OGH 5Ob193/97m

OGH5Ob193/97m8.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stadt Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in 1080 Wien, wider die Antragsgegnerin Gertrude H*****, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in 1220 Wien, wegen Erhöhung des Bauzinses gemäß Art III Abs 5 BauRGNov 1990, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Jänner 1997, GZ 41 R 12/97m‑14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 24. Juli 1996, GZ 23 Msch 204/94i‑8, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1997:0050OB00193.97M.0708.000

 

Spruch:

 

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

 

Die Parteien dieses Verfahrens sind Vertragspartner eines Baurechtsvertrages, der ein bebautes Grundstück im 22. Wiener Gemeindebezirk zum Gegenstand hat. Dieser Vertrag hat folgende Vorgeschichte:

In den 30er Jahren führte die Stadt Wien eine Randsiedlungsaktion durch, durch die auf vier in ihrem Eigentum stehenden Grundflächen rund 500 Siedlerstellen geschaffen werden sollten. Mit der treuhändigen Durchführung und Überwachung der Aktion wurde die G***** betraut. Die Bewerber für die Siedlerstelle hatten männliche österreichische Staatsbürger, erwerbslos und Familienerhalter zu sein. Geplant war die Errichtung von Siedlerstellen ... 1.500 m2 mit einem teilweise unterkellerten Haus samt Kleintierstall und Schlagbrunnen. Die Bewerber erhielten ein Darlehen in der Höhe von höchstens S 4.500 und hatten S 500 an Eigenmittel selbst zu erlegen. Sämtliche Häuser wurden von den Siedlern zuerst im freiwilligen Arbeitsdienst errichtet und dann nach Fertigstellung verlost.

Die Nutzungsrechte der Siedler wurden in Pachtverträgen verbrieft. In diesen verpflichteten sich die Siedler, ihre Siedlerstellen zu bewirtschaften und zu erhalten; die Stadt Wien ihrerseits übernahm keine Verpflichtung zur Errichtung von Zufahrtsstraßen, Brücken, Licht‑ und Kraftstrom‑, Gas- und Wasserleitung oder Kanalisation.

Schon in diesen Verträgen stellte die Stadt Wien den Siedlern in Aussicht, ihnen ein Baurecht an den jeweiligen Siedlerstellen einzuräumen. Die Siedler übernahmen die Verpflichtung, diese Baurechtsverträge ab 1.9.1938 abzuschließen. Wegen der Kriegsereignisse kam es aber nicht mehr dazu.

Nach dem zweiten Weltkrieg betrug der Pachtzins idR 10 Groschen pro m2 und Jahr.

Zum Abschluß von Baurechtsverträgen kam es dann erst in den 60er Jahren. Den Vertragsabschlüssen gingen Verhandlungen mit den jeweiligen Siedlervereinen voraus. Auf die Ausformulierung der Baurechtsverträge hatten die Siedler keinen Einfluß. Die Verträge wurden mit den einzelnen Baurechtsnehmern auch nicht extra verhandelt, es wurden den Baurechtsnehmern vielmehr jeweils fertige Verträge vorgelegt, die sie dann unterschrieben haben.

Die Baurechtsverträge waren auf eine Dauer von 80 Jahren angelegt. Als Bauzinse wurden Beträge festgesetzt, die sich ‑ grob gesprochen ‑ auf etwa S 1,‑ ‑ pro m2 Grundfläche und Jahr beliefen (der genaue Betrag und seine Berechnung sind dem erstinstanzlichen Sachbeschluß zu entnehmen). Die Stadt Wien hätte, wäre dies gesetzlich möglich gewesen, Wertsicherungsvereinbarungen in die Baurechtsverträge aufgenommen, und die Siedler hätten ihrerseits eine solche Wertsicherung des Bauzinses akzeptiert, doch unterblieb eine Wertsicherung wegen des gesetzlichen Verbots. Die Stadt Wien hat jedoch in der Folge den vereinbarten Bauzins nicht in voller Höhe eingehoben, sondern Ermäßigungen gewährt. Damit sollte aus generellen sozialen Erwägungen der Übergang vom niedrigen Pachtzins zum doch wesentlich höheren Bauzins erträglich gemacht und fließend gestaltet werden. Dies geschah über Antrag der Baurechtsnehmer ab 1965. Für diese Anträge stellte die Stadt Wien den Baurechtsnehmern vorgedruckte Formulare zur Verfügung; die Ermäßigungen wurden durch Gemeinderatsbeschlüsse ohne individuelle Kontrolle der jeweiligen sozialen Bedürftigkeit des Antragstellers gewährt.

Im Juni 1991 stellte die Stadt Wien unter Berufung auf Art III Abs 5 der BauRGNov 1990 Anträge auf Erhöhung jener Bauzinse, über deren Anhebung sie sich mit den Baurechtsnehmern nicht hatte einigen können. Beim Bezirksgericht Donaustadt wurden die hierüber eingeleiteten Verfahren in den Abteilungen 7 und 23 geführt. In den Verfahren der Abteilung 7 vereinbarten die Parteien am 27. 1. 1994, in den Verfahren der Abteilung 23 am 3. 12. 1993 Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf eine ausstehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in einem gleichgelagerten Fall des Bezirksgerichtes Döbling. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erging zu 5 Ob 86/93 und wurde den Vertretern der Antragstellerin am 31. 1. 1994 zugestellt. Diese leiteten die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes an die Magistratsabteilung 69 weiter, wo sie am 2. 2. 1994 eintraf. Der zuständige Senatsrat Dr. R***** informierte am 3. 2. 1994 die Finanzabteilung, am 4. 2. 1994 wurde der zuständige Ressortstadtrat E***** verständigt. Auf dessen Ersuchen wurde ein schriftlicher Vorschlag zur Gleichbehandlung der bereits zu diesem Zeitpunkt verglichenen Fälle mit den noch strittigen Fällen ausgearbeitet. Ab 15. 2. 1994 fanden interne Besprechungen zwischen der Rechtsabteilung der Antragstellerin und den von ihr mit den gegenständlichen Verfahren befaßten Rechtsanwälten statt, die am 22. 2. ihren Abschluß fanden. Der zuständige Senatsrat Dr. R***** verfaßte daraufhin einen Bericht über alle Aspekte der anhängigen bzw bereits verglichenen Verfahren einschließlich der allfälligen Kostenfolgen, den er am 23. 2. dem Stadtrat übermittelte. Hierauf fand am 24. 3. 1994 eine Besprechung mit dem Stadtrat statt, der am 25. 4. 1994 einem schriftlichen Entwurf über die finanziellen Auswirkungen zustimmte. Am 16. 6. 1994 wurde die weitere Vorgangsweise im Ausschuß über die Landesverwaltung vorberaten, am 24. 6. 1994 fand eine Vorberatung im Stadtsenat statt und am 30. 6. 1994 kam schließlich der Gemeinderatsbeschluß zustande, der es ermöglichte, die vier mit der Angelegenheit befaßten Anwälte zu ermächtigen, den Baurechtsnehmern Vergleichsvorschläge zu unterbreiten, die bisher abgeschlossenen Vereinbarungen ‑ soweit sie anderes vorsahen - nach Maßgabe der Entscheidung 5 Ob 86/93 zu modifizieren und nach diesen Gesichtspunkten auch die Gerichtsverfahren zu führen.

Mit Schriftsatz vom 9. 6. 1994, eingelangt am 16. 6. 1994, setzte die Antragstellerin sämtliche in der Abteilung 23 des Bezirksgerichtes Donaustadt anhängigen Verfahren fort; der Antrag zur Fortsetzung der in der Abteilung 7 anhängigen Verfahren langte am 13. 6. 1994 beim Bezirksgericht Donaustadt ein.

Den Sachanträgen auf Erhöhung der Bauzinse ist gemeinsam, daß sie - grob gesprochen ‑ auf eine Verzehnfachung des bisher vereinbarten Bauzinses hinausliefen. Die Stadt Wien hat sich allerdings (das sei an dieser Stelle schon vorweggenommen) mit der von den Vorinstanzen letztlich zuerkannten Erhöhung des Bauzinses auf ‑ grob gesprochen ‑ das Dreifache des bisherigen Betrages einschließlich Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex 1986 auf der Basis der für den Monat Juni 1991 verlautbarten Indexzahl abgefunden (die genauen Beträge und ihre Berechnungsgrundlagen können wiederum dem erstinstanzlichen Sachbeschluß entnommen werden). Auch die jeweiligen Rechtsstandpunkte der Stadt Wien bzw der Baurechtsnehmer sind ‑ sieht man von unterschiedlich gesetzten Schwerpunkten der jeweiligen Argumentation ab ‑ in allen Verfahren gleich. Soweit sie in dritter Instanz noch einer Erörterung bedürfen (also nicht schon durch die eingangs wiedergegebenen Feststellungen widerlegt und noch Gegenstand der Rechtsmittelausführungen sind), lassen sie sich wie folgt kurz zusammenfassen:

Die Baurechtsnehmer erblicken in der Vereinbarung eines ‑ verglichen mit dem vorher bezahlten Pachtzins ‑ exorbitant hohen Bauzinses, der sogleich ermäßigt wurde, um ihn dann stufenweise an den vereinbarten Betrag heranzuführen, eine verschleierte Wertsicherungsverein- barung, die jede weitere Erhöhung ausschließe, weil es an den Tatbestandsvoraussetzungen des Art III Abs 5 Z 2, 3 und 4 BauRGNov 1990 fehle.

Das Beharren der Baurechtsgeberin auf Erhöhung des Bauzinses sei schikanös; sie habe schon in den 60er Jahren mit einer Aufhebung des Wertsicherungsverbotes rechnen und disponieren können.

Von einer Unangemessenheit des Bauzinses iSd Art III Abs 5 Z 2 BauRGNov 1990 könne im Hinblick auf die Vorleistungen der Baurechtsnehmer (Belastung mit Bau‑ und Aufschließungskosten etc) keine Rede sein.

Die in Art III Abs 5 BauRGNov 1990 vorgesehene Möglichkeit der Bauzinserhöhung im Wege einer nur den Baurechtsgeber begünstigenden Vertragsänderung widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und sei außerdem mit dem Eigentumsschutz unvereinbar.

Der Erhöhungsanspruch sei verjährt, weil die Antragstellerin durch ihr mehrmonatiges Zögern mit dem Fortsetzungsantrag ihre Pflicht zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens verletzt habe.

Näheres wird bei der Behandlung des Revisionsrekurses auszuführen sein. Im übrigen sei ‑ insbesondere zur Darstellung des Rechtsstandpunktes der Antragstellerin ‑ auch hier auf den erstinstanzlichen Sachbeschluß verwiesen.

Beide Vorinstanzen gaben ‑ mit der bereits erwähnten Einschränkung ‑ dem Erhöhungsbegehren der Antragstellerin statt (auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen über die Möglichkeiten einer dinglichen Sicherung des erhöhten Bauzinses sowie der Schaffung eines Leistungsbefehls im außerstreitigen Verfahren ist hier zufolge Teilrechtskraft der diesbezüglichen Entscheidungsteile ebensowenig einzugehen wie auf das Problem der richtigen Bezugsgröße für die Wertsicherung des nunmehrigen Bauzinses). Das Rekursgericht, das sich bereits gezielt mit jenen Argumenten zu befassen hatte, die auch jetzt an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, begründete seine Entscheidung wie folgt:

Der zu 5 Ob 86/93 ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes folgend (NRsp 1994/60 = EvBl 1994/92 = MietSlg 45/28) sei unter dem angemessenen Ausmaß des Bauzinses der dem inneren Geldwert entsprechende, aufgewertete Betrag des seinerzeitigen Bauzinses zu verstehen. Eine über die Wertsteigerung seit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl JBl 1995, 126) hinausgehende Anpassung des Bauzinses an die Marktlage entspreche nicht den Intentionen des Gesetzgebers. Damit würden sich Feststellungen zum Äquivalenzverhältnis der Leistungen des Baurechtsgebers einerseits und der Baurechtsnehmer andererseits, sei es für den Zeitpunkt des Abschlusses des Baurechtsvertrages, sei es für den Zeitpunkt der begehrten Erhöhung des Bauzinses, erübrigen. Gerade in dieses Äquivalenzverhältnis solle nicht eingegriffen, sondern bloß die unterlassene Wertsicherung nachgeholt werden. Dies, sofern der Grundeigentümer das Vorliegen der hiefür normierten Voraussetzungen im Einzelfall nachweisen könne (WoBl 1993/64 [zust Call]).

Artikel III Abs 5 Z 4 BauRGNov 1990 setze für eine Erhöhung des Bauzinses außerdem noch voraus, daß nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden ist, angenommen werden kann, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre. Gerade diese Bestimmung hätten die Baurechtsnehmer ins Treffen geführt, indem sie argumentierten, daß der ihnen ohne Nachweis der Bedürftigkeit generell gewährte gestaffelte Nachlaß vom vereinbarten Bauzins der Umgehung des Wertsicherungsverbotes gedient habe. Dem wiederum sei entgegenzuhalten, daß eine Beschränkung des Bauzinses der Höhe nach nicht existiert habe und daß mit Rücksicht auf die 80‑jährige Vertragsdauer eine nur Teile der Vertragsdauer abdeckende gestaffelte Ermäßigung keiner Wertsicherungsvereinbarung entspreche. Die Gewährung einer Ermäßigung an sich habe bereits der Oberste Gerichtshof als für das Begehren auf Nachholung der Wertsicherungsvereinbarung unschädlich erachtet (WoBl 1993/64 [zust Call]).

Die Vorhersehbarkeit einer Änderung der die Wertsicherung des Bauzinses regelnden gesetzlichen Bestimmungen sei für die Anwendung der BauRGNov 1990 nicht Voraussetzung. Die Judikatur zur Änderung der Sachlage (als Voraussetzung für eine Vertragsanpassung) könne auf eine Änderung gesetzlicher Bestimmungen mangels vergleichbarer Tatsachengrundlagen nicht angewendet werden. Ebensowenig sei den Baurechtsnehmern der Beweis gelungen, die Antragstellerin übe das ihr durch Art III Abs 5 BauRGNov 1990 eingeräumte Recht schikanös aus. Daß die Antragstellerin bereits bei Abschluß der Baurechtsverträge aus sozialen Erwägungen auf die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel verzichtet hätte, sei durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt.

Der Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens sei überhaupt verfehlt. Artikel III BauRGNov 1990 enthalte Übergangsbestimmungen, die dem Baurechtsgeber ein Gestaltungsrecht zur Nachholung der unterlassenen Wertsicherungsvereinbarung einräumten. Die Ausübung dieses Gestaltungsrechtes werde an eine Präklusivfrist gebunden. Diese führe dazu, daß im Vertragsverhältnis zur Frage der Erhöhung des Bauzinses ehestens Klarheit geschaffen wird. Mit Ausübung des Gestaltungsrechtes innerhalb der Präklusivfrist von einem Jahr (Art III Abs 7 BauRGNov 1990) sei klar, daß der Baurechtsgeber den Bauzins erhöht. Durch weiteren Zeitverlauf könne sich an der bereits erfolgten Ausübung des Gestaltungsrechtes nichts ändern. Solange also der Baurechtsgeber nicht zum Ausdruck bringt, die Nachholung der unterlassenen Wertsicherung nun doch nicht mehr begehren zu wollen, reiche die rechtzeitige Gerichtsanhängigkeit des Antrages. Es gehe ja nicht wie in § 1497 ABGB darum, der Annahme einer während des Verfahrens weiterlaufenden Verjährung durch Tätigkeit im Verfahren entgegenzuwirken. Im vorliegenden Fall sei das Gestaltungsrecht rechtzeitig ausgeübt worden; ein weiterer Zeitverlauf könne daran nichts mehr ändern, selbst wenn Untätigkeit im Verfahren einträte (vgl MGA ABGB34 § 1497/2).

Die Bestimmung des Art III Abs 5 BauRGNov 1990 sei auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Sie lasse bei dem hier unterstellten Verständnis keine Bedenken im Sinne des Legalitätsprinzips aufkommen, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der zu MietSlg 45/28 veröffentlichten Entscheidung (5 Ob 86/93) ausgeführt habe, und verletze auch nicht das Gleichheitsgebot (5 Ob 2128/96v). Die Zulassung einer Wertsicherungsvereinbarung durch die BauRGNov 1990 könne nicht gleichheitswidrig sein, weil es nun den Baurechtsberechtigten freistehe, Wertsicherungsvereinbarungen zu treffen, und auch im konkreten Fall festgestelltermaßen eine derartige Vereinbarung getroffen worden wäre, wäre sie zulässig gewesen. Das Argument, daß das Baurecht mit Verlauf der Zeit weniger wert werde, ändere an dieser Einschätzung nichts. Durch die Wertsicherungsvereinbarung bleibe im Einklang mit der Gebrauchsmöglichkeit des Baurechtsberechtigten der innere Geldwert des Bauzinses erhalten. Auch ein Verstoß des Gesetzgebers gegen die Unverletzlichkeit des Eigentumsrechtes (Art 5 StGG) sei nicht erkennbar. Wenngleich vom Schutz des Art 5 StGG sogar Vermögensrechte umfaßt seien und bloße Eigentumsbeschränkungen eine Verletzung des Schutzrechtes darstellen können, bleibe immer der Gesetzesvorbehalt zu beachten. Demnach könne der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berühre oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstoße. Eine solche Eigentumsbeschränkung müsse nur im öffentlichen Interesse liegen und dürfe nicht unverhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber strebe mit Art III BauRGNov 1990 die Aufrechterhaltung eines fairen Ausgleichs zwischen der Leistung des Baurechtsgebers und dem Wert der Gegenleistungen der Baurechtsnehmer an, der sich am hypothetischen Willen der Parteien bei Vertragsschluß orientiere. In dieser Hinsicht bestünden keine verfassungsmäßigen Bedenken.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß zur Anwendung des § 1497 ABGB auf Verfahren, die innerhalb der einjährigen Präklusivfrist des Art III Abs 7 BauRGNov 1990 eingeleitet wurden, Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich der vorliegende Revisionsrekurs aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß des Rekursgerichtes abzuändern und das Begehren auf Erhöhung des Bauzinses ab‑ bzw zurückzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin hat in einer fristgerecht erstatteten Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Was die Frage betrifft, ob die in Art III Abs 7 BauRGNov 1990 geregelte Präklusivfrist nur dann gewahrt ist, wenn der Erhöhungsanspruch rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht und das Verfahren hierüber iSd § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt wird, geht der erkennende Senat, wie er bereits implicite in der zu 5 Ob 93/97f ergangenen (noch nicht veröffentlichten) Entscheidung ausgesprochen hat, von der Anwendbarkeit des § 1497 ABGB auf die fragliche Präklusivfrist aus. Der Grund hiefür liegt darin, daß sich Judikatur und Lehre weitgehend einmütig zur analogen Anwendung der §§ 1494 ff ABGB auf Präklusivfristen entschieden haben, sofern dem nicht der Zweck der betreffenden Fristbestimmung entgegensteht (SZ 45/80; SZ 49/106; SZ 58/180; SZ 63/71; EvBl 1991/123; SZ 64/91; MietSlg 43.098; WoBl 1996, 124/34; Schubert in Rummel 2, Rz 5 zu § 1451 ABGB; Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I10, 190 ua). Die hier anzuwendende Fristbestimmung wurde geschaffen, "um einen länger dauernden Zustand der Rechtsunsicherheit zu vermeiden" (siehe dazu die Wiedergabe der Gesetzesmaterialien bei Feil, Baurechtsgesetz, 21). Das spricht grundsätzlich für die Anwendung der Verjährungsregeln, weil auch diese der Rechtssicherheit dienen (vgl Koziol/Welser aaO, 184). Ein besonderer Grund, § 1497 ABGB auf die Fristbestimmung des Art III Abs 7 BauRGNov 1990 ausnahmsweise nicht anzuwenden, ist nicht zu sehen. Der vom Rekursgericht für seine gegenteilige Rechtsansicht ins Treffen geführte Umstand, dem Baurechtsgeber sei durch Art III Abs 5 BauRGNov 1990 ein Gestaltungsrecht eingeräumt worden, das - einmal ausgeübt - die Rechtslage endgültig verändert habe, liefert schon deshalb kein überzeugendes Gegenargument, weil die analoge Anwendung des § 1497 ABGB auch für die dem Gewährleistungsberechtigten zur Verfügung stehenden Gestaltungsrechte anerkannt ist (vgl Reischauer in Rummel 2, Rz 5 zu § 933 ABGB). Die Gesetzesmaterialien zu Art III BauRGNov 1990 vermeiden im übrigen den Begriff Gestaltungsrecht und sprechen lediglich von einem "befristeten Anspruch" auf Erhöhung des Bauzinses (Feil aaO). Mit dem vom Rekursgericht angeführten Fall der (nachträglichen) gerichtlichen Überprüfung eines gemäß § 12a Abs 2 MRG (also ohne Anerkenntnis bzw Anrufung des Gerichtes) erhöhten Hauptmietzinses (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG) läßt sich die Geltendmachung des Anspruchs auf Erhöhung des Bauzinses nicht vergleichen, sodaß daraus kein Argument für die Nichtanwendbarkeit des § 1497 ABGB auf die Frist des Art III Abs 7 BauRGNov 1990 gewonnen werden kann.

Damit bleibt zu prüfen, ob die Antragstellerin durch ihr mehrwöchiges bzw mehrmonatiges Zuwarten mit dem Antrag auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens (gerechnet ab Vorliegen der "präjudiziellen" Entscheidung 5 Ob 86/93) ein Verhalten gesetzt hat, das die Unterbrechungswirkung der (rechtzeitigen) gerichtlichen Geltendmachung des Erhöhungsanspruchs beseitigte. Verneint man dies, ist trotz der nicht gebilligten Rechtsausführungen des Rekursgerichtes zur Anwendbarkeit des § 1497 ABGB (und dem damit verbundenen Wegfall tragender Entscheidungsgründe) am angefochtenen Sachbeschluß festzuhalten.

Die Frage hat den Obersten Gerichtshof bereits in Parallelverfahren bei der Behandlung außerordentlicher Revisionsrekurse beschäftigt, allerdings nur insoweit, als die Rechtsansicht der Vorinstanzen, es sei ‑ in vergleichbaren Fällen ‑ von einem rechtzeitig eingeleiteten und gehörig fortgesetzten Verfahren zur Geltendmachung des Erhöhungsanspruchs nach Art III Abs 5 BauRGNov 1990 auszugehen, als nicht revisibel angesehen wurde. Hier ist das aufgezeigte Rechtsproblem sachlich zu behandeln, um zu begründen, warum dem an sich zulässigen Rechtsmittel der Antragsgegnerin im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein kann.

Bereits in der zu 5 Ob 93/97f ergangenen Entscheidung wurde darauf hingewiesen, daß die "gehörige" Fortsetzung eines ruhenden Verfahrens einen zeitlichen Spielraum läßt, der aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen auch mehrere Monate betragen kann (vgl RIS‑Justiz RS0034624 und RS0034710). Es kommt dabei nicht so sehr auf die Dauer als vielmehr auf die Gründe der Untätigkeit an (Schubert in Rummel 2, Rz 10 zu § 1497 ABGB mwN). Der Vorwurf der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens muß auf ein Verhalten zurückzuführen sein, aus dem sich mangelndes Interesse an der Anspruchsverfolgung erschließen läßt (vgl Schubert aaO). Hier ist das mehrmonatige Zuwarten mit dem Fortsetzungsantrag einerseits durch die schwierige oder wenigstens zeitaufwendige Entscheidungsfindung bei der antragstellenden Gebietskörperschaft, andererseits durch das Bemühen um eine Gleichbehandlung aller Bauberechtigten (auch derer, die sich mit der Antragstellerin bereits verglichen hatten) zu erklären. Beides zusammen entkräftet selbst in Fällen eines mehrmonatigen Zuwartens mit dem das jeweilige Verfahren betreffenden Fortsetzungsantrag die Behauptung einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens. Berücksichtigt man nämlich die Organisationsstruktur der Antragstellerin, die an sich schon einen beträchtlichen Zeitaufwand für die Entscheidungsfindung erforderte (was für die Wahrung ungemessener Fristen durchaus von Bedeutung sein kann: vgl etwa die Judikatur zur "unverzüglichen" Geltendmachung von Entlassungsgründen - SZ 24/280; 4 Ob 74/75; 9 ObA 212/94 ua), und dazu noch die große Anzahl von Bauberechtigten, die bei nicht immer gleicher Sach‑ und Rechtslage in eine "Gesamtlösung" einzubinden waren, liegen selbst für das in Einzelfällen mehrmonatige Zuwarten der Antragstellerin mit dem Antrag auf Fortsetzung der ruhenden Verfahren stichhältige, die Unterbrechungswirkung der Anrufung des Gerichtes aufrechterhaltende Gründe vor.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den durch Art III Abs 5 BauRGNov 1990 ermöglichten Eingriff in bestehende Baurechtsverträge bestehen nicht, auch nicht unter dem Aspekt der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie.

Der bundesverfassungsgesetzliche Eigentumsschutz beruht heute auf Art 5 StGG und Art 1 1. ZP‑MRK. Er erfaßt alle Vermögenswerte und Privatrechte (Öhlinger, Verfassungsrecht3, Wien 1997, 345), daher neben dem Eigentum an körperlichen Sachen auch Bestandrechte (VfSlg 1667, 5499, 7160, 10.322 ua). Daneben schützt die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie nach der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch die Privatautonomie schlechthin (VfSlg 12.227; VfGH 12.6.1996, G 1300/95; 13.6.1996, G 1395/95), im besonderen das Recht zum Abschluß privatrechtlicher Verträge. Auf die demnach vom ersten Satz des Art 5 StGG erfaßten Eigentumsbeschränkungen erstreckt sich allerdings auch der im zweiten Satz leg cit festgelegte Gesetzesvorbehalt: Der Gesetzgeber kann also verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechts der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (VfSlg 9911; 10.081, 11.019). Einen solchen unzulässigen Eingriff erblicken die Baurechtsnehmer insbesondere in der durch Art III Abs 5 BauRGNov 1990 geschaffenen Möglichkeit, in bestehende Verträge durch die nachträgliche Wertsicherung von Bauzinsen einzugreifen, übersehen dabei aber die Bestimmung des Art III Abs 5 Z 4 BauRGNov 1990, wonach ‑ neben den kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der Z 1 bis 3 leg cit ‑ das Verlangen nach einer Wertsicherung nur dann berechtigt ist, wenn nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden ist, angenommen werden kann, daß eine Wertsicherung ‑ wäre sie zulässig gewesen ‑ tatsächlich vereinbart worden wäre. Maßgebend für eine Erhöhung ist daher der seinerzeitige hypothetische Parteiwille, an den die Bauzinsvereinbarung angepaßt werden soll (AB 1264 der Beil 17.GP, 3). Art III Abs 5 BauRGNov 1990 führt daher in Wahrheit nicht zu einem verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die Privatautonomie, sondern ermöglicht eine Korrektur des Vertrages so, wie ihn die seinerzeitigen Vertragspartner abgeschlossen hätten, wäre dem nicht das gesetzliche Verbot einer Wertsicherungsklausel entgegengestanden. Die von den Antragsgegnern in Zweifel gezogene Norm widerspricht daher nicht der Privatautonomie, sondern beseitigt nachträglich eine Beschränkung derselben. Daß die Anhebung eines wegen des Wertsicherungsverbotes offenbar unangemessen gewordenen Bauzinses auf ein angemessenes Ausmaß unbedenklich ist, ergibt sich ebenfalls aus der schon von den Vertragsparteien intendierten (und nur durch den damaligen Gesetzgeber verhinderten) Anpassung des Bauzinses an die Entwicklung des Geldwertes. Es wäre eher verfassungsrechtlich bedenklich, mit den Auswirkungen der Geldwertverdünnung nur einen Vertragsteil (den Baurechtsgeber) zu belasten. Schon aus diesen Gründen kann bei der durch Art III Abs 5 BauRGNov 1990 erlaubten Vertragskorrektur von einer Enteignung oder Eigentumsbeschränkung im Sinne der Art 5 StGG und Art 1 1.ZP‑MRK keine Rede sein. Das macht die weitere Prüfung entbehrlich, ob die gesetzliche Regelung nicht ohnehin auch im Allgemeininteresse eine weitere verfassungsgesetzliche Rechtfertigung findet.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, die Bestimmung des Art III Abs 5 BauRGNov 1990 einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zuzuführen.

Alle übrigen im Revisionsrekurs geltend gemachten Argumente wurden bereits vom Rekursgericht treffend widerlegt.

Da eine nur Teile der Vertragsdauer abdeckende Ermäßigung des Bauzinses nicht als (verschleierte) Wertsicherungsvereinbarung zu qualifizieren ist, kann dahingestellt bleiben, ob praktisch alle Baurechtsnehmer oder nur diejenigen in den Genuß der zeitlichen Herabsetzung des Bauzinses gekommen sind, die besonders berücksichtigungswürdige Gründe geltend machen konnten. Die Ermäßigung läßt auch keinen zwingenden Rückschluß darauf zu, daß die Parteien auf eine Wertsicherung des Bauzinses verzichtet hätten, wäre eine solche möglich gewesen (vgl WoBl 1993, 83/64). Im übrigen ist der Oberste Gerichtshof als reine Rechtsinstanz an die Feststellung, daß sich die Parteien auf eine Wertsicherung des Bauzinses geeinigt hätten, wäre dem nicht ein gesetzliches Hindernis entgegengestanden, gebunden (vgl SZ 66/139).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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