Spruch:
Soweit die Revision vom Achtkläger erhoben wurde, wird sie als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die ursprünglich elf Kläger und die vier Beklagten waren im Jahr 2005 Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Schischule in Sankt Jakob im Defereggental betrieb. Sie streiten über die Wirksamkeit eines am 1. Juli 2005 gefassten Gesellschafterbeschlusses, mit dem der Gesellschaftsvertrag geändert wurde.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Beschluss auch den Beklagten gegenüber wirksam sei. Die Beklagten wenden formelle und inhaltliche Mängel, insbesondere die verspätete Einberufung der Generalversammlung und den Eingriff in vertraglich begründete Sonderrechte des Erstbeklagten ein.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte der Achtkläger seinen Austritt aus der Gesellschaft und nahm die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Auch der weiterhin der Gesellschaft angehörende Zweitkläger erklärte, die Klage unter Anspruchsverzicht zurückzunehmen.
Das Erstgericht sah die Klagerücknahme des Zweitklägers als unwirksam an, da er weiterhin der Gesellschaft angehöre und daher notwendiger Streitgenosse sei. Hingegen nahm es die Klagerücknahme des Achtklägers mit Beschluss zur Kenntnis, da er aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. In der Hauptsache gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Die Beklagten bekämpften den Beschluss über die Wirksamkeit der Klagerücknahme des Achtklägers mit Rekurs und das Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Das Berufungsgericht bestätigte im ersten Rechtsgang den Beschluss über die Wirksamkeit der Klagerücknahme durch den Achtkläger und verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit, gab der Berufung jedoch in der Hauptsache Folge und wies die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden sei, was zur Nichtigkeit des strittigen Beschlusses führe. Auf mögliche inhaltliche Mängel komme es aus diesem Grund nicht an.
Eine erste Revision der Kläger (mit Ausnahme des Zweit- und des Achtklägers) wies der erkennende Senat zurück, weil das Verfahren wegen Eröffnung des Konkurses über den Vertreter des Zweit- und des Achtbeklagten ex lege unterbrochen war (4 Ob 109/07v = ecolex 2007/364).
Nach Fortsetzung des Verfahrens erklärte der nunmehr wieder vertretene Zweitkläger, dass er durch das trotz der Unterbrechung geführte Verfahren nicht in seinen Rechten beeinträchtigt worden sei. Der Achtkläger machte keinen neuen Vertreter namhaft, gab jedoch die gleiche Erklärung ab wie der Zweitkläger.
Einer zweiten Revision der Kläger (mit Ausnahme des Zweit- und des Achtklägers) gab der Senat Folge; er hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten auf (4 Ob 229/07s = wbl 2008/238). Der Beschluss sei formell mangelfrei zustande gekommen. Auch inhaltlich sei er auf der Grundlage des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts nicht zu beanstanden. Allerdings habe das Berufungsgericht Beweisrügen der Beklagten zum tatsächlichen Willen der den Vertrag schließenden Gesellschafter nicht erledigt. Sollte deren Absicht tatsächlich auf eine vertraglich begründete Sonderstellung des Erstbeklagten oder auf eine bloß eingeschränkte Reichweite der im Vertrag enthaltenen Revisionsklausel gerichtet gewesen sein, müsse die Klage scheitern.
Mit dem nun angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten im zweiten Rechtsgang nicht Folge; weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei unbedenklich gewesen, die Rechtsfrage sei durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits abschließend geklärt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich eine außerordentliche Revision der Beklagten und des (ehemaligen) Achtklägers, der nun ebenfalls vom Vertreter der Beklagten vertreten wird. Die Zulassungsbeschwerde macht - zusammengefasst - folgende Rechtsfragen geltend:
(a) Der Austritt des Achtklägers sei terminwidrig erfolgt. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Gesellschafter dem Austritt dennoch zugestimmt hätten, treffe nicht zu. Vielmehr gehöre der Achtkläger noch immer der Gesellschaft an, weswegen seine Klagerücknahme „wirkungslos und nichtig" sei. Daher sei auch der die Wirksamkeit der Klagerücknahme feststellende Beschluss des Erstgerichts „rechtsunrichtig und aufzuheben". Der Achtkläger sei weiterhin Partei des Verfahrens und könne daher ebenfalls Revision erheben.
(b) Der Achtkläger habe dem ursprünglichen Klagevertreter nie Vollmacht erteilt. Daher leide „das gegenständliche Verfahren bzw die Klage" an einer „von Beginn an" bestehenden Nichtigkeit. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die eine wirksame Vollmachtserteilung angenommen hätten, seien aus mehreren Gründen verfehlt. Insbesondere habe das Berufungsgericht die diesbezüglichen Beweisrügen der Beklagten nicht mangelfrei erledigt. (c) Das Berufungsgericht habe sich in „keinster Weise" mit den „überzeugenden" Beweisrügen der Beklagten zu der vom Obersten Gerichtshof als erheblich bezeichneten Absicht der vertragschließenden Teile auseinandergesetzt. Darin liege ein Mangel des Berufungsverfahrens.
Die Revision ist unzulässig, und zwar soweit sie vom Achtkläger erhoben wird, wegen dessen Ausscheidens aus dem Verfahren, und soweit sie von den Beklagten erhoben wird, wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO.
A. Zur Revision des Achtklägers
Das Erstgericht hat die Klagsrückziehung des Achtklägers mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis genommen, das Gericht zweiter Instanz hat diesen Beschluss - funktional als Rekursgericht - bestätigt. Weder die Beklagten noch der Achtkläger haben dagegen einen Revisionsrekurs erhoben, obwohl dies wegen der Verneinung eines zuvor begründeten Prozessrechtsverhältnisses ungeachtet des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO möglich gewesen wäre (vgl 6 Ob 641/86 zu einem entsprechenden Beschluss des Berufungsgerichts; RIS-Justiz RS0037404, RS0039796). Damit steht rechtskräftig fest, dass die Klagerücknahme wirksam war und der Achtkläger daher nicht mehr Partei des Verfahrens ist (5 Ob 586/81 = SZ 54/62; 4 Ob 582/81; RIS-Justiz RS0007248, RS0039796 [T7]). Auf dieser Grundlage erweist sich die Revision des Achtklägers mangels Rechtsmittellegitimation als jedenfalls unzulässig, da sie von einer nicht (mehr) am Verfahren beteiligten Partei erhoben wurde; sie ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
B. Zur Revision der Beklagten
1. Grundlage für den die Wirksamkeit der Klagerücknahme feststellenden Beschluss war die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Achtkläger aus der Gesellschaft ausgeschieden sei, weswegen er nicht mehr zur notwendigen Streitgenossenschaft auf Klagsseite gehöre. Zwar habe er seine Austrittserklärung verspätet (terminwidrig) abgegeben, die Mitgesellschafter hätten ihr jedoch schlüssig zugestimmt. Nach Auffassung der Beklagten trifft das unter anderem deswegen nicht zu, weil keine schlüssige Zustimmung der übrigen Kläger festgestellt worden sei.
1.1. Dieses Argument ist trotz des rechtskräftigen Beschlusses über die Wirksamkeit der Klagerücknahme nicht von vornherein unbeachtlich. Denn die Rechtskraft einer Entscheidung erstreckt sich nicht auf die Beurteilung von Vorfragen (RIS-Justiz RS0042554, RS0039843 [T19, T21, T23]). Daher erfasst die Rechtskraft des verfahrensrechtlichen Beschlusses über die Wirksamkeit der Klagerücknahme nicht die materielle (Vor-)Frage, ob der Achtkläger tatsächlich wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Würde dies verneint, so könnte erwogen werden, dass eine verfahrensrechtlich wirksame Klagerücknahme bei tatsächlichem Weiterbestehen der notwendigen Streitgenossenschaft - ebenso wie eine von Anfang an vorliegende Nichtbeteiligung (RIS-Justiz RS0035479) - zur Abweisung der Klage führen müsste.
1.2. Ob das zutrifft, kann hier aber offen bleiben. Denn ob ein Vertrag (bzw eine Willenserklärung) im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Das gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat. Auch diese Beurteilung ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0109021 [T3, T5], RS0081754, [insb T5], RS0043253 [T14]).
Eine unvertretbare Fehlbeurteilung zeigen die Beklagten nicht auf. Wenn sie darauf verweisen, dass sich das Berufungsgericht nur mit der Zustimmung der Beklagten, nicht aber mit jener der (übrigen) Kläger auseinandergesetzt habe, übersehen sie, dass das Erstgericht deren Zustimmung als unstrittig gewertet hatte (Ersturteil S 57). Sie selbst hatten in der Berufung nur das Fehlen ihrer eigenen Zustimmung eingewendet; jene der (anderen) Kläger hatten sie nicht in Frage gestellt (Berufung S 20 f). Daher war es für das Berufungsgericht nicht erforderlich, dazu neuerlich Stellung zu nehmen.
2. Die Beklagten hatten bereits in ihrer Berufung gerügt, dass der Achtkläger dem (ursprünglichen) Klagevertreter keine Vollmacht erteilt habe und dass das (erstinstanzliche) Verfahren daher nichtig sei. Das Berufungsgericht hat diesen Teil der Berufung schon im ersten Rechtsgang mit Beschluss verworfen. Dieser Beschluss war nach § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RIS-Justiz RS0043405); er war (daher) auch nicht vom Aufhebungsbeschluss des erkennenden Senats, der sich nur auf das angefochtene Urteil bezog, erfasst.
Aus diesem Grund können die Beklagten die angebliche Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht neuerlich geltend machen (RIS-Justiz RS0042981, RS0042925). Eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 1 ZPO) scheidet schon deshalb aus, weil der Achtkläger zu diesem Zeitpunkt wegen der wirksamen Klagerücknahme nicht mehr Partei des Verfahrens war.
3. Den Beklagten gelingt es auch nicht, einen erheblichen Mangel des Berufungsverfahrens aufzuzeigen.
3.1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und in seinem Urteil festgehalten hat (RIS-Justiz RS0043150, vgl auch RS0043371). Wenn das Berufungsgericht gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts keine Bedenken hegt, ist es nicht verpflichtet, auf die einzelnen Zeugenaussagen einzugehen; es muss sich nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinandersetzen (6 Ob 63/04i; RIS-Justiz RS0043371 [T18]).
3.2. Zwar hat das Berufungsgericht die Beweisrüge zur Feststellung, die Parteien hätten keine vertraglich begründete Sonderstellung des Erstbeklagten gewollt, im Wesentlichen nur mit einem Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts erledigt. Die Begründung des Berufungsgerichts kann indes um so kürzer sein, je ausführlicher und nachvollziehbarer das Erstgericht seine Entscheidung begründet hat und je geringer demgegenüber die Argumente der Berufung wiegen. Im vorliegenden Fall hatte die Erstrichterin die widerstreitenden Beweisergebnisse ausführlich und nachvollziehbar erörtert. Die Berufung stützte sich demgegenüber im Wesentlichen bloß darauf, dass die Aussagen der Beklagten glaubwürdiger gewesen seien als jene der Kläger; weiters spreche auch eine in einem Parallelverfahren vorgelegte Urkunde für den Standpunkt der Beklagten. Zum letztgenannten Argument nahm das Berufungsgericht ohnehin Stellung. Wenn es im Übrigen auf die schlüssige Begründung der Erstrichterin verwies, die einen persönlichen Eindruck von den vernommenen Personen gewonnen habe, ist das nicht zu beanstanden.
3.3. Zur Absicht der Parteien im Zusammenhang mit der Änderungsklausel des Gesellschaftsvertrags war die Beweiswürdigung des Erstgerichts zwar vergleichsweise kurz. Hier setzte sich aber ohnehin das Berufungsgericht ausführlicher mit der - eher kurz gehaltenen - Beweisrüge der Beklagten auseinander. Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt daher auch in diesem Punkt nicht vor. Ob die Erwägungen des Berufungsgerichts auch inhaltlich zutreffen, ist nicht revisibel (RIS-Justiz RS0043371).
4. Den Beklagten gelingt es daher nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Aus diesem Grund ist die Revision, soweit sie von ihnen erhoben wird, nach § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
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