Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 452,70 EUR (darin 75,45 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts sind die ordentlichen Revisionen nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen über Anträge beider Parteien abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es könne der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob sie durch das Aufbringen ihrer Vereinsfahne, welche in ihrem Aussehen der derzeitigen deutschen Fahne entspricht, auf dem als Anschlussturm bezeichneten Gebäude, also allein durch Handlungen ohne verbale Äußerungen, die politische Bühne betreten hat, über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zugemessen werden; im Übrigen sei es nicht ausgeschlossen, dass dem Berufungsgericht durch Zuspruch einer von der Klägerin gar nicht begehrten Leistungsfrist „ab sofort" beim Veröffentlichungsbegehren ein Verstoß gegen § 405 ZPO unterlaufen ist.
1. Die Klägerin meint in ihrer Revision, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass nach dem vermittelten Gesamteindruck mit den inkriminierten Äußerungen, die Klägerin werbe für einen Anschluss Österreichs an Deutschland und verstoße durch den Anschlussturm permanent gegen den Staatsvertrag, keine Tatsachen verbreitet, sondern Werturteile abgegeben worden seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein und dieselbe Äußerung je nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt wurde, einmal unter den Begriff der Tatsachenbehauptung und ein andermal unter den Begriff des reinen Werturteils fallen; entscheidend ist dabei, wie die Äußerung vom Empfänger - zu einem nicht unerheblichen Teil - verstanden wird (RIS-Justiz RS0031815, RS0031883); dies gilt insbesondere für Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten Gesetzeslage (RIS-Justiz RS0112210). Wie aber eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (4 Ob 18/04g; 6 Ob 153/06b; 6 Ob 207/07w).
2. Die Abgrenzung zwischen ehrenbeleidigender Rufschädigung und zulässiger Kritik erfordert eine Interessenabwägung, bei der es auf die Art des eingeschränkten Rechts, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses und auch den Zweck der Meinungsäußerung ankommt. Dabei kommt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK; Art 13 StGG) in einer demokratischen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu. Solange wertende Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschreiten, kann auch massive, in die Ehre eines anderen eingreifende Kritik, die sich an konkreten Fakten orientiert, zulässig sein (RIS-Justiz RS0054817). Was noch zulässige Kritik ist, muss dabei aufgrund der konkreten Fakten des Einzelfalls beurteilt werden (7 Ob 535/91 = MR 1991, 146 [Korn]; 6 Ob 81/06i).
3. Die Klägerin wirft dem Berufungsgericht vor, bei der Beurteilung der Zulässigkeit der von der Beklagten geäußerten Kritik zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, die Klägerin habe die politische Bühne betreten. Tatsächlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, wer „in Kenntnis [des] Umstands [dass mehreren Burschenschaften seit Jahren unterstellt wird, von ihnen gehe ein unterschwelliger und verklausulierter Rechtsextremismus aus] als [eine] den Burschenschaften zugehörige Organisation [wie eben die Klägerin] historisch belastete Begriffe [Anschlussturm] verwendet und in einem Gedenkjahr wie dem 50-jährigen Jubiläum der Befreiung Österreichs [2005] auf einem Turm, der (zumindest auch) als Anschlussturm bezeichnet wird, eine Fahne hisst, die mit der deutschen Fahne ident ist, muss damit rechnen, dass dieses Verhalten als politisch motiviert gedeutet wird".
3.1. Die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amts sind weiter gesteckt, als dies bei Privatpersonen der Fall ist, weil Politiker sich unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen. Politiker müssen daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen, im Speziellen, wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen (6 Ob 245/04d; 6 Ob 159/06k = MR 2006, 362 [Korn]).
3.2. Dieser Grundsatz gilt auch für Privatpersonen und Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne betreten, insbesondere auch für Journalisten und Medieninhaber (6 Ob 168/01a; 6 Ob 250/03p). Diese müssen daher einen höheren Grad an Toleranz zeigen, im Besonderen dann, wenn sie selbst öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen, wie etwa dann, wenn der Verletzte durch eine herabsetzende provokante (!) Schreibweise selbst Kritik seines Werks ausgelöst hat (6 Ob 47/02h; 6 Ob 250/03p; 6 Ob 245/04d). Darüber hinaus ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eines der entscheidenden Kriterien für eine funktionierende Demokratie die Möglichkeit ist, unter anderem an in der Öffentlichkeit in Erscheinung tretenden politischen Agitationen (!) Kritik zu üben (RIS-Justiz RS0031832).
3.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erscheint die Auffassung des Berufungsgerichts jedenfalls vertretbar. Es mag zwar durchaus sein, dass der Name „Anschlussturm" nichts mit den politischen Ereignissen des Jahres 1938 zu tun hat, sondern dieser im
19. Jahrhundert errichtete Turm den Anschluss zu einem weiteren Turm am gegenüber liegenden Donauufer bildete bzw dass die von der Klägerin im Sommer 2005 gehisste Flagge nicht nur jene Deutschlands, sondern bereits seit 1817 auch die Vereinsfahne der „Deutschen Burschenschafter" war. Tatsächlich handelte es sich aber um eine provokante politische Agitation der Klägerin, gerade im Gedenkjahr 2005 auf einem als Anschlussturm bezeichneten Bauwerk, das unter anderem „Gedenkräume der Deutschen Burschenschaft" enthält, eine Flagge zu hissen, die - zumindest auch - jener Deutschlands entspricht. Wer derart provoziert, ist nicht zwingend vor kritischen Stellungnahmen der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen.
3.4. Die Klägerin verweist in ihrer Revision weiters auf jüngere Rechtsprechung des EGMR, wonach „auch das Ansehen eines Politikers den von der EMRK gewährleisteten Schutz genießt". Der EGMR hat allerdings gerade in der von der Klägerin zitierten Entscheidung MR 2007, 419 (Lindon und Otchakovsky-Laurens/Frankreich) ausgeführt, es seien auch die Art der verwendeten Begriffe, insbesondere die zugrundeliegende Absicht, die andere Seite zu stigmatisieren, und der Umstand zu berücksichtigen, ob sie von ihrem Inhalt her Gewalt und Hass schüren und damit über das hinausgehen, was in einer politischen Debatte tolerierbar ist. Eine derartige Qualität erreicht der Vorwurf, die Klägerin werbe für einen Anschluss Österreichs an Deutschland und verstoße durch den Anschlussturm permanent gegen den Staatsvertrag, jedoch nicht (vgl erst jüngst 6 Ob 110/08g).
4. Die Klägerin stützt sich in ihrer Revision schließlich noch auf Rechtsprechung des EGMR (ÖJZ 2007/16 [Standard Verlags GmbH/Österreich II]), wonach der journalistischen Sorgfaltspflicht nicht genügt werde, wenn der Verfasser eines Beitrags, anstatt eigene Nachforschungen anzustellen, ungeprüft Erklärungen des politischen Gegners übernimmt. Sie unterlässt es allerdings darzulegen, welche Ergebnisse derartige Nachforschungen - wohl zugunsten der Klägerin - erbracht hätten.
5. Die Beklagte wehrt sich in ihrer Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, sie habe die Behauptung zu unterlassen, es würden (weil sie durch den Anschlussturm permanent gegen den Staatsvertrag verstoße) bereits die Sicherheitsbehörden gegen die Klägerin ermitteln. Sie gesteht dabei allerdings selbst zu, dass die Sicherheitsbehörden erst aufgrund ihres ersten Artikels vom 7. 8. 2005 tätig geworden waren, sodass die Äußerung im zweiten Artikel vom 9. 8. 2005, die Polizei ermittle „seit vergangener Woche", zumindest massiv irreführend, die Äußerung im ersten Artikel, auch die Polizei ermittle in dieser Causa, jedoch unrichtig war.
6. Die Klägerin begehrte im Verfahren erster Instanz von der Beklagten, sämtliche erwähnten Äußerungen ab sofort zu unterlassen (Punkt 1.) sowie sie zu widerrufen und diesen Widerruf ... zu veröffentlichen (Punkt 2.). Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagte ab sofort zur Unterlassung der Behauptung bereits eingeleiteter sicherheitsbehördlicher Ermittlungen gegen die Klägerin, zu deren Widerruf und zur Veröffentlichung dieses Widerrufs. Die Beklagte meint nun in ihrer Revision, die Klägerin habe im Verfahren erster Instanz hinsichtlich des Widerrufs keine Veröffentlichungsfrist begehrt, weshalb der „Veröffentlichungsauftrag ... nie fällig und daher nicht exekutiv vollstreckbar geworden" wäre; durch Einfügen der Wortfolge „ab sofort" im Zusammenhang mit dem Veröffentlichungsbegehren habe das Berufungsgericht daher gegen § 405 ZPO verstoßen.
Die Leistungsfrist des § 409 ZPO ist eine dem Verurteilten vom Gericht eingeräumte Exekutionsstundung, die jedoch nicht ex lege eintritt. Vielmehr gebietet das Gesetz dem Richter, im Urteil eine Leistungsfrist auszusprechen; ohne derartigen richterlichen Ausspruch wird hingegen keine „gesetzliche Exekutionsstundung" wirksam. Urteile, die keinen Ausspruch über eine Leistungsfrist enthalten, sind somit sofort vollstreckbar (3 Ob 289/04b; Fucik in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 409 Rz 3; Rechberger in Rechberger, ZPO³ [2006] § 409 Rz 2). Durch das Einfügen der Wortfolge „ab sofort", wozu das Berufungsgericht im Übrigen ohnehin von Amts wegen verpflichtet war (Fucik aaO Rz 5 mwN; Rechberger aaO mwN), kann sich die Beklagte daher nicht als beschwert erachten.
7. Die in beiden Revisionen geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens bzw eine Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Im Hinblick auf das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Klägerin im Verfahren zweiter Instanz und ihrem sich daraus ergebenden Revisionsinteresse waren die Kosten auf der Bemessungsgrundlage von 13.266,67 EUR zu ermitteln. Hingegen hat die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten nicht hingewiesen. Dieser Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Klägerin hat dessen Kosten selbst zu tragen.
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