European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00241.17K.0117.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.288,70 EUR (darin 381,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin hat bei der beklagten Partei einen Fremdwährungskredit aufgenommen. Nunmehr begehrt sie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche Schäden, welche der klagenden Partei künftig dadurch entstehen, dass die beklagte Partei trotz Erreichen bestimmter – im Einzelnen näher angeführter – Limits die Kreditverträge nicht von Schweizer Franken in Euro konvertiert habe.
Das Erstgericht wies diese Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe kein Feststellungsinteresse. Der der Klägerin entstandene Schaden ließe sich nämlich bereits beziffern.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die ordentliche Revision sei „zur abschließenden höchstgerichtlichen Klärung der Frage der Möglichkeit der Naturalrestitution im Zusammenhang mit der Konvertierung (deren Unterlassung) eines Fremdwährungskredits sowie zur Klarstellung des Verhältnisses zwischen Leistungs‑ und Feststellungsklage (Umfang des Rechtsschutzeffekts der jeweiligen Klage bzw des Wahlrechts des Geschädigten in diesem Zusammenhang) zuzulassen“.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
1.1. Nach § 228 ZPO ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresses Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RIS‑Justiz RS0039177). Eine Feststellungsklage ist nur subsidiär zu einer Leistungsklage zulässig (RIS‑Justiz RS0038849 [T5]). Bietet ein mögliches Leistungsbegehren alles das, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird, dann stellt sich die Leistungsklage als das geeignetere Rechtsschutzinstrument dar; diesfalls fehlt das rechtliche Interesse (RIS‑Justiz RS0039021 [T5]). Dies ist etwa dann der Fall, wenn Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden und der Schaden nicht nur eingetreten, sondern auch bereits bezifferbar ist (RIS‑Justiz RS0039021 [T19]).
1.2. Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung von Anlegerschäden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein Feststellungsbegehren nicht in Betracht kommt, wenn bereits ein Begehren auf Geldersatz oder Naturalrestitution möglich wäre (6 Ob 28/12d ErwGr 9.1; 6 Ob 86/14m ErwGr 2.5; vgl auch RIS‑Justiz RS0112887).
2.1. In Fällen von Fehlberatung wird in der neueren Rechtsprechung in der Regel ein Begehren auf Naturalrestitution verlangt, das auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (8 Ob 39/12m ErwGr 2.1 mwN).
2.2. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass sich der Anleger entscheiden muss, ob er die Wertpapiere behalten will (in welchem Fall ihm nur der Anspruch auf Naturalrestitution zusteht) oder ob er sie veräußert. Im letzteren Fall kann er den Differenzanspruch begehren. Dabei handelt es sich um einen Anwendungsfall der konkreten Schadensberechnung, der nicht durch Rückgriff auf hypothetisch erzielbare Kurserlöse zu fiktiven Zeitpunkten ersetzt werden kann (6 Ob 7/15w).
2.3. Ist eine Naturalrestitution als untunlich zu beurteilen, etwa wenn es um komplexe Finanzprodukte mit mehreren Vertragspartnern geht, kann ein auf Feststellung der Geldersatzpflicht gerichtetes Feststellungsbegehren erhoben werden. Jedenfalls ist aber Voraussetzung dafür, dass die klagende Partei ihr Feststellungsinteresse begründet und darlegt, weshalb ihr die an sich mögliche Leistungsklage im konkreten Fall nicht zumutbar ist oder welche derzeit noch nicht bekannten künftigen Schäden ihr aus dem Anlassfall erwachsen könnten (8 Ob 39/12m ErwGr 2.4).
2.4. Eine derartige Untunlichkeit der Naturalrestitution kann etwa im Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der sofortigen Rückabwicklung etwa wegen der Beteiligung Dritter zu bejahen sein. Dazu können eine Kombination von fondsgebundener Lebensversicherung und Kreditvertrag oder von Fremdwährungskredit und Tilgungsträger, bzw Fälle der Rückabwicklung eines Bauherrenmodells durch Übertragung von Miteigentumsanteilen oder der Rückübertragung einer Kommanditeinlage an einer GmbH & Co KG (8 Ob 66/14k) gehören. Daneben kommt ein Feststellungsbegehren – zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ – insoweit in Betracht, als der Kläger behauptet und nachweist, dass ihm zusätzlich künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können (8 Ob 66/14k ErwGr 3.3).
2.5. Die Zulässigkeit eines Feststellungs-begehrens des Anlegers ist aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn ihm die Möglichkeit einer Leistungsklage offensteht, zumal so auch ein „Spekulieren“ auf dem Rücken des Beraters, also ein Abwarten eines günstigen Verkaufszeitpunkts, verhindert werden kann (8 Ob 39/12m ErwGr 2.3).
2.6. Nach der zu einem behaupteten Schaden aus einer Manipulation des Libor‑Zinssatzes ergangenen Entscheidung 4 Ob 86/17a reicht ein allgemein gehaltener Hinweis, dem Kläger sei nicht bekannt, um wie viel er bei nicht erfolgter Manipulation des Libor weniger Zinsen gezahlt hätte, für die Begründung eines Feststellungsinteresses nicht aus; dabei handle es sich lediglich um ein bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen allgemein auftretendes Problem. Es reiche nicht aus, wenn der Stellung eines allfälligen Leistungsbegehrens primär bloß prozesstaktische bzw prozessökonomische Erwägungen entgegenstehen, nicht aber die tatsächliche Unmöglichkeit, einen bezifferbaren Schaden zu ermitteln (vgl 9 Ob 31/12t).
3.1. Bei einer Stop‑Loss‑Vereinbarung handelt es sich um einen (bedingten) Verkaufsauftrag (bzw hier Konvertierungsauftrag), der nach Erreichen oder Unterschreiten eines Preislimits (Kurses) als unlimitierter Auftrag ins Auftragsbuch gestellt wird; die Order hat den Zweck, das Risiko des Bankkunden zu begrenzen, ihn also gegen drohende Verluste zu schützen (2 Ob 74/12i ErwGr 2.1). Bei verschuldeter Nichterfüllung des Auftrags sind dem Kunden die daraus resultierenden Nachteile im Wege des Schadenersatzes zu ersetzen (2 Ob 74/12i ErwGr 5.1).
3.2. Diese Konstellation ist mit den „Fehlberatungsfällen“ vergleichbar, weil der Kläger nach dem Scheitern der Order gegen seinen erklärten Willen weiterhin die jeweiligen Wertpapiere in seinem Vermögen hat (2 Ob 74/12i ErwGr 5.2). Der Schädiger hat den Geschädigten daher so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre (RIS‑Justiz RS0030153). Die Klägerin wäre daher im vorliegenden Fall so zu stellen, wie sie stünde, wenn zum vereinbarten Limit konvertiert worden wäre (vgl Kolba , Fremdwährungskredit – Judikaturüberblick und aktuelle Fragen, VbR 2015, 49).
3.3. Nach der Entscheidung 5 Ob 9/13d steht bei einer unter Verwendung einer gröblich benachteiligenden und daher im Sinne des § 879 Abs 3 ABGBnichtigen Vertragsbestimmung (Verlustbegrenzungsauftrag/Limitauftrag) schuldhaft vorgenommenen Konvertierung ein Anspruch auf Ersatz des Konvertierungsschadens zu. Solange das Kreditverhältnis aufrecht ist, steht der rechnerische Schaden allerdings nicht fest, sodass in diesem Fall eine auf Naturalrestitution gerichtete Leistungsklage möglich ist.
3.4. Nach der einen Anspruch wegen mangelhafter Ausführung einer von der Bank empfohlenen Stop‑Loss‑Order betreffenden Entscheidung 4 Ob 214/16y kann der Geschädigte bei einem bezifferbaren Schaden auch dann Geldersatz verlangen, wenn die Naturalherstellung möglich und tunlich ist (vgl RIS‑Justiz RS0112887).
3.5. In Anwendung der dargelegten Grundsätze wäre der Klägerin eine auf Naturalrestitution gerichtete Leistungsklage – im Sinne der auf den Zeitpunkt des Erreichens des vereinbarten Limits gerichteten Konvertierung der CHF‑Kredite in Euro‑Kredite – grundsätzlich möglich gewesen (Holly, Unzulässige Konvertierung eines Fremdwährungskredits: Für welchen Schaden haftet die Bank, ecolex 2013, 505; Leupold/Gelbmann, Fremdwährungskredit – unwiderruflicher Konvertierungsauftrag und Konvertierungsschaden, VbR 2014/56).
3.6. Weshalb entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ein auf Rückkonvertierung gerichtetes Leistungsbegehren nicht möglich oder tunlich gewesen wäre, ist der Revision nicht zu entnehmen (vgl 2 Ob 22/12t). Die Revision befasst sich vielmehr nur mit der angeblichen Unmöglichkeit, ein Zahlungsbegehren zu beziffern.
3.7. Nach Durchführung einer Naturalrestitution in Form einer rückwirkenden Konvertierung des Kreditkontos bestünde auch kein weiteres Wechselkursrisiko mehr, sodass auch die Möglichkeit künftiger Schäden ausscheidet. Ein Feststellungsinteresse für die allgemein gehaltenen Feststellungsbegehren kann daher im vorliegenden Fall nicht mit der Möglichkeit künftiger Schäden begründet werden (vgl Holly, ecolex 2013, 505).
4.1. Im Übrigen wurde bereits in der Entscheidung 8 Ob 39/12m (ErwGr 2.3) ausgesprochen, dass ein spekulatives Behalten der Papiere durch den Anleger ab dem Zeitpunkt, zu dem er die Fehlberatung erkennen konnte (zuzüglich einer angemessenen Reaktionszeit), auf seinem eigenen freien Entschluss beruht, sodass ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem ursprünglichen Beratungsfehler und einem nach dessen Erkennen eingetretenen weiteren Wertverlust nicht mehr evident sei. Überträgt man diesen Grundsatz auf den vorliegenden Fall, so ergibt sich daraus, dass weitere Schäden, die dadurch entstehen, dass die Klägerin weiterhin keine Konvertierung wünscht, obwohl sie bereits im Jahr 2013 erkannte, dass die Beklagte die Stop‑Loss‑Order nicht ausgeführt hat, der Beklagten nicht mehr zugerechnet werden könnten.
4.2. Insoweit erscheint die Beurteilung des Berufungsgerichts zutreffend, dass die Klägerin unzulässigerweise „auf dem Rücken der Beklagten spekulieren möchte“. Die Klägerin hat einen Schadensbetrag zu einem letztlich willkürlich gewählten Zeitpunkt (1. 7. 2016) errechnet und mit diesem gegen ihre Verbindlichkeiten auf dem Kreditkonto aufgerechnet. Das erhobene Feststellungsbegehren würde ihr nun die – nach der Entscheidung 6 Ob 7/15w (ErwGr 4.2) nicht zulässige – Möglichkeit eröffnen, abzuwarten, wie sich der Wechselkurs zwischen Euro und CHF in Zukunft entwickelt: Entwickelt er sich für die Klägerin positiv, würde sie es bei der derzeitigen Sachlage belassen; entwickelt er sich negativ, würde sie weitere Schadensbeträge errechnen und im Wege der Aufrechnung wiederum geltend machen (dazu Holly aaO 506 f).
5. Inwiefern die Nichtbehandlung der vermeintlichen Aktenwidrigkeit durch das Berufungsgericht für die Entscheidung relevant sein sollte, legt die Revision nicht dar. Die Frage, ob die Klägerin mit einem Betrag von exakt 73.740,06 EUR oder einem Betrag von ungefähr dieser Größenordnung aufgerechnet hat, vermag an der Möglichkeit eines auf Naturalrestitution gerichteten Begehrens nichts zu ändern.
6. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen war.
7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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