European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130965
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
[1] Die Stiftungsurkunde der seit * 2000 im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN * eingetragenen beklagten Privatstiftung weist unter anderem folgenden Inhalt auf:
[…]
3. Stiftungszweck
Stiftung ist:
a) Die bestmögliche Sicherung des Fortbestandes eines Wachstums des eingebrachten und noch einzubringenden Stiftungsvermögens.
b) Die Erhaltung und Verwaltung des der Stiftung gewidmeten Liegenschaftsvermögens und dadurch die Unterstützung von Begünstigten namentlich durch Gewährung von Geldleistungen aus den Erträgen des Stiftungsvermögens durch Nutzungsüberlassung von Stiftungsvermögen als Sachzuwendungen.
[…]
5. Organe
Organe der Privatstiftung sind:
a) der Stiftungsvorstand
b) der Stiftungsprüfer
c) der Beirat
6. Stiftungsvorstand:
Der Stiftungsvorstand besteht aus drei physischen eigenberechtigten Personen, welche von dem Stifter ernannt und abberufen werden.
Der Stifter behält sich zu seinen Lebzeiten allein das Recht vor, die Mitglieder des Stiftungsvorstandes zu bestellen und ohne Angabe von Gründen abzuberufen. Nach dem Tode des Stifters beschließt der Beirat bei Ausscheiden eines Mitgliedes dessen Nachfolger.
[…]
8. Der Beirat
Als weiteres freiwilliges Organ wird der Beirat eingerichtet. Zu Lebzeiten des Stifters besteht der Beirat nur aus diesem alleine, nach Ableben des Stifters aus mindestens drei, höchstens jedoch fünf physischen eigenberechtigten Personen. Dem Beirat dürfen nur Personen angehören, die von der Privatstiftung begünstigt werden und zwar in derjenigen Reihenfolge ihrer Begünstigung, wie sie in der Stiftungszusatzurkunde vom Stifter festgelegt werden.
Aufgaben des Beirats sind:
a) die nähere Festlegung der Begünstigten und die Erstellung von Vorschlägen für Art und Höhe der Zuwendungen an Begünstigte.
b) Bestellung des Stiftungsvorstandes
[…]
13. Begünstigung
Der Erstbegünstigte der Stiftung ist der Stifter. Als Stelle, die die Begünstigten bezeichnet, wird der Stifter, nach dessen Ableben über Vorschlag des Beirates der Stiftungsvorstand berufen. Nähere Regelungen zur Bezeichnung der Begünstigten und zur Festlegung der begünstigten Höhe können in der Stiftungszusatzurkunde vorgenommen werden.
[2] Die Stiftungszusatzurkunde vom 25. 4. 2001 idF vom 24. 4. 2012 enthält unter anderem folgenden Inhalt:
[...]
4. Nähere Bestimmung der Begünstigten
Erstbegünstigter der Stiftung ist der Stifter. Der Stifter bestimmt sich selbst als Stelle, die die Begünstigtenregelung vornimmt. Im Falle des Todes eines Begünstigten treten an seine Stelle alle aufgrund des Gesetzes erbberechtigten Nachkommen des verstorbenen Begünstigten, wobei zur Klarstellung festgehalten wird, dass Schwiegerkinder niemals zum Kreis der Begünstigten gehören. Die Stellung eines Begünstigten ist höchstpersönlich und kann nicht durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder von Todes wegen übertragen werden. Eine testamentarische Berufung durch einen Begünstigten ist ebenso nicht möglich. Kein Begünstigter hat somit einen Rechtsanspruch auf Begünstigung durch die Privatstiftung. Es kommt daher keinem Begünstigten das Recht zu, einen (vermeintlichen) Anspruch im Klagswege gegenüber der Privatstiftung geltend zu machen oder durchzusetzen. Zuwendungen, die die Privatstiftung in Aussicht stellt, sind weder klagbar noch pfändbar. Sie können jederzeit von der Privatstiftung zurückgenommen werden. Die Abtretung von Ansprüchen an die Privatstiftung ist unzulässig und gegenüber der Privatstiftung unwirksam.
Ein Begünstigter kann jedoch durch schriftliche, beglaubigt zu unterfertigende Erklärung gegenüber dem Stiftungsvorstand für sich und mit oder ohne Wirkung für seine gesetzlich erbberechtigten Nachkommen verzichten. Zur Stelle, die die Begünstigten nach dem Ableben des Stifters feststellt, bestimmt der Stifter den Stiftungsvorstand. Der Stiftungsvorstand entscheidet über Vorschlag der Art und Höhe der Zuwendungen des Beirates.
5. Kreis der Begünstigten
Begünstigte der Privatstiftung sind in erster Linie ausschließlich die Ehegattin des Stifters und dessen Nachkommen.
Kommen Nachkommen mehrerer Generationen als Begünstigte in Frage, sind die Personen, die am nächsten mit dem Stifter verwandt sind, als Begünstigte festzustellen, wobei in Entsprechung der gesetzlichen Erbfolge die jeweils nächste Parentele und das Repräsentationsprinzip die Richtschnur für den Vorstand und den Beirat bilden soll.
Derzeit ist somit der Stifter allein begünstigt. Nach seinem Ableben bilden die Ehegattin, Frau *, gemeinsam mit den Nachkommen, und zwar Herrn Ing. D*, Herrn Mag. W* und Frau V* den ersten Stamm und sind zu je einem Viertel gleich begünstigt.
Der Ehefrau * ist eine monatliche Zuwendung als Voraus im Betrag von 5.000 EUR zur Deckung ihres Lebensunterhaltes zu gewähren.
Darüber hinaus können im untergeordneten Umfang Begünstigungen für soziale, karitative, kulturelle Zwecke vorgenommen und festgestellt werden, wenn dadurch der primäre Zweck der Privatstiftung, und zwar die Versorgung der vorgenannten Personen nicht beeinträchtigt oder vernachlässigt wird.
6. Begünstigungsregelung
Der Stifter stellt als Begünstigter der Privatstiftung nach seinem Ableben bereits heute fest
1. Die Ehegattin des Stifters Frau *
2. die Nachkommen des Stifters, und zwar Herr Ing. D*, Herr Mag. W* und Frau V*
3. die Nachkommen der vorgenannten Kinder und deren Nachkommen.
Der Stifter erklärt ausdrücklich und unwiderruflich, dass er die Bestimmung der vorgenannten Begünstigten zu seinen Lebzeiten nicht ändern oder widerrufen wird und auch keine weiteren Begünstigten bestimmt. Dieser Widerrufsverzicht betrifft auch die nachfolgende Regelung betreffend die Richtlinien für die Zuwendungen an Begünstigte. Lediglich zur Verdeutlichung dieser Bestimmung wird festgehalten, dass wie bereits unter Punkt „5.“ erwähnt, die vorgenannten, namentlich erwähnten Personen, zu je einem Viertel begünstigt sind. Das nach Ableben eines Begünstigten freiwerdende Vermögensviertel verteilt sich vorerst auf dessen Nachkommen und in Ermangelung solcher auf die übrigen Begünstigten.
(Beispiel: Ableben von Frau *, danach Ing. D*, Mag. W* und V* zu je einem Drittel Begünstigte)
(Beispiel: Ableben von Herrn Ing. D* und danach dessen beiden Kinder je zu einem Achtel, Frau *, Mag. W* und V* zu je einem Viertel Begünstigte)
7. Richtlinien für die Zuwendungen an Begünstigten
[…]
b) Nach Ableben des Stifters
Unter sorgfältiger Beobachtung der oben genannten Grundsätze wird der Vorstand angewiesen, von dem nach Abzug aller Kosten und Abgaben verbleibenden jährlichen Reingewinn der Stiftung 90 % auf die vorgenannten Begünstigten der ersten Linie und zwar an die Ehegattin und an die Kinder des Stifters zu je einem Viertel auszuschütten, wobei alle Begünstigten gleich zu behandeln sind und in Ermangelung eines dieser Begünstigten bei Fehlen von Nachkommen vorerst die Verbleibenden gleichteilig zu begünstigen zu berufen sind. Die verbleibenden 10 % sind der Eigenkapitalbildung aber auch für die nachfolgend genannten Sonderausschüttungen zu verwenden.
c) Sonderausschüttungen:
In besonderen Fällen kann der Stiftungsvorstand nach Einberufung des Beirates über Vorschlag desselben Sonderausschüttungen vornehmen. Unter Sonderausschüttungen fallen für Begünstigte der folgenden Generationen insbesondere, wenn ein Begünstigter unverschuldet in Not gerät oder ein Begünstigter krankheits- oder unfallbedingt nicht erwerbsfähig ist und die Privatstiftung sohin einen Beitrag zu seinem Unterhalt aber auch zur medizinischen Versorgung und Unterbringung in einem Alten‑ oder Pflegeheim leistet. Dies gilt ebenso für Leistungen an unversorgte minderjährige Begünstigte einerseits zum Unterhalt als auch zu den Ausbildungskosten bis zu jenem Zeitpunkt, in dem üblicherweise eine Selbsterhaltungsfähigkeit angenommen werden kann. Weiters fallen unter Sonderausschüttungen Barzuwendungen im Pensionsalter von Begünstigten als Beitrag zur Bestreitung des Lebensunterhaltes. Der Privatstiftung steht es zu, darüber hinaus für außerordentliche Studien, insbesondere Auslandsaufenthalte, bei Antritt der Berufslaufbahn sowie als Heiratsausstattung weitere Sonderzuwendungen zu gewähren, wobei jedoch nach den Grundsätzen dieser Zusatzurkunde zu verfahren ist und jeweils die Zustimmung des Beirates einzuholen ist.
[…]
13. Zusammensetzung des Beirats
Der Beirat besteht nach dem Ableben des Stifters im Sinne der Stiftungsurkunde vom 22. November 2000 aus mindestens drei, höchstens jedoch fünf physischen eigenberechtigten Personen, welche aus dem Kreis der Personen zugehörig sein müssen, welche aus der Privatstiftung begünstigt werden.
Nach Ableben des Stifters beruft dieser somit seine Ehefrau * sowie seine drei Kinder zu ständigen Beiratsmitgliedern.
Die Funktion eines Beiratsmitgliedes erlischt ohne dass es einer Beschlussfassung oder Erklärung bedarf:
a) wenn ein Mitglied des Beirats das 75. Lebensjahr vollendet hat;
b) ein Mitglied des Beirates gesundheitlich dauerhaft nicht in der Lage ist, seine Funktion wahrzunehmen,
c) bei eigenem Wunsch sein Mandat zurücklegt.
[…]
14. Begünstigtenversammlung
Nach Ableben des Stifters ist vom Vorstand einmal jährlich eine Begünstigtenversammlung abzuhalten, zu welcher sämtliche Begünstigte, welche vom Vorstand festgestellt worden sind, geladen werden. Zu dieser Begünstigtenversammlung haben nur volljährige eigenberechtigte begünstigte Personen ein Zutrittsrecht. Die Begünstigten sind anlässlich dieser Jahressitzung über den Vermögensstand der Stiftung, die Ertragslage und die künftige Entwicklung zu informieren. Die Begünstigtenversammlung hat insbesondere die Aufgabe für den Fall des Ausscheidens eines Beiratsmitgliedes bzw als ein weiteres Beiratsmitglied aufgenommen wird, die Wahl in den Beirat vorzunehmen.
[…]
[3] * ist die Ehegattin/Witwe des 2012 verstorbenen Stifters Ing. D* (sen), dessen Kinder Ing. D* (jun), Mag. W* und V* sind; weder die Witwe noch die Kinder sind verstorben. Die Kläger wiederum sind die Kinder von V* und damit Enkel des Stifters. Sie und alle anderen Enkel erhielten von der beklagten Privatstiftung bis Ende 2016 monatliche Zuwendungen von jeweils 200 EUR.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Kläger ab festzustellen, dass diese
a) als Enkelkinder des Stifters gemäß Punkt Sechstens der Stiftungszusatzurkunde Begünstigte der Beklagten sind,
b) als Begünstigte der Beklagten gemäß Punkt Achtens der Stiftungsurkunde zu Mitgliedern deren Beirats bestellt werden dürfen,
c) im Rahmen der Begünstigtenversammlung vom 30. 12. 2016 zu neuen Mitgliedern des Beirats der Beklagten gewählt wurden, sodass der Beirat der Beklagten derzeit aus folgenden Mitgliedern besteht: Mag. W*, Ing. D* (jun), V* und die beiden Kläger.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Für die Auslegung von Stiftungserklärungen gelten jene Kriterien, die für Satzungen juristischer Personen entwickelt wurden (vgl RS0108891 [T5]). Demnach sind korporative Regelungen jedenfalls solche, die nicht nur für derzeitige, sondern auch für künftige Gesellschafter und Dritte von Bedeutung sind, also der Komplex der Gesellschaftsorganisation als Verbandsverfassung; derartige als Satzung im materiellen Sinn zu qualifizierende korporative Regelungen sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (RS0108891). Es kommt damit nicht auf den subjektiven Willen der für Satzungsänderungen zuständigen Hauptversammlung an, sondern ist nur der einer objektiven Auslegung zugängliche Wortlaut entscheidend (RS0108891 [T7]). Als Satzung im materiellen Sinn zu qualifizierende korporative Regelungen sind nicht wie Verträge, sondern normativ – unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB – auszulegen (RS0108891 [T9]). Eine objektive Auslegung kann allerdings durchaus auch berücksichtigen, welches Interesse mit einer Regelung verfolgt wird (RS0108891 [T28]). Fragen der Auslegung einer Stiftungs‑(zusatz‑)urkunde im Einzelfall kommt keine erhebliche Bedeutung zu, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (RS0108891 [T25]). Dies ist hier nicht der Fall:
[6] 2. Unter dem Begriff des „Begünstigten“ wird verstanden, wer Zuwendungen von der Privatstiftung erhält bzw wem Vorteile aus der Privatstiftung zukommen sollen (N. Arnold, PSG³ § 5 Rz 3). Nach § 5 PSG ist Begünstigter der in der Stiftungserklärung als solcher Bezeichnete. Ist der Begünstigte in der Stiftungserklärung nicht bezeichnet, so ist Begünstigter, wer von der vom Stifter dazu berufenen Stelle (§ 9 Abs 1 Z 3 PSG), sonst vom Stiftungsvorstand als solcher festgestellt worden ist. Grundsätzlich hat die Stiftungsurkunde gemäß § 9 Abs 1 Z 3 PSG die Bezeichnung des Begünstigten oder die Angabe einer Stelle zu enthalten, die den Begünstigten festzustellen hat; gemäß § 10 Abs 2 PSG können weitere Regelungen in der Stiftungszusatzurkunde getroffen werden. Ist die Festlegung der Begünstigten einer Stelle übertragen, dann ist diese in ihrer Entscheidung an den Stiftungszweck und die näheren Regelungen der Stiftungserklärung gebunden (N. Arnold, PSG³ § 5 Rz 33).
[7] 2.1. Beim Begünstigtenbegriff lassen sich verschiedene Begriffspaare unterscheiden (vgl N. Arnold, PSG³ § 5 Rz 2a): Es gibt Begünstigte, die in der Stiftungserklärung bezeichnet werden und solche, die durch eine Stelle festgelegt werden; Begünstigte mit und ohne klagbarem Anspruch; aktuelle und lediglich potenziell Begünstigte, deren Begünstigtenstellung noch nicht begonnen hat; sowie je nach Zuwendung Einmalbegünstigte und laufend Begünstigte.
[8] 2.2. Bei der Festlegung der Begünstigten besteht erheblicher Gestaltungsspielraum: Der Stifter kann die Begünstigten in der Stiftungserklärung konkret bezeichnen oder aufgrund objektivierbarer Umstände individualisieren und hiebei in jede Richtung nähere Gestaltungen vornehmen wie Begünstigtenquoten festlegen, Beginn und Ende der Begünstigtenstellung definieren, diese von Bedingungen abhängig machen oder mit Auflagen versehen; der Stifter kann auch mehrere Personen gleichzeitig als Begünstigte vorsehen, „Ersatzbegünstigte“ bei Ausfall eines Begünstigten bestimmen oder auf sonstige Weise (etwa durch Anordnung einer analogen Anwendung erbrechtlicher Bestimmungen) Nachfolgeregelungen schaffen (N. Arnold, PSG³ § 5 Rz 23; vgl auch Brditschka/Quass in Hasch & Partner, PSG § 5 Rz 11).
[9] 2.3. Sind die Begünstigten in der Stiftungserklärung konkret (oder bestimmbar) bezeichnet, entsteht die Begünstigtenstellung mit Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch (6 Ob 244/10s GesRZ 2011, 170 [Zollner] = AnwBl 2011, 257 [Saurer] = ecolex 2011/100 [Babinek, 230]); ist der Beginn der Begünstigtenstellung hingegen von sonstigen Bedingungen (etwa Erreichen eines bestimmten Alters) abhängig, beginnt die Begünstigtenstellung erst mit Eintritt dieser Bedingung (N. Arnold, PSG³ § 5 Rz 26; OLG Wien 28 R 7/12y). Insoweit sind Begünstigte nur solche Personen, deren aktuelle Begünstigtenstellung unmittelbar und ohne dazwischentretenden Akt feststeht (N. Arnold, Geplante Änderungen im Privatstiftungsgesetz, ecolex 2000, 877), während Ersatzbegünstigte (N. Arnold, ecolex 2000, 877) und Personen, deren Begünstigtenstellung aufschiebend bedingt (oder für die Zukunft) befristet ist, noch nicht Begünstigte iSd § 5 PSG sind (RS0119643). Diese potentiell Begünstigten haben lediglich ein Anwartschaftsrecht auf Erlangung der Begünstigtenstellung (6 Ob 180/04w GeS 2005, 154 [N. Arnold]; vgl auch Brditschka/Quass in Hasch & Partner, PSG § 5 Rz 12). Selbiges gilt dann, wenn die Feststellung des Begünstigten noch von einem Organbeschluss oder der Entscheidung einer vom Stifter dazu berufenen Stelle abhängt, mag auch eine Konkretisierung der Person bereits in der Stiftungserklärung vorgenommen worden sein (N. Arnold, ecolex 2000, 877). Die Begünstigtenstellung beginnt diesfalls erst mit der Entscheidung der Stelle (vgl Größ in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts 216; Löffler in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 5 Rz 7; Brditschka/Quass in Hasch & Partner, PSG § 5 Rz 11; OLG Wien ZfS 2007, 25; OLG Wien 28 R 7/12y).
[10] 3.1. Nach der Stiftungszusatzurkunde der Beklagten Begünstigter ist (war) zunächst der Stifter selbst. Nach seinem Ableben treten (traten) an seine Stelle seine Ehegattin/Witwe und alle aufgrund des Gesetzes erbberechtigten Nachkommen, wobei festgelegt ist, dass die Ehegattin/Witwe und die drei Kinder zu gleichen Teilen Begünstigte sein sollen. Im Fall des Todes eines Begünstigten treten an seine Stelle alle aufgrund des Gesetzes erbberechtigten Nachkommen. Unter Punkt Fünftens der Stiftungszusatzurkunde wird dabei für den Fall, dass Nachkommen mehrerer Generationen in Frage kommen, ausdrücklich festgehalten, dass dann die Personen als Begünstigten festzustellen sind, die am nächsten mit dem Stifter verwandt sind. Weiters wird festgehalten, dass kein Begünstigter einen Rechtsanspruch auf Begünstigung durch die Privatstiftung hat; Zuwendungen, die die Privatstiftung in Aussicht stellt, sind weder klagbar noch pfändbar. Die Feststellung der Begünstigten erfolgt durch den Stiftungsvorstand auf Vorschlag des Beirats. Dem Beirat wiederum dürfen nur Begünstigte angehören. Damit ist aber klargestellt, dass die klagenden Enkelkinder des Stifters solange nicht als Begünstigte anzusehen sind, als ihre Mutter lebt. Dieses Ergebnis wird in der Stiftungszusatzurkunde unter Punkt „Sechstens“ durch Beispiele gestützt, wonach die Begünstigtenstellung im Wesentlichen der gesetzlichen Erbfolge folgen soll. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die gleichzeitige Begünstigtenstellung von in gerader Linie verwandten Personen ausgeschlossen sein soll.
[11] 3.2. Dass unter Punkt Sechstens der Stiftungszusatzurkunde als Begünstigte nach dem Ableben des Stifters bereits „die Nachkommen der vorgenannten Kinder und deren Nachkommen“ angeführt sind, ändert daran nichts. Dieser Bestimmung kommt lediglich klarstellende Funktion dahin zu, wer in Zukunft Begünstigter sein kann; andernfalls hätte die Bestimmung, wonach bei Vorhandensein von Nachkommen mehrerer Generationen (nur) die am nächsten mit dem Stifter Verwandten als Begünstigte festzustellen sind (Punkt Fünftens der Stiftungszusatzurkunde), keinen Anwendungsbereich. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf verwiesen, dass die Anführung der Nachkommen schon nichts daran änderte, dass zu Lebzeiten des Stifters nur dieser alleine Begünstigter war.
[12] 3.3. Die außerordentliche Revision verweist auf ein „Kontrolldefizit“ und macht geltend, der Vorstand könne sich bei einer solchen Auslegung gewissermaßen frei aussuchen, wer dem Beirat angehöre. Allerdings ist die Frage, wer als Begünstigter festzustellen ist, von der Stiftungserklärung klar geregelt, sodass das Ermessen des Vorstands im Ergebnis stark eingeschränkt ist. Auch wenn in der Stiftungserklärung ein klagbarer Anspruch auf die Begünstigung und somit auf die Zuwendungen ausgeschlossen wurde, besteht im Übrigen ein gewisser Rechtsschutz in der Möglichkeit der Antragstellung/Anregung auf Abberufung des Stiftungsvorstands nach § 27 Abs 2 Z 1 PSG (vgl 3 Ob 177/10s GesRZ 2011, 317 [Wurzer/Foglar-Deinhardstein] = ZfS 2011, 162 [Karollus] = PSR 2011/47 [Rassi/Zollner; Zollner/Paulsen, PSR 2012, 66; Foglar‑Deinhardstein/Molitoris, PSR 2012, 4] = ecolex 2012/24 [Rizzi] = EvBl 2012/22 [Clavora]; Brditschka/Quass in Hasch & Partner, PSG § 5 Rz 25 und 28), wenn dieser die Feststellung der Begünstigten im Widerspruch zur Stiftungserklärung vornehmen/unterlassen sollte (vgl auch 6 Ob 157/12z [ErwG 7.] PSR 2012/49 [Murko] = NZ 2013/27 [Haberer] = GesRZ 2013, 103 [Zollner] = ecolex 2013/137 [Rizzi]).
[13] 3.4. Des Weiteren verweist die außerordentliche Revision mehrfach auf tatsächlich erfolgte „Sonderausschüttungen“ der Beklagten (auch) an die Kläger. Allerdings kann unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Stiftungserklärung daraus noch nicht deren Stellung als laufend Begünstigte und damit die Zugehörigkeit zum Beirat gefolgert werden. Vielmehr zeigt die Stiftungserklärung, dass die Kläger diese Stellung erst nach dem Tod ihrer Mutter erhalten sollen; tatsächlich sollen die Sonderausschüttungen laut Punkt 7.c. der Stifungsurkunde gerade ausnahmsweise an Personen erfolgen können, die nach den Regeln der Stiftungserklärungen noch nicht als Begünstigte „an der Reihe“ sind, was auch durch die Formulierung „Begünstigte der folgenden Generationen“ deutlich wird. Wenn bereits jeder, der eine Sonderausschüttung erhält, damit zum Begünstigten würde, dann würden die ausführlichen Regelungen der Stiftungserklärung zur Reihenfolge der Begünstigtenstellung entsprechend der gesetzlichen Erbfolge in der Stiftungszusatzurkunde unterlaufen, was ganz offensichtlich nicht dem Stifterwille entsprochen haben kann. Selbst wenn die Kläger daher eine Zeitlang Sonderausschüttungen bezogen haben sollten, änderte sich an der rechtlichen Beurteilung nichts.
[14] 3.5. Auch aus einer (allfälligen) Einladung der Kläger zur Begünstigtenversammlung im Jahr 2016 kann noch nicht auf deren tatsächliche Begünstigtenstellung geschlossen werden: Begünstigter ist nicht, wer zur Versammlung eingeladen wird, sondern einzuladen ist nach dem insofern eindeutigen Wortlaut, wer „als Begünstigter festgestellt worden [ist]“ (Punkt 14 der Stiftungszusatzurkunde). Dass die Kläger als Begünstigte festgestellt worden wären, behaupten sie aber nicht einmal selbst.
[15] 3.6. Da – wie bereits dargestellt – korporative Regelungen in Stiftungs‑(zusatz‑)urkunden objektiv auszulegen sind, begegnet es keinen Bedenken, dass das Erstgericht zur Frage, ob die Kläger „nach Wunsch des Stifters sofort Begünstigte“ sein sollten, keine Personalbeweise aufgenommen hat. Bei der Begünstigtenstellung handelt es sich um eine Rechtsfrage, die auf Basis der Auslegung der Stiftungserklärung zu lösen ist. Auch in der Entscheidung 6 Ob 106/03m (NZ 2005, 222 [Hofmann, NZ 2007, 133] = RdW 2004, 89 [Nowotny, 66]) wird darauf verwiesen, dass die Auslegung der Bestimmungen über die innere Organisationsform der Stiftung nach rein objektiven Kriterien zu erfolgen hat; Gleiches gilt für die Entscheidung 6 Ob 122/16h (GesRZ 2017, 181 [Kalss] = ZfS 2017, 59 [Kepplinger] = JEV 2017, 57/7 [Hügel, 70] = ecolex 2017/452 [Rizzi] = wbl 2017, 470/149 [Kraus, wbl 2018, 121]). Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch nicht die Auffassung vertreten, dass der Stifterwille nicht relevant wäre; vielmehr ist der Stifterwille durch Auslegung der Stiftungserklärung zu ermitteln (vgl RS0108891 [T23]), die anhand objektiver Kriterien zu erfolgen hat.
[16] 3.7. Soweit die Revision hypothetische Zukunftsszenarien darstellt, bei denen eine Funktionsunfähigkeit des Beirats oder ein Unterlaufen der Stiftungs-Governance eintreten „könnten“, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt. Es steht nicht fest, dass derartige Szenarien in absehbarer Zeit tatsächlich eintreten werden; eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RS0111271). Im Übrigen stellt die außerordentliche Revision auch nicht dar, wie sich aus einer allfälligen Funktionsunfähigkeit des Beirats durch das Fallen der Mitgliederzahl unter drei schlüssig und zwingend die Begünstigtenstellung der Kläger ableiten ließe, zumal wohl verschiedene Möglichkeiten zur Lösung dieses Problems denkbar wären.
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