European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00076.20T.0603.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Klägerin kommt Wohnungseigentum an der Wohnung Top 3, der Garage Top 5 und am Abstellplatz Top 6 zu. Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnung Top 1, der als Zubehör – unter anderem – auch ein Garten zugeordnet und im Grundbuch eingetragen ist. Laut Nutzwertgutachten aus 2012 und dem dort enthaltenen Plan handelt es sich dabei um die im Süden an das Wohnhaus angrenzende rechteckige Gartenfläche im Ausmaß von 63 m 2 , die 10 m lang und 6,3 m breit ist. Daran grenzt der Parkplatz Top 6 der Klägerin an. Südlich der Gartenfläche der Beklagten befindet sich als Allgemeinfläche ein Zufahrtsweg zur Garage Top 5 der Klägerin, der im östlichen Bereich ca 2,2 m, im Bereich der Linkskurve Richtung Norden ca 2,5 m breit ist. Der Ehemann der Beklagten hat zur Kennzeichnung der Grenze ihres Gartens eine weiße Linie gezogen. Die Beklagte hat entlang der Gartenfläche innerhalb dieser Linie Betonblumentröge in einer Entfernung von 6,05 m zur Hausflucht Ost‑West aufgestellt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Entfernung der auf dem Zugangs‑ und Zufahrtsweg mit einer Breite von 3 m in dem dort konkret genannten Bereich aufgestellten Betontröge sowie auf Unterlassung der Behinderung jeglicher Zufahrt zur Top 5 ab. Wo die Beklagte die Betontröge aufgestellt habe, sei nach der privatrechtlichen Einigung der Wohnungseigentümer der der Wohnung der Beklagten als Zubehör zugeordnete Garten. Baurechtliche Widmungen oder Vorschriften seien für das privatrechtliche Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer irrelevant. Da die Gartenfläche der Beklagten von der südlichen Hausmauer aus 6,3 m nach Süden reiche, und nach der Widmung der Wohnungseigentümer nur die restliche Fläche bis zur südlichen Grundstücksgrenze Allgemeinfläche sei, stehe der Klägerin dieser Bereich als Zufahrtsweg zu der Garage Top 5 zur Verfügung. Eine Nichtigkeit des Wohnungseigentumsvertrags wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des WEG liege nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Zwar könne an notwendig allgemeinen Teilen niemals Wohnungseigentum begründet werden. Ein Zugang und Zufahren zur Garage der Klägerin sei aber nach wie vor – wenn auch im Kurvenbereich beschwerlich – möglich, sodass durch die konkrete Ausgestaltung des Zubehörwohnungseigentums am Garten der Beklagten nicht in zwingend allgemeine Teile der Wohnungseigentumsanlage eingegriffen worden sei. Dass die Breite der Zufahrt nicht den Bestimmungen der TBO und der OIB‑Richtlinie 4 entspreche, die eine Fahrbahnbreite zu Garagen von 3 m vorsehe, ändere daran nichts, weil es für die Wohnungseigentumstauglichkeit nicht auf baubehördliche Bewilligungen oder baurechtliche Vorschriften ankomme.
Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit insgesamt 5.000 EUR übersteigend. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei Begründung von Wohnungseigentum zur Frage der Zubehörwohnungseigentumstauglichkeit und des Vorhandenseins notwendig allgemeiner Teile auch die einschlägigen Bestimmungen der geltenden Bauordnungen zu beachten seien.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die die Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als absolut unzulässig, hilfsweise mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Die Klägerin macht – zulässigerweise (RIS‑Justiz RS0012040) – ihren Anspruch auf Eigentumsfreiheit aufgrund eines nach ihren Behauptungen unberechtigten Eingriffs in das gemeinsame Eigentumsrecht geltend. Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, stehen zwar nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RS0110012); hier sind nach den hierfür maßgeblichen Klageangaben aber sowohl das Entfernungs‑ als auch das Unterlassungsbegehren der Klägerin auf denselben Eingriff, nämlich das Aufstellen der Betontröge und die dadurch bewirkte Behinderung der Zufahrt zur Garage der Klägerin gestützt. Das Berufungsgericht hat daher wegen der hier gebotenen Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN zutreffend einen Bewertungsausspruch für beide Begehren insgesamt vorgenommen.
1.2. Im Rubrum ihrer Klage hat die Klägerin tatsächlich „STW RATG EUR 3.000 STW GGG EUR 750“ vermerkt. In der Klage selbst erklärte sie aber – ohne eine derartige Einschränkung – ihr Unterlassungsbegehren mit 3.000 EUR zu bewerten. Selbst wenn man mit der Revisionsgegnerin davon ausgehen wollte, eine Bewertung nach JN sei unterblieben und deshalb der Zweifelsstreitwert des § 56 Abs 2 JN anzuwenden, würde dies die Revision nicht absolut unzulässig machen. Zwar gilt mangels Angabe des Werts des nicht in Geld bestehenden Streitgegenstands nach § 56 Abs 2 JN ein Betrag von 5.000 EUR als Streitwert. Allerdings ist in dieser Bestimmung keine den Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz zwingend determinierende Bewertungsvorschrift zu sehen, wird sie doch in § 500 Abs 3 ZPO nicht erwähnt (1 Ob 204/06s mwN; 1 Ob 9/12y mwN). Es bestand daher für die zweite Instanz kein Hindernis, in der Berufungsentscheidung – für den Obersten Gerichtshof mangels offenkundiger Überbewertung bindend (RS0042515; RS0043252 [T2]) – auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR übersteigt. Dem Vorbringen der Beklagten, die Revision sei absolut unzulässig, ist daher nicht zu folgen.
2.1. Die Auffassung der Vorinstanzen, die rechtswirksame Widmung gebe den Ausschlag dafür, was zu einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt gehört und entsprechend vom jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich genutzt werden darf, entspricht ebenso ständiger Rechtsprechung (RS0118149) wie der Umstand, dass für die Frage der Widmung nur auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer abzustellen ist, während baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren (RS0120725; 5 Ob 83/12k – zum Entfall einer baurechtlichen Widmung als Notausgang nach OIB). Die – ausnahmslos rechtsgrundabhängige und keinen zivilrechtlichen Ersatztitel schaffende (5 Ob 157/11s mwN) – Nutzwertfestsetzung hat nicht auf die abstrakte Tauglichkeit von Objekten, sondern auf die konkrete Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehörwohnungs-eigentum oder allgemeinen Teilen abzustellen (RS0114928). Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung von Teilen einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft hängt von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falls ab (RS0114928 [T7]). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt nicht vor, die vom Berufungsgericht angesprochene Rechtsfrage ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt.
2.2. Notwendig oder (zwingend) allgemeine Teile, an denen nie Wohnungseigentum begründet werden kann, sind nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0117164) solche, die kraft ihrer faktischen Beschaffenheit von vornherein nicht als Wohnung oder als Zubehör nutzbar sind, weil ihnen die Eignung fehlt, selbständig und ausschließlich benützt zu werden. Nicht notwendig muss ein solcher Teil von sämtlichen Miteigentümern benützt werden können. Dem Erfordernis der allgemeinen Benützung wird auch Rechnung getragen, wenn ein Teil der Miteigentümer auf die Benutzung angewiesen ist. Nach diesen Grundsätzen sind etwa Zu‑ oder Durchgänge zu allgemeinen Teilen der Liegenschaft dann „notwendig“ allgemeine Teile, wenn sie die einzigen derartigen Flächen der Liegenschaft sind (5 Ob 201/09h; RS0097520 [T1, T4]; RS0117164). Selbst für derartige Zu‑ oder Durchgänge judiziert der erkennende Senat (5 Ob 264/08x; 5 Ob 202/11h), dass dies dann nicht gilt, wenn die dadurch erschlossenen allgemeinen Teile der Liegenschaft in Sondernutzung eines Wohnungseigentümers stehen. Zu 5 Ob 202/11h sprach der Senat (zum Argument des Verstoßes einer privatrechtlichen Vereinbarung gegen die TBO) aus, die dort unter bestimmten Voraussetzungen angeordnete Schaffung eines Kinderspielplatzes sei bloß eine im Baubewilligungsverfahren wahrzunehmende Verpflichtung des Bauwerbers und enthalte kein Verbot rechtsgeschäftlicher Verfügung über solche Freiflächen.
2.3. Diesen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits vorgegebenen Rahmen haben die Vorinstanzen nicht verlassen, eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Nach den Feststellungen haben sich sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer darauf geeinigt, den südlich des Hauses gelegenen Garten im Ausmaß von 10 x 6,3 m als Zubehörwohnungseigentum der Wohnung der Beklagten zuzuordnen und folgerichtig bei der Nutzwertfestsetzung zu berücksichtigen, während der daran anschließende Wegstreifen von 2,2 bis 2,5 m Breite als allgemeiner Teil der Benutzung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer, insbesondere der Klägerin als Zufahrt zu ihrer Garage zur Verfügung stehen sollte. Dieser privatrechtliche Widmungsakt ist eindeutig und lässt keinen Zweifel offen. Unabhängig davon, welche Fassung der OIB‑Richtlinie und der TBO zum Zeitpunkt dieser Einigung anzuwenden war, konnten diese rein baurechtlichen Vorschriften nichts an der Rechtswirksamkeit und damit Verbindlichkeit der privatrechtlichen Widmung ändern. Dass es der Klägerin möglich sein muss, die in ihrem Wohnungseigentum stehende Garage über allgemein zugängliche Flächen zu erreichen, es daher eine Zugangs‑ und Zufahrts‑(Möglichkeit) über allgemeine Teile, die insoweit als „notwendig allgemein“ anzusehen sind, geben muss, ist richtig. Dies bezweifeln aber auch weder die Beklagte noch die Vorinstanzen. Dass es aber im Einzelfall ausreicht, einen Weg in der festgestellten Breite zu haben, um die Garage zu erreichen, liegt in dem den Vorinstanzen insoweit eingeräumten Ermessensspielraum und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.4. Ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung – die nur den Garten der Beklagten, nicht die allgemeinen Teile betreffen könnte – im Sinn des § 9 Abs 1 Z 1 WEG ist nicht zu erkennen, weil sich die TBO (wie die OIB‑Richtlinie) als rein baurechtliche Vorschriften nur an den Bauwerber richteten. Von einer Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung an sich wegen eines allfälligen Verstoßes gegen baurechtliche Vorschriften in Bezug auf die Breite eines Zufahrtswegs zu einer Garage kann daher nach der im Einzelfall zu billigenden Auffassung des Berufungsgerichts tatsächlich keine Rede sein.
3. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
4. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat. Allerdings steht dreifacher Einheitssatz nur für Berufungs‑ und nicht Revisionsbeantwortungen zu (§ 23 Abs 9 RATG).
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