Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird im Zuspruch eines monatlichen Unterhalts von 3.500 EUR für Oktober 2009 und von 4.500 EUR ab November 2009 sowie im Zuspruch eines Prozesskostenvorschusses von 20.000 EUR als Teilbeschluss bestätigt.
Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Prozesskostenvorschusses von 30.000 EUR wird in Abänderung des angefochtenen Beschlusses abgewiesen.
Im Übrigen, also im Begehren eines weiteren monatlichen Unterhalts von 4.000 EUR für Oktober 2009 und von 3.000 EUR ab November 2009 sowie im Kostenpunkt, wurden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben, und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Sicherungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Parteien sind seit 1996 verheiratet, der Ehe entstammen zwei volljährige, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder. Die Ehewohnung befand sich in einer Villa im 18. Wiener Gemeindebezirk.
Nach einer polizeilichen Wegweisung des Klägers im September 2006 erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO. In weiterer Folge erhob die Klägerin beim Erstgericht eine Scheidungsklage, der Beklagte eine Widerklage. Das Verfahren ist in erster Instanz anhängig. Im Verfahren über die von ihm beantragte Aufhebung der einstweiligen Verfügung verpflichtete sich der Beklagte am 20. Oktober 2006, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens nicht in die Ehewohnung zurückzukehren. Seither leben die Streitteile getrennt.
Der Beklagte hatte in den Jahren 2004 bis 2006 ein durchschnittliches Einkommen von monatlich (zumindest) 40.407 EUR. Er ist Eigentümer der nun allein von der Klägerin bewohnten Villa und zahlt dafür die Kosten von Strom, Wasser, Abwasserentsorgung und Müllabfuhr. Die Höhe dieser Kosten steht nicht fest. Die Klägerin bezieht Notstandshilfe in Höhe von monatlich 802 EUR und erhält vom Beklagten Geldunterhalt von 1.000 EUR. In Bezug auf die Villa trägt sie die Heizkosten von monatlich 863 EUR; weiters zahlt sie eine Haushälterin (500 EUR), einen gelegentlich beauftragten Gärtner und „diverse Reparaturen“.
Mit einer ebenfalls im Oktober 2006 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 7.500 EUR. Nach Einlangen eines Gutachtens zum Einkommen des Beklagten stellte sie Ende September 2009 den hier strittigen Antrag auf Zuerkennung einstweiligen Unterhalts von 7.500 EUR und eines Prozesskostenvorschusses von 50.000 EUR. Nach der Prozentsatzmethode gebührten ihr unter Berücksichtigung zweier weiterer Unterhaltspflichten des Beklagten und ihres eigenen Einkommens von 802 EUR monatlich 12.384 EUR. Abzüglich des tatsächlich geleisteten Unterhalts von 1.000 EUR verblieben 11.384 EUR. Die begehrten 7.500 EUR seien daher jedenfalls gedeckt. Sie habe im Scheidungs- und im Unterhaltsprozess bereits hohe Prozesskosten getragen; eine Beendigung dieser Verfahren sei nicht absehbar. Zudem sei ein Aufteilungsverfahren zu erwarten. Daher rechne sie mit weiteren Kosten von zumindest 50.000 EUR.
Der Beklagte hielt dem entgegen, dass sein Einkommen seit 2006 deutlich gesunken sei. Zum Beweis dieses Umstands berief er sich insbesondere auf ein Gutachten, das ein Privatsachverständiger in den nächsten vier Wochen erstatten werde. Als weitere Beweismittel nannte er seine eigene Einvernahme und jene des Privatsachverständigen. Er stelle der Klägerin die Villa mit der ehemaligen Ehewohnung zur Verfügung und trage sämtliche Kosten. Die Villa habe eine Wohnfläche von 960 m2; der handelsübliche Mietzins betrage zumindest 14.500 EUR. Diese fiktiven Mietkosten seien - zumindest zur Hälfte - auf den Unterhalt der Klägerin anzurechnen. Die Klägerin habe selbst den Wunsch geäußert, in der Villa zu verbleiben; er habe sich dem gebeugt. Die Klägerin verfüge über Ersparnisse von zumindest 1 Mio EUR. Daraus ziehe sie ein monatliches Einkommen von zumindest 4.000 EUR, das in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen sei. Weiters sei sie durchaus in der Lage, die weiteren Prozesskosten zu zahlen.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines einstweiligen Unterhalts von 7.500 EUR ab Oktober 2009 bis zur Beendigung des Scheidungsverfahrens sowie eines Prozesskostenvorschusses von 50.000 EUR. Nach der Prozentsatzmethode ergebe sich nach Abzug des geleisteten Geldunterhalts ein ungedeckter Bedarf von 11.384 EUR. Das Begehren von 7.500 EUR sei daher auch unter Berücksichtigung des vom Beklagten durch Zahlung von Betriebskosten geleisteten Naturalunterhalts berechtigt. Die Klägerin habe dargetan, dass sie schon bisher Anwaltskosten in Höhe von 50.000 EUR getragen habe. Weder ein Unterhalts- noch der Scheidungsprozess werde in naher Zukunft abgeschlossen werden; zudem sei ein Aufteilungsverfahren zu erwarten, in dem ebenfalls hohe Kosten anfallen würden. Unter diesen Umständen sei der begehrte Prozesskostenvorschuss berechtigt.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss nur insofern ab, als es den einstweiligen Unterhalt mit der Beendigung des Unterhaltsprozesses befristete. Weiters sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Eigene Einkünfte der Klägerin habe das Erstgericht nicht festgestellt. Aus dem bloßen Eigentum des Beklagten an der Villa könne kein Anspruch auf Anrechnung eines fiktiven Mietzinses abgeleitet werden. Die von ihm tatsächlich geleisteten Zahlungen (Betriebskosten) könnten nur zur Hälfte angerechnet werden, da der Beklagte so zu behandeln sei, als wäre er in der Ehewohnung verblieben. Soweit der Beklagte aus dem großen Einkommensunterschied der Parteien ableite, dass der Unterhalt unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten lediglich mit 25 % seines eigenen Einkommens - statt wie vom Erstgericht mit 32 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens der Klägerin - auszumessen wäre, sei er darauf zu verweisen, dass sich die unterschiedlichen Berechnungsmethoden angesichts des Umstands, dass die Klägerin ohnehin nur 7.500 EUR geltend gemacht habe, nicht auswirkten. Auch die Höhe des Prozesskostenvorschusses sei nicht zu beanstanden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Beklagten, der die gänzliche Abweisung der Anträge der Klägerin anstrebt. Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Rechtsmittelbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berücksichtigung fiktiver Mietkosten als Naturalunterhalt abgewichen ist; er ist aus diesem und anderen Gründen teilweise berechtigt.
1. Das Erstgericht ist aufgrund des im Unterhaltsprozess eingeholten Sachverständigengutachtens von einem durchschnittlichen Monatseinkommen des Beklagten von (gerundet) 40.400 EUR ausgegangen. Allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht werden; Mängel des Rekursverfahrens behauptet der Beklagte nicht. Zudem lag das für den Beklagten günstigere Privatgutachten bei Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses ohnehin noch nicht vor. Soweit sich der Beklagte nun darauf beruft, scheitert er am Neuerungsverbot. Aus diesen Gründen ist der Entscheidung über den Revisionsrekurs das von den Vorinstanzen angenommene Einkommen zugrunde zu legen.
2. Der Beklagte zeigt richtig auf, dass der Unterhalt bei hohen Einkommensunterschieden mit 33 % vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen, aber ohne Abzug des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten, zu bemessen ist (RIS-Justiz RS0057433, zuletzt im Ergebnis auch 8 Ob 38/09k = iFamZ 2009, 358 [Deixler-Hübner]; Gitschthaler in Gitschthtaler/Höllwerth, EheG, § 94 ABGB Rz 129, Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 94 ABGB Anm 36). Denn Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten darf wegen des sonst bestehenden Wertungswiderspruchs nicht dazu führen, dass der Unterhaltspflichtige mehr zu leisten hätte als bei Fehlen eines solchen Einkommens (Deixler-Hübner, iFamZ 2009, 359).
Der letztgenannte Ansatz ergibt bei Berücksichtigung zweier Sorgepflichten mit je 4 % einen Geldunterhaltsanspruch von 10.100 EUR (25 % von 40.400 EUR). Im Revisionsrekurs behauptet der Beklagte ein Vermögen der Klägerin von 600.000 EUR. Die von ihm angenommene 5%ige Verzinsung führte zu einem monatlichen Zinseinkommen von 2.500 EUR. Bei einer Kontrollrechnung (32 % des Familieneinkommens abzüglich Eigeneinkommen von 2.500 EUR [Zinsen] und 800 EUR [Sozialhilfe]) ergäbe sich daher ein Unterhaltsanspruch von rund 10.700 EUR. Da dieser Betrag höher ist als jener, der sich bei ausschließlicher Berücksichtigung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ergibt, ist für die weitere Bemessung von Letzterem auszugehen. Fehlende oder allenfalls mangelhaft begründete Feststellungen zum Vermögen der Klägerin sind daher unerheblich. Auf eine allfällige „Luxusgrenze“ beim Ehegattenunterhalt (dazu zuletzt 8 Ob 38/09k = iFamZ 2009, 358 [Deixler-Hübner]) stützt sich der Kläger im Rechtsmittel nicht.
3. Das Rekursgericht hat das Vorbringen des Beklagten, die von der Klägerin bewohnte Villa habe einen Mietwert von 14.500 EUR, der auf den Geldunterhalt anzurechnen sei, zu Unrecht unbeachtet gelassen.
3.1. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen (4 Ob 510/94; 7 Ob 178/02f = RZ 2003/16; 1 Ob 123/04a = SZ 2004/121; 4 Ob 41/05s = JBl 2005, 782; 4 Ob 142/06w = SZ 2006/144; 6 Ob 5/08s = EF-Z 2008, 140 [Deixler-Hübner]; 4 Ob 31/09a; anders zuletzt nur 1 Ob 71/07h und 2 Ob 224/08t). Diese von älteren Entscheidungen (RIS-Justiz RS0013521) abweichende Auffassung wurde in der Literatur praktisch einhellig begrüßt (Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe- und Lebensgemeinschaft10 [2009] Rz 22a; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG, § 94 ABGB Rz 159 f; Hinteregger in Klang3 § 94 Rz 33; Kolmasch, Wohnversorgung als Naturalunterhalt, Zak 2008, 346; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4 [2009] 137; zuvor schon Deixler-Hübner, Zur Anrechnung von Geld- und Naturalunterhalt, ecolex 2001, 110). Zuletzt führte zwar der zweite Senat des Obersten Gerichtshofs unter Bezugnahme auf ältere Entscheidungen aus, dass dies nur dann gelte, wenn der Unterhaltspflichtige (noch) Kreditrückzahlungen für den Erwerb der strittigen Wohnung leiste (2 Ob 224/08t = Zak 2009, 373 [Kolmasch] = iFamZ 2009, 345 [Neumayr] = EF-Z 2009, 220 [Gitschthaler]). Dies wurde jedoch in der Lehre einhellig kritisiert, weil es bei der Anrechnung einer vom Unterhaltspflichtigen gewährten Wohnmöglichkeit nicht auf dessen Aufwand, sondern auf die dadurch bewirkte Ersparnis des Unterhaltsberechtigten ankomme (Neumayr, iFamZ 2009, 345; Gitschthaler, EF-Z 2009, 222; Kolmasch, Zak 2009, 373).
3.2. Der erkennende Senat sieht sich durch die letztgenannte Entscheidung nicht veranlasst, von seiner Rechtsprechung zur Anrechnung des fiktiven Mietwerts abzugehen. Denn das Unterbleiben einer solchen Anrechnung führte zu einer doppelten Alimentierung des Unterhaltsberechtigten. Der Geldunterhalt ist grundsätzlich so zu bestimmen, dass der Berechtigte damit auch seine Wohnkosten decken kann; die Bemessung nach der Prozentsatzmethode trägt dem grundsätzlich Rechnung. Einen zusätzlichen Anspruch auf Deckung der Wohnkosten hat der Unterhaltsberechtigte nicht (1 Ob 123/04a = SZ 2004/121; 4 Ob 55/07b = JBl 2008, 171 = EF-Z 2007, 228 [Gitschthaler]).
Auch im vorliegenden Fall besteht nicht der geringste Zweifel, dass sich die Klägerin mit einem monatlichen Unterhalt von 10.100 EUR eine standesgemäße Wohnung leisten könnte. Zumindest durch den Zuspruch des vollen Prozentsatzunterhalts würde daher ihr Wohnbedürfnis zur Gänze zweifach gedeckt.
3.3. Sowohl bei der Anrechnung der fiktiven Mietkosten als auch der Wohnungsbenützungskosten ist darauf Bedacht zu nehmen, weshalb der geldunterhaltspflichtige Ehegatte die (vormalige) Ehewohnung verlassen hat (vgl die Nachweise bei Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 94 ABGB Rz 161; RIS-Justiz RS0114742). Wenn kein diesbezügliches Einvernehmen der Ehegatten iSd § 90 ABGB vorliegt und es dem Unterhaltspflichtigen auch nicht gelingt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 92 ABGB zu beweisen, ist sein Kopf bei der Anrechnung mitzuzählen. Er kann den Anteil der anzurechnenden Leistungen nicht zu seinen Gunsten erhöhen, indem er die Wohnung verlässt (9 Ob 49/04b = EFSlg 106.907; 8 Ob 595/93 = EFSlg 70.598; zuletzt ausführlich 6 Ob 5/08s = EF-Z 2008, 140 [Deixler-Hübner]).
Im vorliegenden Fall beruht das Verlassen der Ehewohnung auf einer polizeilichen Wegweisung und einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO. Die Aufhebung der Wohngemeinschaft fällt daher dem Beklagten zur Last; sein Verlassen der Ehewohnung ist bei wertender Betrachtung einem grundlosen Wegzug gleichzuhalten. Zwar haben die Parteien in weiterer Folge einen Vergleich über die Nutzung der Wohnung geschlossen. Dieser Vergleich war jedoch offenkundig Folge der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung und damit des vom Beklagten gesetzten Verhaltens. Er kann daher nicht dazu führen, dass das Wegziehen des Beklagten nun allein der Klägerin zur Last fiele. Der Beklagte muss sich vielmehr so behandeln lassen, als lebte er noch in der Villa; der fiktive Mietzins ist aus diesem Grund ebenso wie die vom Beklagten allein getragenen Betriebskosten jedenfalls nur zur Hälfte auf den Geldunterhalt anzurechnen.
4. Der Beklagte behauptet einen fiktiven Mietwert der Villa von 14.500 EUR. Aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung haben die Vorinstanzen dazu keine Feststellungen getroffen. Aus diesem Grund ist zunächst von diesem Vorbringen auszugehen.
4.1. Trifft das Vorbringen des Beklagten zu, wäre auf den Geldunterhaltsanspruch der Klägerin ein fiktiver Mietwert von 7.250 EUR anzurechnen. Damit verbliebe ein Geldunterhaltsanspruch von 2.850 EUR. Auf diesen Anspruch wäre, soweit der Unterhalt im Zeitpunkt der Entscheidung rückständig war, der vom Beklagten tatsächlich geleistete Geldunterhalt von 1.000 EUR anzurechnen (RIS-Justiz RS0110054). Für die Zeit danach wäre mangels Titulierung auch der letztgenannte Betrag zuzusprechen.
4.2. Zu prüfen ist allerdings, ob es dadurch nicht zu einer fiktiven Überalimentierung der Klägerin im Teilunterhaltsbereich „Wohnen“ und damit verbunden, zu einer unangemessenen Verkürzung des Geldunterhalts käme. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist Naturalunterhalt grundsätzlich nur im angemessenen Umfang anzurechnen (7 Ob 178/02f; 7 Ob 191/05x; 4 Ob 55/07b; 6 Ob 5/08s); dem Unterhaltsberechtigten hat stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zuzukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 [2008] Rz 582a; 6 Ob 5/08s).
Wo diese Angemessenheitsgrenze liegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (4 Ob 41/05s; 7 Ob 95/05d; 6 Ob 5/08s). Kolmasch (Zak 2008, 348) verweist dazu auf Erhebungen der Statistik Austria, wonach in Österreich durchschnittlich 22,3 % der Haushaltsausgaben auf Wohnkosten entfallen. Jedenfalls dann, wenn sich der Geldunterhalt aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindere, müsse überprüft werden, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreiche.
4.3. Die Auffassung von Kolmasch ist bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen plausibel. Sie schließt aber eine noch weitergehende Anrechnung nicht aus. Im vorliegenden Fall ist anzunehmen, dass die Klägerin ihre restlichen Bedürfnisse mit einem verbleibenden Geldunterhalt von 4.500 EUR angemessen decken kann. Das gilt auch unter Bedachtnahme auf den offensichtlich hohen Lebensstandard der Parteien, den beizubehalten die Klägerin grundsätzlich berechtigt ist. Denn mit einem Nettojahreseinkommen von 54.000 EUR (12 mal 4.500 EUR) läge sie nach den Erhebungen der Statistik Austria noch immer im obersten Zehntel aller unselbständig Erwerbstätigen (http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html)
Ein monatlicher Unterhalt von 4.500 EUR steht der Klägerin daher auch bei Zutreffen der Behauptungen des Beklagten jedenfalls zu. Bei dieser Lösung tritt zwar aus Sicht des Beklagten eine gewisse Überalimentierung des Teilunterhaltsbereichs „Wohnen“ ein. Das kann jedoch nicht zu einer vollständigen Anrechnung des Mietwerts führen. Denn mangels verbindlicher Zusage des Beklagten, der Klägerin den angemessenen Geldunterhalt zu zahlen, kann sie nicht - und zwar auch nicht mittelbar durch ungekürzte Anrechnung des (halben) Wohnwerts - dazu verhalten werden, die Ehewohnung zu verlassen. Die der Entscheidung 7 Ob 178/02f offenkundig zugrunde liegende Auffassung, dass sich der Unterhaltsberechtigte letztlich zwischen dem Behalten einer unangemessen großen Wohnung und dem vollem Geldunterhalt entscheiden müsse, hat zwar gute Gründe für sich. Sie setzt aber voraus, dass der für das Beschaffen einer adäquaten Wohnversorgung erforderliche Geldunterhalt gesichert ist. Solange das nicht zutrifft, hat es bei der bloß angemessenen Anrechnung des Naturalunterhalts zu bleiben.
5. Diese Erwägungen führen dazu, dass die Entscheidung über den einstweiligen Unterhalt nur in jenem Umfang zu bestätigen ist, der auch bei Zutreffen des vom Beklagten behaupteten Mietwerts gerechtfertigt wäre (4.500 EUR). Auf diesen Anspruch ist der bis zur Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung geleistete Geldunterhalt von 1.000 EUR anzurechnen. Davon ist nur der Oktober 2009 betroffen.
Im darüber hinausgehenden Umfang sind die Entscheidungen der Vorinstanzen über den einstweiligen Unterhalt aufzuheben. Das Erstgericht wird den Mietwert der Villa festzustellen und diesen bei der neuerlichen Entscheidung zur Hälfte zu berücksichtigen haben. Sollte er geringer sein als vom Beklagten angenommen, könnte dies zu einer entsprechenden Erhöhung des einstweiligen Unterhalts führen. Weitere Leistungen des Beklagten für die Villa, die anders als deren Zurverfügungstellen nicht rechtlich gesichert sind, wären bei der Titelschaffung für die Zukunft nur zu berücksichtigen, wenn insofern eine zumindest konkludente Vereinbarung der Parteien bestünde (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG, § 94 ABGB Rz 154; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 84 ABGB Anm 17; beide mwN).
6. Prozess- und Anwaltskosten sind grundsätzlich aus dem Anspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht als gesonderter Vorschuss zuzusprechen. Wenn sich allerdings ein besonderer Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte aus dem laufenden Unterhalt nicht decken kann, hat der Unterhaltspflichtige einen Vorschuss zu leisten, wenn ihm das neben der laufenden Unterhaltszahlung zumutbar ist (RIS-Justiz RS0013486, RS0047386; zuletzt etwa 6 Ob 183/06i = EF-Z 2006, 128 [Gitschthaler], 4 Ob 114/06b = EF-Z 2006, 126 [Gitschthaler] und 5 Ob 189/08t).
Im vorliegenden Fall steht die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Beklagten außer Frage. Die Klägerin hatte, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, bereits hohe Kosten (50.000 EUR) zu tragen. Die zukünftigen Kosten kann sie - unter Bedachtnahme auf ihre sonstigen Bedürfnisse - mit dem zugesprochenen Unterhalt nicht zur Gänze decken. Daher hat sie grundsätzlich Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss.
Der Zuspruch der Vorinstanzen ist allerdings überhöht. Ein noch nicht eingeleitetes und auch nicht unmittelbar bevorstehendes Verfahren (hier: Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse) ist nicht zu berücksichtigen. Auch im Unterhalts- und Scheidungsstreit ist vorerst nur auf das erstinstanzliche Verfahren Bedacht zu nehmen; es ist ungeachtet der gespannten Situation zwischen den Ehegatten nicht ausgeschlossen, dass das Erstgericht hier Entscheidungen trifft, die von beiden Seiten akzeptiert werden. Auf dieser Grundlage ist - insbesondere aufgrund des hohen Streitwerts und der noch zu erwartenden Gutachtenskosten im Unterhaltsverfahren - ein Prozesskostenvorschuss von 20.000 EUR angemessen. In diesem Umfang ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen, das Mehrbegehren ist in deren Abänderung abzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 iVm § 52 Abs 1 und 2 ZPO.
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