OGH 4Ob161/24s

OGH4Ob161/24s19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fachverband der Buch‑ und Medienwirtschaft, *, vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger, Dr. Stefan Schermaier ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck LL.M., Rechtsanwalt in Wien wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 47.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2024, GZ 33 R 56/24h‑17, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. März 2024, GZ 19 Cg 49/23m‑12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00161.24S.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Unionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 18.441,67 EUR (darin enthalten 2.092,02 EUR 19 % USt und 5.339 EUR PG) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist die für Buch‑ und Medienwirtschaft zuständige Fachorganisation und die gesetzliche Branchenvertretung der Wirtschaftskammer Österreich. Die derzeit rund 3.000 Mitglieder des Klägers sind vorwiegend Verleger und Buchhändler und somit in der Herstellung und im Verkauf von Büchern und elektronischen Datenträgern tätig.

[2] Die Beklagte, deren Sitz in Deutschland ist, betreibt einen Onlineshop, in dem sie zahlreiche Artikel und insbesondere auch deutschsprachige Bücher unter anderem auch österreichischen Kunden anbietet und diesen verkauft. In ihrem Shop bietet die Beklagte die Bücher zu den in Deutschland zulässigen Preisen an, die (nur) wegen der dort geringeren Umsatzsteuer (7 % statt 10 % in Österreich) unter dem für Österreich nach dem Buchpreisbindungsgesetz 2023 (im Folgenden: BPrBG) geltenden Mindestpreis liegen, diesen aber iSd § 7 Abs 1 BPrBG nicht um mehr als 5 % unterschreiten.

[3] Der Kläger begehrt, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber österreichischen Letztverbrauchern preisgebundene Waren iSd § 2 BPrBG mit einem Preis anzukündigen, der unter dem für Österreich festgesetzten Mindestpreis liegt. Weiters stellt er ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[4] Die Beklagte missachte das in § 7 Abs 2 BPrBG verankerte Verbot des Ankündigens von Rabatten auf preisgebundene Bücher; dafür reiche die bloße Anführung des niedrigeren Preises auf den Übersichts‑ oder Produktseiten des Online‑Händlers; die Angabe eines „Statt-Preises“ sei nicht erforderlich. Der vom Gesetz vorgegebene Rabatt von bis zu 5 % könne im Internet etwa nur im Zuge des Zahlungsvorgangs gewährt werden.

[5] Wegen § 9 BPrBG komme hier eine Einordnung in die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ nicht in Betracht. Es komme daher nicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht an. Zu prüfen sei nur, ob ein Verstoß vorliege.

[6] Das Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (im Folgenden kurz: EC‑RL) sei auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar, weil die EC‑RL nicht in die Inhalte vertraglicher Schuldverhältnisse eingreife. Die Regeln des BPrBG fielen nicht in den koordinierten Bereich der Richtlinie. Durch das BPrBG komme es zu keiner Schlechterstellung von im elektronischen Weg geschlossenen Verträgen, vielmehr seien elektronische wie analoge Verträge gleichermaßen erfasst.

[7] Die Beklagte wandte ua ein, sie habe im Onlineshop keine (technische) Möglichkeit, für österreichische Kunden die Preise gesondert auszuweisen, sei aber andererseits an das deutsche Buchpreisbindungsgesetz gebunden. Folglich könne sie nur den für Deutschland geltenden Buchpreis inklusive der gegenüber Österreich geringeren Mehrwertsteuer anführen. Sie habe keine Unterschreitung des Mindestpreises im Sinne einer Preisgegenüberstellung angekündigt, sondern lediglich Bücher zu einem bestimmten Preis angeboten; ein Nachlass von bis zu 5 % des Mindestpreises sei zulässig.

[8] Als Internethändlerin unterliege sie nach § 20 ECG gemäß dem Herkunftslandprinzip grundsätzlich nur den rechtlichen Bestimmungen von Deutschland, wo sie ihren Unternehmenssitz habe. Eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip liege nicht vor, weshalb die Regelungen des österreichischen BPrBG auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden seien und die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen ist.

[9] Zudem sei die Österreichische Preisbindung bei Büchern im BPrBG mit Art 34 und 36 AEUV nicht vereinbar.

[10] Das Erstgericht gab der Klage statt. Zu prüfen sei, ob ein Verstoß gegen § 7 Abs 2 BPrBG vorliege, wobei es nicht darauf ankomme, ob die der dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegende Rechtsauffassung vertretbar sei. Die Beklagte verstoße gegen § 7 Abs 2 BPrBG weil sie eine Unterschreitung des Mindestpreises ankündige. Es komme dabei nicht darauf an, ob das Unterschreiten des Mindestpreises bei der Ankündigung erkennbar sei. Es sei irrelevant, ob ein Rabatt ausdrücklich angeboten werde oder der Preis – wie hier – einfach faktisch unter dem Mindestpreis angegeben werde.

[11] Die im BPrBG enthaltenen Preisbindungsregeln seien mit dem Unionsrecht (insb mit Art 34 AEUV) vereinbar. Die EC‑RL berühre den Inhalt vertraglicher Schuldverhältnisse nicht. Im Zusammenhang mit dem BPrBG komme es zu keiner Schlechterstellung von im elektronischen Weg geschlossenen Verträgen, weil elektronisch und „analog“ geschlossene Verträge gleichermaßen erfasst seien. Das BPrBG greife nicht in die Wirksamkeit und den Abschluss elektronischer Verträge ein. Die Bestimmungen des BPrBG fielen daher nicht in den koordinierten Bereich der Richtlinie, weshalb das Herkunftslandprinzip auf das BPrBG nicht anzuwenden ist.

[12] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bereits durch das bloße Anführen „deutscher Preise“ verstoße die Beklagte gegen § 7 Abs 2 BPrBG. Das BPrBG sei unionsrechtskonform. Hinsichtlich der Fragen zur EC‑RL verwies das Berufungsgericht nach § 500a ZPO auf die Ausführungen des Erstgerichts.

[13] Die ordentliche Revision sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Vereinbarkeit des BPrBG mit Art 34 AEUV zulässig.

[14] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[15] Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision ist wegen einer zu korrigierenden Fehlentscheidung im Zusammenhang mit der Anwendung des Herkunftslandprinzips (§ 20 ECG) zulässig und berechtigt.

[17] 1.1 Nach § 7 Abs 1 BPrBG dürfen Letztverkäufer bei Veräußerung ua von Büchern an Letztverbraucher den nach § 4 leg cit festgesetzten Mindestpreis höchstens bis zu 5 % unterschreiten. Dem Klagebegehren liegen (nur) behauptete Verstöße der Beklagten gegen § 7 Abs 2 BPrBG zugrunde. Nach dieser Bestimmung dürfen Letztverkäufer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Unterschreitung des Mindestpreises im Sinne des Abs 1 nicht ankündigen

[18] 1.2 Nach § 9 BPrBG gelten ua Handlungen gegen § 7 Abs 2 BPrBG als Handlungen im Sinne des § 1 UWG. Mit dieser gesetzlichen Fiktion verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, Verletzungen der dort genannten Bestimmungen als Verstöße gegen § 1 UWG zu behandeln, auch wenn der konkrete Sachverhalt nicht unter diese Bestimmung subsumiert werden kann. Bei Verstößen gegen das BPrBG kommt deshalb eine Einordnung in die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ nicht in Betracht. Es kommt daher nicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht an; zu prüfen ist, ob ein Verstoß vorliegt (idS RS0128967 zur entsprechenden früheren Rechtslage [§ 7 BPrBG alt]).

[19] 2. Zu prüfen ist zunächst, ob § 7 Abs 2 BPrBG erfüllt ist.

[20] 2.1 Den Entscheidungen der Vorinstanzen liegt zugrunde, dass die Ankündigungen zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgten, was vom Kläger auch ausdrücklich behauptet wurde. Dem trat die Beklagte weder in ihrer Berufung noch in der Revision entgegen

[21] 2.2 Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass bereits das bloße Anführen eines Preises im Onlineshop der Beklagten, der den nach § 4 BPrBG festgesetzten Mindestpreis (bis zu 5 %) unterschreitet, den Tatbestand des § 7 Abs 2 BPrBG erfüllt.

[22] 2.3 Im Schrifttum vertritt Tonninger (einer der Klagevertreter) den Standpunkt, dass als Ankündigung im Sinn des Gesetzes jede Bekanntmachung bzw Werbung mit einem Rabatt zu verstehen sei, die über das bloße Anbieten eines 5%‑igen Rabatts im Zuge eines Verkaufsgesprächs oder den Abzug eines entsprechenden Rabatts im Zuge des Zahlungsvorgangs hinausgeht. Eine besondere Qualifikation einer Ankündigung nach dem BPrBG sei nicht vorgesehen (Tonninger, BPrBG3 § 7 Rz 7 f); die „bloße“ Ankündigung von einem Buch zu einem Preis, der unter dem Mindestpreis liegt (ohne Hinweis auf einen Rabatt), beispielsweise im Internet, falle bereits unter § 7 Abs 2 BPrBG (Tonninger aaO Rz 15). Im Online‑Bereich seien auch gegenüber dem Mindestpreis reduzierte Preisangaben bei Büchern und E‑Books jedenfalls dann als Ankündigung zu werten, wenn diese bereits auf Übersichts‑ bzw Produktseiten und nicht erst im Rahmen des Zahlungsvorgangs aufscheinen (Tonninger aaO Rz 9).

[23] 2.4 Der Senat stimmt diesen Ausführungen zu und lehnt die nicht näher begründete Gegenansicht von Schweiger/Lackner (Der Mindestbuchpreis im grenzüberschreitenden Internethandel, ZIIR 2016/4, 404) ab.

[24] 2.4.1 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet ankündigen etwa „im Voraus bekannt geben, in Aussicht stellen, jemanden wissen lassen“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/ankuendigen ), sodass nach dem Wortlaut des Gesetzes bereits mit der „bloßen“ Auszeichnung eines Buches mit einem Preis, der unter dem Mindestpreis liegt, das Unterschreiten des Mindestpreises iSd § 7 Abs 2 BPrBG „angekündigt“ wird.

[25] 2.4.2 Das deckt sich mit der ratio legis. Nach der Intention des BPrBG soll der Preiswettbewerb nach unten verhindert werden. Der Umstand, dass Buchhändlern eine geringe Unterschreitung des Mindestpreises ermöglicht wird, darf nicht zu Zwecken des Wettbewerbs eingesetzt werden. Insbesondere im Onlinebereich können die einzelnen Angebote sehr leicht verglichen werden, sodass die Nichtanwendbarkeit des § 7 Abs 2 BPrBG bei „bloßer“ Nennung des günstigeren Preises den Gesetzeszweck gefährden würde. Bereits durch die bloße Nennung des günstigeren Preises für dasselbe Produkt tritt der Anlockeffekt ein, was aber gerade durch § 7 Abs 2 BPrBG verhindert werden soll.

[26] 2.5 Das Handeln der Beklagten erfüllt an sich somit den Tatbestand des § 7 Abs 2 BPrBG.

[27] 3.1 Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass sich die Beklagte auf § 20 ECG berufen kann. § 20 ECG setzt das Herkunftslandprinzip des Art 3 EC‑RL um (Ciresa in Schwimann/Kodek 5 § 20 ECG Rz 1). Im koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG) richten sich nach § 20 Abs 1 ECG die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats. Der freie Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat darf nach § 20 Abs 2 ECG vorbehaltlich der §§ 21 bis 23 ECG nicht aufgrund inländischer Rechtsvorschriften eingeschränkt werden, die in den koordinierten Bereich fallen.

[28] 3.2 Im Verfahren blieb unstrittig, dass die deutsche Beklagte als Betreiberin eines Onlineshops unter den Begriff des Diensteanbieters fällt, sie also eine Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellt (§ 3 Z 1 und Z 2 ECG; bzw Art 2 lit a und lit b EC‑RL; vgl auch zB EuGH C‑649/18 , A./Daniel B. Ua, Rz 33 [niederländische Gesellschaft verkauft über Website Arzneinmittel in Frankreich]; EuGH, C-88/23 , Parfümerie Akzente GmbH/KTF Organisation AB, Rz 37 [deutscher Onlinehändler verkauft nach Schweden]; 4 Ob 29/13p [Versandapotheke]; 1 Ob 52/24i, Rz 31 [Unternehmer betreibt Website]). Auch in der Revisionsbeantwortung qualifiziert der Kläger die Beklagte als Diensteanbieter.

[29] 3.3 Die Beklagte zeigt auch zutreffend auf, dass § 7 Abs 2 BPrBG den koordinierten Bereich betrifft. Die Regel beschränkt nämlich die Werbemöglichkeiten von Buchhändlern.

[30] 3.3.1 Das Gesetz definiert in § 3 Z 8 ECG (in Umsetzung des Art 2 lit i EC‑RL) den koordinierten Bereich wie folgt:

die allgemein oder besonders für Dienste der Informationsgesellschaft und für Diensteanbieter geltenden Rechtsvorschriften über die Aufnahme und die Ausübung einer solchen Tätigkeit, insbesondere Rechtsvorschriften über die Qualifikation und das Verhalten der Diensteanbieter, über die Genehmigung oder Anmeldung sowie die Qualität und den Inhalt der Dienste der Informationsgesellschaft – einschließlich der für die Werbung und für Verträge geltenden Bestimmungen – und über die rechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter.

 

[31] 3.3.2 Die Beklagte bewirbt Bücher auf ihrem Onlineshop unter Anführung der „deutschen Preise“, was von den Vorinstanzen als Verstoß gegen § 7 Abs 2 BPrBG qualifiziert wurde. Nach der Judikatur des EuGH ist eine Werbetätigkeit untrennbarer akzessorischer Bestandteil der Dienstleistung des Online-Verkaufs, und fällt daher insgesamt in den koordinierten Bereich iSd EC‑RL (EuGH C‑649/18 , A./Daniel B. ua, Rz 59). Ein Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft unterliegt daher auch betreffend die Onlinewerbung den Anforderungen der EC‑RL (EuGH, C‑88/23 , Parfümerie Akzente GmbH/KTF Organisation AB, Rz 37). Das korrespondiert mit § 3 Z 8 ECG, weil diese Norm die Werbung ausdrücklich erwähnt.

[32] 3.4 Der Umstand, dass elektronisch geschlossene Verträge gegenüber sonstigen Vertragsabschlüssen nicht schlechter gestellt werden, führt nicht dazu, dass das ECG damit nicht anzuwenden ist. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und des Klägers wird daher das Herkunftslandprinzip im Anlassfall nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Onlinehändler eines anderen Mitgliedstaats durch eine inländische Norm nicht schlechter gestellt wird wie ein Unternehmer, der nicht im Onlinebereich tätig ist (daher „analog“ Handel treibt). Der Kläger bezieht sich hier auf Art 9 EC‑RL, der aber lediglich den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg sichern will, was aber vorliegend nicht verfahrensgegenständlich ist. Art 9 EC‑RL regelt hingegen nicht die Anwendung des Herkunftslandprinzips.

[33] 3.5 Dieses Prinzip ist bei Bejahung der in § 20 ECG normierten Voraussetzungen anzuwenden, sofern keine der im Gesetz genannten Ausnahmen vorliegt. Insbesondere aus der Sicht des Lauterkeitsrechts ist im Zusammenhang mit dem Herkunftslandprinzip darauf abzustellen, ob die Anwendung österreichischen Rechts zu strengeren Anforderungen führt als die Anwendung deutschen Rechts als dem Recht des Herkunftslandes (ausführlich 4 Ob 29/13p [Versandapotheke]).

[34] 3.6 Das deutsche BuchPG schreibt für den Verkauf an Letztabnehmer in Deutschland grundsätzlich Fixpreise vor (§ 3 BuchPG), gestattet jedoch für bestimmte Abenehmergruppen Rabatte bis zu 15 % (§ 7 dBuchPG). Die Bewerbung der Rabatte ist – anders als in Österreich – nicht untersagt. Die Anwendung des österreichischen Werbeverbots für Rabatte (§ 7 Abs 2 BPrBG) würde damit zu strengeren Anforderungen für die Preiswerbung als die Anwendung deutschen Rechts führen, sodass sich die Beklagte bei den inkriminierten Ankündigungen auf das Herkunftslandprinzip berufen kann.

[35] 3.7 Entgegen der Rechtsansicht des Klägers liegen keine im ECG normierten Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip vor.

[36] 3.7.1 Der Kläger weist in seiner Revisionsbeantwortung darauf hin, dass Verträge, die von einem Online‑Händler mit Verbrauchern geschlossen werden, in den vom Anwendungsbereich der EC‑RL ausgenommenen Bereich fallen würden. Damit nimmt der Kläger auf § 21 Z 6 1. Fall ECG Bezug, wonach das Herkunftslandprinzip bei vertraglichen Schuldverhältnissen in Bezug auf Verbraucherverträge nicht anzuwenden ist. Nach Ansicht des Klägers soll hier der Verbraucherschutz sichergestellt bleiben.

[37] 3.7.2 Das übersieht aber, dass § 7 Abs 2 BPrBG eine Schutzvorschrift zugunsten des Buchhandels (vgl § 1 BPrBG) und keine Verbraucherschutzbestimmung ist (vgl auch die historischen Ausführungen von Gruber, Buchpreisbindung: Des Kaisers neue Kleider, ÖZK 2020, 9 [„Der Buchhandel hat die Buchpreisbindung bewusst als Kartell zum Nachteil der Konsumenten im 19. Jahrhundert eingeführt“]). Zudem regelt § 7 Abs 2 BPrBG keine „vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“; es normiert vielmehr ein gesetzliches Ankündigungsverbot, unabhängig vom Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses. § 21 Z 6 1. Fall ECG liegt hier damit nicht vor.

[38] 4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Klagebegehren wegen des hier anzuwendenden Herkunftslandprinzips nicht auf § 7 Abs 2 BPrBG gestützt werden kann, sodass die Klage abzuweisen ist. Ob zudem die Bestimmungen des BPrBG gegen Art 34 AEUV verstoßen, kann damit dahinstehen, weshalb das angeregte Vorabentscheidungsersuchen nicht erforderlich ist.

[39] 5.1 Die Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

[40] 5.2 Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt – kommentarlos – 20 % Umsatzsteuer, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen. Die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer kann nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (§ 54 Abs 1 ZPO) oder die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes allgemein bekannt ist (RS0114955). Da im Falle der Bundesrepublik Deutschland Letzteres der Fall ist, war der dort ansässigen Beklagten (nur) die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von bekanntermaßen 19 % zuzusprechen (RS0114955 [T10, T12]).

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