Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin trat im März 2004 mit der beklagten Bank in Geschäftsbeziehung. Sie eröffnete bei dieser ein Konto und ein Depot. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“) der Beklagten wurden vereinbart. Deren Punkt VI. „Sicherheiten“ lautet:
„A. Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten
1. Anspruch auf Bestellung
Z 47. Das Kreditinstitut kann vom Kunden für alle Ansprüche aus der mit ihm bestehenden Geschäftsverbindung die Bestellung angemessener Sicherheiten innerhalb angemessener Frist verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind.
2. Veränderung des Risikos
Z 48. (1) Wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen, ist das Kreditinstitut berechtigt, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten innerhalb angemessener Frist zu verlangen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder zu verändern drohen oder die vorhandenen Sicherheiten sich wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen.
(2) Dies gilt auch, wenn bei Entstehen der Ansprüche die Bestellung von Sicherheiten nicht verlangt wurde.
B. Pfandrecht des Kreditinstituts.
1. Umfang und Entstehen
Z 49. (1) Der Kunde räumt dem Kreditinstitut ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art ein, die in die Innehabung des Kreditinstituts gelangen.
(2) Das Pfandrecht besteht insbesondere auch an allen pfändbaren Ansprüchen des Kunden gegenüber dem Kreditinstitut, zB aus Guthaben. Unterliegen dem Pfandrecht des Kreditinstituts Wertpapiere, so erstreckt sich das Pfandrecht auch auf die zu diesen Wertpapieren gehörenden Zins‑ und Gewinnanteilsscheine.
Z 50. (1) Das Pfandrecht sichert die Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung, einschließlich der Gemeinschaftskonten, auch wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind. Das Pfandrecht an Werten aus Gemeinschaftskonten/Depots sichert auch Ansprüche des Kreditinstituts aus der Geschäftsverbindung mit nur einem der Konto‑/Depotinhaber.
(2) ...
E. Zurückbehaltungsrecht
Z 58. Das Kreditinstitut kann ihm obliegende Leistungen an den Kunden wegen aus der Geschäftsverbindung entstandener Ansprüche zurückbehalten, auch wenn sie nicht auf den selben rechtlichen Verhältnissen beruhen. Die Z 50 und 51 gelten entsprechend.“
Die Klägerin gab der Beklagten eine Kauforder in Höhe von 100.000 USD im Titel F***** S***** Ltd („FSL“; ISIN *****; „Investment“) Die Beklagte als depotführende Bank bediente sich für dieses Investment einer österreichischen Bank als Lagerstelle. Diese beauftragte B***** B***** H***** („BBH“) als Sublagerstelle in den USA. BBH übernahm die Aufgabe der direkten Abwicklung des Geschäfts mit der Fondsgesellschaft, nämlich die Wertpapierabwicklung im nationalen Markt.
Am 20. 8. 2007 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag, das Investment rückzulösen. Diesem Auftrag entsprechend veranlasste die Beklagte die dafür notwendigen Schritte. Der Rücklösungswert betrug 122.700,64 USD und wurde auf das Konto der Klägerin überwiesen. Das Guthaben wurde nicht behoben. Als die Beklagte von Klagen gegen BBH und die österreichische Bank, die in den USA angebracht wurden, erfuhr, nahm sie nach und nach das gesamte Guthaben der Klägerin als Sicherheit. Weder die Klägerin noch die Beklagte sind Parteien der in den USA geführten Verfahren.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Auszahlung ihres Kontoguthabens von (zuletzt) 120.000 USD samt Zinsen, weil keine Rechtsgrundlage für die Zurückbehaltung bestehe. Rückforderungen der Insolvenzverwalter von FSL und von Bernard L. Madoff Investment Securities („BLMIS“) beträfen lukrierte Gewinne und Erlöse aus dem Rückverkauf von Anteilen und seien bereits in mehreren Entscheidungen sowohl in den USA als auch auf den British Virgin Islands abgewiesen worden.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie wandte ein, FSL sei ein feeder fund der BLMIS gewesen. Das Investment der Klägerin, das sie auf eigenen Wunsch und Initiative und ohne Empfehlung der Beklagten vorgenommen habe, sei Opfer des betrügerischen Systems Madoffs geworden. BLMIS‑Treuhänder hätten Gerichtsverfahren gegen Unternehmen eingeleitet, die Zahlungen von BLMIS erhielten, darunter auch gegen die dem Recht der British Virgin Islands unterliegende FSL. Deren Liquidatoren hätten Klagen gegen die Anteilsinhaber von FSL eingereicht und die Rückerstattung der bei der Rücklösung der Anteile an die Anleger gezahlten Beträge begehrt. Gegen die Subverwahrer der Beklagten (BBH und die österreichische Bank) sei seit dem Jahr 2010 beim United States Bankruptcy Court for the Southern District of New York eine derartige Klage anhängig, die Zahlungen von FSL an BBH und/oder die begünstigten Inhaber im Zeitraum vom 17. 5. 2004 bis 18. 3. 2008 zum Gegenstand habe. Es handle sich um einen Anfechtungsprozess aufgrund einer Insolvenz. Anteilsinhaber, die in der Zeit vom 15. 6. 2007 bis 18. 3. 2008 ihre Anteile zurücklösten, seien von der Anfechtung aufgrund Gläubigerbegünstigung mit dem gesamten ausgezahlten Betrag erfasst. Die Klage ziele unter anderem auf die Rückzahlung der im Oktober 2007 im Weg BBH, die österreichische Bank und die Beklagte der Klägerin geleisteten Zahlung von rund 120.000 USD ab. Hintergrund für die Nichtauszahlung des Guthabens der Klägerin sei ein bedingter Anspruch gegenüber der Beklagten, der sich aus dem in New York anhängigen Gerichtsverfahren ergebe. Die Klägerin habe diesen (bedingten) Aufwand zu tragen. Die Beklagte habe die Klägerin von Beginn an über dieses Verfahren informiert; diese habe jedoch die in den USA geltend gemachte Forderung stets abgelehnt und sich nicht als involviert betrachtet. Selbsterklärend sei, dass die österreichische Bank als „offizielle Beklagte“ die Forderung genauso wenig zu tragen habe wie Beklagte. Wirtschaftlich Berechtigte sei und bleibe die Klägerin. Die Beklagte sei sowohl vertraglich als auch gesetzlich gegenüber der österreichischen Bank, die die Forderung bereits gegen die Beklagte geltend mache, verpflichtet, den bedingten Anspruch aus dem BBH‑Verfahren, das derzeit unterbrochen sei, im Fall des Urteilsspruchs zu ersetzen. Gleiches gelte für die Klägerin gegenüber der Beklagten. Solange es nicht zu einer rechtskräftigen Abweisung komme, bestehe ein bedingter Anspruch. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehe auch für bedingte Forderungen ein Pfandrecht. Ohne das Investment der Klägerin wäre die Beklagte nicht mit dem Anspruch aus dem BBH‑Verfahren konfrontiert. Die Forderung der Beklagten bestehe bereits „zweifelsfrei“, mag sie auch bedingt, betagt oder nicht fällig sein. Ihre bisher aufgelaufenen Kosten, die sie im Zusammenhang mit dem BBH‑Verfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung habe tragen müssen, beliefen sich in den USA auf 16.486,16 USD und in Österreich auf 19.761,60 EUR. Diese Kosten wendet die Beklagte aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es traf die eingangs wiedergegebenen und weitere Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Beklagte könne von ihrem Pfandrecht nur Gebrauch machen, wenn die zu sichernde Forderung ausreichend individualisiert sei. Die Beklagte habe sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten gegenüber der Klägerin der österreichischen Bank als Subunternehmerin bedient. Diese habe ihrerseits zur Erfüllung ihrer Aufgaben BBH in Anspruch genommen. Fest stehe, dass FSL Ansprüche gegen die österreichische Bank und BBH klagsweise geltend machte. Dass diese beiden Unternehmen der Beklagten gegenüber Forderungen geltend machten, sei von der Beklagten nicht behauptet worden. Vielmehr verhalte es sich so, dass die Beklagte lediglich vage Informationen der österreichischen Bank über die in den USA geführten Verfahren erhalten habe und sich selbst nicht daran beteilige. Die Beklagte wolle ein Pfand für eine Forderung, die möglicherweise gegen einen ihrer Vertragspartner geltend gemacht werde. Forderungen gegen die Beklagte selbst existierten nicht. Sie sei dem Verfahren in den USA nicht beigetreten. Für eine Individualisierung der Forderung reiche es nicht, dass gegen den Vertragspartner des Vertragspartners Ansprüche geltend gemacht würden, zumal diese auf anderen Vertragsgrundlagen fußten. Wann und ob überhaupt eine Forderung der Beklagten entstehen werde, sei derzeit nicht erkennbar. Das hypothetische Entstehen einer Forderung aus einer Rechtsbeziehung zu einem Dritten begründe kein Pfand der Beklagten am Guthaben der Klägerin. Soweit sich die Beklagte auf das ihr durch die AGB eingeräumte Zurückbehaltungsrecht stütze, fehle es ihr iSd § 369 UGB an einer fälligen Forderung.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Beklagte treffe für das Vorliegen ihres anspruchsvernichtenden Einwands die Behauptungs‑(und Beweis‑)last. Sie habe als Grundlage ihrer bedingten Forderung im Kern nur ins Treffen geführt, dass ein vor einem US‑amerikanischen Gericht als Kläger Agierender den Rechtsstandpunkt vertrete, ihm komme gegen einen Subverwahrer der Beklagten ein einschlägiger Anspruch zu. Ein gar nicht bestehender Anspruch werde aber nicht allein deshalb zu einem bedingten, weil er gerichtlich geltend gemacht werde. Der Beklagten wäre vielmehr oblegen, geeignetes Vorbringen zu erstatten, anhand dessen der Rechtsgrund der behaupteten Forderung konkret nachvollzogen werden könnte. Der Rechtsgrund der allenfalls einem Rückgriff zu unterziehenden Forderung sei im Dunklen geblieben. So sei schon nicht ohne weiteres erkennbar, anhand welcher tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten die Klägerin als vormaliger Investor, der sein Investment glattgestellt und bereits Zahlung erlangt habe, dem hinter jenem Finanzprodukt stehenden und in weiterer Folge in Liquidation befindlichen Rechtssubjekt Rückzahlung zu leisten hätte. Umso weniger sei ersichtlich, warum ihm die Beklagte bzw ihre Subverwahrer wegen ihrer Involvierung als mit der Abwicklung des Investments beauftragte Finanzdienstleister zur Herausgabe des dem Kunden längst überwiesenen Erlöses verpflichtet wären. Das Zutreffen dieses (bedingten) Anspruchs sei somit reine Spekulation. Die Beklagte habe demnach die Voraussetzungen für einen (bedingten) Anspruch, den sie dem Begehren der Klägerin auf Auszahlung eines Kontoguthabens entgegenhalten könnte, nicht ausreichend behauptet.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Streit entscheidende Schlüssigkeitsbeurteilung nicht von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung sei.
Rechtliche Beurteilung
Die nach Freistellung von der Klägerin beantwortete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und auch berechtigt, weil das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorbringen der Beklagten als unschlüssig beurteilte.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
1. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft uruguayanischen Rechts, die Beklagte eine Aktiengesellschaft und ein Kreditinstitut nach österreichischem Recht. Den vertraglichen Schuldverhältnissen der Streitteile liegt demnach ein Sachverhalt zugrunde, der Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist, außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) liegt, weil die Verträge vor dem 17. 12. 2009 geschlossen wurden (Art 28 Rom I), und in den Anwendungsbereich des EVÜ fällt (Art 1 Abs 1 EVÜ). Nach unbestrittenem Vorbringen der Klägerin enthalten die AGB der Beklagten, die den Feststellungen zufolge vereinbart wurden, die Klausel (Z 20), dass für alle Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut österreichisches Recht gilt (vgl Beilage ./2). Die Streitteile haben mit der Vereinbarung der AGB eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen (Art 3 Abs 1 EVÜ; Verschraegen in Rummel, ABGB³ Art 3 EVÜ Rz 5); die zwischen ihnen abgeschlossenen Verträge unterliegen demnach österreichischem Recht.
2. Treffen die Behauptungen der Beklagten zu, dann verweigert sie die Auszahlung des Guthabens der Klägerin zu Recht, weil sie an diesem wegen einer bedingt entstandenen Forderung ein Pfandrecht erworben hat:
3. Gemäß § 49 Abs 1 der AGB räumt der Kunde dem Kreditinstitut ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art ein, die in die Innehabung des Kreditinstituts gelangen. In dieser Bestimmung ist sowohl der Pfandbestellungsvertrag als auch das Verfügungsgeschäft zu erblicken. Mit der Anerkennung der AGB erklärte die Klägerin nämlich vorweg für die Dauer der Geschäftsverbindung, das Pfandrecht nach dieser Bestimmung für das beklagte Kreditinstitut begründen zu wollen. Da diese Form der Verpfändung von der Beklagten ausging, liegt auch die Annahme durch sie vor (vgl Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/237).
4. Verpfändet sind ausdrücklich auch Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte (Z 49 Abs 2 der AGB). Das Kontoguthaben der Klägerin ist durch Überweisung der Unterkommissionärin auf das Konto der Klägerin bei der Beklagten entstanden. Diese war nach Z 40 Abs 1 der AGB befugt, Geldbeträge für die Klägerin entgegenzunehmen und ihrem Konto gutzubringen. Der Geldbetrag ist daher mit Willen der Klägerin (Z 51 Abs 3 aE der AGB) in die „Innehabung“ der Beklagten gelangt (vgl Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/241 f). Z 49 der AGB enthält auch den Modus für die Verpfändung von Ansprüchen aus einem Kontoguthaben, der in einer Übergabe durch Erklärung besteht. Da das Kreditinstitut als Schuldner ohnehin von der Verpfändung weiß und daher interessierten Dritten darüber Auskunft geben kann, ist hier ein sonst bei der Forderungsverpfändung notwendiges Zeichen im Sinn des § 452 ABGB nicht erforderlich (Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/253).
5. Das Pfandrecht der Beklagten sichert gemäß Z 50 Abs 1 der AGB ihre Ansprüche gegen die Klägerin aus der Geschäftsverbindung, auch wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind. Durch die Einschränkung auf Ansprüche aus der Geschäftsverbindung sind die durch AGB-Pfandrecht zu besichernden Forderungen ausreichend bestimmbar, stehen doch damit die Person des Gläubigers und des Schuldners sowie der Gattung nach dem Rechtsgrund, nämlich alle im Rahmen von Bankgeschäften entstehenden Forderungen, fest (Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/261). Die von der Beklagten geltend gemachte Forderung beruht auf einer Geschäftsbesorgung der Beklagten für die Klägerin.
6. Die zu sichernde Forderung muss schon entstanden sein, sei sie auch bedingt, betagt oder noch nicht fällig; für zukünftige Forderungen kommt ein AGB‑Pfandrecht nicht in Betracht (9 Ob 139/04p mwN; Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/260). Eine Forderung ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schon dann bedingt existent im Sinn des AGB-Pfandrechts, wie es die Streitteile vereinbarten, wenn der Rechtsgrund feststeht und der rechtserzeugende Tatbestand zum Teil gegeben ist (9 Ob 139/04p mwN: potenzieller Rückgriffsanspruch der zur Herauslegung einer Garantie beauftragten Bank nach §§ 1014, 1358 ABGB; aA Juranek/Marko, Pfandrecht für potenzielle Regressansprüche aus Bankgarantien? ecolex 2005, 100 [102]; gegen diese Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/260). Aufschiebend bedingt sind nicht nur Forderungen, die zufolge rechtsgeschäftlicher Bestimmung von einem Ereignis abhängen sollen, sondern auch durch eine gesetzliche Bestimmung (Rechtsbedingung) bedingte Ansprüche (9 Ob 139/04p; 1 Ob 738/76 SZ 49/137). Dass der Anspruch auf Aufwandersatz nach § 1014 ABGB voraussetzt, dass der Aufwand „gemacht“ wurde, und dass der Eintritt in die Gläubigerrechte nach § 1358 ABGB voraussetzt, dass eine fremde Schuld „bezahlt“ wurde, und ein Rückgriff nach § 896 ABGB erfordert, dass die Schuld „abgetragen“ wurde, steht der Annahme nicht entgegen, dass davor potentielle Rückgriffsforderungen aufschiebend bedingte Ansprüche sein können, ist es doch für die Annahme einer Bedingung typisch, dass erst durch ihren Eintritt das bis dahin aufschiebend bedingte Recht zum Vollrecht wird (9 Ob 139/04p mwN).
7. Die Rücklösung des Investments ‑ Auszahlung der Anteile an der ‑ dem Parteienvorbringen zufolge ‑ Fondsgesellschaft nach dem Recht der British Virgin Islands gegen Rückgabe der Anteilscheine ‑ übernahm die Beklagte nach ihrem Vorbringen im eigenen Namen im Auftrag der Klägerin für deren Rechnung. Sie schlossen insoweit einen Kommissionsvertrag (§ 383 Abs 1 UGB; vgl Z 63 Abs 1 der AGB, wonach das Kreditinstitut Aufträge seines Kunden zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren in der Regel als Kommissionär ausführt). Der Kommittent (die Klägerin) ist nicht Vertragspartei des Ausführungsgeschäfts zwischen Kommissionär und Drittem (Verkäufer oder Käufer), wohl aber wirtschaftlich gesehen dessen Herr, wird doch das Geschäft für seine Rechnung geschlossen. Die Beklagte ihrerseits schaltete die österreichische Bank als Kommissionärin ein, denn nach den Feststellungen des Erstgerichts im Zusammenhalt mit dem nicht konkret bestrittenen Vorbringen der Beklagten hat diese der österreichischen Bank den Auftrag erteilt, im eigenen Namen auf Rechnung der Beklagten die Rücklösung auszuführen. Hierzu war sie berechtigt:
8. Grundsätzlich hat ein Kommissionär den Auftrag selbst auszuführen, kann ihn aber mit ausdrücklicher oder konkludenter Zustimmung des Kommittenten durch einen Unterkommissionär ausführen lassen (1 Ob 694/51 SZ 24/328; Griss in Straube, UGB4 § 384 Rz 4; Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB² § 384 Rz 4 f mwN). Die Klägerin hat nicht vorgebracht, dass der Beklagten die Einschaltung eines Unterkommissionärs nicht gestattet war. Da die Kommission außerhalb des Niederlassungsorts der Beklagten auszuführen war, kann von einer schlüssigen Zustimmung der Klägerin zu einer Substitution ausgegangen werden (Griss in Straube, UGB4 § 384 Rz 4; Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB² § 384 Rz 4 f mwN).
9. Die Unterkommissionärin beauftragte ‑ wie sich dem Vorbringen der Beklagten entnehmen lässt ‑ ihrerseits BBH mit der Ausführung des Auftrags. Die von dieser erhaltene Auszahlung der Fondsgesellschaft kam über die Unterkommissionärin und die Beklagte der Klägerin durch Gutbuchung auf ihrem Konto bei der Beklagten zugute.
10. Der Kommissionär hat gegen den Kommittenten Anspruch auf Aufwandersatz (§ 396 Abs 2 UGB); geht er eine Verbindlichkeit für den Kommittenten ein, hat er Anspruch auf Befreiung von derselben durch Leistung des Kommittenten an den Dritten oder Schuldübernahme oder dadurch, dass der Kommittent dem Kommissionär das Geld zur Verfügung stellt (2 Ob 52/00m; Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB2 § 396 Rz 13 f mwN; Griss in Straube, UGB4 § 396 Rz 11).
11. Nach § 1014 2. Halbsatz ABGB, der auch beim Kommissionsgeschäft Anwendung findet (Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB² § 383 Rz 6 mwN und § 396 Rz 16 mwN; vgl 2 Ob 468/53; Griss in Straube, UGB4 § 396 Rz 10), muss der Kommittent dem Kommissionär „allen mit der Erfüllung des Auftrags“ verbundenen Schaden vergüten. Dieser Anspruch ist unabhängig von einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Kommittenten (gesetzliche „Risikohaftung“ des Kommittenten; vgl RIS‑Justiz RS0019610; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 1014 Rz 9; ders in Jabornegg/Artmann, UGB² § 396 Rz 16; Strasser in Rummel, ABGB³ §§ 1014. 1015 Rz 10; Iro in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I² Rz 1/211; Faber, Risikohaftung im Auftrags- und Arbeitsrecht 189 ff; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse 167 ff). Die Haftung nach § 1014 2. Halbsatz ABGB setzt ein, wenn sich ein spezifisches Risiko der Tätigkeit des Geschäftsbesorgers im Rahmen des erteilten Auftrags verwirklicht, der Schaden ex causa mandati entstanden ist (vgl 2 Ob 134/09h; RIS-Justiz RS0019747; vgl OGH Rv V 1099/8 AC 2769; Ob II 536/24 SZ 6/300; Apathy in Jabornegg/Artmann, UGB² § 396 Rz 16 mwN). Schaden im Sinn der Bestimmung ist eine unfreiwillige Vermögenseinbuße des Beauftragten und ‑ dem Schadensbegriff der §§ 1293 ff ABGB folgend ‑ jeder Nachteil an rechtlich geschützten Gütern, daher auch ein bloßer Vermögensschaden, wozu das Entstehen einer Verbindlichkeit zählt (Faber, Risikohaftung im Auftrags- und Arbeitsrecht 88 ff).
12. Der Oberste Gerichtshof hat ausgesprochen, dass der Kommissionär ohne Rücksicht auf das Verschulden des Kommittenten den Ersatz von Schäden verlangen kann, die er unmittelbar durch die Ausführung der Kommission oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden waren, erlitten hat (2 Ob 468/53; vgl Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit im fremden Interesse 167 f). So hat der Kommittent einer Verkaufskommission dem Kommissionär, der im Gewährleistungsprozess mit dem Käufer auf Wandlung und Rückzahlung des Kaufpreises unterlegen ist, den zurückgezahlten Kaufpreis und die Prozesskosten zu erstatten (AC 2769).
13. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sind die Unterkommissionärin und deren Auftragnehmer BBH Beklagte des von den Liquidatoren von FSL eingeleiteten Verfahrens vor dem New Yorker Gericht. Die Beklagte behauptete, dass Gegenstand dieses Prozesses auch die Rückerstattung jenes Betrags ist, den die Klägerin durch die Rücklösung ihres Investments von FSL erhalten hat, und die Zahlung von FSL nach dem Recht der British Virgin Islands anfechtbar wäre. Den Feststellungen des Erstgerichts lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass mit der Klage Zahlung auch des der Klägerin aus der Rücklösung zugute gekommenen Betrags begehrt wird und worauf sich das Klagebegehren gründet. Trifft die Behauptung der Beklagten über den Gegenstand des Verfahrens zu, so hat die Beklagte als Kommittentin der Unterkommissionärin jenen im Ausführungsgeschäft mit FSL erzielten Betrag gemäß § 1014 2. Halbsatz ABGB zu erstatten, zu dessen Leistung die Unterkommissionärin an FSL verurteilt werden würde, was die Unterkommissionärin von der Beklagten nach deren Vorbringen bereits auch verlangt. Die Beklagte (und letztlich die Klägerin als ihre Kommittentin) trägt auch das Risiko, dass eine Verurteilung der Unterkommissionärin nicht der Rechtslage entspricht. Denn auch insoweit verwirklichte sich eine Gefahr, die mit der Ausführung der Kommission untrennbar verbunden ist. Die Beklagte ihrerseits hat einen entsprechenden Ersatzanspruch gegen die Klägerin als ihre Kommittentin. Denn es handelt sich hierbei um Schäden, die der Beklagten und ihrer Substitutin aus dem von der Klägerin auf deren Rechnung beauftragten Ausführungsgeschäft entstünden. Wird die Unterkommissionärin zur Leistung an FSL verurteilt, so hat die Beklagte, die als Kommittentin die Unterkommissionärin von dieser Verbindlichkeit zu befreien hat, gegen ihre Kommittentin ‑ die Klägerin ‑ den Anspruch, von der Verbindlichkeit gegenüber der Unterkommissionärin befreit zu werden.
14. Der Rechtsgrund des potentiellen Befreiungs‑ oder des potentiellen Erstattungsanspruchs der Beklagten steht fest, nämlich die Ausführung der Verkaufskommission mit der Klägerin. Macht FSL als Vertragspartner des Ausführungsgeschäfts vor dem New Yorker Gericht einen Anspruch auf Rückzahlung des daraus erzielten, der Klägerin gutgebrachten Erlöses geltend, dann wäre auch der rechtserzeugende Tatbestand zum Teil verwirklicht. Der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Ersatz des „mit der Erfüllung des Auftrags verbundenen Schadens“ wäre aufschiebend bedingt durch ein klagsstattgebendes, in Rechtskraft erwachsenes Urteil in diesem Prozess. Ein potentieller Erstattungs-(Befreiungs-)anspruch wäre ein bedingter Anspruch im Sinn der Z 50 der AGB (zur Sicherungsfähigkeit von Befreiungsansprüchen s Canaris, Bankvertragsrecht² Rz 2674). Der Ansicht der Klägerin, ein rechtskräftiger Zuspruch der Forderungen im BBH Verfahren sei nicht als Bedingung für das Entstehen der dort eingeklagten Forderungen zu werten, weil durch dieses Urteil keine Anspruchsvoraussetzungen geschaffen würden, sondern bloß über das Bestehen von Forderungen abgesprochen werde, ist zu erwidern, dass es für die Sicherung der potenziellen Ansprüche der Beklagten durch das AGB-Pfandrecht nicht darauf ankommt, ob der von FSL verfolgte Anspruch tatsächlich (schon) besteht.
15. Da über die Behauptungen der Beklagten zum Gegenstand des Verfahrens vor dem New Yorker Gericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen wurden, ist eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen unumgänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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