OGH 5Ob83/12k

OGH5Ob83/12k12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Dr. A***** S*****, 2. Mag. M***** S*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, 3. R***** K*****, gegen sämtliche übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 616 GB ***** als Antragsgegner, darunter als 17. (vormals 18.) Antragsgegner Mag. DI E***** R*****, vertreten durch Prader & Ortner Rechtsanwälte Ges.b.R. in Innsbruck sowie sechzehn weitere Antragsgegner, wegen Erlassung einer Benützungsregelung, über den Revisionsrekurs des 17. Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Februar 2012, GZ 4 R 502/11v‑15, womit infolge Rekurses des 17. Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 17. Oktober 2011, GZ 31 Msch 5/10s‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0050OB00083.12K.0612.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der 17. Antragsgegner ist schuldig, dem Erst- und der Zweitantragstellerin die mit 850,44 EUR (darin enthalten 291 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Über Antrag des Erst‑ und der Zweitantragstellerin erließ das Erstgericht eine Benützungsregelung, die diese berechtigt, die südlich an ihren Autoabstellplatz AP 4 angrenzende Allgemeinfläche in einer Breite von 30 cm zum Abstellen ihres Fahrzeugs mit der Einschränkung zu benützen, dass der Zugang zu der dahinter befindlichen, ins Freie führenden Türe für Fußgänger möglich sein muss. Die vormalige Achtantragsgegnerin hat sich dem Antrag formell angeschlossen und ist daher richtigerweise ebenfalls als Antragstellerin zu bezeichnen. Damit ändert sich auch die Bezeichnung des Revisionsrekurswerbers von vormals 18. auf nunmehr 17. Antragsgegner.

Dem gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhobenen Rekurs des ehemals 18. Antragsgegners (nunmehr 17. Antragsgegners) gab das Rekursgericht nicht Folge. Es führte aus, dass die Interessen der Antragsteller an der Benützungsregelung ungeachtet der Einengung des Zugangs zum Ausgang überwiegen würden und ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Inhalt und Auswirkungen der Richtlinie 4 des österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB‑RL) für die nach Abzug des von der Benützungsregelung erfassten Teils verbleibende Zugangsfläche zur Garagentüre fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

1. Nach § 17 Abs 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine gerichtliche Regelung über die Benützung verfügbarer allgemeiner Teile einer Liegenschaft beantragen, was bedeutet, dass solche Allgemeinflächen, die notwendig oder nach ihrer Zweckbestimmung (Gebrauchsordnung, Widmung) der allgemeinen Benutzung dienen, nicht Gegenstand einer Benützungsregelung sein können. Diese Folgerung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 WEG und entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0105691; 5 Ob 264/08x = MietSlg 60.437; 5 Ob 201/09h = wobl 2010/76 = MietSlg 62.431). Notwendige allgemeine Teile der Liegenschaft sind solche, denen kraft ihrer Beschaffenheit die Eignung fehlt, selbständig und ausschließlich benützt zu werden, wozu insbesondere Zugänge oder Durchgänge zu allgemeinen Teilen der Liegenschaften zählen (RIS‑Justiz RS0097520 [T8, T13]; RS0117164). Jede Benützungsregelung hat bestehende baurechtliche Bestimmungen zu beachten (vgl 5 Ob 87/07s).

2. Mit Bescheid vom 6. 8. 2009 hat die Baubehörde den über die freie Fläche zwischen dem Autoabstellplatz der Antragsteller und AP 5 erreichbaren Notausgang nach Prüfung der Fluchtweglänge zu den verbleibenden sechs Notausgängen aus der Garage anhand der Richtlinie 2.2 des österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB-RL 2.2) aufgelassen. Baurechtliche Bestimmungen stehen der Benützungsregelung daher nicht entgegen. Dass eine baurechtliche „Widmung“ (oder wie hier deren Entfall) die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander weder definieren noch ändern kann, entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (5 Ob 106/06h = wobl 2006/147 [ Call ]; 5 Ob 22/07g = MietSlg 59.398; 5 Ob 257/11x = immolex 2012/24).

3. Der Revisionsrekurswerber vertritt dazu die Ansicht, dass ungeachtet des Ausspruchs der Baubehörde eine (konkludente) wohnungseigentumsrechtliche Widmung als Notausgang aufrecht sei und der Verfügbarkeit der zwischen den Abstellplätzen gelegenen Zugangsfläche entgegenstehe und sieht damit die Zugangsfläche offenbar als Fluchtweg kraft Vereinbarung an. Gegenstand der OIB-RL 2.2, der nach § 35 der Verordnung der Landesregierung für Tirol über die bautechnischen Erfordernisse für bauliche Anlagen sowie über Inhalt und Form des Energieausweises (LGBl 2007/93) Verbindlichkeit zukommt, ist der Brandschutz bei Garagen und damit zusammenhängend die Regelung von Fluchtwegen. Notausgänge sind ein notwendiger Bestandteil solcher Fluchtwege. Der Revisionsrekurswerber verweist dazu selbst auf deren öffentlich-rechtliche Festlegung, in dem er die Vorschreibung mit Baubescheid betont. Die Qualifizierung eines Zugangs als Notausgang entzieht sich daher einer privatrechtlichen Widmung ebenso, wie die öffentlich-rechtliche Einordnung einer Freifläche als Fluchtweg. Mit dem Hinweis auf eine fehlende privatrechtliche Umwidmung des Notausgangs durch die Wohnungseigentümer zeigt der Revisionsrekurswerber daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

4. Fragen nach einer ausdrücklichen oder konkludenten privatrechtlichen Widmung der Zugangsfläche durch die Mit- und Wohnungseigentümer iSd § 2 Abs 4 2. Fall WEG (siehe dazu T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österr. Wohnrecht § 2 WEG Rz 43; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wonhrecht²² WEG § 2 Rz 25) sind hier schon deshalb nicht zu behandeln, weil gar nicht strittig ist, dass die Eigenschaft als grundsätzlich notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft erhalten bleibt, auch wenn der hier in Rede stehenden Fläche mit der Auflassung des Notausgangs nicht mehr die öffentlich-rechtliche Eigenschaft als Fluchtweg zukommt. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits wiederholt ausgesprochen, dass geeignete Zugangsalternativen das „Angewiesensein“ der Mit- und Wohnungseigentümer auf eine solche Fläche beseitigen und ihnen damit auch die Eignung als notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft nehmen können (5 Ob 5/95; 5 Ob 264/08x; 5 Ob 201/09h = wobl 2010/76 = MietSlg 62.431).

5. Ob ein Zugang, wie hier die Freifläche zwischen den Abstellplätzen, verfügbar iSd § 17 Abs 1 WEG ist und daher Gegenstand einer Benützungsregelung sein kann, hängt von der Brauchbarkeit bzw Gleichwertigkeit alternativer Zugangsmöglichkeiten ab. Das muss auch dann gelten, wenn - wie hier - die nach diesen Grundsätzen verfügbare Fläche letztlich von der Benützungsregelung nur teilweise betroffen ist und die Restfläche weiterhin als Zugang bestehen bleibt. Die Entscheidung darüber ist wegen ihrer Einzelfallbezogenheit mit Ausnahme einer krassen Fehlbeurteilung nicht revisibel (vgl 5 Ob 201/09h). Der Revisionsrekurswerber stellt das Vorhandensein geeigneter Alternativen auch gar nicht in Frage. Es begründet damit keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen in Anbetracht der verbleibenden Zu- und Ausgänge keinen notwendig allgemeinen Teil der Liegenschaft annahmen und die rechtliche Verfügbarkeit der Freifläche zwischen den Autoabstellplätzen bejahten. Daher stellen sich auch die vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der gemäß Verordnung LGBl 2007/93 ebenfalls verbindlichen OIB‑RL 4 nicht mehr.

6. Da auch der Verweis auf ein von den Antragstellern in einem Parallelverfahren erstattetes Vorbringen keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, ist der Revisionsrekurs des 17. Antragsgegners insgesamt als nicht zulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch, wenn - wie hier - in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen wurde.

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