OGH 6Ob81/06i

OGH6Ob81/06i27.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Rudolf V*****, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Jörg H*****, Landeshauptmann von K*****, vertreten durch Gheneff-Rami Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.800 EUR) und Widerruf samt Veröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2006, GZ 6 R 230/05y-10, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach Auffassung des Beklagten hat das Berufungsgericht verkannt, dass seine Äußerung zwar ein auf wahren und mitgelieferten Tatsachen beruhendes Werturteil darstellte, der Beklagte aber dieses Werturteil „im Rahmen der politischen Auseinandersetzung und in Ausübung seines Rechts auf Freiheit und Meinungsäußerung (Art 10 MRK) fällen durfte". Der Kläger habe die Bühne der Öffentlichkeit betreten. Mit seiner Entscheidung sei das Berufungsgericht im Übrigen von der Rechtsprechung des EGMR abgewichen, der „seit kurzem sehr großzügig bei der Annahme der Notwendigkeit, die einem Werturteil zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen", sei.

Das Berufungsgericht verstand die Äußerung des Beklagten so, dass dieser die Vorgangsweise des Klägers, nämlich dessen Beschreitung des Rechtswegs bis zum VfGH ausgehend von der Bekämpfung eines Straferkenntnisses wegen Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit, als Handlungsweise eines Verrückten bezeichnete. Der Beklagte habe auf das Verhalten des Klägers abgestellt und darüber ein beleidigendes Werturteil, das einer Beschimpfung gleichkomme, abgegeben. Dies verstoße auch unter Berücksichtigung des Rechts des Beklagten auf freie Meinungsäußerung und bei Abwägung der wechselseitigen Interessen gegen § 1330 Abs 1 ABGB. Das Beschreiten des Rechtswegs als Handlung eines Verrückten zu bezeichnen, sei auch in einer politisch so umstrittenen Frage wie dem Kärntner Ortstafelstreit nicht hinzunehmen, sodass ein Wertungsexzess vorliege.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RIS-Justiz RS0107768) und ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0113943), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht angenommen werden können. Dies gilt auch für die Frage, ob schutzwürdige Interessen des Verletzten beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die nach § 1330 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ausschlägt (6 Ob 318/03p) sowie was noch zulässige Kritik ist (7 Ob 535/91 = MR 1991, 146 [Korn]).

Der Beklagte beruft sich (unter anderem) auf die Entscheidung des EGMR MR 2005, 465 (Wirtschafts-Trend Zeitschriften-Verlags GmbH/Republik Österreich), die im Übrigen - ebenso wie die ebenfalls von ihm zitierte Entscheidung des EGMR MR 1997, 196 (Oberschlick/Republik Österreich II) - ihn selbst betraf. Er übersieht dabei aber, dass der EGMR in der erstgenannten Entscheidung besonders hervorgehoben hat, dass der Beklagte „ein führender Politiker [sei], der seit langem für seine zweideutigen Äußerungen über die Herrschaft der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg bekannt ist"; er müsse deshalb „einen besonders hohen Grad von Toleranz zeigen". In der zweitgenannten Entscheidung hielt der EGMR seine Bezeichnung als Trottel „angesichts des Unmuts, den er bewusst hervorgerufen hatte, nicht [für] unangemessen". Von derartigen Voraussetzungen kann im vorliegenden Fall aber zu Lasten des Klägers nicht ausgegangen werden. Er muss es sich also nicht gefallen lassen, in der Öffentlichkeit vom Beklagten als Verrückter bezeichnet zu werden.

2. Der Beklagte meint, das Berufungsgericht habe zu Unrecht Wiederholungsgefahr angenommen. Tatsächlich habe er dem Kläger einen Vergleich angeboten, den dieser abgelehnt habe. Dazu sei der Kläger aber nicht berechtigt gewesen, weil sich der Beklagte zu einem aktiven Verhalten verpflichtet habe, welches den in der Klage vorgeworfenen Rechtsbruch verhindert hätte.

Das Berufungsgericht hat den angebotenen Vergleich als nicht ausreichend angesehen. Dieser enthalte eine undeutlichere Formulierung und erschwere durch weitere Kautelen die Exequierbarkeit des Unterlassungsbegehrens im Gegensatz zum Klagebegehren. Nach der Rechtsprechung richtet sich (auch) die Frage, ob ein vom Beklagten angebotener vollstreckbarer Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr beseitigt, nach den Umständen des Einzelfalls, dem keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (4 Ob 2260/96y mwN; RIS-Justiz RS0107902; vgl auch RIS-Justiz RS0044208 allgemein zur Wiederholungsgefahr). Eine auffallende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht ist nicht erkennbar.

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