European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00050.17I.0404.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung, die im Übrigen unberührt bleibt, wird in ihrem Punkt 5. sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, auf der ein sog „Mischhaus“ mit insgesamt drei Wohnungen, wobei an zwei Objekten Wohnungseigentum begründet ist, sowie eine Garage und ein Schuppen errichtet sind. Die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses, links neben dem Haupteingang (idF.: Erdgeschosswohnung Ost), steht im schlichten Miteigentum der Streitteile.
Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 15. 2. 2005 beim Erstgericht eingelangten Antrag eine Benützungsregelung hinsichtlich der Erdgeschosswohnung Ost dergestalt, dass dem Antragsgegner ein näher bezeichneter Raum mit einer Größe von 25,5 m 2 sowie ein Teil des Dachbodens zur alleinigen Nutzung zugewiesen werde.
Das Erstgericht erließ eine Benützungsregelung, nach der der Antragstellerin und dem Antragsgegner im Einzelnen konkret bezeichnete Räume der Erdgeschosswohnung Ost zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurden, ordnete die notwendigen baulichen Trennungen an, regelte die Benützung des Dachbodens, der Garage, des Schuppens sowie des Kellers und räumte der Antragstellerin das Recht ein, gegen Zahlung von 6.576 EUR als Ausgleich die Garage im Inneren alleine zu nutzen. Die Westhälfte des Gartens wurde der alleinigen Nutzung der Antragstellerin, die Osthälfte der alleinigen Nutzung des Antragsgegners zugewiesen und angeordnet, dass die Aufteilung der Freiflächen zu gleichen Teilen zu erfolgen habe und zur Durchführung der Trennung ein Ziviltechniker zu beauftragen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragsgegners Folge, verteilte die Nutzung der Räume in der Erdgeschosswohnung Ost geringfügig anders als das Erstgericht, traf eine Regelung über die Kosten der Trennung und die Nutzung der Kamine und – im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Erstgericht – über die Nutzung des Dachbodens, der Garage, des Kellers sowie des Schuppens und ordnete eine Teilung des Gartens an, um die ausschließliche Nutzung der jeweiligen Gartenhälften zu gewährleisten. In Punkt 5. seiner Entscheidung verpflichtete es die Antragstellerin, dem Antragsgegner als Ausgleich für eine ihr zur Benützung zugewiesene Mehrfläche von 2,6 m² einen Betrag von 3.380 EUR zu zahlen. Dazu führte es aus, dass anlässlich des im Rekursverfahren durchgeführten Lokalaugenscheins vom 8. 6. 2015 eine Einigung erzielt werden habe können, welche im Wesentlichen den Rekursanträgen des Antragsgegners entsprechen würde und eine Ausgleichszahlung durch die Antragstellerin erfordere. Dazu nahm es Bezug auf ein E‑Mail des Antragsgegners vom 22. 6. 2015, zu dem es festhielt, dass der darin vom Antragsgegner genannte Überhang zugunsten der Antragstellerin von 2,6 m 2 jedenfalls gerechtfertigt sei. Entsprechend dem in der Rekursverhandlung einvernehmlich vereinbarten Betrag von 1.300 EUR/m 2 sei der Antragstellerin daher eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 3.380 EUR aufzuerlegen.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Zulassungsvorstellung der Antragstellerin mit Beschluss vom 7. 12. 2016 mit der Begründung zu, dass der zu ihren Gunsten festgestellte Überhang von 2,6 m 2 nicht ohne weiteres nachvollziehbar und die per E‑Mail übermittelte Eingabe des Antragsgegners vom 22. 6. 2015 der Zulassungswerberin nicht zugestellt worden sei. Auch hätte ihr lediglich die Hälfte des als Ausgleich ermittelten Betrags auferlegt werden dürfen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Mangelhaftigkeit der Entscheidung zweiter Instanz aufzugreifen ist; er ist im Sinne des auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht zweiter Instanz gerichteten zweiten Eventualantrags auch berechtigt.
1. Im Außerstreitverfahren ist nur ein Wechsel der Parteistellung vor Schluss des Verfahrens erster Instanz beachtlich (RIS‑Justiz RS0005764; RS0005786; zu §§ 834, 835 ABGB: 9 Ob 8/16s).
Da die Antragstellerin bis zur Entscheidung erster Instanz Eigentümerin der Liegenschaftsanteile war, ist der nach Einleitung des Revisionsrekursverfahrens erfolgte Eigentümerwechsel unbeachtlich.
2. Mit ihrem Rechtsmittel‑(haupt‑)antrag begehrt die Antragstellerin zwar, „den Rekursbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen ersatzlos aufzuheben“, wendet sich – wie auch mit ihren Eventualanträgen – inhaltlich aber ausschließlich gegen den vom Rekursgericht ermittelten Überhang von (jedenfalls) 2,6 m 2 zu ihren Gunsten, der darauf basiere, dass – anders als im Spruch der Entscheidung, in dem die Erdgeschosswohnung Ost mit einer Fläche von 88,45 m² berücksichtigt worden sei – 86,65 m² herangezogen worden seien. Damit bekämpft die Revisionsrekurswerberin in Wahrheit nur Punkt 5. des Spruchs der rekursgerichtlichen Entscheidung, in dem ihr wegen des Überhangs von 2,6 m² unter Zugrundelegung von 1.300 EUR/m 2 eine Ausgleichszahlung von 3.380 EUR auferlegt wird. Dazu macht sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, zur Eingabe des Antragsgegners vom 22. 6. 2015 Stellung zu nehmen. Wäre ihr diese Möglichkeit eingeräumt worden, hätte sie auf die Unrichtigkeit der diesem Überhang zugrundeliegenden Berechnung hinweisen können.
3.1 Der Entscheidung des Rekursgerichts kann im Einzelnen nicht entnommen werden, wie es zu dem von ihm der Ausgleichszahlung zugrunde gelegten Überhang von 2,6 m 2 gelangte. Es findet sich lediglich ein Verweis auf die Eingabe des Antragsgegners vom 22. 6. 2015, in der dieser einen solchen Überhang geltend machte, der sich als jedenfalls gerechtfertigt erweise. Gelegenheit, zu diesem Schreiben und den darin enthaltenen Berechnungen Stellung zu nehmen, wurde der Antragstellerin vor der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz nicht eingeräumt.
3.2 Legt das Rekursgericht seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, wird das rechtliche Gehör verletzt. Der Grundsatz, dass das rechtliche Gehör (nur) dann gewahrt ist, wenn den Parteien Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen, und wenn sie sich zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrundegelegt werden sollen, äußern konnten (RIS‑Justiz RS0074920; RS0119970 ua) gilt auch, wenn – wie hier – das Rekursgericht nach Durchführung eines Lokalaugenscheins die Eingabe einer Partei in seine Entscheidung einfließen lässt.
3.3 Die Revisionsrekursgründe sind in § 66 AußStrG 2003 taxativ aufgezählt. Dazu gehört auch der in § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG geregelte Rechtsmittelgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs, der aber nicht absolut wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung der davon betroffenen Entscheidung führt, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS‑Justiz RS0120213). Diejenige Partei, die einen solchen Verfahrensmangel geltend macht, muss darlegen, dass dieser zumindest in abstracto geeignet ist, eine ihr nachteilige Entscheidung zu bewirken (2 Ob 77/08z mwN).
3.4 Die Antragstellerin nimmt in ihrem Rechtsmittel Berechnungen vor, die eine ihr günstigere Entscheidung begründen könnten, und macht dazu – sinngemäß – geltend, sie hätte dies, wenn ihr eine Äußerungsmöglichkeit geboten worden wäre, bereits im Rekursverfahren getan. Zwecks Wahrung des rechtlichen Gehörs wäre es daher geboten gewesen, ihr als am Rechtsmittelverfahren beteiligter Partei vom Inhalt der Eingabe des Antragsgegners so rechtzeitig Kenntnis zu verschaffen, dass für sie noch vor der Sachentscheidung des Rekursgerichts die Möglichkeit zu einer schriftlichen Äußerung bestanden hätte (RIS‑Justiz RS0005915; RS0006048; RS0074920). Die – letztlich auch vom Rekursgericht in der Begründung seiner Abänderung des Zulassungsausspruchs angesprochene – Verletzung des rechtlichen Gehörs muss daher zur Aufhebung des von diesem Verfahrensverstoß betroffenen Teils der Entscheidung des Rekursgerichts führen.
4. Da sich das Rechtsmittel der Antragstellerin inhaltlich nur gegen den vom Rekursgericht zu ihren Gunsten ermittelten Überhang von 2,6 m 2 und die daraus resultierende Ausgleichszahlung, nicht aber gegen die von diesem in seiner Entscheidung erlassene Benützungsregelung an sich wendet, ist der Beschluss lediglich in seinem Spruchpunkt 5. aufzuheben. Darüber hinaus ist er unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen.
5. Da mit diesem Aufhebungsbeschluss die Rechtssache nicht im Sinne des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG erledigt wird, kommt der Ausspruch einer Kostenersatzpflicht nicht in Betracht, sodass die Kosten der endgültigen Sachentscheidung vorzubehalten sind (vgl RIS‑Justiz RS0123011 [T5]).
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