Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Der Antrag des erblichen Sohnes DI J***** W*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, 257/1810 Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, mit denen Wohnungseigentum am Reihenhaus IV verbunden ist, aus der Verlassenschaft nach der am 24. 9. 2010 verstorbenen E***** W***** auszuscheiden, wird abgewiesen.“
Text
Begründung
E***** W***** (im Folgenden: Erblasserin) verstarb am 24. 9. 2010 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Gesetzliche Erben sind ihr Sohn DI J***** W***** (im Folgenden: Antragsteller) sowie die Nachkommen ihrer vorverstorbenen Tochter P***** J*****, MMag. Dr. J***** J***** und Mag. G***** J*****, die nunmehrigen Rechtsmittelwerber.
Der am 7. 2. 1978 vorverstorbene Ehemann der Erblasserin war Alleineigentümer von 257/1810 Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, verbunden mit Wohnungseigentum am Reihenhaus IV. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts Hietzing vom 20. 9. 1979, GZ 2 A 215/78‑25, wurde der Erblasserin aufgrund des am 13. 7. 1978 kundgemachten Testaments der Nachlass nach ihrem vorverstorbenen Ehemann zur Gänze eingeantwortet. Darin wurde festgehalten, dass ob den 257/1810 Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** das Eigentumsrecht für die Erblasserin „mit der Beschränkung durch das fideikommissarische Legat“ zu Gunsten des Antragstellers einzuverleiben ist. Mit Beschluss vom 27. 11. 1986, TZ 3645/86 des Bezirksgerichts Hietzing, wurde ob der genannten Liegenschaft im Eigentumsblatt die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erblasserin vollzogen und die Beschränkung durch das fideikommissarische Legat zu Gunsten des Antragstellers angemerkt.
Der Antragsteller begehrte die 257/1810 Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, aus der Verlassenschaft auszuscheiden. Es liege eine fideikommissarische Substitution vor, sodass er mit dem Tod seiner Mutter als Nacherbe in den Erbfall nach seinem Vater eingetreten sei.
Die erblichen Enkelkinder der Erblasserin wendeten ein, es liege ein uneigentliches Nachlegat vor, das dem Bedachten nur ein obligatorisches Forderungsrecht einräume. Sie beantragten ihrerseits, die Liegenschaftsanteile in den Nachlass aufzunehmen.
Das Erstgericht sprach aus, dass die verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsanteile nicht nachlasszugehörig seien.
Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge, bestätigte die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Spruch dahin zu lauten habe, die vom Antrag erfassten Miteigentumsanteile würden aus der Verlassenschaft ausgeschieden, sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erblichen Enkelkinder mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen „zur Gänze aufzuheben bzw abzuändern“ und festzustellen, dass die bezeichneten Liegenschaftsanteile in das Inventar der Verlassenschaft aufzunehmen seien.
Der Antragsteller machte von der ihm freigestellten Möglichkeit Gebrauch und erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung. Darin beantragte er die Zurückweisung des Revisionsrekurses wegen Verspätung bzw wegen des Fehlens der Voraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) zulässig; er ist auch berechtigt, weil dem Rekursgericht eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
1. Vorauszuschicken ist, dass der Beschluss des Rekursgerichts den Vertretern der Rechtsmittelwerber am 25. 1. 2012 durch Hinterlegung zugestellt wurde. Der am 7. 2. 2012 im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Revisionsrekurs ist damit rechtzeitig (§ 23 AußStrG iVm § 125 Abs 1 ZPO).
2. Im Verfahren außer Streitsachen genügt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, dass den Parteien die Möglichkeit der Stellungnahme eröffnet wird (RIS‑Justiz RS0006036). Eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz wird daher geheilt, wenn für die Partei die Möglichkeit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS‑Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 (RIS‑Justiz RS0006057 [T12]; jüngst 3 Ob 20/12f). Die Revisionsrekurswerber haben im Verfahren erster Instanz ihren Standpunkt zum Gegenstand eines den Intentionen des Antragstellers widerstreitenden eigenen Antrags gemacht, der hier nicht zur Entscheidung ansteht, und darüber hinaus ihre Position im Rekursverfahren vertreten, sodass eine mögliche Verletzung ihres rechtlichen Gehörs, auf die sie sich mit dem Hinweis, sie seien dem erstinstanzlichen Zwischenverfahren nicht beigezogen worden, berufen, jedenfalls geheilt ist.
3. Auch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof machen die Revisionsrekurswerber noch geltend, dass die Entscheidung darüber, ob Vermögenswerte zum Nachlass zählten, dem streitigen Verfahren vorbehalten sei.
3.1 Dazu hat bereits das Rekursgericht mit zutreffenden Argumenten Stellung genommen. Die bedingte Erbantrittserklärung der Revisionsrekurswerber führt von Amts wegen zur Errichtung eines Inventars (§ 802 ABGB; § 165 Abs 1 Z 1 AußStrG). Das Inventar dient nach § 166 Abs 1 AußStrG als vollständiges Verzeichnis der Verlassenschaft (§ 531 ABGB) und erfasst damit alles bewegliche und unbewegliche Vermögen des Erblassers (vgl Sailer in KBB³ § 802 Rz 2). Indem der Antragsteller die Ausscheidung der gegenständlichen Liegenschaftsanteile aus der Verlassenschaft begehrt, bestreitet er deren Nachlasszugehörigkeit. In einem solchen Fall hat das Verlassenschaftsgericht gemäß § 166 Abs 2 AußStrG zu entscheiden, ob diese in das Inventar aufzunehmen bzw auszuscheiden sind. Mit einem solchen Beschluss des Außerstreitrichters nach § 166 Abs 2 AußStrG wird nicht darüber entschieden, ob eine Sache als Eigentum des Erblassers zum Verlassenschaftsvermögen gehört (RIS‑Justiz RS0121985; 6 Ob 213/09f). Das Verlassenschaftsverfahren kann den Eigentumsprozess nämlich nicht ersetzen (Fucik/Kloiber, AußStrG § 166 Rz 1).
3.2 Im Abhandlungsverfahren kommt es auf den Besitz (RIS-Justiz RS0121985) und nicht auf das Eigentum (RIS-Justiz RS0007860) an. Gegenstände, die sich zuletzt im Besitz des Verstorbenen befunden haben, sind grundsätzlich in das Inventar aufzunehmen (RIS‑Justiz RS0109531; vgl auch RS0107374). Ist der Besitz des Erblassers unstrittig, wird aber die Nachlasszugehörigkeit bestritten, kann innerhalb des Abhandlungsverfahrens ein Ausscheidungsbeschluss nur aufgrund unbedenklicher Urkunden gefasst werden (Fucik/Kloiber aaO Rz 2). Das Vorliegen einer unbedenklichen Urkunde wird iSd § 40 EO verstanden (5 Ob 140/10i). Das Rekursgericht hat sich auf die Einantwortungsurkunde vom 20. 9. 1979 (nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin) als unbedenkliche Urkunde berufen und lässt damit keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es einen Beschluss nach § 166 Abs 2 AußStrG fasste, weswegen der Einwand der Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs ins Leere gehen muss. Der Ansicht des Rekursgerichts, aus der Einantwortungsurkunde ergebe sich, dass der Antragsteller als Nacherbe in den Erbfall nach seinem Vater eingetreten sei, weswegen die Liegenschaftsanteile auszuscheiden seien, ist hingegen nicht zu folgen.
4. Die fideikommissarische Substitution ist dadurch gekennzeichnet, dass der Erblasser seinen Erben (Vorerben) verpflichtet, die angetretene Erbschaft nach seinem Tod, oder in anderen bestimmten Fällen, einem zweiten Erben (Nacherben) zu überlassen (§ 608 ABGB). Der Testator hat den Nacherben zu bestimmen (Apathy in KBB³ § 564 Rz 3), wobei der Vorerbe nur zeitlich beschränktes Eigentum am Nachlass erwirbt (RIS‑Justiz RS0012535 [T5]). Der Nacherbe beerbt den Testator und nicht den Vorerben (Apathy aaO § 608 Rz 2 mwN). Ist daher der Nacherbfall der Tod des Vorerben, so finden zwei getrennte Nachlassverfahren statt, nämlich das wiederaufgenommene Verfahren nach dem Erblasser und die Abhandlung nach dem Vorerben (RIS‑Justiz RS0007568). Im Rahmen des fortzusetzenden Verlassenschaftsverfahrens nach dem Erblasser, der die Nacherbschaft verfügte, erwirbt der Nacherbe dann kraft Einantwortung Eigentum (RIS‑Justiz RS0012564 [T2]).
4.1 Nach dem Inhalt der Einantwortungsurkunde vom 20. 9. 1979, GZ 2 A 215/78‑25 des Bezirksgerichts Hietzing, wurde der Nachlass nach dem am 13. 7. 1978 vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin dieser zur Gänze eingeantwortet und unter Berufung auf die in der letztwilligen Verfügung enthaltenen Anordnung hinsichtlich der 257/1810 Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** die grundbücherliche Beschränkung durch das fideikommissarische Legat zu Gunsten des Antragstellers verfügt.
4.2 Gegenstand der Substitution zu Gunsten des Antragstellers waren allein die beschriebenen Miteigentumsanteile. Bereits dem Wortlaut der Einantwortungsurkunde nach, die auch ausdrücklich von einem Legat spricht, ist keine Gesamtrechtsnachfolge angeordnet. Damit kommt dem Antragsteller im Hinblick auf den Nachlass nach seinem Vater auch nicht die Stellung eines Nacherben zu. Auch ein (eigentliches) Nachlegat (§ 652 ABGB) scheidet aus, weil dafür das Vorliegen eines Haupt- oder Vorvermächtnisses Voraussetzung wäre.
4.3 Sind nach Anordnung eines Erblassers aus dem dem Erben zugekommenen Nachlass beim Tod des Erben oder beim Eintritt eines sonstigen Termins oder einer Bedingung bestimmte Sachen - wie hier Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft - an begünstigte Personen auszufolgen, liegt ein sogenanntes uneigentliches Nachlegat vor, für das § 652 ABGB sinngemäß gilt (6 Ob 2136/96b = SZ 70/41; RIS‑Justiz RS0107196; Welser in Rummel, ABGB³ § 652 Rz 4; Eccher in Schwimann, ABGB³ § 652 Rz 2; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 652 Rz 5). Ein solches Nachlegat verpflichtet den Erben zur Übertragung des Vermächtnisgegenstands auf den Nachlegatar (3 Ob 193/98y). Auf das uneigentliche Nachlegat sind die §§ 604 bis 617 ABGB nur soweit anzuwenden, als sich aus der Natur des Vermächtnisses nichts anderes ergibt (RIS-Justiz RS0107196).
4.4 Während der Nacherbe einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe des Substitutionsgutes hat, steht dem Nachvermächtnisnehmer und damit auch dem uneigentlichen Nachlegatar entsprechend der Rechtsnatur des Vermächtnisses bloß ein an den Hauptvermächtnisnehmer bzw an den mit dem uneigentlichen Nachlegat belasteten Erben oder dessen Verlassenschaft zu richtender obligatorischer Anspruch auf Übertragung des Vermächtnisgegenstands zu (1 Ob 638/87 = NZ 1988, 137 mwN; 3 Ob 193/08y; RIS-Justiz RS0007574). Der mit einem Nachlegat belastete Erbe bleibt daher dinglich Berechtigter des Nachlassgegenstands; Ansprüche des Nachlegatars sind im Bestreitungsfall gegen den Erben oder, wenn die Substitution für den Tod des Erben angeordnet ist, im Rechtsweg gegen dessen Erben zu richten (6 Ob 2136/96b mwN).
5. Zwar führen die mit der Substitution belasteten Sachen grundsätzlich weder beim eigentlichen noch beim uneigentlichen Substitutionslegat zu einer Inventarisierung (RIS-Justiz RS0007777; Welser aaO Rz 5; Eccher aaO Rz 4). Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren wird aber wegen der von den Revisionsrekurswerbern bedingt abgegebenen Erbantrittserklärung ein Inventar (§ 802 ABGB; § 165 Abs 1 Z 1 AußStrG) zu errichten sein. Die Erblasserin war im Zeitpunkt ihres Todes im Besitz des von der Substitution betroffenen Reihenhauses, weswegen auch die Liegenschaftsanteile in das Inventar aufzunehmen sein werden (vgl 6 Ob 2136/96b). Der auf Ausscheidung der Miteigentumsanteile (aus der Verlassenschaft) gerichtete Antrag ist daher abzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)