gebilligt, beeinträchtige den Kredit und Erwerb der Klägerin. Das Gastronomieunternehmen werde zum Pornolokal abgestempelt und verliere das Vertrauen seiner Kunden. Die Veröffentlichungen des Beklagten seien kreditschädigend und verwirklichten auch das Tatbild des § 1330 Abs 2 ABGB. Selbst wenn kein Fernsehzuseher auf die Idee kommen könnte, der Klägerin Mitverantwortung für die in ihrem Lokal stattfindenden Pornoszenen zu unterstellen, sei die Veröffentlichung ohne Zustimmung des Betreibers ein Ausdruck schwerwiegender Missachtung gegenüber dem Betreiber des Lokals. Bei Eingriffen in Persönlichkeitsrechte bestehe wegen der Möglichkeit einer mit der Ehrenbeleidigung verbundenen Kränkung und gesellschaftlichen Ächtung ein unwiederbringlicher Schaden. Einer Gefahrenbescheinigung bedürfe es nicht. Die Klägerin habe Anspruch auf Unterlassung der ehrverletzenden und kreditschädigenden Veröffentlichungen.
Zum Feststellungsbegehren führte die Klägerin noch aus, dass der Beklagte schuldhaft gehandelt habe. Sein Verhalten stelle geradezu eine vorsätzliche Beleidigung und schwerwiegende Herabsetzung der Klägerin und ihres persönlich haftenden Gesellschafters, aber auch des Kulturkreises dar, in dem die Klägerin als „Kebab-Lokal" stehe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Beklagte habe durch die Veröffentlichung des Beitrags „Sex in der Öffentlichkeit" den Tatbestand des § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB nicht verwirklicht. Er habe sich in seinem Beitrag nicht billigend mit den gezeigten Darstellern und dem Filmer identifiziert, sondern lediglich einen objektiven Bericht über tatsächliche Geschehnisse veröffentlicht. Die Klägerin betreibe auch die beiden Lokale, die im Rahmen des Beitrags zu sehen gewesen seien, nicht mehr. Sie könne durch die Veröffentlichung daher nicht beschwert sein. Sie führe in anderen Bezirken in Wien lediglich zwei Imbissstuben. Aufgrund der örtlichen Entfernung sei eine Gefährdung dieser Geschäftsbetriebe nicht erkennbar. Aus dem Filmbeitrag des Beklagten sei für die Zuseher klar hervorgegangen, dass der Lokalbetreiber (die Klägerin) keine Genehmigung für die produzierten Darstellungen erteilt habe. Aus den Textstellen und den einzelnen Beitragsteilen ergebe sich die fehlende Zustimmung des Lokalbetreibers für den Zuseher einwandfrei. Im Film sei der Außenbereich des Straßenlokals der Klägerin nur im Rahmen eines kurzen Kamaraschwenks zu sehen gewesen. Für den Zuseher habe sich zweifelsfrei ergeben, dass im öffentlichen Gassenbereich vor Lokalen Filmaufnahmen einer Pornoproduktion zu sehen seien. Der Beklagte habe keinerlei Einfluss auf die Handlungen der Akteure und des Pornoteams gehabt. Er sei lediglich passiver Beobachter gewesen und habe einen kritischen Beitrag zum Thema veröffentlicht. Die Klägerin werde durch den Beitrag weder in ihrer Ehre beleidigt noch im Kredit und Erwerb gefährdet. An der Berichterstattung bestehe ein öffentliches Interesse. Der Beklagte sei dem öffentlich-rechtlichen Auftrag auf Information der Allgemeinheit und Berichterstattung über Themen allgemeinen öffentlichen Interesses im Rahmen des Grundrechts auf freie Mitteilung von Nachrichten iSd Art 10 MRK nachgekommen. Wenn eine Ehrenbeleidigung durch die Wiedergabe eines wahren Inhalts vorliegen sollte, ergäbe die erforderliche Interessenabwägung die Zulässigkeit der Berichterstattung. Die Klägerin könne gegen die Pornodarsteller und den Pornofilmproduzenten vorgehen. Dem Beklagten sei jedoch kein Vorwurf zu machen. Er habe die soziale Wertstellung der Klägerin innerhalb ihrer Gemeinschaft nicht beeinträchtigt. Der Filmbeitrag zeige das stattgefundene hemmungslose Filmen an zahlreichen Orten in der Öffentlichkeit durch Pornofilmer. Nach dem Gesamteindruck des Beitrags hätten die Zuseher keinen Eindruck eines Verhaltensvorwurfes an die Klägerin gewonnen. Die Geschäftslokale der Klägerin seien bloß ein willkürlich gewählter Hintergrund der Handlung. Bei einer auf die Person des haftenden Gesellschafters der Klägerin bezogenen Ehrenbeleidigung oder Kreditschädigung mangle es der KEG an der Aktivlegitimation. In der Veröffentlichung des Beitrags liege aber auch keine Missachtung oder Demütigung der Person des Lokalbetreibers.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mit der Begründung ab, dass die erforderliche Wiederholungsgefahr deshalb zu verneinen sei, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Klageeinreichung die zwei Geschäftslokale nicht mehr betrieben habe und nur zwei Lokale in zwei anderen Bezirken in Wien betreibe. Eine Kreditschädigung der Klägerin sei daher nur denkbar, wenn davon auszugehen sei, dass sich die Herabsetzung der beiden Betriebe auf der Donauinsel auch auf die von der Klägerin noch geführten Lokale auswirke. Dies sei zu verneinen. Eine Identifizierung der im Film des Beklagten gezeigten Lokale sei nur denjenigen möglich, denen das gezeigte Personal bekannt und erinnerlich sei. Der Personenkreis sei sehr klein, weil eine genaue Kenntnis des Zusammengehörens der Betriebe nötig sei. Grundsätzlich könne auch eine juristische Person in ihrer Ehre verletzt werden. Eine KEG sei eine „quasi juristische Person". Eine Gesellschaft könne aber nur klagen, wenn sie und nicht nur ihr Gesellschafter in ihrer Ehre oder ihrem Kredit berührt worden sei. Angriffe gegen den persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft könnten deren Ehre nur dann berühren, wenn sie die soziale Wertstellung der juristischen Person beeinträchtigten. Der Unterlassungsanspruch bestehe mangels Wiederholungsgefahr nicht.
Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrags mit anderer Begründung. Es teilte zunächst die Auffassung des Erstgerichts, dass schon nach den Klagebehauptungen hervorgehe, dass die beiden Betriebe auf der Donauinsel von der Klägerin nicht mehr geführt werden. Soweit im Rekurs der Klägerin darauf verwiesen werde, dass dies nur für die Wintermonate der Fall sei, handle es sich um eine unzulässige Neuerung. Ungeachtet der Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sei der Unterlassungsanspruch aber schon deshalb nicht berechtigt, weil nach dem bescheinigten Sachverhalt aus der Sicht des Durchschnittsfernsehers nach dem Gesamteindruck der Äußerung zweifelsfrei klar gewesen sei, dass sie im Bericht gezeigten sexuellen Handlungen ohne Billigung der Klägerin erfolgt seien und dass die gar keine Möglichkeit gehabt habe, den Handlungen wirksam entgegenzutreten. Im Film sei eingangs gezeigt worden, dass die „Laiendarsteller" vom Kameramann und Pornoproduzenten darauf hingewiesen worden seien, bei Erscheinen der Polizei die Flucht zu ergreifen. In der Folge sei das Filmteam an verschiedenen Orten am Donauufer und in der Lobau zu sehen gewesen, wobei einschlägige Szenen zwischen einer befahrenen Straße und einem Rad-Spazierweg gedreht und Reaktionen von Passanten gezeigt worden seien. Auch bei den Szenen in oder vor dem Lokal der Klägerin seien die Reaktionen der unbeteiligten Betrachter, nämlich des Personals, gezeigt worden. Letztlich habe der Kellner der Klägerin die Akteure des Lokals verwiesen. Daraus sei unzweideutig klar hervorgegangen, dass es um spontanen Exhibitionismus gehe, der eine Zustimmung der Klägerin zu den Drehaufnahmen in ihren Lokalen ausschließe. Niemand hätte den Eindruck gewinnen können, die Klägerin habe ihr Lokal aus freien Stücken zur Verfügung gestellt. Damit fehle dem Unterlassungsanspruch die Grundlage.
Mit ihrem erst über Abänderungsantrag der Klägerin gemäß § 500 Abs 2 Z 3, §§ 508, 528 Abs 2a ZPO und § 402 EO vom Rekursgericht für zulässig erklärten Revisionsrekurs beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass ihrem Sicherungsantrag stattgegeben werde.
Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar wegen der notwendigen Ergänzung der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts zulässig, aber nicht berechtigt.
Vor Eingehen auf die Rekursausführungen ist klarzustellen, dass das Erstgericht sich bei seiner Ansicht über eine Einstellung der Betriebe der Klägerin auf der Donauinsel geraten „spitzfindig" und ausschließlich auf die Verwendung des Wortes „betrieb" in der Klage stützte. Dies reicht für eine entsprechende Tatsachenfeststellung nicht aus und stellt nur einen nach dem Gesamtzusammenhang der Klage widerleglichen Schluss dar. Die Erläuterungen der Klägerin in ihrem Rekurs über eine regelmäßige Winterpause sind schlüssig und entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keine unzulässigen Neuerungen. Die Abweisung des Sicherungsantrags kann daher nicht mit dem Wegfall der Wiederholungsgefahr begründet werden.
Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch im Verfahren erster Instanz erkennbar ausschließlich auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf Ehre (§ 1330 ABGB) gestützt hat. Primäre Klagsgrundlage ist der von der Klägerin als beleidigend und rufschädigend qualifizierte Eindruck über das Unternehmen, den der Film des Beklagten hervorgerufen haben soll, dass nämlich der maßgebliche „Durchschnittsseher" zur Auffassung gelange, der Betreiber der Gastwirtschaften habe den Filmaufnahmen zugestimmt. Genau dies hat das Rekursgericht nach den getroffenen Feststellungen mit nachvollziehbarer Begründung und ohne Rechtsirrtum verneint. Dies erkennt die Klägerin in ihrem Zulassungsantrag auch selbst, wo sie einräumt, dass zu diesem Thema jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt. Stattdessen versucht die Revisionsrekurswerberin ihren Anspruch auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen:
Zu untersuchen sei, ob nicht die Veröffentlichung der ohne Zustimmung der Klägerin im Geschäftslokal gedrehten Pornoszene das Tatbild des § 115 StGB und damit auch des § 1330 Abs 1 ABGB verwirkliche und ob die „unternehmerische Privatsphäre" iSd Art 8 MRK verletzt worden sei bzw ein Angriff gegen das „allgemeine Persönlichkeitsrecht auf unternehmerische Integrität" vorliege. Diese Fragen ließen sich nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht beantworten. Die Grenzen für die Ausstrahlung von Berichten, bei denen der Beklagte den zu berichtenden Sachverhalt (hier über bewusste Grenzverletzungen - Tabubrüche) aus Gründen der Befriedigung der Sensationslust selbst geschaffen habe, seien mit den Gesichtspunkten des Ehrenschutzes „nicht zufriedenstellend beantwortbar", ebenso auch nicht ein Rückgriff auf den Bildnisschutz (§ 78 UrhG) oder „gar namensrechtliche Überlegungen". Es sei „erforderlich, neue Leitlinien aufzufinden". In der Folge versucht die Rekurswerberin die Ableitung ihres Anspruchs aus § 16 ABGB als Generalklausel. Sexuelle Handlungen in einem öffentlichen Gastronomielokal verwirklichten den Tatbestand der §§ 218, 208 StGB. Der Beklagte verletze den Anspruch auf achtungsvolle Behandlung des anderen und verwirkliche das Delikt nach § 115 StGB. Der persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin sei ein Moslem. Familienangehörige, Freunde und Kunden würden die öffentlich ausgeübten unzüchtigen Handlungen entsprechend ihrer Religion als besonders unehrenhaft empfinden. Zu diesem Rekursvorbringen ist Folgendes auszuführen:
Die ausführliche Wiedergabe des Parteivorbringens der Klägerin im Verfahren erster Instanz im Vergleich zu demjenigen im Revisionsrekursverfahren ist zur Illustration des Umstands erforderlich, dass die Rechtsmittelausführungen im Ergebnis darauf hinauslaufen, eine gutächtliche Stellungnahme dahin zu erhalten, auf welche Rechtsgrundlage (außer derjenigen nach § 1330 ABGB) der Unterlassungsanspruch gestützt werden könnte. Dazu ist jedenfalls das auf eine rasche Enderledigung angelegte Provisiorialverfahren keinesfalls geeignet. Hier kann die Behauptungslast des Sicherungswerbers und seine Pflicht zur Anspruchsbescheinigung nicht soweit reduziert werden, dass es Aufgabe des Gerichts wäre, nach allen Richtungen hin eine denkmögliche Anspruchsgrundlage und deren Voraussetzungen zu suchen. Eine Überwälzung der prozessualen Diligenzpflicht der Partei auf das Gericht ist nicht möglich. Der im Verfahren erster Instanz relevierte Sachverhalt steckt die Grenze der rechtlichen Prüfung ab. Hypothetische Überlegungen, ob bei geändertem oder ergänzendem Sachvorbringen eine weitere Anspruchsgrundlage besteht, als diejenige, die der Kläger ausdrücklich geltend machte, hat das Gericht nicht anzustellen.
Zum Anspruch nach § 1330 ABGB:
1. Die Betroffenheit der Klägerin von der Ausstrahlung des Films mit den Pornoszenen in ihrem Geschäftslokal ist zu bejahen, weil nach den Feststellungen das Geschäftslokal und damit die Unternehmerin selbst identifiziert werden konnten (zur Identifizierbarkeit RIS-Justiz RS0111732; 6 Ob 114/00h = SZ 73/117; 6 Ob 231/01s). Selbst wenn man unterstellt, dass die Veröffentlichung von Pornoszenen im Geschäftslokal auch bei Erkennbarkeit der fehlenden Zustimmung des Betreibers rufschädigend und/oder ehrverletzend sein könnte, scheitert der Unterlassungsanspruch nach § 1330 ABGB hier aber daran, dass die Bildberichterstattung des Beklagten einer wahrheitsgemäßen Tatsachenbehauptung gleichzuhalten ist, die nach gesicherter oberstgerichtlicher Rechtsprechung nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden kann, auf die sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz, aber auch im Revisionsrekursverfahren nur rudimentär beruft. Aus § 1330 Abs 2 ABGB geht zwar hervor, dass das Aufstellen und Verbreiten wahrer kreditschädigender Tatsachenbehauptungen grundsätzlich zulässig ist. Will aber der Mitteilende den Betroffenen offensichtlich kränken oder schädigen, dann ist sein Verhalten sittenwidrig und damit gleichzeitig rechtswidrig. Auch das Verbreiten wahrer Tatsachen kann rechtswidrig in den Schutzbereich des Betroffenen eingreifen. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn dessen Interessen unnötig verletzt werden, also kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder doch des Mitteilungsempfängers vorliegt (RIS-Justiz RS0031649). Dieser erstmals in der Entscheidung 4 Ob 143/90 = MR 1991, 20 = EvBl 1991/61, vertretene Grundsatz ist zwar dogmatisch umstritten, wie in der Entscheidung 6 Ob 161/97p ausführlich dargelegt wurde (vgl Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 1330 mwN; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 47 f). In der Rechtsprechung aber völlig einheitlich vertreten und vom Schrifttum gebilligt wird die Notwendigkeit einer Güterabwägung (6 Ob 11/95, 6 Ob 161/97p uva). Die Interessenabwägung hat die Interessen des Verletzten an seinem guten Ruf (und allenfalls auch die Achtung seiner durch Art 8 MRK geschützten Intimsphäre) den Interessen des Erklärenden und der Erklärungsempfänger gegenüberzustellen (6 Ob 3/04s mwN). Zugunsten des Verletzten ist zu entscheiden, wenn seine Interessen unnötig verletzt wurden und kein überwiegendes Informationsbedürfnis bestand. Für den vorliegenden Fall bedeutet die Anwendung dieser Grundsätze, dass die Klägerin jedenfalls auch zur Güterabwägung geeignete Argumente ins Treffen führen hätte müssen, um den Vorrang ihrer Interessen im Provisorialverfahren zu bescheinigen. Dies ist nicht der Fall:
2. Grundsätzlich kommt der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit ein besonders hoher Stellenwert zu, wie dies in der Judikatur des EGMR immer wieder betont wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung die innerstaatlichen Gerichte zu beachten haben (6 Ob 47/02h), legt zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Interesses der Öffentlichkeit an der Diskussion von Fragen allgemeinen öffentlichen Interesses einen großzügigen Maßstab an (6 Ob 296/02a unter Hinweis auf Entscheidungen des EGMR: EGMR-Urteil vom 26. 2. 2002 - unabhängige initiative Informationsvielfalt in Österreich, MR 2002, 149, EGMR-Urteil vom 26. 2. 2002 - Dichand ua gegen Österreich, NL 2002/1, 26, MR 2002, 84; ÖJZ 2002, 464/18). Für die Interessenabwägung ist auch die Gewichtigkeit des Themas von Bedeutung, zu dem die bekämpfte Meinungsäußerung gefallen ist (6 Ob 244/02d mwN). Es kann kein Zweifel bestehen, dass das Thema der sexuellen Freiheit und der damit verwirklichten Tabubrüche in diesem Sinne als gewichtig zu bewerten ist. Fragwürdig mögen zwar durchaus manche Motive des Beklagten für die Filmberichterstattung sein (Befriedigung der Sensationslust des Publikums; ökonomische Interessen an hohen Einschaltquoten durch reißerische Aufbereitung eines sensiblen Themas), dem steht aber auch das durchaus ernst zu nehmende Gewicht des zur Diskussion gestellten Themas gegenüber (insbesondere der Teilbereich der zu erforschenden Reaktion der überraschten Beobachter auf die ihnen „aufgedrängten" Sexszenen). Demgegenüber ist die Sphäre der Klägerin mit der Ausstrahlung des Films über den Originalhergang des Geschehens ausschließlich durch die Erkennbarkeit ihres Geschäftslokals als „Tatort" berührt. Ein rufschädigender oder beleidigender Charakter der bildlichen Wiedergabe eines Tatorts, wie dies in der Fernsehberichterstattung täglich geschieht, kann nur aus besonderen Gründen bejaht werden, etwa dann, wenn das Opfer allein durch die bildliche Darstellung des örtlichen Geschehens in seiner Persönlichkeit betroffen wird und aus diesem Grund mit Nachteilen zu rechnen hat. Ein Zusammenhang mit der Persönlichkeit wäre etwa dann gegeben, wenn der Tatort besondere Peinlichkeitsgefühle auslöste (Beispiel: Betreten eines Stundenhotels). Im Regelfall wird die Persönlichkeit aber nur durch die Darstellung der Person und nicht allein durch den Tatort betroffen sein.
Bei der Gegenüberstellung der beiderseitigen Interessen ist hier zugunsten des Beklagten insbesondere der Umstand ins Treffen zu führen, dass es das spezielle Thema des in der Öffentlichkeit betriebenen Tabubruchs auf sexuellem Gebiet erfordert, auch die Örtlichkeit zu zeigen, um dem Thema dahin gerecht zu werden, dass das Publikum nicht zur Auffassung gelangt, es würden gestellte Szenen gezeigt. Die Sexausübung im öffentlichen Bereich, also vor überraschten Passanten oder Lokalgästen, verlangt auch die bildliche Darstellung und Veröffentlichung des Ortes des Geschehens. Eine wahrheitsgemäße Wiedergabe dieses Sachverhalts unter Einschluss des Originalschauplatzes liegt daher hier ausnahmsweise im Kernbereich des Informationsinteresses. Demgegenüber steht das von der Revisionsrekurswerberin zumindest im Provisorialverfahren nicht ausreichend begründete Interesse an der Anonymität des Schauplatzes. Ohne entsprechende Feststellungen - ein unvollständiger Sachverhalt wird nicht gerügt - kann nicht davon ausgegangen werden, dass es allein aufgrund der Filmausstrahlung (wenn auch die Reaktion des Angestellten = Lokalverweis gezeigt wird) zwingend zu einer Geschäftsschädigung infolge des Ausbleibens empörter Kunden der Klägerin kommen muss und dass dies den von ihr behaupteten religiösen Hintergrund hätte. Dies läge nur bei dem gerade nicht festgestellten Sachverhalt nahe, wenn das Publikum eine Zustimmung der Klägerin zum Drehen der Sexszenen annehmen hätte müssen. Wohl hat die Klägerin zu diesem Thema Behauptungen aufgestellt (sie sei gefragt worden, wie sie „denn so etwas Unglaubliches zulassen könne"), diese aber nicht bescheinigt. Damit verbleibt nur mehr die Prüfung der Rechtsfrage nach dem „beleidigenden Charakter" der Erkennbarkeit der Örtlichkeit nach dem Verständnis des maßgeblichen verständigen Durchschnittssehers. Entgegen den Revisionsrekursausführungen kann die Veröffentlichung der Sexszenen bei Erkennbarkeit des Geschäftslokals und damit gegebener Identifizierungsmöglichkeit für einen kleinen Kreis von Personen einer Beschimpfung oder Verspottung im Sinne des § 115 StGB nicht gleichgehalten werden. Dieses Tatbild stellt auf die Verächtlichmachung anderer Personen ab, nicht aber auf die Beschreibung oder bildliche Darstellung eines Tatorts. Es ist grundsätzlich nicht unehrenhaft, Opfer eines rechtswidrigen Angriffs geworden zu sein, wenn nicht gleichzeitig damit eine besondere Eigenschaft des Betroffenen angegriffen wird und es deswegen in der allgemeinen Einschätzung als negativ beurteilt wird. Ein Interesse der Klägerin an der Anonymisierung des Tatorts ist daher nach dem bescheinigten Sachverhalt nur in einem sehr eingeschränkten Umfang zu erkennen, nämlich dahin, dass der eingeschränkte Personenkreis, dem die Identifikation der Klägerin aufgrund der Örtlichkeit und des gezeigten Personals möglich ist, von der Information ausgeschlossen werden soll. Dies reicht jedoch bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht aus, einen Vorrang gegenüber dem schon grundsätzlich besonders gewichtigen, auf Art 10 MRK gestützten Informationsinteresse zu begründen.
Der Senat gelangt zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Betreiberin des Geschäftslokals durch die Veröffentlichung der dort aufgenommenen Pornofilmszenen in ihrem Recht auf Ehre und wirtschaftlichen Ruf jedenfalls dann nicht verletzt ist, wenn sie zwar als Geschäftsinhaberin identifiziert werden kann, gleichzeitig aber klargestellt ist, dass sie mit den Sexszenen nicht einverstanden war. Ihr Interesse auf Anonymität tritt dann gegenüber dem Informationsinteresse an einer wahrheitsgemäßen Bildberichterstattung, die aufgrund der Thematik nur bei Veröffentlichung auch des Originalschauplatzes sinnhaft und möglich ist, in den Hintergrund.
Bei diesem Ergebnis braucht die bislang nicht relevierte Rechtsfrage nicht untersucht zu werden, ob sich die klagende KEG (eine parteifähige Personengesellschaft des Handelsrechts: § 4 EGG) wie eine juristische Person auf Ehrenschutz des § 1330 Abs 1 ABGB überhaupt berufen kann. Zur Geltendmachung eines Rufschadens (§ 1330 Abs 2 ABGB) ist sie jedenfalls legitimiert.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm §§ 78 und 402 Abs 4 EO.
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