OGH 9Ob139/04p

OGH9Ob139/04p6.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei, A*****, vertreten durch Dallmann & Juranek, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 200.000), über Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2004, GZ 4 R 57/04p-12, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Jänner 2004, GZ 35 Cg 76/03w-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.196,72 (darin EUR 366,12 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung zu, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der potentielle Anspruch des Garantiegebers auf Aufwandersatz nach § 1014 ABGB als bedingter Anspruch iSd Z 49 und 50 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten zu beurteilen sei. Dem schließt sich die Beklagte an. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Die Beklagte räumte der Klägerin einen Haftungskreditrahmen für Bankgarantien in der Höhe von zuletzt ca EUR 7,45 Mill ein. Am 20. 3. 2003 sperrte die Beklagte auf bei ihr eingerichteten Konten der Klägerin Guthaben bis zu einem Gesamtbetrag von ca EUR 7,5 Mill unter Berufung auf ihre der Geschäftsbeziehung der Parteien zugrundeliegenden AGB und ließ Dispositionen der Klägerin über deren Guthaben nur im Rahmen von frei werdenden Haftungsfazilitäten zu. Nach Z 49 AGB hat die Klägerin der Beklagten ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art, die in die Innehabung der Beklagten gelangen (Abs 1), insbesondere an allen pfändbaren Ansprüchen der Klägerin gegenüber der Beklagten, zB aus Guthaben, eingeräumt (Abs 2). Nach Z 50 AGB dient dieses Pfandrecht der Sicherung der Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin aus der Geschäftsverbindung, auch wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind (Abs 1). Das Pfandrecht entsteht mit der Erlangung der Innehabung der Pfandsache durch die Beklagte, sofern derartige Ansprüche bestehen, andernfalls mit dem Zeitpunkt des späteren Entstehens solcher Ansprüche (Abs 2). Bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zog eine der Begünstigten eine von der Beklagten im Auftrag der Klägerin hinaus gegebene Bankgarantie über EUR 927.900. Die Beklagte verhandelte mit ihr über einen Aufschub der Zahlungsverpflichtung.

Rechtliche Beurteilung

Unter einem Avalkreditvertrag wird die Vereinbarung der Bank mit ihrem Kunden verstanden, dass die Bank gegen Zahlung eines Entgelts durch den Kunden einem Dritten gegenüber die Haftung als Bürge für eine Verbindlichkeit des Kunden übernimmt. Es wird vielfach auch dann von einem Avalkredit gesprochen, wenn die Bank die Übernahme einer Garantie zusagt (Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 1/191). Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Garantieauftraggeber und der Beklagten als Garanten ist als Auftragsverhältnis (§§ 1002 ff ABGB) zu qualifizieren (Koziol aaO Rz 1/192, 3/53; 8 Ob 200/02y; RIS-Justiz RS0116445 ua). Mit der Eröffnung der abstrakten Garantie hat die Beklagte den ihr erteilten Auftrag schon durchgeführt (Koziol aaO Rz 3/174). Bei Inanspruchnahme durch den Begünstigten gebührt dem Garanten ein Aufwandersatzanspruch nach § 1014 ABGB. Unabhängig davon steht der Bank, die auf Grund der von ihr ausgestellten Bankgarantie Zahlung an einen begünstigten Gläubiger geleistet hat, ein Rückgriffsrecht gemäß § 1358 ABGB zu (Koziol aaO Rz 3/63 f; 8 Ob 200/02y; RIS-Justiz RS0107384).

Nach Z 50 AGB muss die durch Pfandrecht zu sichernde Forderung bereits entstanden sein, sei sie auch bedingt, betagt oder noch nicht fällig. Für zukünftige Forderungen kommt ein AGB-Pfandrecht nicht in Betracht (Iro in Iro/Koziol, ABB-Kommentar Z 50 Rz 12, 15). Eine Forderung ist jedenfalls schon dann bedingt existent, wenn der Rechtsgrund feststeht und der rechtserzeugende Tatbestand zum Teil gegeben ist (3 Ob 145/74 = SZ 47/95; 3 Ob 63/95; 3 Ob 2021/96v; RIS-Justiz RS0004018 ua). Bei potentiellen Rückgriffsansprüchen wie dem vorliegenden ist dies der Fall; es sind sowohl der Rechtsgrund als auch der rechtserzeugende Tatbestand zum Teil gegeben. Folgerichtig werden sie nach ständiger Rechtsprechung als bedingte Forderungen behandelt (3 Ob 63/95; 6 Ob 16/02z; 10 Ob 23/03k; 8 Ob 47/04a; RIS-Justiz RS0051527 ua). Als aufschiebend bedingte Forderungen sind nicht nur solche anzusehen, die zufolge rechtsgeschäftlicher Bestimmung von einem Ereignis abhängen sollen; hierher gehören auch durch eine gesetzliche Bestimmung (Rechtsbedingung) bedingte Ansprüche (1 Ob 738/76 = SZ 49/137). Schon mit Eröffnung der Garantie entsteht ein durch Zahlung an den Begünstigten aufschiebend bedingter Anspruch (Koziol aaO Rz 3/174; Schett, RdW 1995, 249; 8 Ob 200/02y ua).

Dass bisher noch keine besondere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Z 50 der AGB der Beklagten vorliegt, begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Es bestehen nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verständnis der AGB in Bezug auf "bedingte Ansprüche" vom allgemeinen Verständnis abweicht, zu dem wie ausgeführt ausreichend Rechtsprechung vorliegt.

Die weitere von der Revisionswerberin als erheblich angesehene Frage, ob die Regelungen der KO hinsichtlich bedingter Forderungen die ausdrücklichen Regelungen der §§ 1014 und 1358 ABGB "verdrängen können", stellt sich nicht. Richtig ist, dass die §§ 16 und 19 KO keine Legaldefinition "bedingter Forderungen" enthalten, sondern diesen Begriff voraussetzen. Gegenteiliges wurde aber ohnehin nicht angenommen. Konkursrechtliche Überlegungen können mangels Konkurses über das Vermögen der Beklagten dahingestellt bleiben und müssen auch nicht bemüht werden.

Richtig ist auch der Hinweis der Revisionswerberin, dass der Anspruch auf Aufwandersatz nach § 1014 ABGB voraussetzt, dass der Aufwand "gemacht" wurde, und dass der Eintritt in die Gläubigerrechte nach § 1358 ABGB voraussetzt, dass eine fremde Schuld "bezahlt" wurde. Auch der Rückgriff nach § 896 ABGB setzt voraus, dass die Schuld "abgetragen" wurde. Diese Bestimmungen stehen jedoch der Annahme, dass davor potentielle Rückgriffsforderungen aufschiebend bedingte Ansprüche sein können, nicht entgegen, ist es doch für die Annahme einer Bedingung typisch, dass erst durch ihren Eintritt das bis dahin aufschiebend bedingte Recht zum Vollrecht wird (vgl 1 Ob 619/93; 3 Ob 2021/96v ua). Da auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, war die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).

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