OGH 1Ob694/51

OGH1Ob694/515.12.1951

SZ 24/328

Normen

ABGB §1010
HGB §384
ABGB §1010
HGB §384

 

Spruch:

Wenn der Kommissionär zulässigerweise mit der Durchführung des Geschäftes einen Unterkommissionär beauftragt, haftet er nur für culpa in eligendo. Jedoch obliegt ihm eine den Umständen angemessene Überwachung, Vertretung der Interessen des Kommittenten und Benachrichtigung von allen Umständen, die für den Kommittenten in Ansehung des Geschäftes von Bedeutung sind.

Entscheidung vom 5. Dezember 1951, 1 Ob 694/51.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 22. März 1951 das Klagebegehren, die Beklagte zur Zahlung von 16.470 S s. A. zu verurteilen, mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe anfangs Jänner 1939 der Filiale W. der beklagten Partei 4 1/2%ige Pfandbriefe des Galizischen Bodenkreditvereines zum Verkauf übergeben. Die Klägerin sei mit Brief der Beklagten vom 21. Jänner 1939 verständigt worden, daß die Papiere in L. verkauft wurden, und sei ersucht worden, die nötigen Unterlagen dafür zu liefern, daß die Stücke bereits vor dem 26. April 1936 in ihrem Besitz gewesen seien. Es sei daher nicht richtig, daß der Versuch des Verkaufes der Papiere durch die L. Bankverbindung der Beklagten ohne Wissen und Willen der Klägerin unternommen worden sei, da keine Urkunde vorliege, aus der sich ein Protest oder ein Auftrag der Klägerin, die Papiere rückzuberufen, ergebe. Daher sei es gleichgültig, ob die Beklagte auch nach den alten Geschäftsbedingungen ermächtigt gewesen sei, den Auftrag durch ein anderes Bankinstitut auszuführen. Der Umstand, daß die Bank in L. den Ende Jänner 1939 erhaltenen Auftrag bis Kriegsbeginn nicht ausgeführt habe, reiche noch nicht zum Nachweis eines Verschuldens der Beklagten bei Auswahl des Bankinstitutes hin, zumal die Bank in L. nach Angabe des Sachverständigen Dr. M. einen sehr guten Ruf genieße. Nach Auskunft der Wiener Börsekammer vom 8. Jänner 1951 seien die strittigen Papiere an der Wiener Börse nie zum Handel und zur amtlichen Notierung zugelassen gewesen; wohl aber an der L. und W. Börse. Im Hinblick daraus sei nach dem Sachverständigengutachten die Wahl der W. D-Bank für den Verkauf dieser Papiere zweckmäßig und sei für diese Papiere in Wien kein regulärer Handel gewesen. Eine Bank sei aber nur ermächtigt, im regulären Bankgeschäft, also wenn ein Markt vorhanden sei, Verwertungen vorzunehmen. Die Frage der devisenrechtlichen Zulässigkeit des Verkaufes in L. im Jahre 1939 sei bedeutungslos, da bei etwaigem Mangel der Genehmigung nur die Bank herangezogen worden wäre. Es wäre dies aber auf das geschäftliche Verhältnis zwischen Beklagten und Auftraggeber ohne Einfluß gewesen. Die Klägerin habe der Beklagten keinen Auftrag zur Veranlassung der Amortisierung gegeben und sei die Beklagte ohne weiteres nicht dazu bevollmächtigt gewesen, da sich aus dem Verkaufsauftrag eine Bevollmächtigung zu Handlungen, für die der Kommittent als Eigentümer allein legitimiert sei, nicht ergebe.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil die erstgerichtliche Entscheidung, verneinte die von der Klägerin behaupteten Verfahrensmängel, billigte die erstrichterliche Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Auch unter normalen Verhältnissen hätte der Verkauf der Wertpapiere mit Rücksicht auf den ansehnlichen Betrag und die weichenden Kurse längere Zeit in Anspruch genommen und sei daher eine zweimalige Betreibung schon nach einer Wartezeit von drei bis vier Monaten als genügend anzusehen. Es handle sich auch nicht um ein Geschäft von solcher Wichtigkeit, daß die zusätzliche Verwendung von Agenten zwischen Wien und L. notwendig gewesen wäre. Auch hätte die Klägerin selbst den Verkaufsauftrag widerrufen oder auf Wien beschränken können, wenn ihr die mehrmonatige Durchführungszeit mit besonderen Risken verbunden erschienen wäre. Es wäre auch allein Sache der Klägerin gewesen, das Amortisationsverfahren einzuleiten oder der Beklagten hiefür einen besonderen Auftrag zu erteilen. Es falle aber gewiß nicht in den Rahmen der die Beklagte treffenden Sorgfaltspflicht, solche Schritte ohne besonderen Auftrag einzuleiten oder auch nur die Auftraggeberin hiezu zu veranlassen. Es komme überhaupt nur eine Haftung der beklagten Partei für Auswahlverschulden in Frage, ein solches habe das Erstgericht mit Recht verneint. Darüber hinaus treffe die Beklagte keine Haftung, insbesondere auch nicht deshalb, weil sie es unterlassen habe, den Verkauf durch die Erfüllungsgehilfin öfters zu betreiben oder den Verkaufsauftrag rückgängig zu machen. Mit den zweimaligen Urgenzen habe die Beklagte über das sie treffende Maß der Sorgfaltspflicht hinaus klar ihr besonderes Interesse gezeigt, das Geschäft emsig und rege zu besorgen. Für eine Verständigung von sonstigen Begleitumständen habe keine Verpflichtung und kein Anlaß bestanden. Zu einer Rückgängigmachung des Auftrages sei aber die Beklagte ohne besondere Order nicht berechtigt gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht wendet sich die Revisionswerberin gegen die Ansicht, daß die Beklagte, wenn sie sich zur Erfüllung eines Auftrages eines Dritten bediene, nur für culpa in eligendo hafte, da die Sorgfaltspflicht des Kommissionärs bis zur Erfüllung des Auftrages weiterbestehe. Die Klägerin behauptet, die Beklagte hätte ihr daher auch nachher noch mit allen Auskünften zur Verfügung stehen müssen und sei als Sachkundige verpflichtet gewesen, der Klägerin die Amortisation der Wertpapiere und die Anmeldung zur Einlösung anzuraten; die Beklagte habe jedoch der Klägerin weder mit Mitteilungen noch mit Ratschlägen gedient, habe daher ihre Pflichten vernachlässigt.

Der Kommissionär kann den Auftrag entweder selbst und mit seinen Leuten, für deren Verschulden er gemäß § 1313a ABGB. wie für sein eigenes haftet, oder durch einen Unterkommissionär ausführen, wozu er jedoch in der Regel nur mit Zustimmung des Kommittenten befugt ist. Hat der Kommissionär berechtigt einen Unterkommissionär mit der Ausführung beauftragt, so haftet er nicht für das Verschulden des letzteren, sondern, wie schon erwähnt, nur für culpa in eligendo (vgl. Düringer - Hachenburg, Komm., 3. Aufl., 7/2, S. 699, Reichsgerichtsrätekomm., IV., S. 534, Schlegelberger, Komm., II., S. 1338, 1347). Mit der Auswahl und Betrauung des Unterkommissionärs hat der Kommissionär jedoch seine ihm obliegenden Verbindlichkeiten im Sinne des § 384 HGB. noch nicht erfüllt, vielmehr obliegt ihm noch eine den Umständen angemessene Überwachung und ist der Kommissionär auch verpflichtet, die Interessen des Kommittenten weiterhin zu vertreten und ihn unaufgefordert von allen Umständen zu benachrichtigen, die für den Kommittenten in Ansehung des Geschäftes von Bedeutung sind (vgl. Reichsgerichtsrätekomm., IV, S. 534, 537, Schlegelberger, II, S. 1339, 1342). Nun hat die klagende Partei zwar im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, daß die Beklagte ohne ihr Wissen und ihren Willen die Wertpapiere an die L. Bankverbindung zum Verkauf übersendet habe. Die Klägerin hat jedoch schon in ihrer Berufung ausdrücklich zugegeben, daß es der Beklagten nach ihren Statuten (richtig den Bankbedingungen) gestattet war, sich bei Ausführung der erteilten Aufträge nach bestem Ermessen und Zweckmäßigkeitsgrunden dritter Personen und Anstalten zu bedienen, und in einem solchen Falle ihre Haftung auf die sorgfältige Auswahl des Erfüllungsgehilfen (wohl auch Unterkommissionärs) beschränken konnte. Die Klägerin führte in ihrer Berufung weiter aus, es sei aber nicht richtig, daß die Beklagte nach ordnungsgemäßer Auswahl des Dritten kein Verschulden mehr treffen könne, vielmehr sei es ihre Pflicht gewesen, die Erfüllung des an eine dritte Unternehmung erteilten Verhandlungsauftrages ständig im Auge zu behalten, sich darum ausdauernd zu kümmern, zu betreiben oder rückgängig zu machen und die Klägerin von der Nichtvornahme des erteilten Auftrages oder sonstigen Begleitumständen zu verständigen. Da die beklagte Partei nach den unangefochtenen erstgerichtlichen Feststellungen die Papiere der Klägerin der L. Bankverbindung mit Verkaufsauftrag übersendet hat, ist letztere nicht bloß Erfüllungsgehilfe, sondern als Unterkommissionär anzusehen und haftet daher die Beklagte für etwaiges Verschulden der L. Bank nicht nach § 1313a ABGB. Es steht weiters unangefochten fest, daß ein Verschulden der Beklagten bei Auswahl der Unterkommissionärin nicht vorliegt. Entscheidend ist daher, ob die Beklagte dadurch, daß sie in der Zeit bis zum Kriegsausbruch, wie sie ja selbst vorgebracht hat, nichts anderes getan hat, als bei ihrer L. Bankverbindung am 27. April 1939 und am 9. August 1939 zu urgieren, ihre Sorgfaltspflicht erfüllt hat.

Zu einem Widerruf des der L. Bank erteilten Verkaufsauftrages wäre die Beklagte ohne ausdrückliche Weisung der Klägerin nicht berechtigt gewesen. Die Klägerin hat nun im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet, daß ihr durch die Nichtverständigung seitens der Beklagten, daß die L. Bankverbindung die Betreibungen der Beklagten unbeantwortet gelassen hat, ein Schaden erwachsen sei. Da das Berufungsgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens angenommen hat, daß auch unter normalen Verhältnissen der Verkauf der Wertpapiere mit Rücksicht auf den ansehnlichen Betrag und die weichenden Kurse längere Zeit in Anspruch genommen hätte, kann auch nicht ohne weiteres darin, daß bei der Beklagten von der L. Bank, der Filiale einer P. Bank mit gutem Ruf, bis August 1939 noch keine Nachricht von der Ausführung des Auftrages eingelangt war, und daß die L. Bank die Betreibung unbeantwortet gelassen hat, kein Anlaß zu Besorgnissen und dazu erblickt werden, die Klägerin darauf besonders aufmerksam zu machen, und ihr etwa den Widerruf des an die L. Bank erteilten Verkaufsauftrages anzuraten, zumal die Beklagte noch am 9. August 1939 selbst betrieben hatte und daher noch einige Zeit zuwarten mußte, knapp vor dem Kriegsbeginn aber eine Rücksendung der Papiere durch einen Widerruf wohl überhaupt nicht mehr zu erreichen gewesen wäre. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin zur Frage der Amortisierung ausdrücklich nur in der Klage, u. zw. lediglich vorgebracht, der Beklagten sei auch ein Verschulden in der Richtung anzulasten, daß sie die Wertpapiere nicht habe amortisieren lassen. Die Klägerin hat aber keine Behauptung vor der ersten Instanz aufgestellt, daß die Beklagte der Klägerin nicht die Amortisierung angeraten habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Im Hinblick darauf war von den Untergerichten nur dazu Stellung zu nehmen, ob die Beklagte ohne besondere Weisung der Klägerin verpflichtet war, selbst das Amortisierungsverfahren einzuleiten. Eine Verbindlichkeit hiezu hat das Berufungsgericht mit Recht verneint, da die Einleitung eines Amortisierungsverfahrens durch den erteilten Verkaufsauftrag gar nicht gedeckt wäre. Mag es auch genügen, daß der Kommittent bloß behauptet und beweist, durch ein objektives Verhalten des Kommissionärs geschädigt worden zu sein, und mag es auch dann dem Kommissionär obliegen, sich zu exkulpieren (vgl. Düringer - Hachenburg, a. a. O., S. 701), so hat eben die Klägerin in dieser Richtung nur eine Schädigung durch die Unterlassung der Einleitung des Amortisierungsverfahrens seitens der Beklagten, nicht aber dadurch, daß die Beklagte die Einleitung nicht der Klägerin angeraten habe, im erstinstanzlichen Verfahren behauptet. Eine Pflicht der Beklagten, auf Grund des Verkaufsauftrages selbst das Amortisierungsverfahren einzuleiten, bestand auf Grund dieses Auftrages allein keinesfalls.

Demnach liegt keiner der geltend gemachten Revisionsgrunde vor und es mußte daher der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

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