European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00047.20B.0408.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrte vom beklagten Reiseveranstalter Schadenersatz. Sie sei am Anreisetag in ihrem Hotelzimmer über ein Podest gestolpert und habe sich dabei den Mittelfußknochen gebrochen. Das Podest sei auch bei Tageslicht nur schwer erkennbar gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts. Es verneinte wie dieses eine der Beklagten zurechenbare Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und erklärte die Revision über Antrag nach § 508 ZPO für zulässig, weil ihm „eine Fehlbeurteilung betreffend eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht insofern unterlaufen sein [könnte], ob die Stufe zum Bett eine solche Gefahrenquelle darstellt, bei der die beklagte Partei doch gehalten gewesen wäre, abgesehen von der Wahrnehmbarkeit des Podestes, bei der dem Gast auch bekannten architektonischen Besonderheit dieses Zimmers am Lageort des Hotels und der vom Berufungsgericht dargelegten Verpflichtung des Reisenden, sich mit den Gegebenheiten der Beleuchtung des Zimmers beim Einzug vertraut zu machen, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefahr des Höhenunterschiedes des Bettes zum Boden der Umgebung entgegenzuwirken“.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig, was kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO):
1.1 Entsteht im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine besondere Gefahrenlage, so kommt eine Haftung des Verantwortlichen aus der Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten in Betracht.
1.2 Beim Abschluss eines Vertrags richten sich die Verkehrssicherungspflichten des Sicherungspflichtigen in erster Linie nach Vertragsrecht (vgl RIS‑Justiz RS0023714 [T3]). Ihn trifft die nebenvertragliche Verpflichtung, die Sicherheit der befugten Benützer und ihre körperliche Unversehrtheit zu wahren (vgl RS0021735; RS0023575 ua). Der Sicherungspflichtige muss den Verkehrsbereich für die befugten Benützer in sicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, weil sie sonst zu einer in Wahrheit vom Verschulden unabhängigen Haftung des Sicherungspflichtigen führen (RS0023893 [T2; T3]); sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RS0023397 [T11]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726).
1.3 Die Lösung der Frage, ob im konkreten Fall die Beklagte alles ihr Zumutbare zur Verhütung der Gefahren der vorliegenden Art getan hat, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0029874; RS0110202) und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO (RS0110202 [T28]), schließt doch die Kasuistik des Einzelfalls in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus.
2. Nach den den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (RS0123663), bindenden Feststellungen ist die Erhöhung der Betten in dem von der Klägerin gebuchten „Deluxe Pool Access Room“ Standard und kann bei Betreten des Raums leicht wahrgenommen werden. Das Podium kann außerdem über ein Bedienelement am Kopfteil des Bettes beleuchtet werden. Damit ist es im Einzelfall unbedenklich, wenn das Berufungsgericht von einer besonderen architektonischen Charakteristik am Lageort des Hotels ausging, die dem Reisenden ein besonderes Ambiente in Form einer luxuriösen Schlafstatt bieten soll, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Besonderheit auch in den Reiseprospekten, die der Klägerin vor Antritt der Reise zur Verfügung standen, gut erkennbar war, zum Ergebnis gelangte, dass keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vorliegt. Auch die Klägerin räumt in ihrem Rechtsmittel ein, dass das Podest gut sichtbar war. Warum „rechtlich betrachtet“ gerade darin „jene Gefährlichkeit, die von diesem Podest ausgeht“, liegen soll, ist hingegen nicht nachvollziehbar. Dass die Verkehrssicherungpflicht zur Gänze entfällt, wenn die Gefahr leicht erkennbar ist, entspricht der Rechtsprechung (RS0114360), weil sich in einem solchen Fall jeder selbst schützen kann. Mangels Verstoßes der Beklagten gegen die Verkehrssicherungspflicht stellen sich entgegen den Revisionsausführungen weder Fragen nach der Beweislast, noch solche der Verschuldensteilung.
3. Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der Feststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043162). Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über die Beweisrüge ist vielmehr schon dann mängelfrei, wenn es dazu nachvollziehbare Überlegungen anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043162 [T4]). Diesen Anforderungen entspricht die Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht. Dass die Klägerin bei ihrer Anreise von einem Gästebetreuer ausdrücklich auf das Podest hingewiesen worden wäre, hat das Berufungsgericht ohnedies nicht unterstellt. In der Auseinandersetzung mit ihren Argumenten in der Beweisrüge liegt daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch kein Abgehen von den Feststellungen des Erstgerichts.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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