European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00078.18H.0612.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist der Honoraranspruch der Klägerin für die Vertretung der Beklagten in gerichtlichen Verfahren wegen Ehescheidung, Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Dass die Klägerin der Beklagten in Kenntnis ihrer Ziele für die Scheidungsfolgen eine Umstellung des Widerklagebegehrens auf eine Scheidung nach § 55 EheG empfohlen habe, ohne sie darüber aufzuklären, dass sie damit jeden Unterhaltsanspruch für die Zeit nach der Scheidung verlieren würde, sei ein anwaltlicher Vertretungsfehler, der die Beklagte durch Entgang nachehelichen Unterhalts von zumindest 5.000 EUR monatlich geschädigt habe. Die Leistungen der Klägerin für die Beklagte seien insgesamt als wertlos anzusehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt infolge völliger Wertlosigkeit seiner Tätigkeit seinen Honoraranspruch „verwirkt“ hat, kann nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0116278 [T1, T2]). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.
2. Die Vorinstanzen wiesen der Klägerin aufgrund ihrer nicht dem ausdrücklichen Wunsch der Beklagten entsprechenden Empfehlungen die Beweispflicht dafür zu, dass diese bei Fortsetzung der Scheidungsverfahren nach § 49 EheG keinen nachehelichen Unterhalt erhalten hätte und die Leistungen der Klägerin nicht im gesamten Umfang als wertlos zu qualifizieren seien. Diese – im Rahmen der Rechtsprechung liegende (RIS‑Justiz RS0022700 [T6]) – Beurteilung zieht die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision nicht in Zweifel, diese Beweislastverteilung ist daher zugrundezulegen.
3. Hätte die Klägerin nicht für die Beklagte den Antrag auf Scheidung nach § 55 EheG gestellt, ohne sie darüber zu informieren, dass dies auf jeden Fall den Verlust eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach sich zieht, wäre nach den Feststellungen des Erstgerichts bei einer Fortsetzung der Scheidungs‑ und Unterhaltsverfahren entweder ein umfassender Scheidungsvergleich zustande gekommen, in den mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eingeflossen wäre, dass beide Ehepartner von einem Verschulden des Mannes an der Zerrüttung der Ehe und einem daraus abzuleitenden nachehelichen Unterhaltsanspruch der Beklagten ausgingen, sodass ein solcher in Höhe von jedenfalls 5.000 EUR zusätzlich „eingepreist“ worden wäre, oder aber es wäre zu einem rechtskräftigen Scheidungsurteil mit Verschuldensausspruch nach § 60 EheG zugunsten der Beklagten samt erfolgreichen anschließenden Verfahren auf nachehelichen Unterhalt gekommen. In diesem wären ihr – ausgehend von einem Nettoeinkommen des Mannes von jedenfalls 207.000 EUR – zumindest monatlich 5.000 EUR zugesprochen worden. Damit steht fest, dass die Beklagte ohne den Vertretungsfehler der Klägerin in jedem der beiden möglichen Verfahrensabläufe Unterhaltszahlungen von (zumindest) 5.000 EUR monatlich lukrieren hätte können. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Fehlberatung durch die Klägerin zu dem für die Beklagten wichtigen Punkt ihres finanziellen Auskommens und ihrer Wohnmöglichkeit nach der Scheidung habe einen entsprechenden Schaden der Beklagten bewirkt, zumal sich auch ihre Verhandlungsposition in den Vergleichsgesprächen verschlechtert habe, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.
4. Auf die von der Klägerin vermissten Feststellungen zum von ihr behaupteten (versuchten) Prozessbetrug des Mannes kommt es nach der nicht korrekturbedürftigen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an, weil selbst bei Annahme unrichtiger Angaben des Mannes im Scheidungsverfahren die Klägerin vor einer Umstellung des Scheidungsbegehrens auf ein solches nach § 55 EheG jedenfalls entsprechende Aufklärungs‑ und Informationspflichten über die Konsequenzen einer Scheidung nach § 55 EheG gegenüber der Beklagten getroffen hätte, denen sie nicht nachkam, obwohl ihr deren ausdrücklicher Wunsch nach bestmöglicher Absicherung und Wohnmöglichkeit nach der Scheidung bewusst war. An diesem Vertretungsfehler der Klägerin vermochte die – tatsächlich erst im zweiten Rechtsgang erstmals vorgetragene – Behauptung eines versuchten Prozessbetrugs durch den Mann nichts zu ändern.
5. Auch ein Schaden der Beklagten wäre in festgestellter Höhe unabhängig vom behaupteten Prozessbetrug jedenfalls entstanden, zumal die Revision einerseits die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, im Fall der Fortsetzung des Scheidungsverfahrens nach § 49 EheG wäre es zu einer Scheidung aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden des Mannes gekommen, nicht substantiiert in Zweifel zieht und es in der weiteren gleichwertigen – insoweit eine strittige Tatfrage betreffenden und daher als den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung zu wertenden (5 Ob 182/17a) – Sachverhaltsvariante jedenfalls zur „Einpreisung“ eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Beklagten in den Scheidungsvergleich gekommen wäre.
6. Zwar hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. 4. 2014 (ON 7) die von ihr erbrachten Leistungen unter Hinweis auf ihr Leistungsverzeichnis nach Stunden konkretisiert, was grundsätzlich als ausreichendes Vorbringen zu werten ist (vgl RIS‑Justiz RS0037915 [T4]). Allerdings findet sich das Vorbringen, die Klägerin habe „den Aufteilungsanspruch der Beklagten voll erfüllt, wenn nicht übererfüllt“ erstmals in der Revision. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, hinsichtlich der Werthaltigkeit der Leistungen der Klägerin im Aufteilungsverfahren liege kein ausreichendes Prozessvorbringen vor, ist im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit der Auslegung von Prozessvorbringen (RIS‑Justiz RS0042828) nicht korrekturbedürftig, zumal fehlendes Vorbringen nicht durch eigene Berechnungen des Gerichts ersetzt werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0037780 [T13]). Aufwendungen der Klägerin für den Antrag im Aufteilungsverfahren und dessen Überarbeitung wären überdies jedenfalls dann nicht angefallen, wäre es bei Fortsetzung des Scheidungsverfahrens zu einem umfassenden Scheidungsvergleich gekommen. Ein Aufteilungsverfahren hätte sich diesfalls erübrigt. Der der Klägerin obliegende Beweis, ihre Leistungen seien insoweit für die Beklagte unabhängig vom Vertretungsfehler von Wert gewesen, ist ihr somit nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts nicht gelungen.
7.1. Die Frage nach einer allfälligen Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung (unterlassene Wiederaufnahmsklage betreffend das Scheidungsurteil) stellt sich nicht. Die Wiederaufnahmsklage ist zwar auch im Eheverfahren, somit auch gegen Ehescheidungsurteile zulässig ( Jelinek in Fasching/Konecny 2 V/1 § 530 ZPO Rz 32 mwN). Zu Verfahrensschritten, die mit einem bedeutenden Kostenrisiko verbunden sind oder geringe Aussicht auf Erfolg haben, ist ein Geschädigter aber keinesfalls verpflichtet (RIS‑Justiz RS0108035 [T2, T3]).
7.2. In Betracht käme hier die Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 3 ZPO, die voraussetzt, dass die Entscheidung (ua) durch eine als Betrug zu wertende strafbare Handlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde oder aber iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, somit das Auffinden neuer Tatsachen oder Beweismittel, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine für die Beklagte günstige Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Hier wurde die Ehe der Beklagten aufgrund der Änderung ihres Widerklagebegehrens nach § 55 Abs 1 EheG ohne Verschuldensausspruch geschieden, zumal ihr Mann die Zerrüttung zugestand. Diese Scheidung beruhte unmittelbar weder auf einem Prozessbetrug des Mannes der Beklagten – der ja nach den Behauptungen gar nicht die Frage der Zerrüttung betraf – noch auf in der Folge überholten Tatsachen oder Beweismittel. Die offenbar übertriebenen Behauptungen des Mannes im Scheidungsverfahren beeinflussten vielmehr ausschließlich die Entscheidung der Klägerin, als Vertreterin der Beklagten das Scheidungsbegehren auf Zerrüttungsscheidung nach § 55 Abs 1 EheG umzustellen. Eine Wiederaufnahmsklage gegen diese ohne Verschuldensausspruch erfolgte Scheidung zum Zweck der Ermöglichung der (Weiter‑)Führung des Scheidungsverfahrens nach § 49 EheG wäre aber als unschlüssig zu beurteilen (vgl 6 Ob 115/04m). Da die Klägerin im Vorverfahren voll durchgedrungen ist und ein Verschuldensausspruch im Sinn des § 61 Abs 3 EheG nicht erfolgte, steht ihr auch die Ergänzungsklage nicht zu (RIS‑Justiz RS0044401). Der in der Revision vermissten ergänzenden Feststellungen zur Aussage des Mannes der Beklagten bedurfte es daher nicht.
8. Die Abweichung von einer in einem Aufhebungsbeschluss ausgesprochenen Rechtsansicht kann keinen Revisionsgrund bilden (RIS‑Justiz RS0042173). Ein allfälliges Abgehen wäre ohne Bedeutung, wenn die Rechtsansicht, die der vom Obersten Gerichtshof zu prüfenden Entscheidung zu Grunde liegt, richtig ist (RIS‑Justiz RS0042173 [T7]). Dies ist hier der Fall.
9. Die außerordentliche Revision war somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedurfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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