OGH 5Ob120/10y

OGH5Ob120/10y15.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** KG, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Johannes Müller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 4.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2010, GZ 34 R 151/09x-69, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. August 2009, GZ 26 C 1388/06x-63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 450,14 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 75,02 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und über Antrag der Beklagten nach § 508a ZPO seinen Zulassungsausspruch dahin abgeändert, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde. Ob eine freiwillige Aufgabe der Hauptmietrechte gegenüber einem Unterbestandnehmer rechtswidrig sei und daher Schadenersatzansprüche begründe oder überdies erforderlich sei, dass dem Unterbestandgeber kein Anspruch auf Auflösung des Unterbestandverhältnisses zugestanden wäre, bedürfe der Klärung durch das Höchstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Unstrittig ist, dass die Klägerin ihr Benützungsrecht an den verfahrensgegenständlichen Sanitäranlagen nicht vom Hauseigentümer, sondern von der Beklagten (bzw deren Rechtsvorgänger) ableitet und dass die Beklagte vor Aufgabe ihrer Hauptmietrechte gegenüber der Klägerin dieses Benützungsverhältnis nicht wirksam beendete. Im Revisionsverfahren unbekämpfbar steht überdies fest, dass die Gegenleistung der Klägerin für die Benützung einer 6 m² großen Fläche des Bestandobjekts der Beklagten die Übernahme der gesamten Errichtungs- und der halben Installationskosten der Sanitäranlage war. Insoweit die Revisionsausführungen davon abweichen und eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zugrundelegen, ist die Rechtsrüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.

1.) Zur Abgrenzung zwischen einem Prekarium und einem Bestandverhältnis, hier Unterbestandverhältnis, liegt umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Das kennzeichnende Merkmal einer Bittleihe iSd § 974 ABGB, die nicht vermutet wird, sondern von dem nachzuweisen ist, der sich darauf beruft (RIS-Justiz RS0019200; RS0020518 [T2; T3; T4]), besteht darin, dass keine Verbindlichkeit des Verleihers zur Gestattung des Gebrauchs besteht, weder die Dauer des Gebrauchs noch die Absicht des Gebrauchs bestimmt werden und die Überlassung im Wesentlichen unentgeltlich erfolgt (vgl RIS-Justiz RS0020524; RS0019083; RS0083418; RS0019221; RS0019196). Hier lässt sich aus den Feststellungen die Gebrauchsabsicht, ja sogar die Gebrauchsnotwendigkeit für die Dauer der Betriebsführung durch die Klägerin, die der Beklagten auch bei Rechtseinräumung bekannt war, zweifelsfrei ableiten. Die Frage, ob aus der Übernahme bestimmter Aufwendungen - hier der Errichtungskosten der Sanitäranlage - auf die Begründung eines anderen Rechtsverhältnisses als einer bloßen Bittleihe geschlossen werden kann, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl 4 Ob 2366/96m).

Wenn die Vorinstanzen im konkreten Einzelfall das Vorliegen eines Prekariums verneinten, wurde dadurch jedenfalls keine iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende korrekturbedürftige Fehlbeurteilung bewirkt.

2.) Nach ständiger Rechtsprechung besteht bei entgeltlicher Gebrauchsüberlassung von Räumlichkeiten iSd § 1 Abs 1 MRG eine Vermutung für die Anwendbarkeit des MRG, die nur durch die Behauptung und den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestands widerlegt werden kann (vgl 3 Ob 564/92 = WoBl 1993/58; 1 Ob 634/85 = MietSlg 37.220/37 mwN). Der Begriff des Geschäftsraums wird durch den Vertragszweck bestimmt (1 Ob 196/01g = MietSlg 53.241; RIS-Justiz RS0044863). Steht wie hier fest, dass die von der Klägerin beabsichtigte Aufnahme eines Unternehmens in gemieteten Räumlichkeiten vom Vorhandensein eines Personal-WCs rechtlich abhängig war, ist insofern unzweifelhaft, dass die hier in Frage stehenden Sanitärräumlichkeiten geschäftlichen Zwecken dienten. Die geschäftliche Tätigkeit selbst muss nicht unmittelbar im betreffenden Objekt ausgeübt werden, es genügt, wenn das Objekt diesen geschäftlichen Zwecken dient (vgl 1 Ob 73/69 = MietSlg 21/27; RIS-Justiz RS0066858; RS0066810; RS0069354; 7 Ob 167/72 = EvBl 1973/76; 7 Ob 521/87 = MietSlg 39.209 ua). Dem von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang verwendeten Begriff der „Hilfsfunktion“ kommt in der mietrechtlichen Rechtsprechung eine andere Bedeutung zu, nämlich bei der Abgrenzung von nicht dem MRG unterliegenden Bestandobjekten (etwa Freiflächen) mit Geschäftsräumen (vgl etwa 5 Ob 144/08z = wobl 2010/10 mit Darstellung dieser Rechtsprechung).

Im Weiteren gilt das MRG auch für die Miete von baulich abgegrenzten Teilen eines Geschäftsraums (5 Ob 593/87 = WoBl 1988/32 = MietSlg 39.207/57; 5 Ob 67/87 = WoBl 1988/2 = MietSlg 39.208; RIS-Justiz RS0069496).

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass die in Unterbestand genommene Räumlichkeit den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterlag.

3.) Ein Unterbestandvertrag verpflichtet den Unterbestandgeber, dem Unterbestandnehmer die ungestörte Benützung des Bestandobjekts zu ermöglichen. In gleicher Weise wie der Bestandgeber dem Bestandnehmer bei Verschulden (über die Zinsbefreiung hinaus) für jeden durch Vernachlässigung seiner Pflichten schuldhaft verursachten Schaden, insbesondere auch durch vorzeitige Beendigung des Bestandverhältnisses, haftet, ist der Unterbestandgeber dem Unterbestandnehmer gegenüber schadenersatzpflichtig. Es ist daher in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass der Unterbestandgeber, der sein Bestandrecht freiwillig aufgibt, dem Unterbestandnehmer zum Schadenersatz verpflichtet ist, sofern ihm nicht ohnedies gegenüber dem Unterbestandnehmer ein Anspruch auf Vertragslösung zugestanden wäre (vgl 1 Ob 510/92 = MietSlg 44.169/37 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Die Revisionsrekurswerberin leitet daraus in rechtlicher Hinsicht ab, die Vorinstanzen hätten prüfen müssen, ob ihr nicht ein Auflösungsrecht zugestanden wäre. Sie übersieht dabei, dass die Beweislast für mangelndes Verschulden bei positiver Vertragsverletzung zufolge § 1298 ABGB den Schädiger, also sie selbst trifft (RIS-Justiz RS0026540 ua; Karner in KBB² Rz 2 ff zu § 1298 ABGB mwN). Das gilt auch bei Verletzung von Hauptleistungspflichten aus dem Bestandvertrag (vgl 5 Ob 606/88 = MietSlg XL/27 = RIS-Justiz RS0021020).

Ein entsprechendes Vorbringen dahin, welcher Umstand sie zur Auflösung des kündigungsgeschützten Vertrags berechtigt hätte, unterblieb im erstinstanzlichen Verfahren. Solche Gründe mussten daher auch nicht geprüft werden.

4.) Das Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 228 ZPO ist schon damit zu begründen, dass bereits der Verlust der rechtlich gesicherten Nutzungsmöglichkeit an den Sanitärräumen einen (Primär-)Schaden bildet (vgl RIS-Justiz RS0022513), der unabhängig von der Bezifferbarkeit der Schadenshöhe bereits die kurze Verjährungsfrist in Gang setzt, weshalb der Geschädigte der drohenden Verjährung auch mit Feststellungsklage begegnen kann (vgl RIS-Justiz RS0087615; RS0034908).

5.) Weil insgesamt Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht entscheidungswesentlich waren, ist die Revision der Beklagten sohin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision zutreffend hingewiesen.

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