European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00051.16K.0825.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts, der in seinem gesamten übrigen Umfang als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, betreffend den Antrag auf Einverleibung des Vorkaufsrechts im Sinne der §§ 1072 ABGB gemäß IX.1. des Übergabsvertrags vom 20. 8. 2015 wie folgt zu lauten hat:
„Bewilligt wird
in EZ ***** GB *****
auf Anteil gemäß Pkt. 2 (des Beschlusses des Bezirksgerichtes Bezau vom 21. Dezember 2015, TZ 3605/2015)
auf Anteil gemäß Pkt. 4 (des Beschlusses des Bezirksgerichtes Bezau vom 21. Dezember 2015, TZ 3605/2015)
Einverleibung des Vorkaufsrechts im Sinne der §§ 1072 ff ABGB gemäß IX.1. Übergabsvertrag vom 20.08.2015
für A***** C***** D***** *****
in EZ ***** GB *****
auf Anteil gemäß Pkt. 3 (des Beschlusses des Bezirksgerichtes Bezau vom 21. Dezember 2015, TZ 3605/2015)
auf Anteil gemäß Pkt. 5 (des Beschlusses des Bezirksgerichtes Bezau vom 21. Dezember 2015, TZ 3605/2015)
Einverleibung des Vorkaufsrechts im Sinne der §§ 1072 ff ABGB gemäß IX.2. Übergabsvertrag vom 20.08.2015
für D***** D***** D*****.
Hievon werden verständigt:
1. D***** D***** D*****
*****
2. A***** C***** D*****
*****
3. L***** D*****
*****
4. E***** D*****
*****
5. B***** Aktiengesellschaft, FN *****
*****
6. Agrarbezirksbehörde B*****
*****
7. Gemeinde M*****
*****
8. Finanzamt B*****
*****
9. Summer Schertler Stieger Kaufmann Droop Rechtsanwälte GmbH, FN 402943p,
Kirchstraße 4, 6900 Bregenz
Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.“
Begründung:
Die Dritt‑ und Viertantragsteller sind die Eltern der Erst‑ und Zweitantragstellerinnen. Mit Übergabsvertrag vom 20. 8. 2015 haben die Dritt‑ und Viertantragsteller (ua) ihre jeweils mit Wohnungseigentum verbundenen Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** je zur Hälfte der Erst- und der Zweitantragstellerin geschenkt und übergeben. Mit diesem Übergabsvertrag vom 20. 8. 2015 haben die Erst‑ und die Zweitantragstellerin die ihnen geschenkten Anteile zur gemeinsamen Eigentümer-partnerschaft verbunden und den Dritt‑ und Viertantragstellern in Bezug auf die damit verbundenen Wohnungseigentumsobjekte das Fruchtgenussrecht sowie ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot gemäß § 364c ABGB eingeräumt. Zu Punkt IX. des Übergabsvertrags vom 20. 8. 2015 vereinbarten die Erst‑ und die Zweitantragstellerin ob ihrer jeweiligen Miteigentumsanteile ein wechselseitiges Vorkaufsrecht im Sinne der §§ 1072 ff ABGB.
Mit dem Grundbuchsantrag vom 21. 12. 2015 begehrten die Antragsteller (ua) die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erst- und Zweitantragstellerinnen, die Einverleibung des Fruchtgenussrechts und des Veräußerungs‑ und Belastungsverbots zu Gunsten der Dritt- und Viertantragsteller sowie die Einverleibung der jeweiligen Vorkaufsrechte für die Erst- und Zweitantragstellerin.
Das Erstgericht bewilligte (ua) die Einverleibung der Eigentumsrechte für die Erst‑ und Zweitantragstellerin samt Anmerkung der Verbindung gemäß den §§ 5 Abs 3, 13 Abs 3 WEG 2002, sowie die Einverleibung des Fruchtgenussrechts und des Veräußerungs‑ und Belastungsverbots gemäß § 364c ABGB für die Dritt‑ und Viertantragsteller. Den Antrag auf Einverleibung des wechselseitigen Vorkaufsrechts der Erst- und Zweitantragstellerin wies das Erstgericht hingegen ab. Solange die Eigentümerpartnerschaft bestehe, dürften die Anteile der Partner am Mindestanteil gemäß § 13 Abs 3 WEG 2002 nur gemeinsam beschränkt und belastet werden. Durch die Einverleibung des Vorkaufsrechts auf den halben Mindestanteilen würden die Anteile aber verschieden belastet sein.
Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Antrags auf Eintragung der Vorkaufsrechte erhobenen Rekurs der Erst‑ und Zweitantragstellerin nicht Folge. Der mit dem Wohnungseigentum verbundene Mindestanteil sei als Einheit zu betrachten, sodass sämtliche rechtsgeschäftliche Verfügungen in Ansehung des gemeinsamen Mindestanteils nur von beiden Partnern gemeinsam vorgenommen werden könnten. Einzige Ausnahme von diesem in § 13 Abs 3 WEG 2002 normierten Gebot des gemeinsamen Vorgehens sei die Veräußerung eines Hälfteanteils unter Zustimmung des Partners. Darüber hinausgehende Rechte oder Belastungen bezüglich nur eines halben Mindestanteils unter Zustimmung des anderen Partners seien nicht möglich, da dies das Wesen des Wohnungseigentumsrechts und das Institut der Eigentümerpartnerschaft unterlaufen würde. Liege eine Belastung vor, so müsse diese nicht nur gleichartig, sondern sowohl sachlich als auch personell ident sein. Die Einverleibung eines Vorkaufsrechts nur auf einem halben Mindestanteil sei daher nicht zulässig, selbst dann, wenn sich die Eigentümerpartner das Vorkaufsrecht wechselseitig einräumten. Denn auch in diesem Fall würden zwei verschiedene Belastungen auf den halben Mindestanteilen lasten, nämlich Vorkaufsrechte für unterschiedliche Personen. Dass demgegenüber ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung für zulässig erachtet werde, stehe dem nicht entgegen, da durch ein wechselseitiges Veräußerungs- und Belastungsverbot im Ergebnis eine völlig idente Verfügungsbeschränkung eintrete. Ein Vorkaufsrecht der Eigentümerpartner auf dem jeweils anderen halben Mindestanteil führe aber zu einer schon in personeller Hinsicht unterschiedlichen Verfügungsbeschränkung, die durch § 13 Abs 3 WEG 2002 gerade verhindert werden solle.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zur Klärung der Rechtslage zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Einverleibung von wechselseitigen Vorkaufsrechten der Eigentümerpartner auf den halben Mindestanteilen.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Erst‑ und Zweitantragstellerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diese abzuändern und die Einverleibung der Vorkaufsrechte antragsgemäß zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Die Eigentümerpartnerschaft ist die Rechtsgemeinschaft zweier natürlicher Personen, die gemeinsam Wohnungseigentümer eines Wohnungseigentums-objekts sind (§ 2 Abs 10 WEG 2002). Die Miteigentumsanteile der Eigentümerpartner müssen dabei je dem halben Mindestanteil entsprechen (§§ 5 Abs 1, 13 Abs 2 WEG 2002) und sie sind miteinander zu verbinden (§ 5 Abs 3 WEG 2002). Durch das gemeinsame Wohnungseigentum der Partner werden ihre Anteile am Mindestanteil so verbunden, dass sie, solange die Eigentümerpartnerschaft besteht, nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen (§ 13 Abs 3 erster Satz WEG 2002).
2.1 Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben haben die beiden Anteile am Mindestanteil zwingend das gleiche rechtliche Schicksal (5 Ob 282/08v = RIS‑Justiz RS0011317 [T1], RS0118072 [T2], RS0035415 [T5]). Sämtliche rechtsgeschäftlichen Verfügungen hinsichtlich des gemeinsamen Mindestanteils, sei es nun eine entgeltliche oder unentgeltliche Weitergabe, eine Belastung oder auch die Einräumung von Bestand‑ oder anderen Nutzungsrechten ua, können grundsätzlich nur von beiden Partnern gemeinsam vorgenommen werden. Rechte oder Belastungen bezüglich nur eines halben Mindestanteils sind auch unter Zustimmung des anderen Partners nicht möglich (S. Gantner‑Doshi in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3, § 13 WEG Rz 25, 27). Die Anteile am Mindestanteil dürfen nicht verschieden belastet sein. Liegt eine Belastung vor, so muss diese nicht nur gleichartig, sondern sowohl sachlich, als auch personell ident sein (RIS‑Justiz RS0082807; S. Gantner‑Doshi aaO § 13 WEG Rz 10).
2.2 Eine Ausnahme von dem Gebot des gleichen rechtlichen Schicksals und des gemeinsamen Vorgehens der Eigentümerpartner ist die Veräußerung eines Hälfteanteils. Jeder der Partner darf seinen Anteil am Mindestanteil (nur) mit Zustimmung des anderen Partners veräußern (§ 13 Abs 3 letzter Satz WEG 2002). Zweck dieser mit der WRN 2006 eingeführten Neuregelung war es, die direkte Veräußerung des halben Anteils am Mindestanteil (mit Zustimmung des anderen Eigentümerpartners) zu erleichtern; nach der alten Rechtslage konnte eine Übertragung eines Anteils am Mindestanteil und Fortsetzung der Eigentümerpartnerschaft mit einer anderen Person nur so gelöst werden, dass der ausscheidende Eigentümerpartner seine Hälfte am Mindestanteil zunächst dem anderen Eigentümerpartner überträgt und dieser den Anteil sodann an den neuen hinzukommenden veräußert, was eine komplizierte und mit einer zusätzlichen steuerlichen Belastung verbundene Vorgangsweise darstellte (5 Ob 282/08v mwN; S. Gantner‑Doshi aaO § 13 WEG Rz 27).
2.3 Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Einverleibung eines wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbots auch im Fall einer Eigentümerpartnerschaft zulässig ist (RIS‑Justiz RS0010790). Die Bestimmung des § 13 Abs 3 erster Satz WEG 2002 steht dem nicht entgegen, weil die Verfügungsbeschränkung im Fall eines wechselseitigen Veräußerungs‑ und Belastungsverbots völlig ident ist. Bezüglich beider Teile am Mindestanteil können nämlich nur mehr beide Eigentumspartner gemeinsam verfügen. Dass sich dies beim Anteil des einen aus seinem Eigenrecht und dem sich aus dem Verbot ergebenden Recht am anderen Teil und umgekehrt zusammensetzt, kann nicht als verschiedene Belastung oder Beschränkung aufgefasst werden (RIS‑Justiz RS0010790; 5 Ob 200/03b; S. Gantner‑Doshi aaO § 13 WEG Rz 40).
3.1 Das Vorkaufsrecht begründet ein Recht des Vorkaufsberechtigten zum bevorzugten Erwerb der Sache für den Fall, dass der Verpflichtete die Sache verkaufen will. Es beschränkt den Verpflichteten nicht in seiner Freiheit, überhaupt zu verkaufen, und auch nicht in der Gestaltung des Vertragsinhalts. Dieser ist nur insoweit in seiner Vertragsabschlussfreiheit beschränkt, als er die Sache im Verkaufsfall einer bestimmten Person, nämlich dem Vorkaufsberechtigten zum Verkauf anbieten muss (Aicher in Rummel, ABGB3 § 1072 ABGB Rz 1; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1072 ABGB Rz 1; Apathy in KBB4 § 1072 ABGB Rz 1; Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1072 ABGB Rz 1). Mit dem Vorkaufsfall entsteht die Pflicht des Vorkaufsverpflichteten, dem Berechtigten die Sache zur Einlösung anzubieten. Der Vorkaufsfall ist gegeben, wenn der Verpflichtete mit dem Dritten einen wirksamen Vertrag, einen Vorvertrag oder eine Punktation geschlossen hat oder ein bindendes Offert des Dritten vorliegt und der Verpflichtete (rechtlich bindend zum Ausdruck bringt, dass er) verkaufen will (Aicher aaO § 1072 ABGB Rz 13; Verschraegen aaO § 1072 ABGB Rz 5; Apathy aaO § 1072 ABGB Rz 3). Der Vorkaufsberechtigte kann dann dem Verpflichteten die Einlösung anbieten und dadurch einen Vertrag herbeiführen (Apathy aaO§ 1072 ABGB Rz 1). Der Berechtigte tritt (nur) in den bereits ausgehandelten und fertig vorliegenden Vertrag ein, dessen Einlösungserklärung lässt also den Vertrag zustande kommen, ohne dass ein zusätzlicher rechtsgeschäftlicher Wille beim Verpflichteten gebildet werden müsste (Spitzer aaO § 1072 ABGB Rz 4).
3.2 Das Vorkaufsrecht kann gemäß § 1073 ABGB durch Eintragung in das Grundbuch verdinglicht werden und verstärkt damit das Recht des Berechtigten gegenüber Dritten, an welche die Sache gelangt ist. Dem dinglich Vorkaufsberechtigten steht neben der Löschungsklage nach § 61 GBG und der Möglichkeit, die Einverleibung des Eigentumsrechts im Grundbuchsverfahren zu bekämpfen, gemäß § 1079 zweiter Satz ABGB auch ein direktes Abforderungsrecht gegen den Dritten zu (5 Ob 7/16i mwN).
3.3 Ein einverleibtes Vorkaufsrecht bildet grundsätzlich ein Eintragungshindernis: Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt oder b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht nicht Gebrauch machte (5 Ob 7/16i mwN; RIS‑Justiz RS0021839; Verschraegen aaO § 1072 ABGB Rz 5/1). Die Einverleibung eines Vorkaufsrechts des einen Eigentümerpartners in Bezug auf den Anteil am Mindestanteil des anderen steht daher nicht im Widerspruch zu der in § 13 Abs 3 letzter Satz WEG 2002 für den Fall der Veräußerung normierten Verfügungsbeschränkung. Vielmehr verstärkt sie diese, indem die Veräußerung des Hälfteanteils an einen Dritten nicht mehr schlicht an die Zustimmung des anderen Partners gebunden ist, sondern auch an dessen Verzicht auf die Einlösung des ihm eingeräumten Vorkaufsrechts. Diese vertragliche Erweiterung der gesetzlichen Verfügungsbeschränkung des § 13 Abs 3 letzter Satz WEG 2002 kann nicht als eine Belastung oder Beschränkung im Sinne des § 13 Abs 3 erster Satz WEG 2002 aufgefasst werden. Diese Bestimmung steht daher der Einverleibung eines Vorkaufsrechts für jeden einzelnen Wohnungseigentumspartner am Hälfteanteil des Mindestanteils des anderen nicht entgegen.
4. Der Revisionsrekurs erweist sich damit im Ergebnis als berechtigt. Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher im Sinne der Bewilligung des Antrags abzuändern.
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