Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.575,57 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 376,26 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Medieninhaber von zwei österreichischen Boulevardzeitungen. Die Zweitbeklagte ist nach dem außer Streit gestellten Vorbringen der Klägerin „die Komplementärgesellschaft“ der Erstbeklagten; ihre Haftung soll sich nach dem Vorbringen der Klägerin aus „§ 171 UGB“ ergeben. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein in der Zeitung der Erstbeklagten erschienenes Interview, das nach Auffassung der Klägerin zu Unrecht als „Exklusivinterview“ bezeichnet worden war. Nach dem Diebstahl und dem Wiederauftauchen des Leichnams einer bekannten Persönlichkeit hatte die Witwe anlässlich der neuerlichen Beisetzung spontan vier Fragen von dort anwesenden Journalisten beantwortet. Später hatte sie der Zeitung der Erstbeklagten unter Zusicherung der Exklusivität das hier strittige Interview gewährt, wobei sie zunächst 30 Fragen schriftlich beantwortete und dann auch noch für eine mündliche Erläuterung zur Verfügung stand.
Das Erstgericht verneinte das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik und wies den Sicherungsantrag aus diesem Grund ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, begründete dies jedoch mit fehlendem Rechtsschutzbedürfnis. Die Konzernmutter der Klägerin verfüge bereits über einen entsprechenden Exekutionstitel gegen die Erstbeklagte, sodass die Durchsetzung der Unterlassungspflicht insofern gewährleistet sei. Die Zweitbeklagte sei von der Klägerin einzig aufgrund ihrer Haftung „nach § 171 UGB“ in Anspruch genommen worden. Setzte die Konzernmutter der Klägerin ihren Titel gegen die Erstbeklagte durch, so unterbliebe das beanstandete Verhalten unabhängig davon, ob auch gegen die Zweitbeklagte ein Titel geschaffen würde oder nicht. Daher bestehe kein Bedarf an einem solchen Titel. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein gegen eine andere Person ergangener Titel zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen kann.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin, den sie offenbar irrtümlich als „außerordentlich“ bezeichnet, ist nicht zulässig.
1. Das Rekursgericht hat zwar richtig erkannt, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein gegen einen Dritten bestehender Titel das Rechtsschutzbedürfnis wegfallen lässt. Dennoch liegt mangels Präjudizialität keine erhebliche Rechtsfrage vor. Denn schon das Erstgericht hat zutreffend erkannt, dass das Gewähren eines ausführlichen Interviews, dem 30 schriftlich formulierte Fragen zugrunde liegen, nicht mit der spontanen und sehr knappen Beantwortung von vier Fragen anlässlich eines öffentlichen Auftritts verglichen werden kann. Die abgedruckten Teile des Interviews gewähren einen Einblick in das Privat- und Familienleben der Witwe, während die Antworten beim Begräbnis nicht über allgemeine Floskeln hinausgingen. Damit erhielten die Leser der Beklagten tatsächlich Informationen, die ihnen zuvor nicht zur Verfügung gestanden waren. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers war daher die „Exklusivitätsbehauptung“ nicht irreführend. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ist schon aus diesem Grund zu verneinen.
2. Auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses kommt es damit nicht an.
2.1. Zur Klarstellung ist allerdings festzuhalten, dass der Senat in Bezug auf die Zweitbeklagte die Rechtsmeinung des Rekursgerichts nicht teilt. Zunächst ist zu beachten, dass sich der Unterlassungsanspruch gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter - entgegen der früheren Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0061605), auf die sich die Klägerin weiterhin zu stützen scheint - nicht aus den Haftungsbestimmungen des Personengesellschaftsrechts (§§ 128 und 161 UGB), sondern aus der regelmäßig bestehenden Möglichkeit des Gesellschafters ergibt, das rechtswidrige Verhalten der Gesellschaft zu unterbinden (4 Ob 71/99s = SZ 72/77 - Melatonin; RIS-Justiz RS0112076; zuletzt 4 Ob 131/10h).
Ist danach der Anspruch auch gegen den Gesellschafter begründet, kann das Bestehen eines gleichlautenden Titels gegen die Gesellschaft nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen. Die Argumentation des Rekursgerichts führte nämlich, konsequent weitergedacht, zum Ergebnis, dass lauterkeits- oder immaterialgüterrechtliche Titel regelmäßig nur gegen den Inhaber jenes Unternehmens geschaffen werden dürften, in dessen Betrieb das beanstandete Verhalten gesetzt wurde. Denn schon ein solcher Titel müsste, folgt man dem Rekursgericht, ausreichen, um die Wiederholung des Verhaltens zu verhindern. Das Regelungskonzept des UWG ist aber anders: Die Haftung des Unternehmensinhabers tritt neben jene des (unmittelbaren) Täters (§ 18 UWG); die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses liefe dieser Entscheidung des Gesetzgebers zuwider. Gleiches muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch für andere Beteiligte gelten, die an einem unlauteren Verhalten mitgewirkt oder es nicht verhindert haben. Besteht ihnen gegenüber ein Unterlassungsanspruch, so kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht allein deswegen verneint werden, weil ohnehin gegenüber dem unmittelbaren Täter oder dem Unternehmensinhaber ein Verbot besteht oder angestrebt wird. Die Vollstreckung dieses Verbots kann sich aus verschiedenen Gründen - etwa Vermögenslosigkeit oder Unzustellbarkeit - als schwierig erweisen; daher hat der Mitbewerber jedenfalls ein rechtlich geschütztes Interesse an einem Titel auch gegen andere Beteiligte. Das gilt insbesondere für unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft, die ein unlauteres Verhalten der Gesellschaft trotz bestehender Einflussnahmemöglichkeit nicht verhindert haben.
2.2. Demgegenüber hat das Rekursgericht die Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Bestehen eines Titels zugunsten einer anderen Person das Rechtsschutzbedürfnis gegenüber dem Titelschuldner wegfallen lässt, richtig dargestellt. Danach ist maßgebend, ob sich der Titel zur Abstellung des gesamten im späteren Verfahren behaupteten Verhaltens eignet (4 Ob 5/90 = SZ 63/21; RIS-Justiz RS0079356 [T3]). Das ist auch dann der Fall, wenn tatsächliche oder rechtliche Bindungen zwischen zwei Klageberechtigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen lassen, dass das schutzwürdige Interesse des einen Berechtigten durch den anderen, der schon über einen entsprechenden Unterlassungstitel verfügt, vollwertig gewahrt wird (4 Ob 7/98b; RIS-Justiz RS0079356; zuletzt etwa 4 Ob 42/07s). Ob das zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (4 Ob 163/90 = ecolex 1991, 262; RIS-Justiz RS0079356 [T9]). Die Annahme des Rekursgerichts, dass die Durchsetzung eines Titels der Konzernmutter der Klägerin gegen die Erstbeklagte aufgrund faktischer Bindungen sichergestellt sei, hat der Senat bereits in einem Parallelverfahren gebilligt (4 Ob 131/10h).
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen; die Klägerin hat ihnen daher die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
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