European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00022.24Z.0220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Vater war aufgrund eines Beschlusses des Erstgerichts vom 18. Februar 2015 gegenüber seiner minderjährigen Tochter, die bei ihrer Mutter wohnt, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 310 EUR verpflichtet. Tatsächlich leistete der Vater in den Jahren 2020 bis 2022 einen monatlichen Unterhalt von 460 EUR, seit 2023 zahlt er 710 EUR.
[2] Gegenständlich ist ein Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes für die Zeit ab 2020.
[3] Zwischen den Parteien ist strittig, ob eine dem Vater ab Mai 2016 zustehende, aber erst im Oktober 2021 erfolgte Nachzahlung seines Dienstgebers (24.537,08 EUR brutto) wegen nicht angerechneter Vordienstzeiten (nur) in die Bemessungsgrundlage für das Jahr 2021 einzubeziehen ist.
[4] Der Vater vertritt den Standpunkt, dass die Nachzahlung auf die Zeit ab 2016 aufzuteilen sei und zum Teil außerhalb des antragsgegenständlichen Zeitraums liege. Die Nachzahlung dürfe zudem wegen Verjährung nicht eingerechnet werden.
[5] Das Erstgericht verpflichtete den Vater hinsichtlich des in dritter Instanz noch relevanten Zeitraums von 1. 1. 2020 bis 31. 12. 2022 zu einer Nachzahlung von 6.600 EUR. Dem liegen – ausgehend von Bemessungsgrundlagen von 2.693,10 EUR (für 2020), von 3.805,57 EUR (für 2021) und von 3.189,02 EUR (für 2022) und eines Prozentanteils von 20 % – monatliche Unterhaltsansprüche des Kindes von 530 EUR (im Jahr 2020), von 760 EUR (im Jahr 2021) und von 640 EUR (für 2022) sowie die tatsächlich geleisteten monatlichen Zahlungen von 460 EUR zugrunde. Das Erstgericht bezog die im Oktober 2021 ausgezahlte Nachzahlung (nur) in die Bemessungsgrundlage für das Jahr 2021 ein. Es wies darauf hin, dass es auf die tatsächliche Verfügbarkeit des Einkommens und nicht darauf ankomme, für welchen Zeitraum die Zahlungen erfolgt seien.
[6] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es stellte ebenfalls auf die tatsächlich zufließenden verfügbaren Mitteln nach Abzug von Steuern und Abgaben ab. Das Erstgericht habe die 2021 erfolgte Nachzahlung zu Recht in diesem Jahr, aufgeteilt auf zwölf Monate, der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzugerechnet.
[7] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zur Frage zu, in welchem Jahr bzw welchen Jahren eine Nachzahlung für nicht berücksichtigte Vordienstzeiten bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen sei.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[9] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in erster Linie die sich aus dem Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel, maßgeblich (RS0013386; vgl auch RS0107262).
[10] 2. An diesen Grundsatz anknüpfend wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass dem Unterhaltsschuldner etwa zugeflossene Steuergutschriften seine Leistungsfähigkeit in dem Jahr erhöhen, in dem sie ihm zugeflossen sind, weshalb diese Einkommensbestandteile auf dieses Jahr aufzuteilen sind, auch wenn die Grundlage der Zahlung sich auf einen früheren Zeitraum bezieht (RS0047261; 1 Ob 570/93 [Lohnsteuerrückzahlung]; 2 Ob 223/98b [Lohnsteuerrückzahlungen]; 3 Ob 213/22b [im Jahr 2020 ausbezahlte Steuergutschriften wegen Leistungen in den Jahren davor]; 5 Ob 92/19v [Familienbonus]).
[11] 3. Es bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, wenn das Rekursgericht diese Judikatur auch auf den hier zu beurteilenden Einzelfall einer Nachzahlung wegen nicht angerechneter Vordienstzeiten angewandt hat, steht dies doch mit dem zu 1.1 referierten allgemeinen Grundsatz im Einklang, dass die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt stets die tatsächliche wirtschaftliche Lage sein soll.
[12] 4.1 Insoweit sich der Vater auf die Rechtsprechung zur Abfertigung beruft, zeigt er damit keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil dieser Judikatur zum einen eine zukunftsorientierte Berechnung zugrundeliegt, während im Anlassfall eine Nachzahlung zu beurteilen war. Zum anderen kommt es bei der Aufteilung einmaliger Zahlungen (bzw größerer Nachzahlungen) stets auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0047428 [T1, T2, T10, T12, T13]), was die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses grundsätzlich ausschließt.
[13] Auch in jenen Fällen, bei denen Nachzahlungen einen bestimmten Zeitraum betrafen, bezog sich der Oberste Gerichtshof nicht auf diesen Zeitraum, sondern sprach aus, dass bei der Aufteilung der Nachzahlung auf den Einzelfall abzustellen ist (3 Ob 74/03h [Zahlungen des Insolvenzausfallgeldfonds nur auf ein Jahr verteilt]).
[14] Die von den Vorinstanzen vorgenommene Aufteilung der Nachzahlung auf zwölf Monate erweckt keine Bedenken, zumal sogar im vom Vater herangezogenen Bereich der Abfertigung die Verteilung „schlechthin auf ein Jahr“ (RS0047428 [T7]; 5 Ob 512/94, 7 Ob 90/22v, 3 Ob 120/23b ua) gerechtfertigt sein kann.
[15] 4.2 Nach 6 Ob 97/00h darf die schlechte Zahlungsmoral des Schuldners einer unterhaltspflichtigen Person nicht zu Lasten des unterhaltsberechtigten Kindes gehen. Die Entscheidung 3 Ob 74/03h verneint eine Aufteilung nachträglicher Zahlungen auf einen solchen Zeitraum, dass die Unterhaltspflicht überhaupt entfällt. Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.
[16] Gerade die im Anlassfall vom Vater favorisierte Aufteilung der Nachzahlung auf die Zeit ab 2016 wäre für das Kind ua wegen der insoweit eingetretenen Verjährung massiv nachteilig, sodass sich – entgegen der Judikatur – der Irrtum oder die Nachlässigkeit des Dienstgebers des Vaters zu Lasten des Kindes auswirken würde, weil dieses dann insoweit am höheren Einkommen des Vaters nicht (mehr) teilhaben könnte.
[17] 5. Das Revisionsrekursvorbringen zum Covid‑Bonus widerspricht dem Neuerungsverbot (§ 49 Abs 2 AußStrG), sodass diesbezüglich keine vom Obersten Gerichtshof zu lösende Frage vorliegt (RS0111271 [T3]).
[18] 6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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