European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133554
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin als Miteigentümerin einer Liegenschaft, die Sanierung der Wasserschäden in der Tiefgarage und die Behebung deren Ursache auf den ihr zuzuordnenden Liegenschaftsanteilen zu dulden und Sachverständigen und/oder Professionisten nach Ankündigung Zutritt zu gewähren.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen gerichtete – von den Vorinstanzen zutreffend als außerordentlich behandelte (RIS‑Justiz RS0123405 [T2]) – Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[4] 1.1 Im (wohnrechtlichen) Außerstreitverfahren sind an die Bestimmtheit des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (RS0070562). Allenfalls hat das Gericht den Antragsteller im Zug des Verfahrens ausgehend von gewonnenen Beweisergebnissen zur Präzisierung anzuleiten (5 Ob 169/19t; 5 Ob 19/12y je mwN) und eine exekutierbare Entscheidung im Rahmen des weiten Begehrens zu treffen (vgl Schneider in Schneider/Verweijen AußStrG § 9 Rz 8). Die im Revisionsrekurs zitierte Rechtsprechung zu § 226 ZPO (RS0000245) ist mangels vergleichbarer Rechtslage daher nicht unmittelbar einschlägig. Sollte der Spruch tatsächlich den Anforderungen der §§ 7, 355 EO nicht entsprechen, wäre er – auch noch im Rechtsmittelverfahren – vom Gericht im Rahmen des Verfahrensgegenstands zu präzisieren (vgl jüngst 1 Ob 67/21s [zum außerstreitigen Aufteilungsverfahren]).
[5] 1.2 § 7 Abs 1 EO knüpft die Bewilligung der Exekution daran, dass aus dem Exekutionstitel nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Titels ist ausreichend Genüge getan, wenn ihm die geschuldete Leistung unter Berücksichtigung des Sprach‑ und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs zu entnehmen ist, die Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels dürfen nicht überspannt werden (RS0000532 [T4]). Art und Umfang der zu duldenden Handlungen sollen aber eindeutig zu erkennen sein (vgl RS0000966 [T1]). Beim Duldungsbegehren ist die Präzisierung erforderlich, welche Änderungen oder Beeinträchtigungen hinzunehmen sind, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Eine verbale Beschreibung des Bauvorhabens reicht in der Regel aus, die nur dann, wenn es zur Schlüssigkeit erforderlich ist, mit Planunterlagen zu ergänzen ist (RS0114876 [zu § 8 Abs 2 MRG]). Die Beschreibung aller Einzelheiten ist untunlich und daher nicht zu verlangen (RS0000808 [T7]).
[6] 1.3 Wird dem Verpflichteten mittels Exekutionstitels ein Unterlassen oder Dulden geboten, hat er keine Leistungsfrist (§ 7 Abs 2 EO), sondern die Angabe des Beginns der Unterlassungs‑ bzw Duldungsverpflichtung zu enthalten (RS0000307). Fehlt die Angabe des Beginns der titelmäßigen Unterlassungs‑ oder Duldungsverpflichtung, hat der Verpflichtete diese ab sofort zu erfüllen, in keinem Fall aber vor Eintritt der formellen Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels (RS0000308).
[7] 1.4 Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Titels zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0037874 [T39]; 5 Ob 187/20s [jeweils zur Bestimmtheit nach § 226 ZPO]).
[8] 2.1 Die Auffassung der Vorinstanzen, der hier geschaffene Duldungstitel sei ausreichend bestimmt, um eine Exekution zu ermöglichen, ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Bislang konnte die Ursache der Wasserschäden an der Tiefgaragendecke – eines allgemeinen Teils des Hauses – nicht festgestellt werden. Dass sie ihren Ursprung an Flächen haben, die der Antragsgegnerin zur alleinigen Benützung zugeordnet sind, ist nicht auszuschließen. Überdies steht fest, dass zur Behebung der Schäden jedenfalls das Betreten von Flächen der Antragsgegnerin erforderlich ist. Warum angesichts dieses für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Sachverhalts die Duldungsverpflichtung widersprüchlich sein sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Die Schadensursache konnte gerade deshalb nicht ermittelt werden, weil die Antragsgegnerin das (weitere) Betreten der ihr zugeordneten Flächen zum Zweck der Ursachenforschung verweigerte. Dass die Schadensbehebung das Betreten ihres Objekts jedenfalls erfordert, steht aber fest. Damit kann keine Rede davon sein, dass der Antragstellerin ein unzulässiges Betretungsrecht zur bloßen Kontrolle der allfälligen Notwendigkeit von Erhaltungsarbeiten eingeräumt worden wäre (vgl Illedits in Illedits/Reich‑Rohrwig Wohnrecht3 § 16 WEG Rz 25).
[9] 2.2 Da die konkrete Duldungsverpflichtung der Antragsgegnerin durch ihren aus dem Spruch ausreichend erschließbaren Zweck beschränkt ist, bedarf es der vermissten räumlichen Konkretisierung nicht. Nach dem allgemeinen Sprach‑ und Ortsgebrauch ist klar, dass das Betreten des Objekts der Antragsgegnerin nur in dem für die Arbeiten zur Sanierung der Wasserschäden in der Tiefgarage erforderlichen Ausmaß zulässig ist. Eine konkrete Bezeichnung der durchzuführenden Arbeiten ist – anders als in dem zu 5 Ob 272/09z entschiedenen Fall – mangels Kenntnis der Schadensursache derzeit gar nicht möglich. Einer zeitlichen Beschränkung der Duldungsverpflichtung bedarf es nicht, sie ist ab Eintritt der formellen Vollstreckbarkeit zu erfüllen und endet mit ihrer Erfüllung. Eine nähere Konkretisierung, welche Sachverständige und Professionisten Zutritt erhalten sollen, ist nicht erforderlich und auch nicht möglich, weil mangels Kenntnis der Schadensursache derzeit nicht abzuschätzen ist, aus welchen Fachbereichen Sachverständige oder Professionisten tatsächlich benötigt werden. Auch dies lässt sich aus dem Zweck der Duldungsverpflichtung erschließen.
[10] 2.3 Die Entscheidung 5 Ob 16/12g betraf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt. Hier steht fest, dass das Betreten zur Erhaltung allgemeiner Teile der Liegenschaft und der Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist. Feuchtigkeitsschäden – wie hier festgestellt – sind ihrer Natur nach ernste Schäden eines Hauses (RS0083089). Insbesondere (drohende) Durchnässungen des Mauerwerks sind selbst dann von der in § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 enthaltenen Verweisung auf § 3 MRG erfasst, sollten sie – was hier gar nicht der Fall ist – nur in einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt auftreten (RS0069886). Ein ernster Schaden des Hauses liegt auch dann vor, wenn – wie hier – Schimmel in ein Mauerwerk eindringt und er nicht allein durch Oberflächenbehandlung beseitigt werden kann, weil damit die Bausubstanz angegriffen wird (vgl RS0102183; zuletzt 5 Ob 142/19x).
[11] 3. Grundrechte sind aufgrund ihrer mittelbaren Drittwirkung auch im Privatrecht zu beachten (RS0119477). Die Revisionsrekurswerberin setzt ihrer Duldungspflicht allerdings nur ihre eigenen Grundrechte entgegen, bedenkt aber nicht, dass die anderen Miteigentümer ebenso wie sie selbst auch ein Recht auf Schutz ihres Eigentums haben. Bei einem solchen Konflikt stellt sich aus Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig ein Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten ein, dernach der Rechtsprechung im Weg einer umfassenden Interessensabwägung zu lösen ist (10 Ob 21/19i). Im Rahmen der Duldungspflicht nach § 16 Abs 3 WEG 2002 ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der Eingriff in die Rechte des Wohnungseigentümers wirklich erforderlich ist (5 Ob 195/17p). Bedenkt man hier das Interesse sämtlicher Miteigentümer an der ordnungsgemäßen Erhaltung ihres Eigentums und dem Schutz vor ernsten Schäden des Hauses und stellt man dies dem (überschaubaren) Ausmaß des Eingriffs in das Eigentum und die Privatsphäre der Antragsgegnerin gegenüber, begegnet die Duldungsverpflichtung auch keinen grundrechtlichen Bedenken.
[12] 4. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dies nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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