Spruch:
Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die außerstreitige Wohnrechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlicher Entscheidung zurückverwiesen. Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Antragsgegnerin ist Verwalterin einer Liegenschaft in Graz. Der Antragsteller und die übrigen Beteiligten bilden die Gesamtheit der Wohnungseigentümer dieses Objektes.
Der Antragsteller begehrt in seinem am 30. 12. 2004 eingelangten Antrag die Legung einer ordnungsgemäßen und richtigen Abrechnung für das Jahr 2003. Er bemängelt die vorliegende Abrechnung als fehlerhaft, unvollständig und unschlüssig. Insbesondere rügt er bei mehreren Positionen die fehlende Angabe der Belegbezeichnung und/oder des Verwendungszweckes, unerklärt gebliebene Doppelbuchungen, die Bezifferung der Einnahmen bei den allgemeinen Betriebskosten mit Null (ungeachtet der Kennzeichnung mehrerer Einnahmen mit einem nachgestellten „Minuszeichen"), die fehlende Aufschlüsselung des WWAF-Darlehens, die unterlassene Gegenüberstellung der „Ist-Zahlungen" mit den „Soll-Zahlungen".
Zusätzlich zu diesen formellen Mängeln rügte der Antragsteller einen Verstoß gegen die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit:
1. Die Abrechnung enthalte überhöhte Prämien für die Gebäudeversicherung.
2. Unter dem Begriff „Reparaturfonds 2" seien zwei Rechnungen aus dem Jahr 2004 (über EUR 32.550,79 und EUR 8.260) verzeichnet.
3. Die allgemeinen Betriebskosten/Liftwartung/Reparatur seien - gemessen an örtlichen Durchschnittspreisen - überhöht.
4. Zwei Sparbücher seien nicht oder nicht zur Gänze in die Abrechnung eingeflossen.
5. Die Rücklage sei gemessen am Marktniveau zu niedrig verzinst. Die Antragsgegnerin vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, die Abrechnung für die Periode 2003 ordentlich und richtig erstellt zu haben.
Das Erstgericht erließ eine Teilsachbeschluss, in dem es der Antragsgegnerin unter Androhung einer Geldstrafe von EUR 2.000 auftrug, binnen vierzehn Tagen eine ordnungsgemäße, bestimmte im Spruch genannte Kriterien zu erfüllende Abrechnung für das Jahr 2003 zu legen, wobei anhand der verzeichneten Einnahmen und Ausgaben die einzelnen Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung der dazugehörigen Belege die Möglichkeit hätten, diese Abrechnung nach den Gesichtspunkten der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Im Einzelnen nennt das Erstgericht folgende Kriterien:
1. Detaillierte Angabe und Aufschlüsselung der Einnahme- und Ausgabeposten inklusive der ausreichenden Individualisierung der einzelnen Rechtsgeschäfte durch Anführung der Vertragspartner und der Leistungen.
2. Ziffernmäßige Ausweisung der Darlehenstilgung und der zum 31. 12. 2003 noch aushaftenden Restdarlehensschuld; detaillierte Ausweisung der Rücklage und der Zinsenerträgnisse.
- 3. Keine Gleichsetzung der Vorschreibungen mit den Einnahmen.
- 4. Keine Saldierung von Einnahmen mit Ausgaben.
- 5. Angabe des Rechnungsdatums bei den einzelnen Positionen und chronologische Ordnung der Belegsammlung oder Angabe der Überweisungsdaten mit Zuordnung der jeweiligen Belegnummer.
6. Verwendung von Abkürzungen nur in Verbindung mit Vorlage eines eigenen Abkürzungsverzeichnisses.
Die Erlassung eines Teilsachbeschlusses begründete das Erstgericht damit, dass erst eine formell ordnungsgemäße Abrechnung die Überprüfung der Richtigkeit der einzelnen Abrechnungspositionen ermögliche, zumal nicht absehbar sei, welche Positionen die Antragsgegnerin in die aufgrund des Teilsachbeschlusses zu legende Abrechnung aufnehmen würde.
Das sowohl vom Antragsteller als auch von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erachtete dabei insbesondere die Argumentation beider Rekurswerber über die Unzulässigkeit eines Teilsachbeschlusses als nicht berechtigt. Vergleichbar der Stufenklage sei eine ordentliche Abrechnung prozessuale Voraussetzung für die Fortsetzung des Verfahrens über den Anspruch auf eine richtige Abrechnung. Erst nach Vorlage einer formell vollständigen Abrechnung könnten die gegen die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung gerichteten Argumente des Antragstellers überprüft werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Diesen Zulässigkeitsausspruch begründete es mit fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Vorgangsweise, zunächst einen Teilsachbeschluss über die formellen Mängel einer sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht bestrittenen Abrechnung zu fassen.
Gegen diesen Sachbeschluss richten sich die Revisionsrekurse des Antragstellers und der Antragsgegnerin; der Antragsteller begehrt die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der außerstreitigen Wohnrechtssache an das Erstgericht, hilfsweise die Abänderung im Sinn einer gänzlichen Stattgebung des Antrags auf Legung einer formell ordnungsgemäßen und inhaltlich richtigen Abrechnung; die Antragsgegnerin strebt in ihrem Rechtsmittel die gänzliche Abweisung des Antrages an, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Parteien beantragen in ihren Rekursbeantwortungen jeweils, dem Rechtsmittel des Gegners nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse sind aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig; sie sind auch im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Das (neue) AußStrG trat nach seinem § 199 mit 1. 1. 2005 in Kraft und ist grundsätzlich auch auf Verfahren anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten anhängig geworden sind. Die Ausnahmeregelungen betreffen nicht die Bestimmung des § 36 AußStrG, der somit aufgrund der Verweisungsnormen des § 37 Abs 3 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 in diesem außerstreitigen Wohnrechtsverfahren anzuwenden ist. § 36 Abs 2 AußStrG ermöglicht es dem Außerstreitrichter, über den Teil der Sache durch Teilbeschluss (im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 3 Z 13 MRG: Teilsachbeschluss) zu entscheiden. Die EB zur RV 224 BlgNR XXII. GP verweisen darauf, dass entgegen der bisherigen Judikatur, die insbesondere im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie in außerstreitigen Miet- und Wohnungseigentumssachen derartiges abgelehnt habe, nunmehr die Möglichkeit unter anderem eines Teilbeschlusses ausdrücklich geregelt sei. Die Fällung eines Zwischen- oder Teilbeschlusses sei immer eine Frage der Zweckmäßigkeit, weshalb die Verfahrensgestaltung nicht unnötig beschränkt werden solle.
Derartige Teilbeschlüsse werden für das Rechtsmittelverfahren wie alle anderen Beschlüsse über die Sache behandelt; sie können selbständig angefochten werden und erwachsen in Rechtskraft (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 36 Rz 2 mwN; vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 36 Rz 2). Bezüglich ihrer Wirkungen gilt dasselbe wie im Zivilprozess (Rechberger aaO). Die Bestimmung des § 36 Abs 2 AußStrG umschreibt vergleichbar den §§ 391, 394 Abs 2 ZPO den gesetzlichen Rahmen, innerhalb dessen ein Teilsachbeschluss gefällt werden darf. Der Teilbeschluss dient wie ein Teilurteil der quantitativen Sondierung des Verfahrensstoffes (Rechberger aaO; Feil/Marent, AußStrG § 36 Rz 5) und ist nur dann zulässig, wenn der Streitgegenstand quantitativ geteilt werden kann, ohne dass dadurch eine Veränderung der Ansprüche oder eine Präjudizierung der noch nicht erledigten Ansprüche eintritt (Fucik/Kloiber aaO; vgl RIS-Justiz RS0106481; 9 ObA 109/02y = SZ 2002/137; vgl Deixler-Hübner in Fasching Komm² § 391 ZPO Rz 10; vgl Rechberger in Rechberger ZPO³ §§ 391 - 392 Rz 1). Die Frage, ob innerhalb des gesetzlichen Rahmens die Erlassung eines Teilurteiles zulässig ist, ist nicht als prozesstechnische und daher unanfechtbare Ermessenssache (vgl die Nachweise bei Rechberger in Rechberger, ZPO³ aaO Rz 4; Fucik/Kloiber aaO; Feil aaO) zu werten, sondern nach der herrschenden höchstgerichtlichen Judikatur als materiellrechtliche Frage der Rechtsrüge zuzuordnen (1 Ob 514/86 = SZ 59/64 = EvBl 1986/179; 1 Ob 17/01h = ZIK 2001/321; 7 Ob 235/02p = SZ 2002/152; aA Deixler-Hübner aaO Rz 14). Ob im konkreten Fall in einem Teilsachbeschluss nur über die geltend gemachten formellen Mängel der Abrechnung entschieden werden darf, ist also unter dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 66 Abs 1 Z 4 AußStrG geltend zu machen und damit ungeachtet der bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichtes revisibel.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass § 17 Abs 1 Z 1 WEG 1975 seit der WRN 1999 (nunmehr § 20 Abs 3 WEG 2002) im Gegensatz zur früheren Rechtslage den Außerstreitrichter verpflichtet, auch die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung zu
überprüfen (5 Ob 167/03z = SZ 2004/42 = wobl 2004/67, 277; 5 Ob
62/04k = immolex 2004/146; 5 Ob 160/04x). Die Aufgabe des Außerstreitrichters beschränkt sich nicht auf die Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Zahlen und Belege; vielmehr ist bei jeder in Frage gestellten Ausgabe oder Einnahme auch zu prüfen, ob sie pflichtgemäß getätigt wurde, also dem durch Gesetz und Vereinbarung definierten Auftrag einer ordentlichen Verwaltung entspricht (5 Ob 167/03z; 5 Ob 160/04x).
Der Oberste Gerichtshof hat sich in der - vor Inkrafttreten des AußStrG - ergangenen Entscheidung 5 Ob 160/04x mit der Frage der Einschränkung des Verfahrens auf Prüfung der formellen Richtigkeit einer Abrechnung befasst und diese von den Vorinstanzen gewählte Vorgangsweise als dem Gesetz widersprechend abgelehnt. Eine ähnliche Argumentationslinie verfolgt die in MietSlg 55.534 veröffentlichte Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. 12. 2003, AZ 41 R 306/03h, die auf die Einheit der Rechnungslegungspflicht (ordentliche und richtige Abrechnung einschließlich der Einsichtmöglichkeit in die Belege) verweist und aus diesem Grund die Fassung eines bloßen Teilsachbeschlusses (unter Vorbehalt der Richtigkeit) als unzulässig wertet.
An dieser Auffassung ist auch nach Schaffung der Bestimmung des § 36 Abs 2 AußStrG festzuhalten. Umfasst der Rechnungslegungsanspruch des Wohnungseigentümers sowohl die formelle Vollständigkeit als auch die inhaltliche Richtigkeit, kann die korrelierende Verpflichtung des Verwalters nicht quantitativ in Teilverpflichtungen zerlegt werden, was aber Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Teilentscheidung wäre. Der vom Rekursgericht gezogene Vergleich mit der Stufenklage (Art XLII EGZPO) überzeugt nicht, weil in einem derartigen Fall ein Teilurteil das Rechnungslegungsbegehren des Klägers endgültig erledigt, um anschließend nach Bezifferung des Leistungsbegehrens (Art XLII Abs 3 EGZPO) über dieses zu entscheiden.
Aus diesen Erwägungen ist der von beiden Parteien in ihren Revisionsrekursen vertretenen Auffassung, der Teilsachbeschluss sei unzulässig, beizutreten.
Abzulehnen ist aber die Meinung der Antragsgegnerin, der Rechnungslegungsanspruch sei als Individualrecht der Wohnungseigentümer konstruiert, weshalb eine neuerliche Rechnungslegung gegenüber allen Wohnungseigentümern - auch solchen, welche die Abrechnung gebilligt hätten - nicht in Betracht komme. Aus § 52 Abs 2 Z 2 WEG 2002 ergibt sich nämlich, dass allen Wohnungseigentümern im Abrechnungsverfahren Parteistellung zukommt (5 Ob 167/03z = RIS-Justiz RS0119055; vgl RS0019453).
Die im Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor. Der vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmangel (Verletzung der erstgerichtlichen Anleitungspflicht) stellt keinen Revisionsrekursgrund dar (Fucik/Kloiber aaO § 66 Rz 3; RIS-Justiz RS0050037; RS0030748).
Die Unzulässigkeit der Vorgangsweise, einen Teilsachbeschluss zu fällen, führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren entsprechend dem konkret erhobenen Vorwurf des Antragstellers zur Unwirtschaftlichkeit bestimmter Rechnungspositionen auch die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung zu prüfen und in einer einheitlichen Entscheidung den Rechnungslegungsanspruch zu erledigen haben.
§ 37 Abs 3 Z 17 MRG idF des WohnAußStrBeglG ist nur anzuwenden, wenn die Sache nach dem 31. 12. 2004 anhängig geworden ist (Art X § 2 Abs 3 WohnAußStrBeglG). Hier gilt daher noch § 37 Abs 3 Z 19 MRG aF, wonach die kostenrechtsfreundliche Vertretung grundsätzlich jede Partei selbst zu tragen hat. Ersatzfähige Barauslagen wurden nicht verzeichnet.
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