European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00170.23B.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin war ein traditionsreiches „Familienunternehmen“ aus der Möbelbranche.
[2] Die Erstbeklagte als Tochter des Ehepaars KR R* und F* und der Zweitbeklagte als Ehemann der Erstbeklagten sind Teil dieser Familie. Gesellschafter der Klägerin waren ursprünglich das erstgenannte Ehepaar und dessen drei Töchter. Im Jahr 1996 wurden drei Privatstiftungen errichtet, die in weiterer Folge die Eigentümer der Geschäftsanteile an der Klägerin waren. Stifter dieser Privatstiftungen waren jeweils das Ehepaar und eine der drei Töchter. Der Zweitbeklagte war Geschäftsführer der Klägerin.
[3] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein Gebäude mit Penthouse und Garten (Wohnfläche 507 m² Gartenfläche von 1.000 m²) befand. Die Beklagten nutzten dieses Penthouse samt Garten (auch hinsichtlich Betriebs- und Erhaltungskosten) seit 1992 kostenlos. Im Jahr 2009 schlossen die Streitteile darüber eine schriftliche Nutzungsvereinbarung, auf deren Grundlage im Jahr 2013 auch ein entsprechendes (unentgeltliches) Wohnungsgebrauchsrecht zugunsten der Beklagten verbüchert wurde. Im selben Jahr kam es bei der Klägerin zu einem Gesellschafterwechsel. Die Gesellschaftsanteile des zuletzt über Stiftungen gehaltenen traditionsreichen Familienunternehmens wurden an eine zur S*-Gruppe gehörende Aktiengesellschaft verkauft.
[4] Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 20. 12. 2018, 6 Ob 195/18x, wurde zwischen den Streitteilen die Nichtigkeit des Wohnungsgebrauchsrechts wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 82, 83 GmbHG) ausgesprochen; die Beklagten wurden zur Räumung des Objekts verpflichtet.
[5] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 5. 12. 2017 eingebrachten Klage insgesamt 3.063.690,88 EUR an Entgelt für die titellose Benützung des Penthouses seit Jänner 1993. Sie hält auch die für den Zeitraum von 1. 1. 1993 bis 30. 11. 2012 geltend gemachten Forderungen (im Umfang von rund 2,3 Mio EUR) – sowohl nach § 83 Abs 5 GmbHG als auch nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB – für nicht verjährt. Die Beklagten hätten gewusst, dass der Erhalt der von der Klägerin erbrachten Leistungen unrechtmäßig und daher sämtliche Nutzungsvereinbarungen zwischen ihnen und der Klägerin als gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßend nichtig seien. Wegen dieses wissentlichen Verstoßes der Beklagten verjähre der Rückforderungsanspruch erst nach 30 Jahren. Zugleich bestehe ohnehin ein konkurrierender Anspruch auf Rückforderung verbotswidriger Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht, der ebenfalls der 30‑jährigen Verjährung unterliege. Überdies sei die Verjährung gemäß § 1494 ABGB bis zum 5. 6. 2013 gehemmt gewesen, sei doch eine Interessenkollision auf Seiten der Vertreter der Klägerin vorgelegen, aufgrund derer eine gesetzmäßige Wahrung ihrer Rechte nicht zu erwarten gewesen sei.
[6] Die Beklagten bestritten, die Widerrechtlichkeit der Annahme von iSd §§ 82 f GmbHG verbotenen Leistungen gekannt zu haben. Weder „die Beteiligten“ noch ihre Rechtsberater seien jemals auf die Idee gekommen, es liege eine verbotene Leistung der Klägerin an die Beklagten vor. Abgesehen davon werde § 83 Abs 5 GmbHG durch die spezielleren Verjährungsnormen der §§ 1480, 1486 Z 4 ABGB verdrängt, die jeweils eine Dreijahresfrist vorsähen, sodass Verjährung bereits eingetreten sei.
[7] Das Erstgericht wies mit Teilurteil die Klageforderung für Benützungsentgelt in Ansehung des für den (mehr als fünf Jahre vor Klagseinbringung liegenden) Zeitraums von 1. 1. 1993 bis 30. 11. 2012 ab. Es traf über den eingangs (gerafft) wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Feststellungen zur fehlenden Kenntnis der Beklagten und ihrer Berater über die Verbotswidrigkeit der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, dass mangels Kenntnis der Beklagten von der Widerrechtlichkeit des eingeräumten Wohngebrauchsrechts alle Ansprüche, die mehr als fünf Jahre vor Klageerhebung zurückliegende Zeiträume beträfen, gemäß § 83 Abs 5 GmbHG verjährt seien. Soweit die Ansprüche nämlich auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützt würden, sei die dreijährige Frist des § 1486 Z 1 ABGB, nicht aber die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist heranzuziehen.
[8] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im ersten Rechtsgang dahin ab, dass es mit Teilzwischenurteil nach § 393a ZPO aussprach, der Klagsanspruch sei im Umfang des für den Zeitraum von 1. 1. 1993 bis 30. 11. 2012 geltend gemachten Benützungsentgelts nicht verjährt. Den Urteilssachverhalt ließ es im Hinblick auf die von der Klägerin bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen zur fehlenden Kenntnis der Beklagten und dessen Berater von der Widerrechtlichkeit der Gebrauchsüberlassung offen, weil es meinte, es komme auf die für die Anwendbarkeit der langen Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG relevante Kenntnis der Beklagten von der Rechtswidrigkeit der mit der Klägerin entgegen den Kapitalerhaltungsvorschriften getroffenen Vereinbarungen gar nicht an, was auch für die Frage der Hemmung der Verjährung nach § 1494 ABGB gelte. Der Rückforderungsanspruch nach §§ 82 f GmbHG konkurriere mit der Rückforderung von verbotswidrigen Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht. Das begehrte Benützungsentgelt unterliege der 30‑jährigen Verjährungsfrist.
[9] Mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 112/22x wurde geklärt, dass die für die erfolgte Gebrauchsüberlassung einer Liegenschaft (Penthouse samt Garten) geltend gemachten Kondiktionsansprüche nach § 877 ABGB analog der sinngemäß heranzuziehenden dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB unterfallen (6 Ob 112/22x [Rz 39]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde aufgehoben und diesem die vollständige Behandlung der Berufung (insbesondere der Beweisrüge) aufgetragen.
[10] Das Berufungsgericht erachtete im zweiten Rechtsgang die Beweisrüge als nicht stichhältig. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur fehlenden Kenntnis über die Unrechtmäßigkeit des entgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts. Dennoch sah es die für den Zeitraum vom 1. 1. 1993 bis 30. 11. 2012 geltend gemachten Ansprüche erneut als nicht verjährt an, weil es (nun) von einer Hemmung des Laufs der Verjährung nach § 1494 ABGB ausging. Eine gesetzmäßige Wahrung der Interessen des Vertretenen sei angesichts der bestehenden Interessenkollision der gesetzmäßigen Vertretung der Klägerin nicht zu erwarten gewesen. Das (unstrittige) Vorbringen der Klägerin dazu, wer im Zeitpunkt des Abschlusses der Nutzungsvereinbarung im Jahr 1992, der Einbringung der Geschäftsanteile in die Privatstiftungen im Jahr 1996, des Abschlusses der (schriftlichen) Nutzungsvereinbarung im Jahr 2009 sowie der Vereinbarung im Jahr 2013 vertretungsbefugt gewesen sei, begründe das Vorliegen einer Interessenkollision iSd § 1494 ABGB. Deswegen und wegen der bestandenen „Verflechtungen“, derentwegen die Erstbeklagte als „von § 82 GmbHG erfasste Gesellschafterin“ der Klägerin angesehen werden könne, sei bis zur Übernahme der Geschäftsanteile durch die familienfremde S*-Gruppe tatsächlich nicht zu erwarten gewesen, dass die Gesellschaftsinteressen (auf Durchsetzung ihrer Ansprüche nach § 83 GmbHG) wahrgenommen werden. Der Lauf der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG, der das monatliche Benützungsentgelt unterliege, habe daher nicht vor 2013 zu laufen begonnen.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Beklagten ist zur Frage der analogen Anwendung von § 1494 ABGB bei Geltendmachung von Kondiktionansprüchen der Gesellschaft nach § 83 GmbHG unter Vertretung der Gesellschaft durch nahe Angehörige des Anspruchsgegners als Mitglieder eines mehrköpfigen Vertretungsorgans (Kollegialorgan) einer GmbH zulässig und im Sinne des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[12] 1. Die Beklagten meinen, es komme eine analoge Anwendung von § 1494 ABGB nur im Fall der Rückforderung vom (ehemaligen) alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer in Betracht, was bisher auch nur in solchen Fällen vom Höchstgericht bejaht worden sei. Das Berufungsgericht gehe von dieser Rechtsprechung ab. Die Erstbeklagte hätte – wenn überhaupt – nur mittelbar und in mehreren Schritten über „Vermittler“ auf die Willensbildung des die Klägerin vertretenden Kollegialorgans Einfluss nehmen können.
2. Hemmung nach § 1494 ABGB
[13] 2.1. § 1494 ABGB regelt zum Schutz von minderjährigen Personen die Hemmung der Ersitzungs- und Verjährungszeit von deren Ansprüchen. Die Ersitzungs- oder Verjährungszeit beginnt so lange nicht zu laufen, als der Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter hat (oder [nun idF BGBl I 2017/59] ihr gesetzlicher Vertreter an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert ist).
[14] Eine einmal angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft nach § 1494 ABGB zwar fort; sie kann aber nie früher als zwei Jahre nach Wegfall der Hindernisse enden.
[15] Ob und für welche der (monatlich fällig gewordenen) Ansprüche § 1494 ABGB noch idF BGBl I 1999/169 (oder idF BGBl I 2017/59) zur Anwendung kommt, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen (vgl § 1503 Abs 9 Z 1 iVm Z 20 ABGB) ist aber im vorliegenden Fall auch nicht maßgeblich.
[16] 2.2. Die Fristenhemmung nach § 1494 ABGB bewirkt damit zunächst für den Fall, dass es schon vor Beginn der Verjährungsfrist an einer ordentlichen gesetzlichen Vertretung mangelt, eine Fortlaufshemmung (Anlaufhemmung), sodass der Fristbeginn bis zum Wegfall des Hindernisses hinausgeschoben wird. Tritt das Hindernis erst nach Fristbeginn ein, läuft die Verjährungsfrist zwar fort, sie kann aber binnen einer Frist von zwei Jahren keinesfalls ablaufen (Ablaufshemmung).
3. Analoge Anwendung dieser Bestimmung
[17] 3.1. Zur analogen Anwendung des § 1494 ABGB vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die in § 1494 ABGB angeordnete Hemmung der Verjährung unter anderem zugunsten Minderjähriger nicht nur dann Platz greift, wenn der Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter hat, sondern auch dann, wenn zwar eine ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung besteht, vom Vertreter aber wegen einer Interessenkollision eine gesetzmäßige Wahrung der Rechte des Minderjährigen nicht zu erwarten ist (RS0112302).
[18] 3.2. Diese Überlegung lässt sich – wie schon in der Entscheidung im ersten Rechtsgang ausgeführt – wegen der gleichgelagerten Schutzbedürftigkeit von Gesellschaften hinsichtlich ihrer Vertretung auf den Fall übertragen, in dem wegen der Interessenkollision nicht zu erwarten ist, dass der Geschäftsführer während seiner Tätigkeit allfällige Rückersatzansprüche der Gesellschaft gegen sich gemäß § 83 GmbHG durchsetzen würde (6 Ob 112/22x [Rz 41]: siehe auch RS0112302 [T1] = 6 Ob 110/12p [ErwGr D.c.4.13.]; 6 Ob 206/17p [ErwGr 2.]; 6 Ob 141/19g [ErwGr 4.3.]; 6 Ob 21/21p [Rz 6]).
[19] Auch die herrschende Lehre sieht einen Anwendungsfall der Fristenhemmung nach § 1494 ABGB analog in jenen Fällen einer Interessenkollision gegeben, in denen beispielsweise der Verpflichtete aus dem Rückersatzanspruch als einziger oder als zumindest für die Vertretung notwendiger Geschäftsführer fungiert (vgl Foglar‑Deinhardstein in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/ Hoffenscher-Summer, GmbHG [2017] § 83 Rz 22) oder der Anspruchsgegner einzig vertretungsbefugtes Organ der Aktiengesellschaft wäre (Lanschützer/Neuner in Napokoj/ Foglar-Deinhardstein/Pelinka, AktG Taschenkommentar [2019] § 56 AktG [Rz 36]; Eckert/Schopper/Madari in Eckert/Schopper, AktG‑ON1.00 § 56 Rz 19 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]; Artmann in Artmann/Karollus, AktG I6 § 56 Rz 21).
[20] 3.3. Zwar wurde bisher die analoge Anwendung ausdrücklich nur in Fällen, in denen (in der fraglichen Zeit) die Person des Geschäftsführers als Vertreter der klagenden Gesellschaft ident mit dem Begünstigten (und späteren) Beklagten (als Gesellschafter oder Geschäftsführer) war, bejaht (6 Ob 110/12p; 6 Ob 206/17p), doch ist kein Grund ersichtlich, warum anderes für die Klage gegen einen nahen Angehörigen, bei dem die Interessenslage gleichgelagert ist, gelten sollte. Die Qualifikation von Zuwendungen an einen dem Gesellschafter nahestehenden Dritten (bei nahen Angehörigen des Gesellschafters) als verbotene Einlagenrückgewähr beruht auf dem Gedanken, dass die Zuwendungen als wirtschaftlich gesehen dem Gesellschafter selbst zugekommen gelten (6 Ob 195/18x [ErwGr 2.2.]). Trägt man diesen Gedanken seinem Sinn nach auf das Verhältnis zwischen Vertretung und Anspruchsgegner weiter und betrachtet die Anspruchsverfolgung unter dieser Sichtweise, ist sie bei Vorliegen eines solchen Verhältnisses zwischen Geschäftsführer und Begünstigtem in ähnlicher Weise (zwar nicht direkt, aber) gleichsam als eine gegen sich selbst anzusehen. Es wird dementsprechend regeltypisch wegen einer Interessenkollision (etwa bei einem Vertreter der Gesellschaft, der der [Schwieger‑]Vater der zu Unrecht Begünstigen ist) nicht zu erwarten sein, dass der nahe Angehörige während seiner Tätigkeit allfällige Rückersatzansprüche der Gesellschaft gemäß § 83 GmbHG durchsetzen wird.
[21] § 1494 ABGB ist damit auch in Fällen analog anzuwenden, in denen zwar der Anspruchsgegner nicht selbst Mitglied des (Vertretungs‑)Kollegialorgans ist, die als verbotenen Einlagenrückgewähr zu qualifizierenden Zuwendungen aber wirtschaftlich betrachtet – weil seinem nahen Angehörigen zugewendet – als dem Vertreter zugekommen gelten.
[22] Der Nachweis, dass im Einzelfall trotz eines solchen (formal vorliegenden) Angehörigenverhältnisses (wegen tatsächlich fehlender innerer Nähe zwischen den betroffenen Personen) eine Interessenkollision nicht bestand, obläge (wegen der Uneinsehbarkeit der Beziehungstiefe für die – dann nicht mehr von einem Angehörigen vertretene – Gesellschaft) der begünstigen Partei. Gelingt ein solcher Nachweis, war im konkreten Fall nicht zu erwarten, dass der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft wegen einer (tatsächlich eben nicht vorliegenden) Interessenkollision die Rechte der Gesellschaft nicht wahrnehmen wird.
3.4. Interessenkollision und Kollegialorgan
[23] 3.4.1. Zu Recht spricht die Revision weiters das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der analogen Anwendung von § 1494 ABGB auf die in Gesellschaften häufig eingerichteten Kollegialorgane an.
[24] 3.4.2. Mit der Lehre ist von einer Hemmung analog § 1494 ABGB nur auszugehen, wenn das oben angesprochene Naheverhältnis bei so vielen Organmitgliedern vorliegt, dass eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft nicht möglich ist. Das wäre dann der Fall, wenn der Gesellschaft „unbefangene“ Mitglieder des Kollegialorgans (wegen einer Einschränkung ihrer Vertretungsbefugnis) nicht mehr in vertretungsbefugter Anzahl verbleiben (vgl Foglar-Deinhardstein aaO; zur AG Lanschützer/Neuner aaO; Eckert/Schopper/Madari aaO). Die § 1494 ABGB zugrunde gelegte besondere Schutzwürdigkeit (hier: einer handelsrechtlichen Gesellschaft) kann nämlich nur dann vorliegen, wenn kein Handlungsspielraum mehr für ein pflichtgemäßes Vorgehen bei Vertretung der Gesellschaft gegeben ist.
[25] Eine Hemmung tritt damit also dann nicht ein, wenn neben dem Anspruchsgegner (so schon Artmann aaO) oder dessen nahem Angehörigen auch andere Organmitglieder in vertretungsbefugter Anzahl vorhanden sind. Steht bei einer Gesellschaft auch (nur) einer von mehreren Geschäftsführern in keinem Naheverhältnis zum Anspruchsgegner und ist dieser einzelvertretungsbefugt, wäre die Gesellschaft auch allein durch diesen als ordnungsgemäß vertreten iSd § 1494 ABGB anzusehen und handlungsfähig. Gleiches gilt, wenn dieser „unbefangene“ (von mehreren „befangenen“ Geschäftsführern) etwa gemeinsam mit (auch nur) einem „unbefangenen“ Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft verbleibt.
3.4.3. Unmaßgeblichkeit sonstiger Einflussmöglichkeiten
[26] Auf die vom Berufungsgericht in den Raum gestellte „Beherrschungsmöglichkeit“ (im Verhältnis zwischen Erstbeklagter und der Stiftung als Gesellschafterin) kommt es dagegen für die analoge Anwendung von § 1494 ABGB nicht an.
[27] Die verjährungsrechtlich besonders behandelte Interessenkollision im von § 1494 ABGB angesprochenen Sinn muss in Ansehung der fraglichen Forderung bestehen und sich auf eine familiäre oder sonstige (innere) Nahebeziehung (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Kommentar ABGB3 [2012] Vor §§ 1494–1496 Rz 4) des Vertreters zum Anspruchsgegner beziehen (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Kommentar ABGB3 [2012] § 1494 Rz 10).
[28] Keine Privilegierung bestünde etwa im Hinblick auf ein Unterbleiben der Geltendmachung der Forderung wegen angedrohter oder befürchteter negativer Konsequenzen für den nicht von der Kollision betroffenen Geschäftsführer (Abberufung eines den Mehrheitsgesellschaftern nicht willfährigen Geschäftsführers oder Widerruf der Prokura durch den „befangenen“ Geschäftsführer).
[29] An Weisungen der Gesellschafter ist der Geschäftsführer im Fall eines zur Nichtigkeit führenden Gesetzesverstoßes (hier gegen § 82 GmbHG) nicht gebunden (vgl 3 Ob 287/02f). Nichtige Weisungsbeschlüsse der Gesellschafter, wozu vor allem Verstöße gegen Gläubigerschutzbestimmungen und Kapitalerhaltungsvorschriften zählen, sind nämlich nicht verbindlich (6 Ob 171/15p [ErwGr 5.2. f] RWZ 2016, 125 [Wenger] = Schopper/Walch, NZ 2016, 163 = GesRZ 2016, 281 [Schörghofer] = ÖBA 2017/2380 [Dellinger] = SZ 2016/20).
[30] Dass das Handeln dieser Personen durch ein diametrales Tätigwerden der „befangenen“ Organmitglieder oder Prokuristen unterminiert werden könnte, kann ebenfalls nichts daran ändern, dass die „unbefangenen“ Vertreter weiterhin die Ansprüche der Gesellschaft zu verfolgen hätten. Bei Scheitern (man denke etwa an eine Rückziehung unter Anspruchsverzicht oder den Abschluss eines Vergleichs namens der Gesellschaft durch die „befangenen“ Organe/Vertreter) hätten die der Anspruchsverfolgung zuwiderlaufenden Vertreter allenfalls Schadenersatzforderungen (in Bezug auf damit „erledigte“ Forderungen) zu befürchten. Würden die „unbefangenen Vertreter“ (von den Gesellschaftern [oder Prokuristen durch die „befangenen“ Organmitglieder]) aus ihrer Organstellung entfernt, läge (aber eben erst) ab diesem Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Vertretung in Bezug auf die konkrete Anspruchsverfolgung vor.
4. Anwendung auf den vorliegenden Fall
[31] 4.1. Einigkeit besteht zwischen den Parteien darüber, dass ein (strittiges) die Verjährung hemmendes Hindernis in Bezug auf die Vertretung in jedem Fall spätestens mit der Übernahme der Geschäftsanteile der Klägerin durch die S*-Gruppe weggefallen ist. Diese erfolgte mit Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 5. 6. 2013, wobei das Closing Ende November 2013 stattfand.
[32] 4.2. Die in der Revision vertretene Ansicht, selbst die Annahme einer Hemmung (bis dahin) stünde der Verjährung nicht entgegen, weil auch für den gesellschaftsrechtlichen Anspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG nach der Vorentscheidung 6 Ob 112/22x nur die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1486 Z 4 ABGB analog heranzuziehen sei, ist unrichtig.
[33] Nach ständiger (so schon 6 Ob 206/17p [ErwGr 2.]) Rechtsprechung besteht eine Konkurrenz des Rückforderungsanspruchs nach § 83 GmbHG mit der Rückforderung von verbotswidrigen Leistungen nach allgemeinem Bereicherungsrecht. Neben der Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 GmbHG kommt auch die allgemeine (lange) Verjährungsfrist zum Tragen (6 Ob 110/12p [ErwGr 4.10. f]; weiters RS0128167). An diese im Übrigen vom Senat schon im ersten Rechtsgang klar geäußerte Ansicht (6 Ob 112/22x [Rz 14]) ist auch der Oberste Gerichtshof selbst gebunden (RS0007010).
[34] 4.3. Die Klägerin gründete ihren Anspruch auch auf § 83 Abs 1 GmbHG und kann daher mit diesem gesellschaftsrechtlichen Rückersatzanspruch, der auch im Verhältnis zum Kondiktionsanspruch nach § 877 ABGB analog die speziellere und im Sinn des Gläubigerschutzes günstigere Norm darstellt, das Benützungsentgelt innerhalb von fünf Jahren ab Wegfall einer allfälligen Fristenhemmung beim Gesellschafter geltend machen (vgl Striessnig, Das Einlagenrückgewährverbot und die Verjährung bei Mietverträgen, GesRZ 2016, 266 [267] zum Verhältnis zur dreijährigen Verjährungsfrist für die Rückforderung zu viel bezahlten Mietzinses nach § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG analog; Artmann in Artmann/Karollus, AktG I6 § 56 Rz 21).
[35] 4.4. Zur Interessenkollision nach § 1494 ABGB analog erstattete die Klägerin (nur) Vorbringen dazu, welche Personen sie anlässlich des Abschlusses der Vereinbarungen (auch seitens der Beschlussfassung im Aufsichtsrat) in den Jahren 1992, 2009 und 2013 vertreten hatten.
[36] Den Beklagten ist darin Recht zu geben, dass die von der Klägerin bisher vorgetragenen Tatsachen – selbst bei deren Unstrittigkeit – nicht geeignet sind, das erstmals im zweiten Rechtsgang vom Berufungsgericht auf eine Hemmung der Verjährung gestützte Teilzwischenurteil nach § 393a ZPO zu tragen.
[37] 4.5. Ganz grundsätzlich ist hervorzuheben, dass es im Rechtsstreit zwischen den Parteien um einen Rückersatz wegen verbotener Einlagenrückgewähr geht.
[38] Denknotwendig kann eine solche Rückforderung erst (in der nächsten logischen Sekunde) an eine verbotene Einlagenrückgewähr anschließen. Der „Vollzug“ der von der Klägerin relevierten Vereinbarung(en) und deren Nichtigkeit sind erst die Grundlage für den Rückforderungsanspruch. Für die von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Hemmung der Verjährung dieser Rückforderungsansprüche kann es daher nicht darum gehen, wer in ihrem Namen die Vereinbarungen über das Gebrauchsrecht geschlossen (oder beeinflusst) hat. Relevant ist vielmehr, ob die Gesellschaft in dem daran anschließenden Zeitraum, in dem sie (objektiv) die Rückforderung (erstmals oder weiterhin) hätte begehren können, (nur und durchgehend) von Personen vertreten war, bei denen die zuvor näher umrissene Interessenkollision (in Bezug auf die Geltendmachung dieser Rückforderungsansprüche) vorlag, bzw wann ein derartiges Hindernis bei ihrer Vertretung weggefallen ist.
[39] Der Rückersatzanspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG (wie auch ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach allgemeinem Vertretungsregime) ist durch die Geschäftsführer geltend zu machen (siehe etwa Auer in Gruber/Harrer, GmbHG2 [2017] § 83 Rz 28; Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 83 Rz 50 [Stand 1. 12. 2017, rdb.at]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 83 Rz 13). Auf die Vertretung im Aufsichtsrat wird es damit gar nicht ankommen.
[40] Darauf, wer sie im an die Vereinbarung(en) anschließenden Zeitraum vertreten hat, nahm die Klägerin aber nicht Rücksicht, wenn sie bloß punktuell auf die Zeitpunkte der nichtigen Vereinbarungen über die Einlagenrückgewähr rekurrierte und das Vorliegen einer Interessenkollision nur hinsichtlich bestimmter, die Vereinbarungen geschlossen habender Personen darlegte.
[41] Ihr Vorbringen war demnach zur (schlüssigen) Darlegung einer Hemmung der Verjährung nicht geeignet, zumal sich daraus nicht ableiten lässt, dass die Gesellschaft während des ihr objektiv zur Rückforderung (des Entgelts für einzelne Monate) zur Verfügung stehenden Zeitraums (ab 1. 1. 1993) nur von solchen Personen (oder in nicht für eine ordnungsgemäße Vertretung ausreichender Anzahl) vertreten war, bei denen eine zur Hemmung der Verjährung führende Interessenkollision vorlag.
[42] 4.6. Diese „Schwäche“ ihres Vorbringens wurde aber bisher weder von den Vorinstanzen noch vom Prozessgegner aufgezeigt. Das Erstgericht hat sich mit der Bestimmung des § 1494 ABGB gar nicht auseinander gesetzt. Die Unschlüssigkeit des Einwands der Hemmung der Verjährung blieb auch dem Berufungsgericht verborgen.
[43] 5. Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Das Verbot von Überraschungsentscheidungen gilt auch für den Obersten Gerichtshof (3 Ob 9/21a [Rz 56]).
[44] Eine Abweisung des Klagebegehrens – wie sie die Beklagten mit der Revision anstreben –, ohne dass der Klägerin die Unschlüssigkeit ihres Vorbringens zu diesem Einwand gegen die Verjährung vorgehalten und ihr Gelegenheit gegeben wurde, ihr Vorbringen dazu schlüssig zu stellen, kommt nicht in Betracht. Dies zwingt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.
[45] Die Frage der Hemmung der Verjährung analog § 1494 ABGB aufgrund einer Interessenkollision wird im Lichte der vorangestellten Ausführungen in erster Instanz vor allem mit der diesbezüglich beweispflichtigen Klägerin zu erörtern sein (zur Beweispflicht desjenigen, der sich auf einen Hemmungsgrund beruft, vgl Dehn in KBB7 § 1494 ABGB Rz 5).
[46] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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