European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133422
Spruch:
Den Revisionen wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Im Frühjahr 2015 beauftragte der Beklagte den Kläger (Baumeister) mit der Entfernung eines Holzbodens und dem Einbau einer Betonplatte in einer Halle, die er später als Kfz-Werkstatt nutzen wollte. Als der Beklagte mit dem Ergebnis der Arbeiten des Klägers nicht zufrieden war, forderte er (im Titelverfahren) den Ersatz des Deckungskapitals für die Schadensbehebung sowie die Kosten eines Privatgutachtens vom Kläger. Im Verfahren über diese Klage schlossen die Parteien am 21. Dezember 2015 einen Vergleich, in dem sich der (nunmehrige) Kläger (in Punkt 1) verpflichtete, dem (nunmehrigen) Beklagten bis zum 20. Mai 2016 15.000 EUR sA sowie 1.800 EUR an vorprozessualen Kosten und weitere 3.658,64 EUR an Prozesskosten zu zahlen. Von dieser Zahlungsverpflichtung sollte sich der Kläger (Punkt 2) befreien können, indem er dem Beklagten die Hälfte der gerichtlichen Pauschalgebühr zahlen und außerdem den von ihm eingebrachten Betonboden entfernen und einen neuen – in näher beschriebener Qualität – einbringen sollte. Der Beklagte verpflichtete sich, bis längstens 28. Februar 2016 dem Kläger schriftlich mitzuteilen, ob und mit welcher Bewehrung er den neuen Betonboden wünsche. Der Kläger verpflichtete sich, den Beginn seiner Tätigkeit dem Beklagten zumindest eine Woche vor Arbeitsbeginn bekanntzugeben. In Punkt 3 des Vergleichs verpflichtete sich der Beklagte, nach ordnungsgemäßer Fertigstellung der Arbeiten bis längstens 10. Juni 2016 einen Werklohn von 5.274 EUR brutto zu zahlen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2016 gab der Beklagte dem Kläger die gewünschte Bewehrung bekannt. Im März 2016 trafen sich die Parteien in der Halle; der Beklagte änderte in der Besprechung die gewünschte Bewehrung und drängte „auf einen exakten Abschluss im Bereich des Einfahrtstores“ sowie darauf, dass die Betonplatte entsprechend dem Vergleich ausgeführt sein sollte. Der Kläger, der den Betonboden nicht selbst tauschen wollte, erteilte der Nebenintervenientin den Auftrag und diese führte die Arbeiten „um den 27. April 2016“ durch. Der Beklagte war auch mit der neuen Betonplatte nicht zufrieden und bemängelte dem Kläger gegenüber vor allem ein falsches Gefälle im Einfahrtsbereich beim Hallentor. Der Kläger leitete die Beschwerde an die Nebenintervenientin weiter und diese wollte das Gefälle verändern, aber der Beklagte verweigerte den Arbeitern der Nebenintervenientin den Zutritt. Ein vom Beklagten beigezogener Gutachter hielt schriftlich das fehlerhafte Gefälle sowie die Ausbildung von Schwindrissen fest. Er nahm an, dass in der Halle Kfz-Hebebühnen nicht ordnungsgemäß verankert werden könnten, was allerdings unrichtig war. Am 21. Oktober 2016 forderte der Beklagte den Kläger mit Hinweis auf das Privatgutachten zur Zahlung laut Punkt 1 des Vergleichs vom 21. Dezember 2015 zuzüglich Kosten auf.
[2] Die von der Nebenintervenientin errichtete Betonplatte entspricht der Qualität und Ausführung wie sie im Vergleich vom 21. Dezember 2015 beschrieben ist. Sie hat allerdings folgende behebbare Mängel: die Schwelle vor dem Einfahrtstor weist nicht das im Vergleich vorgesehene Gefälle von 1 % auf (Behebungskosten 792 EUR brutto), offene Dehnungsfugen sind noch zu verfüllen (Kosten 400 EUR brutto) und die Brandschutztür lässt sich derzeit nicht schließen, weshalb dort im Türbereich Arbeiten erforderlich sind (Kosten für die Behebung 800 EUR brutto); außerdem sind – für den Betrieb einer Werkstätte nicht relevante – feine Risse im Beton im Bereich des Einfahrtstors vorhanden, die mit Kunstharz ausgegossen werden können, wofür 800 EUR brutto an Kosten anfallen würden.
[3] Das Erstgericht bewilligte am 15. April 2019 dem Beklagten aufgrund des Vergleichs vom 21. Dezember 2015 die beantragte Fahrnis- und Forderungsexekution sowie eine Gewerbepfändung.
[4] Der Kläger begehrte mit seiner gegen diese Exekutionsführung gerichteten Oppositionsklage, das Erlöschen des (näher konkretisierten) Zahlungsanspruchs aus dem Vergleich vom 21. Dezember 2015 sowie die Unzulässigkeit des Exekutionsverfahrens festzustellen.
[5] Er habe sämtliche Verpflichtungen laut Punkt 2 des Vergleichs fristgerecht und ordnungsgemäß erfüllt: Die halbe Pauschalgebühr habe er fristgerecht bezahlt und der Betonboden sei entsprechend seinem Auftrag an die Nebenintervenientin von dieser fristgerecht und mangelfrei hergestellt worden. Der Beklagte stehe auf dem Standpunkt, dass der Betonboden nicht ordnungsgemäß hergestellt worden sei, habe aber eine Besichtigung und Mangelbehebung durch den Kläger, der seine Bereitschaft dazu erklärt habe, abgelehnt. Die Exekutionsführung sei auch unangemessen und rechtsmissbräuchlich; jedenfalls sei im Umfang der geleisteten Zahlung (der halben Pauschalgebühr) der Anspruch erloschen.
[6] Der Beklagtewendete im Wesentlichen ein, die Betonplatte sei nicht fachgerecht hergestellt worden und für den vereinbarten Zweck des Betriebs einer Kfz-Werkstätte nicht geeignet. Es seien umfangreiche Reparaturmaßnahmen erforderlich und der Kläger habe trotz Aufforderung keine Zahlung geleistet. Der Beklagte habe jegliches Vertrauen in den Kläger verloren und müsse ihm daher keine weitere Chance einräumen.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
[8] Aufgrund des Vergleichs habe der Kläger eine Lösungsbefugnis gehabt, wobei der Fall einer mangelhaften Leistung von den Parteien nicht geregelt worden sei, weshalb eine (ergänzende) Vertragsauslegung vorgenommen werden müsse. Die festgestellten Mängel des Bodens seien sämtlich verbesserbar und ein Verweigern der Verbesserung sachlich nicht gerechtfertigt. Ausgehend vom Verwendungszweck der Halle würde ein redlicher und vernünftiger Werkbesteller die Mängel verbessern lassen; der Zahlungsanspruch des Beklagten aus dem Vergleich sei daher erloschen. Für das exekutive Betreiben von Verbesserungskosten fehle es an einem entsprechenden Titel.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab.
[10] Die Rechtsprechung wende in der Beurteilung von Prämienvergleichen regelmäßig die zum Terminverlust entwickelten Grundsätze an; das Fehlen der Voraussetzungen für den Eintritt des Terminverlusts habe der Schuldner zu beweisen. Hier habe der Kläger den Nachweis, dass er sich durch die Befreiungsleistung von der Zahlungsverpflichtung gelöst habe, nicht erbracht: Die definierte Leistung umfasse auch ein Gefälle von mindestens 1 % und dafür seien nach den Feststellungen noch Abschleifarbeiten notwendig. Mit Ablauf des 19. Mai 2016 sei aber die vereinbarte Lösungsbefugnis erloschen, weshalb auch durch eine spätere Verbesserung die Zahlungsverpflichtung nicht mehr wegfalle.
[11] Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur rechtlichen Beurteilung einer Lösungsbefugnis, die nicht in der Zahlung eines Geldbetrags bestehe, fehle.
[12] Der Kläger sowie die Nebenintervenientin begehren jeweils in ihren Revisionen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils, hilfsweise die Aufhebung der Berufungsentscheidung.
[13] Der Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revisionen sind zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt.
[15] 1.1 Wird dem Schuldner eine Lösungsbefugnis (Ersetzungsbefugnis, facultas alternativa) eingeräumt, so schuldet er im Unterschied zur Wahlschuld nur eine bestimmte Leistung; ihm steht aber das Recht zu, anstelle der geschuldeten eine andere Leistung mit schuldbefreiender Wirkung zu erbringen. Die Lösungsbefugnis gewährt dem Schuldner ein rechtsänderndes Gestaltungsrecht (vgl 1 Ob 626/92 mwN; RS0017669). Eine in ein Urteil aufgenommene Lösungsbefugnis bildet keinen Exekutionstitel; nur die ursprünglich geschuldete Leistung kann exekutiv hereingebracht werden (RS0017669 [T1] = 3 Ob 56/05i; RS0041477).
[16] 1.2 Ein Terminverlust begründet als eine Art Verwirkungsabrede das vereinbarte Recht auf sofortige Geltendmachung einer Forderung trotz vereinbarter späterer Fälligkeit, somit die vorzeitige Fälligkeit, etwa bei der Nichterfüllung einer oder mehrerer Teilleistungen einer Schuld ungeachtet der bedungenen Ratenfälligkeiten (RS0018277 [T1]; 7 Ob 6/10y). Nach der jüngeren Rechtsprechung zu Prämienvergleichen oder einem vertraglich vereinbarten Terminverlust lässt eine geringfügige Überschreitung der Leistungsfrist bei der Vergleichserfüllung es nicht gerechtfertigt erscheinen, die Verzugsfolgen eintreten zu lassen (vgl RS0108837; RS0018357 [T2]).
[17] 1.3 In der – auch vom Kläger in seiner Revision genannten – Entscheidung 3 Ob 86/95 (RS0074921) befasste sich der Oberste Gerichtshof mit den Rechtsfolgen einer nur teilweisen Ausübung einer Lösungs- oder Ersetzungsbefugnis: Mangels einer entsprechenden Vereinbarung sei im Zweifel anzunehmen, dass der Schuldner erst dann von seiner Schuld befreit werde, wenn er die Ersatzleistung vollständig erbracht habe. Teilleistungen haben diese Rechtsfolge nicht, es sei denn, dass sich der Gläubiger bei den noch zu erbringenden Leistungen in Annahmeverzug befindet (3 Ob 86/95 mwN).
[18] 2.1 Im Vergleich vom 21. Dezember 2015 vereinbarten die Parteien eine solche Lösungs- oder Ersetzungsbefugnis: Der Kläger schuldete die Geldleistung (Punkt 1) und konnte sich von dieser dadurch befreien, dass er an deren Stelle mit schuldbefreiender Wirkung die – im Vergleichstext detailliert beschriebene – Werkleistung (Punkt 2) erbrachte. Allerdings lässt sich diese vertraglich vereinbarte Lösungsbefugnis nur so verstehen, dass diese Werkleistung vollständig und ordnungsgemäß bis zum 20. Mai 2016 erbracht sein musste, widrigenfalls die Befreiung von der Schuld nicht stattfinden würde, weil auch die Zahlungspflicht mit diesem Termin vereinbart wurde. Den Fall eines möglichen „Annahmeverzugs“ des Gläubigers, der hier in einer Verweigerung der Verbesserung von Mängeln der Werkleistung (die Beklagte verweigerte nach dem Sachverhalt den Arbeitern der Nebenintervenientin den Zutritt für einen Verbesserungsversuch) liegen könnte, regelten die Parteien nicht.
[19] 2.2 Nach der soweit bereits festgestellten Vorgangsweise der Parteien gingen beide Parteien noch im Februar/März 2016 davon aus, dass der (nunmehrige) Kläger von seiner Lösungsbefugnis Gebrauch machen und die Werkleistung erbringen (lassen) würde: Dem entsprechend gab der Beklagte durch seinen Vertreter die gewünschte Bewehrung der Betonplatte am 25. Februar 2016 schriftlich bekannt und im März 2016 trafen sich die Parteien in der Halle und änderten (einvernehmlich) die vorzunehmende Bewehrung; die alte Betonplatte wurde am 9. März entfernt und die Nebenintervenientin erbrachte „ihre Leistungen um den 27. April 2016“. Der Beklagte bemängelte auch diese neue Betonplatte und der Kläger leitete die Beschwerde an die Nebenintervenientin weiter, die „eine Abänderung des Gefälles versuchte“. Ende August 2016 besichtigte ein vom Beklagten beigezogener Privatgutachter die Halle und hielt diverse Mängel des Bodens fest, von denen – wie sich im nunmehrigen Verfahren herausstellte – einige weder die Funktion für die geplante Verwendung beeinträchtigten, noch eine Abweichung von der im Vergleich festgelegten Qualität bedeuteten. Dieses Privatgutachten übermittelte der Beklagte dem Kläger am 26. Oktober 2016 und forderte ihn damit gleichzeitig zur Zahlung laut Punkt 1 des Vergleichs vom 21. Dezember 2015 auf.
[20] 2.3 Für eine abschließende Beurteilung der Oppositionsklage sind diese Tatsachenfeststellungen nicht ausreichend: Um die Frage beantworten zu können, ob der Kläger im konkreten Fall von seiner Lösungsbefugnis wirksam Gebrauch gemacht und sich dadurch von seiner Zahlungspflicht befreit hat, müsste er grundsätzlich bis zum 20. Mai 2016 eine vollständige Herstellung der Betonplatte entsprechend den Anforderungen in Punkt 2 des Vergleichs durchgeführt haben. Sofern nach der Errichtung der neuen Betonplatte „um den 27. April“ nur noch geringfügige Mängel vorlagen, wie sie sich nun im Verfahren herausstellten, und der Kläger diese fristgerecht durch die Nebenintervenientin bis 20. März 2016 hätte verbessern lassen (können), hätte er die Ersetzungsbefugnis immer noch erfolgreich ausgeübt. Sollte dagegen der Beklagte die vom Kläger rechtzeitig begonnenen (veranlassten) Verbesserungsversuche ohne bislang erkennbaren plausiblen Grund verhindert oder verzögert haben, etwa indem er den Arbeitern der Nebenintervenientin bei deren Verbesserungsversuch grundlos den Zutritt verweigerte, dann hätte er gegebenenfalls die Lösungsbefugnis des Klägers vereitelt, was zur wirksamen Befreiung des Klägers von seiner Zahlungspflicht führen muss.
[21] 3. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher den Parteien Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbingen zu den genauen zeitlichen Abläufen zwischen der Erneuerung des Betonbodens durch die Nebenintervenientin, der Rüge von – für die Erfüllung des Vergleichs relevanten – Mängeln und der Veranlassung und/oder der Verhinderung von entsprechenden Behebungsversuchen zu ergänzen und dafür allfällige Beweise anzubieten. Erst nach dieser Ergänzung kann abschließend über die Berechtigung der Oppositionsklage entschieden werden, wobei auch das Vorbringen des Klägers zu seiner behaupteten Teilzahlung (halbe Pauschalgebühr) zu berücksichtigen sein wird.
[22] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)