European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00139.24F.0827.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 602,16 EUR (darin 100,36 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 29. 1. 2015 einen Gebrauchtwagen der Marke Audi A6 TDI quattro zum Kaufpreis von 52.500 EUR. Das Fahrzeug samt dem Dieselmotor des Typs EA897 wurde von der Beklagten hergestellt und ist vom sog „Dieselskandal“ betroffen. In dritter Instanz ist unstrittig, dass eine nach VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und die Beklagte dem Kläger wegen der dadurch entstandenen Wertminderung schadenersatzpflichtig ist.
[2] Der Kläger begehrt Schadenersatz aus deliktischer Schädigung durch Erwerb eines abgasmanipulierten Fahrzeugs in Höhe von 15.750 EUR als 30%ige Preisminderung.
[3] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren im Ausmaß von 10.500 EUR (= 20 % des Kaufpreises) statt, wobei das Berufungsgericht das Ersturteil nur hinsichtlich des Zinsenbegehrens abänderte. Das Berufungsgericht ging aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts davon aus, dass dem Kläger der Nachweis einer 20%igen Wertminderung gelungen sei, weshalb das Klagebegehren in diesem Ausmaß berechtigt sei.
[4] Der Zuspruch erwuchs im Ausmaß von 5.250 EUR sA ebenso in Rechtskraft wie die Klagsabweisung von 5.250 EUR sA.
[5] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zur Wahrung der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Höhe des Wertverlusts zu.
[6] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die Abweisung des Leistungsbegehrens anstrebt, insoweit dieses 5.250 EUR (= 10 % vom Kaufpreis) übersteigt.
[7] Die vom Kläger beantwortete Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. In dritter Instanz ist unstrittig, dass der klagende Käufer wegen der nach Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber der beklagten Fahrzeugherstellerin Anspruch auf Zuspruch des Minderwerts hat.
[9] 2.1 Aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben ist im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Schutznormen der VO 715/2007/EG jedenfalls ein angemessener Schadenersatz zu gewähren, der sich innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des vom Kläger gezahlten und dem Wert des Fahrzeugs angemessenen Kaufpreises zu bewegen hat (RS0134498; 4 Ob 27/24k Rz 20 ua). Die Wertminderung kann nach gesicherter Rechtsprechung aber auch exakt festgestellt und – wie hier – vom Käufer verlangt werden (RS0134498 [T6]; 4 Ob 165/23b Rz 24; 4 Ob 202/23v Rz 41; 4 Ob 27/24k Rz 21; 6 Ob 19/24y Rz 20; 8 Ob 70/23m Rz 26; 8 Ob 109/23x; 10 Ob 27/23b Rz 39 f; 10 Ob 33/23k Rz 22; 10 Ob 7/24p ua).
[10] 2.2 Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass dem Kläger wegen der (exakten) Feststellung der Wertminderung ein Betrag in dieser Höhe zuzusprechen ist (auch wenn dies die angeführte Bandbreite von 5 % und 15 % übersteigt), entspricht das der aufgezeigten Rechtsprechung.
[11] 3. Die Frage, ob dem Kläger im gegenständlichen Fall der Nachweis einer Wertminderung von 20 % gelungen ist, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
[12] 3.1 Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist jeweils einzelfallbezogen und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0118891). Nur wenn die erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz unvertretbar ausgelegt wurden, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RS0118891 [T5]).
[13] 3.2 Das Erstgericht stellte mit Blick auf den verordnungswidrigen Zustand des Fahrzeugs eine Wertminderung von 20 % fest.
[14] 3.3 Wenn das Berufungsgericht aufgrund dieser konkreten Feststellungen zum verminderten Marktwert davon ausgeht, dass dem Kläger der Nachweis einer Wertminderung seines Fahrzeugs im Ausmaß von 20 % gelungen sei, wirft das keine Frage von erheblicher Bedeutung auf. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung liegt jedenfalls nicht vor, zumal der Oberste Gerichtshof zu vergleichbaren Konstellationen entsprechend entschieden hat (vgl zB 8 Ob 109/23x Rz 50) und die Feststellungen im Anlassfall über bloß abstrakte Überlegungen hinausgehen (vgl dazu 10 Ob 46/23x und 5 Ob 33/24z).
[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Revisionsbeantwortung des Klägers beträgt richtig 5.250 EUR.
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