European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E124166
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Feststellung,
‑ dass die beklagte Partei nicht berechtigt sei, die Liegenschaft EZ *, ohne Zustimmung der klagenden Partei zu veräußern oder zu belasten und
‑ dass der klagenden Partei ob der Liegenschaft EZ *, ein unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht zustehe und die beklagte Partei nicht berechtigt sei, die Räumung der Liegenschaft durch die klagende Partei zu begehren,
werde
1. der beklagten Partei untersagt, die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft EZ *, zu veräußern oder zu belasten,
2. ob der der beklagten Partei gehörigen Liegenschaft EZ *, das gerichtliche Verbot der Veräußerung und der Belastung der Liegenschaft grundbücherlich angemerkt,
3. die einstweilige Verfügung gelte bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegenständlichen Verfahrens zu AZ 52 C 1048/18f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien,
wird abgewiesen.“
Die klagende Partei, die ihre Kosten des Sicherungsverfahrens endgültig selbst zu tragen hat, ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.600,80 EUR (darin enthalten 647,55 EUR USt und 715,50 EUR Pauschal‑gebühren) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Beklagte kaufte im Jahr 2010 im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Klägerin deren Liegenschaft samt Wohnhaus im Burgenland. Zuvor wurde zwischen den Streitteilen mündlich vereinbart, dass der Beklagte den Kaufpreis über einen Kredit finanziert, die Klägerin die monatlichen Spesen an den Beklagten bezahlt und ihr die Liegenschaft lastenfrei rückübertragen wird, wenn sie den Kredit bis Ende 2019 zur Gänze zurückbezahlt. Zudem wurde der Klägerin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt. Im Mai 2018 wollte der Beklagte mit der Klägerin „reinen Tisch“ machen, weshalb die Liegenschaft nach seinen Vorstellungen verkauft werden sollte. Im Juli 2018 „hielt er schriftlich fest“, dass die Klägerin ihr Einverständnis zur sofortigen Räumung der Liegenschaft gegeben habe und einen gerichtlichen Räumungsvergleich abschließen wolle. Das Wohnungsgebrauchsrecht bestritt er mit der Begründung, dass die Klägerin nichts Schriftliches in der Hand habe. Der vom Beklagten beauftragte Immobilienmakler teilte der Klägerin mehrfach mit, dass er beauftragt sei, die Liegenschaft zu verkaufen; er fragte sie, wann sie das Haus räumen werde.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, die Liegenschaft ohne ihre Zustimmung zu veräußern oder zu belasten, sowie dass ihr ein unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht zustehe und der Beklagte nicht berechtigt sei, die Räumung der Liegenschaft zu begehren. Zur Sicherung dieser Ansprüche begehrte sie, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, die Liegenschaft zu veräußern oder zu belasten; zudem beantragte sie, das richterliche Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch anzumerken. Der Beklagte habe mit ihr mündlich vereinbart, dass die Liegenschaft an sie rückübereignet werde, wenn sie den vom Beklagten aufgenommenen Kredit fristgerecht zurückzahle. Außerdem sei ihr ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden. Der Beklagte habe Verfügungshandlungen getroffen, mit denen er die Ansprüche der Klägerin gefährde. Er verfüge über kein ausreichendes Vermögen, aus dem sie sich regressieren könne.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung (gegen Erlag einer Sicherheitsleistung) und ordnete die Anmerkung des gerichtlichen Veräußerungs- und Belastungsverbots im Grundbuch an. Der Klägerin sei die Bescheinigung ihrer Ansprüche auf Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts sowie auf lastenfreie Rückübertragung des Eigentums an der Liegenschaft für den Fall der rechtzeitigen Rückzahlung des Kredits gelungen. Die geplante Veräußerung der Liegenschaft durch den Beklagten begründe eine konkrete Gefahr, sodass das gerichtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot als Sicherungsmittel anzuordnen gewesen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der Rechtsprechung dürften provisorische Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Feststellungsbegehren dann angeordnet werden, wenn hinter dem Feststellungsprozess bedingte oder künftige, jedoch klagsweise noch nicht durchsetzbare Leistungsansprüche steckten. Dies sei hier der Fall. Es sei nicht nur ein Veräußerungsverbot, sondern auch ein Belastungsverbot gerechtfertigt, weil die Gefahr für die Klägerin, dass ihr Wohnungsgebrauchsrecht vereitelt werde, auch im Fall des gutgläubigen Erwerbs eines anderen dinglichen Rechts als des Eigentums durch einen Dritten bestehe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten, der auf eine Abweisung des Sicherungsantrags abzielt.
Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs zulässig, weil sich die Entscheidungen der Vorinstanzen als korrekturbedürftig erweisen. Dementsprechend ist der Revisionsrekurs auch berechtigt.
Der Beklagte führt in seinem Rechtsmittel aus, dass das Feststellungsbegehren der Klägerin nicht sicherungsfähig sei, weil sie bereits eine Klage auf Unterlassung der Veräußerung der Liegenschaft hätte einbringen können. Auch ein solcher Unterlassungsanspruch könne durch eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 6 EO nicht gesichert werden. Das zuerkannte Belastungsverbot gehe über den begehrten Hauptanspruch hinaus, was ebenfalls unzulässig sei.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
1.1 Seit der Entscheidung 5 Ob 97/93 können provisorische Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Feststellungsbegehren zumindest dann ausnahmsweise angeordnet werden, wenn hinter dem Feststellungsprozess bedingte oder künftige, jedoch klagsweise aktuell noch nicht durchsetzbare Leistungsansprüche stecken (RIS‑Justiz RS0011598). In dem der Entscheidung 1 Ob 7/13f zugrunde liegenden Fall sollte die beantragte einstweilige Verfügung (auf Untersagung von Störungshandlungen) zur Sicherung des Begehrens auf Feststellung einer ersessenen Servitut wegen Störung des Servitutsrechts erlassen werden, wobei die Klägerin nicht erklärte, die aktuell bereits mögliche Unterlassungsklage aus bestimmten Gründen erst später einbringen zu wollen. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrags durch die Vorinstanzen mit der Begründung, dass das Klagebegehren auf Feststellung einer bestrittenen Dienstbarkeit nicht durch eine einstweilige Verfügung des Inhalts gesichert werden könne, dem Beklagten Behinderungsmaßnahmen bei der Ausübung der Servitut für die Dauer des Rechtsstreits zu verbieten, wenn die Klägerin bereits eine Unterlassungsklage erheben könne, dies aber nicht wolle.
1.2 Im Anlassfall will die Klägerin mit ihrem Klagebegehren verhindern, dass der Beklagte die fragliche Liegenschaft veräußert oder belastet, sowie dass er von ihr die Räumung der Liegenschaft verlangt. Auch wenn das Klagebegehren als Feststellungsbegehren formuliert ist, zielt es inhaltlich auf Unterlassungspflichten des Beklagten ab.
Auf die Frage, ob von der Klägerin zu verlangen wäre, entweder ein Unterlassungsbegehren zu erheben oder zumindest ihr Feststellungsbegehren näher zu begründen, kommt es hier aber schon deshalb nicht an, weil das Sicherungsbegehren auf ein Veräußerungs- und Belastungsverbot im Sinn des § 382 Abs 1 Z 6 EO abzielt.
2.1 Gemäß § 382 Abs 1 Z 6 EO kann als Mittel zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldansprüche (§ 381 EO) das gerichtliche Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind und auf welche sich der von der gefährdeten Partei behauptete oder ihr bereits zuerkannte Anspruch bezieht, angeordnet werden. Das Verbot ist gemäß § 384 Abs 2 EO von Amts wegen im Grundbuch anzumerken. Eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 6 EO kann demnach nur erlassen werden, wenn sich der Anspruch auf die Liegenschaft bezieht (RIS‑Justiz RS0005127). Dies bedeutet, dass der Anspruch, der durch eine in Rede stehende Maßnahme gesichert werden soll, im Ergebnis eine bücherliche Eintragung zur Folge haben muss (5 Ob 13/18z).
2.2 Nach der Rechtsprechung können auf diese Weise Ansprüche auf Übergabe (Übereignung) einer Liegenschaft, auf Verschaffung von Wohnungseigentum, auf Pfandbestellung oder auf Teilung gesichert werden (7 Ob 526/96). Das Gleiche gilt für einen Anspruch auf Unterfertigung einer verbücherungsfähigen Urkunde, insbesondere über den Verkauf einer Liegenschaft, weil sich auch ein solcher Anspruch auf die Übereignung des Sicherungsobjekts bezieht (RIS‑Justiz RS0005198; 5 Ob 13/18z; 3 Ob 100/18d).
2.3 Demgegenüber kann zur Sicherung eines auf Unterlassung der Veräußerung oder Belastung einer Liegenschaft (oder einer sonstigen die Einverleibung des Eigentumsrechts der gefährdeten Partei vereitelnden oder erschwerenden Verfügung) gerichteten Begehrens keine einstweilige Verfügung im Sinn des § 382 Abs 1 Z 6 EO erlassen werden, weil eine solche Maßnahme nicht auf die Übereignung der Liegenschaft oder die Begründung eines anderen dinglichen Rechts zugunsten der gefährdeten Partei gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0102990; 7 Ob 526/96).
2.4 Da sich die von der Klägerin in der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht „auf die fragliche Liegenschaft beziehen“, also ihr daraus kein dingliches Recht auf die oder an der Liegenschaft erwächst, kommt ein im Grundbuch anzumerkendes einstweiliges Veräußerungs- und Belastungsverbot im Sinn des § 382 Abs 1 Z 6 iVm § 384 Abs 2 EO nicht in Betracht.
3. Dass sich der Sicherungsantrag der Klägerin auch auf Sicherungsmittel im Sinn des § 382 Abs 1 Z 5 EO (hier ein obligatorisches Verfügungsverbot ohne Anmerkung im Grundbuch) erstreckt (vgl dazu 7 Ob 526/96; 7 Ob 313/98z), lässt sich auch dem Vorbringen der Klägerin zum Sicherungsantrag gerade nicht entnehmen.
4. Im Ergebnis folgt, dass der auf ein (im Grundbuch anzumerkendes) Veräußerungs- und Belastungsverbot im Sinn des § 382 Abs 1 Z 6 EO abzielende Sicherungsantrag der Klägerin abgewiesen werden muss.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 402 EO in Verbindung mit §§ 41, 50 ZPO.
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