European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00238.15S.0830.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.700,12 EUR (davon 875,02 EUR Umsatzsteuer und 5.450 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Arbeiterkammer beauftragte am 13. 5. 2013 die Umweltbundesamt GmbH mit der Untersuchung 14 verschiedener Kinder‑Tattoos unterschiedlicher Anbieter, darunter die vom Kläger vertriebenen Tattoos mit den Motiven „Disney Princess“ und „Thor“, auf Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Phthalate, weitere organische Parameter und Schwermetalle sowie mit der Analyse auf Organozinnverbindungen, Screening und Lösungsmittelreste. Bei Positivbefunden forderte sie ein humantoxilogisches Gutachten an.
In der vom Umweltbundesamt erstellten „Interpretation der Untersuchungsergebnisse“, heißt es auszugsweise:
„ ...
Hintergrund: Kindertattoos werden im Gegensatz zu echten Tätowierungen auf die Haut geklebt und sind daher nur eine begrenzte Zeit in Kontakt mit der Haut. Dabei kann es dennoch, in Abhängigkeit von den Stoffeigenschaften und der Klebedauer, zur Aufnahme der Stoffe über die Haut kommen. Aufgrund der geringen Masse lässt sich der Schadstoffgehalt eines Einzel-Tattoos nicht exakt quantifizieren, daher kann im Rahmen dieser Untersuchung auch keine definitive Aufnahmemenge berechnet und kein toxikologisches Gutachten erstellt werden. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt, die Einstufungen und rechtlichen Regelungen der nachgewiesenen Stoffe zusammengefasst, und die Bedeutung der Ergebnisse interpretiert.
Chemische Analysen: Um eine ausreichende Probemenge für die chemischen Analysen zu erreichen, wurden mehrere gleiche Tattoos zu einer Einzelprobe vereinigt. In den Prüfberichten sind Bestimmungsgrenzen (BG) und Nachweisgrenzen (NG) der jeweiligen Methoden angegeben. In Tabelle 1 sind die untersuchten Parametergruppen und Einzelparameter dargestellt, in Tabelle 2 die Ergebnisse der chemischen Analysen. Unterhalb der NG sind die Stoffe mit der chemisch-analytischen Methode nicht nachweisbar (n.n.), unterhalb der BG sind sie zwar vorhanden, aber in zu geringen Mengen für eine stichhaltige Konzentrationsbestimmung. Der Bereich zwischen NG und BG wird als <BG angegeben, und oberhalb der BG werden die Konzentrationen in µg/g und fett gedruckt dargestellt (Tabelle 2).
[...]
Beschreibung der potentiellen GesundheitsgefährdungAufgrund der äußerst geringen Menge an Chemikalien, die ein einzelnes Tattoo aufgrund seines geringen Gewichts (5‑15 mg/Tattoo) abgeben kann, ist die Menge, die über die Haut aufgenommen werden kann, sehr gering, und eine akute Gesundheitsgefährdung ist nicht zu erwarten. Dennoch sind eine Reihe unerwünschter, weil gesundheitsschädlicher Stoffe in den Tattoos nachzuweisen und insbesondere Kinder sollten diesen möglichst wenig ausgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für allergieauslösende (z.B. Nickel) und hormonwirksame (z.B. Organozinnverbindungen), reproduktionstoxische (z.B. DibutyIzinn), krebserregende (z.B. Tributylphosphat) und ätzende (z.B. Nonylphenol) Substanzen. Die im Folgenden aufgeführten Einstufungen nach CLP-Verordnung dienen zur Charakterisierung des Gefahrenpotentials der Stoffe, wobei die Kategorie 1 immer die Kategorie mit der höchsten Gefährlichkeit darstellt. Nur die im Zusammenhang mit dieser Untersuchung relevanten Einstufungen zur Gesundheit (hingegen nicht jene zu z.B. Umweltgefährdung) sind aufgeführt. Falls keine in der CLP-Verordnung definierten Einstufungen existieren, wurden die Selbsteinstufungen der Industrie angegeben.
Ergebnisse:
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der Analysen dargestellt, die im Folgenden kurz zusammengefasst sind:
In allen Tattooproben waren zumindest zwei verschiedene gesundheitlich bedenkliche Chemikalien/-gruppen nachweisbar. In fünf Tattoos waren fünf verschiedene Chemikalien/-gruppen nachweisbar. In einem Tattoo waren sogar sechs der sieben Chemikaliengruppen vertreten (bsb Tattoos, Tattoo-Block).
Drei Tattoos überschritten die Grenzwerte der Spielzeugrichtlinie für Organozinn. Der Wert wird von Trixibelle Tattoo 16-fach (insgesamt 3,2 µg/g, bsb Tattoo 4‑fach (1 µg/g) und Dino-Tattoo 3,5-fach (0,7 µg/g) überschritten.
Bei Vergleich mit maximal tolerierbaren Konzentrationen in Tätowiermitteln laut Europa-Rat-Resolution würde ein Tattoo die maximal tolerierbare Konzentration für Blei überschreiten (Monster Tattoo), sowie neun Tattoos die maximal tolerierbare PAK-Konzentration (Tattoo Pirates, bsb Tattoos, Disney Princess Tattoos, Thor Tattoos, Star Wars Tattoos, Monster Tattoos, Dino Tattoos, Design Tattoos, Tattoo Block). Dabei ist zu bemerken, dass die Klebetattoos im Gegensatz zu echten Tätowiermitteln nur kurzfristig aufgeklebt und nicht injiziert werden, andererseits handelt es sich um Produkte, die für Kinder vorgesehen sind, die als besonders sensibel gegenüber chemikalienbedingten Wirkungen gelten. Laut Meinung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung BfR sollte die Exposition von Kindern gegenüber CMR-Stoffen (kanzerogen-mutagen-reproduktionstoxisch) und Schwermetallen aufgrund ihrer Gefährlichkeit so gering wie möglich sein (BfR 2008, 2009, 2012).
Zwei Tattoos überschritten auch die in den Kriterien des „Geprüfte Sicherheit“-GS-Zeichens festgelegten PAK‑Höchstkonzentrationen für Produkte mit länger als 30 Sekunden dauernden Hautkontakt (Tattoo Pirates, Tattoo-Block).
Hinsichtlich Produktsicherheit daher zu beanstanden wären: bsb, Dino und Trixibelle Tattoo (Organozinn), Monster Tattoo (Blei, PAK), Tattoo Pirates, Tattoo Block (PAK, sieben der acht Gruppen nachgewiesen), bsb-Tattoos (PAK).
Alle Tattoos enthalten bedenkliche Stoffe und sind nicht als zufriedenstellend zu bewerten. ...“
In der Tabelle 2 „Ergebnisse der chemischen Analysen auf Schwermetalle, Organozinnverbindungen, Phtalate, Organophosphate, PAK und Lösemittel“ seines Untersuchungsberichts trug das Umweltbundesamt beim Produkt Thor-Tattoo, bei dem Phthalate nicht nachweisbar waren, den Phthalatersatzstoff TXIB mit dem Wert 60 µg/g (0,006 %) ein.
Ein Mitarbeiter der Beklagten bereitete sodann den Text für eine Presseaussendung vor, der von einem Juristen und vom Abteilungsleiter Dr. G***** R***** noch einmal überprüft wurde. Dabei ging es der Beklagten darum, einen Text zu verfassen, der auch für einen Konsumenten verständlich ist, nicht hingegen etwa darum, (wissentlich) falsche Fakten zu verbreiten. Dabei haben sich die Mitarbeiter der Beklagten auf das Umweltbundesamt verlassen.
Auf ihrer Homepage berichtete die Beklagte ab 18. 9. 2013 wie folgt:
„Gesundheitlich bedenkliche Chemikalien in Kinder-Tattoos
Die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer Oberösterreich haben 14 Kinder-Tattoos getestet. Erschreckendes Ergebnis: In allen Proben waren zumindest zwei gesundheitlich bedenkliche Chemikalien enthalten.
Verkauft werden sie als harmlose Abziehbilder, die auf die Haut übertragen werden. Doch der Schein trügt: Kinder-Tattoos sind schädlicher, als gedacht. Sie können allergieauslösende, krebserregende, hormonwirksame (das bedeutet, sie stehen im Verdacht, z.B. Unfruchtbarkeit auszulösen) und ätzende Substanzen wie Nickel, Blei, Organozinnverbindungen, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Weichmacher enthalten. Bei 14 untersuchten Proben kommen in allen zumindest zwei dieser Substanzen vor. Auch wenn die Schadstoffe nur in geringen Dosen abgegeben werden, ist dieses Ergebnis bedenklich.
Ergebnisse im Detail:
(Die Untersuchungen wurden vom Umweltbundesamt Wien durchgeführt.)
Kinder-Tattoos sind, wie der Test zeigt, eigentlich ein ungeeignetes Spielzeug!“
Dem war folgende Tabelle angeschlossen:
In einer Presseaussendung vom 18. 9. 2013 teilte die Beklagte mit:
„Schadstoffe in Kinder-Tattoos
Abziehbilder, die für ein paar Tage die Haut schmücken, sind bei Kindern sehr beliebt. Die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer Oberösterreich haben 14 solcher Abzieh-Tattoos getestet. Das erschreckende Ergebnis: In allen Proben waren zumindest zwei gesundheitlich bedenkliche Chemikalien nachweisbar. Das 'Block-Tattoo' wies sogar bei sämtlichen untersuchten Schadstoffgruppen erhöhte Werte auf. 'Angesichts der Testergebnisse rate ich Eltern, diese Produkte nicht zu verwenden' stellt Dr. G***** R***** fest.
Die Testergebnisse finden Sie unter www.ooe.konsumentenschutz.at
Untersucht wurden die Tattoos auf allergieauslösende, hormonwirksame, krebserregende und ätzende Substanzen wie Nickel, Blei, Organozinnverbindungen, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Weichmacher. Obwohl Abzieh-Tattoos sich nicht ständig auf der Haut befinden, kann es zu einer Aufnahme der vor allem für Kinder bedenklichen Schadstoffe kommen.
Ergebnisse im Detail: Drei Tattoos überschritten die Grenzwerte der Spielzeugrichtlinien für Organozinn. Der Wert des Trixibelle Tattoo überschritt diesen hormonwirksamen Wert sogar um das 16-fache. Die maximal tolerierbare Bleikonzentration in Tätowiermitteln ist von einem Produkt (Tattoo Monster) überschritten worden und neun der getesteten Produkte erreichten die maximal tolerierbare PAK-Konzentration (Pirates, bsb, Disney Princess, Thor, Star Wars, Monster, Dino, Design und Block). Zwei Testprodukte überschritten auch die PAK‑Höchstkonzentration für Produkte mit länger als 30 Sekunden Hautkontakt (Pirates und Block). Hinsichtlich Produktsicherheit wurden folgende Tattoos beanstandet:wegen erhöhter Organozinnwerte bsb, Dino und Trixibelle Tattoo, wegen erhöhter Bleiwerte Monster Tattoo und wegen erhöhter PAKwerte bsb Pirates und Block Tattoo.Die Untersuchungen wurden vom Umweltbundesamt Wien durchgeführt.“
Von „erhöhten“ Werten sprach die Beklagte immer dann, wenn ein Stoff nachweisbar und bestimmbar war, weil sie befürchtete, dass sonst „ein Konsument das Ganze als harmlos verstehen“ würde, und es ihr darum ging, die (potentiellen) Risiken für Kinder aufzuzeigen, auch wenn es keine Grenzwertüberschreitung gab.
Die auf diese Art von der Beklagten berichteten Testergebnisse wurden von zahlreichen Medien aufgegriffen, in denen die Kinder-Tattoos etwa als „gefährlich“, „giftig“, „gesundheitsschädlich“, „bei Test durchgefallen“ oder „schädlicher als gedacht“ bezeichnet wurden.
In einer Pressekonferenz vom 7. 2. 2014 im Rahmen der „AK-Konsumentenschutzbilanz 2013“ teilte die Beklagte mit, ihr sei es im vergangenen Jahr gelungen, mit ihren Produkttests dazu beizutragen, dass gesundheitsschädliche Kinder-Tattoos aus den Regalen verschwinden.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Schadenersatzes von 123.824,86 EUR samt Zinsen. Er habe als Lizenznehmer mehrerer Marken Tattoos produzieren lassen und fixe Abnehmer für seine unbedenklichen und nicht gesundheitsschädlichen Produkte gehabt. Auf diese ablösbaren Hauttattoos sei die Kosmetikverordnung anzuwenden. Fast alle der getesteten Produkte unterschritten die erlaubten Grenzwerte, in 95 % sei nicht einmal ein Zehntel der erlaubten Grenzwerte überschritten worden. Spielzeug- und Kosmetikverordnungen seien penibel eingehalten worden. Aufgrund der vernichtenden Berichterstattung der Beklagten und der falschen Behauptung in den Medien, dass die Tattoos gesundheitsschädlich seien, sei nichts mehr bestellt worden. Obwohl die geltenden Grenzwerte bei Weitem unterschritten worden und die Kinder-Tattoos ungefährlich seien, habe die Beklagte vom Kauf abgeraten. Sie habe das Gutachten des Umweltbundesamts falsch interpretiert und grob fahrlässig falsche Fakten veröffentlicht, wodurch die Produkte unverkäuflich geworden seien. Sie habe nicht zwischen bedenklichen und unbedenklichen Produkten unterschieden, obwohl die Produkte des Klägers auch aus der Sicht des Umweltbundesamts völlig unbedenklich gewesen seien. Sie habe gewusst, dass die Produkte keine Tätowiermittel, die unter die Haut gespritzt werden, sondern kosmetische Produkte seien, und sie habe mit ihrer undifferenzierten Vorverurteilung die gesamte Produktlinie (Kinder-Tattoos) ruiniert.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei von den Ergebnissen der Untersuchung des Umweltbundesamts ausgegangen. In allen Tattoos seien zumindest zwei gesundheitlich bedenkliche Chemikaliengruppen nachweisbar gewesen. Alle Tattoos seien nach dem Untersuchungsbericht als nicht zufriedenstellend zu bewerten. Sie habe die Produkte des Klägers nicht als gesundheitsschädlich bezeichnet. Die ungekürzte Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse hätte kein anderes Kaufverhalten zur Folge gehabt. Die für Kinder, die als besonders sensibel gegenüber chemikalienbedingten Wirkungen gelten, vorgesehenen Produkte des Klägers seien nicht unbedenklich. Die Mitteilung in der Pressekonferenz vom 7. 2. 2014 sei für den behaupteten Schaden nicht kausal gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dass Kinder-Tattoos nicht der Kosmetikverordnung und/oder der Spielzeugverordnung unterlägen, habe die Beklagte nicht behauptet. Auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger eine Bewertung unter den Vorgaben dieser Verordnungen durch die Beklagte erzwingen möchte, sei nicht ersichtlich. Dass das Umweltbundesamt nur Grenzwerte nach der Spielzeugrichtline dokumentiert habe, nicht aber jene der Kosmetikverordnung, könne der Beklagten nicht im Rahmen des § 1330 ABGB vorgeworfen werden. Die Beklagte habe auch nicht behauptet, dass die Kriterien des GS-Sicherheitszeichens verbindlich seien. Dass sie in ihrer Tabelle von „erhöhten“ Werten spreche, sei im Hinblick auf die Ausführungen des Umweltbundesamts unter der Rubrik „Beschreibung der potentiellen Gesundheitsgefährdung“ seines Berichts nicht zu beanstanden. Dass die Produkte nationale oder internationale Grenzwerte überschritten, habe die Beklagte nicht behauptet. Da das Umweltbundesamt in der Tabelle 2 seines Berichts beim Produkt Thor-Tattoo in der Spalte „Phthalate“ einen Phthalatersatzstoff ausgewiesen habe, habe die Beklagte wie ein durchschnittlicher Leser der Interpretation der Untersuchungsergebnisse das Gefahrenpotential dieses Stoffs als durchaus vergleichbar verstehen dürfen. Es sei nämlich nicht ersichtlich, wieso das Umweltbundesamt, das keinen expliziten Prüfauftrag für Phthalatersatzstoffe gehabt habe, diesen sonst in die Tabelle aufgenommen hätte. Beim Vergleich des „Monster‑Tattoos“ mit der „Tätowiermittelresolution“ könnten zwar aufgrund der verkürzten Darstellung der Beklagten Leser meinen, diese Resolution würde auch für Kinder-Tattoos gelten. Falsch sei die Berichterstattung aber nicht. Ein Tattoo des Klägers sei in diesem Punkt auch nicht betroffen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte, und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In der von der Beklagten erstellten Tabelle werde bei den Schadstoffbelastungen zwischen „nicht nachgewiesen“, „nachgewiesen“ und „erhöht“ unterschieden. Bei dieser Konstellation deute die Verwendung des Begriffs „erhöht“ (ohne Klarstellung) auf die Überschreitung bestimmter Grenzwerte hin. Die Verwendung des Begriffs „erhöhte Werte“ in der Tabelle lasse einen durchschnittlich informierten Konsumenten allein aufgrund der Unterscheidung in „nachgewiesen“ und „erhöht“ darauf schließen, dass eine schädliche Substanz nicht nur per se, sondern in einem solchen Ausmaß vorkomme, dass sie über einem einschlägigen Richtwert liege (einen bestimmten Grenzwert überschritten habe). Tatsächlich sei aber die Schadstoffbelastung mit Nickel und Blei bei keinem Tattoo überschritten worden. Selbst die bei der Tätowierresolution maximal tolerierbare PAK-Konzentration sei nicht überschritten worden. Bei den Lösungsmittelresten seien beim Tattoo „Disney-Princess“ überhaupt nur geringe Spuren von Aceton gefunden worden. Trotzdem werde der Wert als „erhöht“ bezeichnet. Die Darstellung der Schadstoffbelastungen mit dem Begriff „erhöht“ in der Tabelle bei der Verbreitung und Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse sei eine falsche Tatsachenbehauptung, die auf kein wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden könne, weil Grenzwertüberschreitungen nicht nachgewiesen worden seien. Die Darstellungen der Beklagten seien als Verbreitung unwahrer Tatsachen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB zu qualifizieren. Daher sei ein klagsstattgebendes Zwischenurteil zu fällen.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger beantwortete außerordentliche Revision der Beklagten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.
Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch besteht nicht.
1. Auf eine sittenwidrige Schädigung oder auf Rechtsmissbrauch (§ 1295 Abs 2 ABGB) hat der Kläger sein Schadenersatzbegehren schon in der Berufung nicht mehr gestützt.
2.1. Die deliktische Haftung (6 Ob 161/97p ua) wegen Rufschädigung (§ 1330 Abs 2 ABGB) erfordert die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen. Wahre Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen (Werturteile) fallen nicht unter diese Gesetzesstelle (6 Ob 52/09d ua).
2.2. Tatsachen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind (stRsp, zB 6 Ob 52/09d mwN). Für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (6 Ob 295/03f mwN), sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 52/09d; 6 Ob 295/03f je mwN).
2.3. Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (6 Ob 236/09p ua).
2.4. Sinn und Bedeutungsgehalt einer beanstandeten Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsadressaten (6 Ob 295/03f ua). Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (RIS-Justiz RS0031883, vgl auch RS0031815).
2.5. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung und die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung sind Rechtsfragen (6 Ob 52/09d mwN; 4 Ob 132/09d ua). Die Äußerungen, eine Chemikalie sei gesundheitlich bedenklich und Kinder‑Tattoos seien „eigentlich ein ungeeignetes Spielzeug“, sind Wertungen der Testergebnisse und fallen daher nicht unter § 1330 Abs 2 ABGB.
3.1. Zu Unrecht legt das Berufungsgericht dem Ausdruck, ein in der Tabelle genannter Schadstoff sei „erhöht“, die Bedeutung bei, dass diese schädliche Substanz über einem einschlägigen Richtwert liege und Schadstoffbelastungen nicht nur nachgewiesen wurden, sondern einen bestimmten Grenzwert überschritten haben. Diese Beurteilung vernachlässigt den Gesamtzusammenhang, in dem die von der Beklagten verbreitete Tabelle steht.
3.2. Die Tabelle steht im unmittelbaren Bezugszusammenhang mit dem vorgeschalteten Text der Mitteilung der Beklagten auf ihrer Homepage und darf nicht isoliert von diesem ausgelegt werden. In der Beschreibung der „Ergebnisse im Detail“ wird vom Überschreiten der Grenzwerte der Spielzeugrichtlinie für Organozinn bei drei der untersuchten Tattoos, vom Überschreiten der in den Kriterien des „Geprüfte Sicherheits-Zeichens“ festgelegten PAK‑Höchstkonzentration bei zwei Tattoos, vom Überschreiten maximaler Konzentrationen für Blei bei einem Tattoo, davon geschrieben, dass neun Tattoos die maximal tolerierbare PAK‑Konzentration erreichten, und sieben Tattoos angeführt, deren Produktsicherheit allein wegen ihres Organozinngehalts, allein wegen der PAK‑Konzentration oder wegen Übersteigens der maximal tolerierbaren Konzentrationen an Blei und PAK zu beanstanden sind. Wird im vorgeschalteten Text vom Erreichen einer maximal tolerierbaren Konzentration gesprochen und auch dieser Umstand in der Tabelle mit „erhöht“ beschrieben, so ist ein Verständnis der an Produkttests interessierten Konsumenten (der von der Mitteilung angesprochene Verkehrskreis) in dem vom Berufungsgericht gefundenen Sinn wenn schon nicht ausgeschlossen, so doch sehr fernliegend. Zudem zeigt auch schon ein kurzer Blick etwa auf die Spalte „Nickel, Blei“ der Tabelle dem Leser, dass „erhöht“ nicht die Bedeutung hat, diese Substanzen lägen in einer bestimmte Grenzwerte übersteigenden Konzentration vor. Denn in dieser Spalte findet sich der Ausdruck „erhöht“ bei zwölf von 14 Tattoos, während im Text von weniger Tattoos die Rede ist, die einen Grenzwert, eine maximal tolerierbare Konzentration oder eine festgelegte Höchstkonzentration überschreiten.
3.3. „Erhöht“ ist im gegebenen Bezugszusammenhang zum einen dahin zu verstehen, dass die Substanz in einer Konzentration über der Nachweisgrenze vorliegt. Insofern liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Wesentlichen wahr ist. Dass in der Spalte „Lösungsmittelreste“ der Tabelle der Ausdruck „erhöht“ das Untersuchungsergebnis „ev. Spuren von“ zB Aceton, also allein den Umstand bezeichnet, dass der Stoff gefunden wurde, ist im gegebenen Zusammenhang ein unwesentliches Detail, auf das es nicht ankommt (vgl 6 Ob 295/03f mwN). Denn der an Produkttests Interessierte entnimmt der gesamten Mitteilung der Beklagten, dass sie ihren Werturteilen auch zugrundelegt, dass eine Chemikalie bloß nachgewiesen wurde. Dass von den detektierten Phthalatersatzstoffen keine Gesundheitsgefährdung ausgehen kann, hat der Kläger nicht dargelegt.
Zum anderen bringt der Ausdruck „erhöht“ in der Tabelle auch die Wertung der Beklagten im vorgeschalteten Text vom Vorliegen einer gesundheitlich bedenklichen Substanz zum Ausdruck. Denn nur die ersten zwei in der Tabelle angeführten Tattoos weisen zwei Chemikalien mit „erhöhten“ Werten aus, während Organozinn, Phthalate und Lösungsmittel nicht nachgewiesen sind. Im Text gab die Beklagte die Beurteilung des Umweltbundesamts wieder, dass in allen Proben zwei gesundheitlich bedenkliche Chemikalien enthalten waren. Der Spalte „Gesamtbewertung“ in Verbindung mit den Zeilen der Tabelle entnimmt der Adressat, dass die Beklagte ihrer Gesamtbewertung auch zugrundelegt, ob eine Chemikalie bloß nachgewiesen wurde.
4.1. In seiner Berufung hat der Kläger die Auffassung vertreten, es richte sich nach den auf dieses Produkt anwendbaren europäischen Vorschriften (Verordnungen und in nationales Recht umgesetzte Richtlinien), ob ein Produkt als sicher einzustufen sei oder nicht. Subsidiär könnten Resolutionen des Europarats (Anm: eine solche ist die „Tätowiermittelrichtlinie“) herangezogen werden, wenn diese einschlägig sind. Die auf das Produkt anwendbaren gesetzlichen Vorschriften gäben aber jenen Rahmen vor, der für die Beurteilung heranzuziehen sei, ob ein Produkt gemäß diesen Vorschriften als gesundheitsgefährlich einzustufen sei. Der Beklagten sei vorzuwerfen, dass sie in ihrer Veröffentlichung nicht darauf hingewiesen habe, dass die Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug, umgesetzt durch die Spielzeugverordnung 2011, BGBl II 2003/211, nicht auf Kinder‑Tattoos Anwendung finde. Sie habe es auch unterlassen, eine Evaluierung zu beauftragen, die sich an den gesetzlichen Vorschriften orientiere, die auf Kinder‑Tattoos anzuwenden seien. Da die Tätowiermittelresolution weder nach ihrem Inhalt noch nach ihren Erwägungsgründen einen Hinweis darauf biete, dass diese auch nur annähernd Anwendung auf vorübergehende Sticker-Tattoos finde, sei die Berichterstattung schon deswegen falsch, weil sie sich auf eine Resolution stütze, die auf die getesteten Produkte keine Anwendung finde.
4.2. Abgesehen davon, dass diese Ausführungen nicht die für das Klagebegehren relevante Frage der in den Mitteilungen der Beklagten enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen, denen im Rahmen der Mitteilung eigenständige Bedeutung zukommt, betreffen, ist ihnen zu erwidern:
4.3. Arbeiterkammern sind in Durchführung ihrer Interessenvertretungsaufgabe insbesondere dazu berufen, in Angelegenheiten des Konsumentenschutzes Maßnahmen zu treffen (§ 4 Abs 2 Z 5 ArbeiterkammerG 1992).
4.4. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt einer Arbeiterkammer bei Produkttests aufgrund des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung für ihre Veröffentlichungen, ihre Untersuchungsmethoden und die vorgenommenen Wertungen ein erheblicher Spielraum zu, den sie benötigt, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können (6 Ob 52/09d).
4.5. Es ist nicht außer Verhältnis zu den Aufgaben und Zielen einer sachlichen Verbraucheraufklärung, wenn die Beklagte bei ihren Tests im Interesse des Verbraucherschutzes gerade im Sicherheitsbereich (Gesundheitsgefährdung) strengere Anforderungen stellt, als sie der Hersteller des getesteten Produkts nach Rechtsvorschriften einhalten muss oder nach unverbindlichen Vorschriften einhalten soll. Es gehört zum Beurteilungsspielraum der Beklagten, die Bedeutung der Sicherheit für die Beurteilung eines Produkts besonders hoch anzusetzen und mit ihren Bedenken an die Öffentlichkeit zu treten (vgl BGH VI ZR 144/86 NJW 1987, 2222 = GRUR 1987, 468 – Warentest IV).
5. Auf die Mitteilung in der Pressekonferenz der Beklagten vom 7. 2. 2014 hat der Kläger sein Begehren in der Berufung nicht mehr gestützt. Im Übrigen hat er das Vorbringen der Beklagten, diese Mitteilung sei für den behaupteten Schaden nicht kausal gewesen, weil der Kläger schon zuvor mit Schadenersatzansprüchen von 83.000 EUR an die Beklagte herangetreten sei, nicht konkretisiert bestritten.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 2 ZPO.
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