OGH 3Ob85/13s

OGH3Ob85/13s17.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibende Partei G***** Bank AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 100.000 EUR, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 14. März 2013, GZ 53 R 42/13b-14, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. Jänner 2013, GZ 8 E 20/13p-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts im bekämpften Umfang, also in Ansehung seiner Exekutionsbewilligungen, wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 3.845,28 EUR (darin enthalten 355,38 EUR an USt und 1.713 EUR an Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Auf der Grundlage eines von der Verpflichteten (vertreten durch einen Dritten) abgegebenen Schuldanerkenntnisses, über das vor einem österreichischen Notar am 11. Juni 2007 ein Notariatsakt errichtet wurde, hat das Erstgericht gegen die Verpflichtete zur Hereinbringung der Teilforderung von 100.000 EUR sowie der Antragskosten ua

a) die Zwangsversteigerung der je 5/20-Anteile der Verpflichteten (B-LNr 2 und 3) an der EZ ***** Grundbuch *****,

b) die Fahrnisexekution und

c) die Exekution auf Geldforderungen der Verpflichteten gegen drei Banken als Drittschuldner aufgrund Guthaben aus Kontoverbindungen sowie aus bereits bewilligten und nicht zur Gänze ausgenützten Krediten, dies insoweit, als diese von der verpflichteten Partei bereits abgerufen, jedoch noch nicht ausbezahlt sind, durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung

bewilligt.

Der Antrag auf Bewilligung der Zwangsversteigerung der 154/20588-Anteile (B-LNr 93) und der 344/20588-Anteile (B-LNr 95) der Verpflichteten an der EZ ***** Grundbuch *****, wurde hingegen - rechtskräftig - abgewiesen.

Das Rekursgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung infolge Rekurses der Verpflichteten in eine gänzliche Antragsabweisung ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es verneinte die Exekutionsfähigkeit des Notariatsakts, weil diesem der von § 3 lit b NO geforderte Rechtstitel nicht mit hinreichender Genauigkeit zu entnehmen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die vorliegende Rechtsprechung bereits länger zurückliege und nicht eindeutig geklärt sei, ob ein schlichter Verweis auf ein nicht näher spezifiziertes Darlehensverhältnis als Grundlage eines konstitutiven Anerkenntnisses iSd § 3 lit b NO ausreichend sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Rekurs der Verpflichteten abgewiesen werde. Die Betreibende macht zusammengefasst geltend, im Notariatsakt sei der Rechtsgrund, aus dem die verbriefte Forderung entstanden sei, ausreichend angegeben. Damit sei der Verpflichteten die Möglichkeit geboten, sich gegen eine ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung zur Wehr zu setzen. Dem Exekutionsgericht sei es verwehrt, die materiellrechtliche Wirksamkeit des im Notariatsakts verbrieften Anspruchs oder die Gültigkeit des Anerkenntnisses zu prüfen; es habe sich nur auf die Prüfung zu beschränken, ob § 3 NO formell eingehalten worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbe-willigung berechtigt.

1.1. Gemäß § 1 Z 17 EO sind die in § 3 NO bezeichnete Notariatsakte Exekutionstitel. Nach § 3 lit b NO müssen einem Notariatsakt, damit er wie ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich exekutionsfähig ist, „die Person des Berechtigten und des Verpflichteten, der Rechtstitel, der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der Leistung oder Unterlassung zu entnehmen“ sein; § 3 lit c NO verlangt, dass über die eingegangene Verpflichtung ein Vergleich zulässig ist.

1.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu dem in § 3 lit b NO genannten Erfordernis, dass ihm der „Rechtstitel“ (Rechtsgrund) zu entnehmen sein muss, ausführlich in der Entscheidung 3 Ob 75/95 (= SZ 68/159; RIS-Justiz RS0065266) Stellung genommen. Der Rechtstitel ist derart anzuführen, dass das prüfende Exekutionsgericht aufgrund des Urkundeninhalts Beschluss fassen kann, zumal in der Regel ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners mit Beschluss zu entscheiden ist (§ 3 Abs 2, § 55 Abs 2 EO). Gerade deshalb muss der „Rechtstitel“ (Rechtsgrund) in einer Weise angeführt werden, dass seine rechtliche Qualifikation vom Gericht überprüft werden kann. Der Notariatsakt muss also wenigstens die Mindesterfordernisse für die Entstehung des Anspruchs anführen. Im Fall eines Anerkenntnisses oder eines außergerichtlichen Vergleichs müssen die Essentialien des konkreten Vertrags angeführt werden (siehe Rechberger/Oberhammer/Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt [1994] 36).

1.3. Diese Ausführungen blieben in der Lehre ohne Kritik (vgl Schumacher NZ 1996, 195 [Entscheidungsbesprechung]; Angst, Der vollstreckbare Notariatsakt im Lichte der jüngeren Judikatur des OGH, NZ 2001, 366; Jakusch in Angst² § 1 EO Rz 101 und 106; Wagner/Knechtel § 3 NO6 Rz 4) und wurden vom 4. Senat übernommen (4 Ob 348/98z).

Die zentrale Aussage der zitierten Judikatur geht dahin, dass die Angaben im Notariatsakt zwar nicht eine Prüfung des Exekutionsgerichts ermöglichen müssen, ob der zu vollstreckende Anspruch tatsächlich zu Recht besteht, wohl aber eine Prüfung, ob der dem in Exekution gezogenen Anspruch zugrunde liegende Rechtsgrund schlüssig dargestellt wurde und wirksam zustande gekommen sein konnte.

1.4. Die Bezeichnung des Rechtsgrundes ist deshalb von Bedeutung, weil sie erst die Prüfung zulässt, ob entsprechend der Vorschrift des § 3 lit c NO über die den Gegenstand der Verpflichtung bildende Verpflichtung ein Vergleich zulässig ist (Jakusch in Angst² § 1 EO Rz 101). Auch wird erst durch die Nennung des Rechtsgrundes im Notariatsakt der Verpflichtete in die Lage versetzt, sich gegen die Exekution mit Oppositions- oder Impugnationsklage oder einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des im Notariatsakt verbrieften vollstreckbaren Anspruchs zur Wehr zu setzen (Rechberger/Oberhammer/Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt [1994] 55).

1.5. Im vorliegenden Fall liegt der Rechtsgrund der geschuldeten Leistung nicht - wie das Rekursgericht meint - in einem Darlehensverhältnis, sondern im (konstitutiven) Schuldanerkenntnis selbst. Nach dem Inhalt des Notariatsakts dient das Schuldanerkenntnis „insbesondere zur Sicherung der Ansprüche der Gläubigerin aus dem Darlehensverhältnis“. In dritter Instanz ist auch unstrittig, dass der Verpflichteten von der Rechtsvorgängerin der Betreibenden ein Darlehen gewährt wurde. Damit ist ausreichend klargestellt, dass es sich bei dem Anerkenntnis nicht um ein (nach österreichischem Recht) unzulässiges abstraktes Geschäft handelt. Da sich die Betreibende in der Rekursbeantwortung auch dahin festlegte, dass sie Ansprüche aus dem Grundgeschäft Darlehen und zwar eines einzigen, zum Erwerb des mit dem Notariatsakt verpfändeten Flugzeugs gegebenen Darlehens, verfolgt, ist der betriebene Anspruch für die Verpflichtete hinreichend individualisiert, um sich im Prozessweg zur Wehr setzen zu können. Nähere Angaben im Notariatsakt zur Zurückzahlungspflicht aus dem Darlehensverhältnis sind entbehrlich (vgl auch 3 Ob 159/02g).

Dass eine Darlehensschuld vergleichsfähig ist, bezweifelt auch die Verpflichtete nicht. Etwaige materiell-rechtliche Einwendungen gegen den im Notariatsakt verbrieften Anspruch (zB die im Rekurs der Verpflichteten angesprochenen Einwände der Sittenwidrigkeit und des Fehlens der Voraussetzungen für ein wirksames Schuldanerkenntnis) müssen zum Gegenstand eines eigenen Erkenntnisverfahrens gemacht werden (siehe RIS-Justiz RS0001541).

2.1. Die Verpflichtete zieht weiters in Zweifel, dass die dem Notariatsakt vom 11. Juni 2007 beigeschlossene notariell beglaubigte Vollmacht den gesetzlichen Anforderungen des § 69 Abs 1a NO entspreche.

Nach dieser Bestimmung genügt eine Vollmacht nach § 69 Abs 1 NO „auch zum Abschluss aller Rechtsgeschäfte und zur Abgabe aller Rechtserklärungen, die zu ihrer Gültigkeit des Notariatsakts bedürfen, wenn in ihr sowohl der rechtsgeschäftliche Vorgang einzeln oder, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig ist, zumindest der Gattung nach angeführt ist“. Da das Schuldanerkenntnis für seine Gültigkeit nach den hier in Betracht kommenden Rechtsordnungen keines Notariatsakts bedarf (zum fehlenden Formerfordernis nach österreichischem Recht siehe RIS-Justiz RS0032319 [T4]; § 781 BGB fordert die „schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung“), ist eine Gattungsvollmacht nicht erforderlich.

3. Demnach erfüllt der Notariatsakt vom 11. Juni 2007 die von § 3 lit b und c NO geforderten Voraussetzungen.

In diesem Sinn ist dem Revisionsrekurs der Betreibenden dahin Folge zu geben, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird, soweit sie bekämpft war, also in ihrem die Exekution bewilligenden Teil (Punkte 1. bis 4.).

Der betreibenden Partei sind die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen (§§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO). Die Pauschalgebühr in dritter Instanz beträgt nur 1.713 EUR (TP 4 lit b Anm 1a GGG; TP 12a lit b GGG). Kostenersatz für die Rekursbeantwortung steht angesichts der grundsätzlichen Einseitigkeit des Exekutionsverfahrens (RIS-Justiz RS0118686) nicht zu.

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