Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 820,82 EUR (darin 136,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist seit 1994 querschnittgelähmt. Seitdem bestehen an ihren unteren Extremitäten keinerlei motorische oder sensible Funktionen. Sie probierte am 25. September 2002 im Rahmen einer Behindertenfachmesse einen sogenannten Aufrichtstuhl der beklagten Parteien aus, wozu sie ein Mitarbeiter derselben überredete. Dabei stürzte sie zu Boden, weil dieser Mitarbeiter vergessen hatte, die Klägerin wie vorgesehen auch am Oberkörper zu fixieren. Die Klägerin begehrte ua 17.250 EUR sA an Schmerzengeld. Dessen Höhe ist allein Gegenstand des zweiten Rechtsgangs nach der teilweisen Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen mit dem Beschluss des auch nunmehr erkennenden Senats des Obersten Gerichtshofs zu AZ 3 Ob 116/05p. Im Berufungsverfahren waren noch 14.000 EUR strittig, wobei aber die beklagten Parteien die Auffassung vertraten, ein 5.000 EUR, den von ihnen in einem von der Klägerin widerrufenen Vergleich zugestandenen Betrag, übersteigendes Schmerzengeld sei nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht sprach der Klägerin mit Endurteil noch 14.000 EUR zu und wies das offene Mehrbegehren von 3.250 EUR ab.
Es traf dazu folgende noch wesentliche Feststellungen:
Wegen der Lähmung spürte die Klägerin während des weiteren Messebesuchs keine Schmerzen. Sie bekam jedoch am Abend Schüttelfrost und erbrach in der folgenden Nacht. Am 26. September 2002 war ihr rechtes Kniegelenk angeschwollen. Sie rief aber erst am übernächsten Tag ihren Hausarzt. Nach der Spitalseinweisung wurde festgestellt, dass sie am 25. September 2002 durch den Sturz einen Bruch des inneren Oberschenkelkondyls am rechten Kniegelenk und einen Abriss des inneren Oberschenkelkondyls am linken Kniegelenk erlitten hatte. Die Klägerin war vom 28. September bis zum 21. Oktober 2002 in stationärer Krankenhausbehandlung. Zunächst wurde ihr innerer Oberschenkelknorren rechts reponiert und verschraubt. Am 6. Oktober 2002 erfolgte die Verschraubung des inneren Oberschenkelknorrens links, anschließend begann eine Physiotherapie. Bei der Entlassung bestand noch immer eine geringe Ergussbildung an beiden Kniegelenken. Am 28. Oktober und 11. November 2002 folgten Nachuntersuchungen und im Anschluss daran noch mehrmalige Kontrollen. Im Jänner 2003 wurden die Schrauben entfernt. Die Brüche sind in Fehlstellung verheilt ... Aufgrund ihrer kompletten Querschnittlähmung empfindet die Klägerin ... im Bereich der Beine keine Schmerzen, sodass auch die erlittene Verletzung nicht schmerzhaft im üblichen Sinn war. Bei einem Schmerzempfinden gleich einer nicht querschnittgelähmten Person hätte sie aufgrund der erlittenen Verletzung über zehn Tage starke, vier Wochen mittelstarke und drei Monate leichte Schmerzen verspürt, weil insbesondere die Bruchheilung rechts nur verzögert erfolgte und außerdem eine Ausheilung in Fehlstellung bestand. Zieht man die direkten Schmerzen in den Beinen wegen des fehlenden Schmerzempfindens ab, bleiben dennoch zwei Drittel an „verspürten" Schmerzen über, welche über die Beeinträchtigung des vegetativen Nervensystems im ganzen Körper, wie Schüttelfrost, Blutdruckanstieg, Übelkeit, dem mit den Operationen verbundenen Ungemach, zum Ausdruck kommen.
Durch das Unfallereignis kam es zu keiner nennenswerten psychischen Traumatisierung. Psychische Unbillen im Sinn einer kurz dauernden akuten Belastungsreaktion sind aber kurz vorhanden gewesen ..., [welche] ... mit sieben Tagen leichter Schmerzen gleichgesetzt werden können.
Das Erstgericht erachtete im Anschluss an die ihm vom Obersten Gerichtshof überbundene Rechtsansicht einen Globalbetrag an Schmerzengeld von 14.000 EUR als angemessen, wovon der größte Teil auf tatsächliche Schmerzen und ein geringerer auf den Sockelbetrag für die Verletzung überhaupt entfalle. Die psychischen Schmerzen seien nur gering gewesen. Für einen nicht querschnittgelähmten Verletzten wären seiner Ansicht nach 18.000 EUR angemessen gewesen. Der auf gänzliche Abweisung gerichteten Berufung der beklagten Parteien gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich. In rechtlicher Hinsicht sah es die Kernaussage der Entscheidung 3 Ob 116/05p darin, dass die Klägerin, die in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt wurde, Anspruch auf Ersatz ihres objektiv-abstrakt berechneten Immaterialschadens habe und dieser einen Sockelbetrag BILDE, DEN SIE ALS Mindestersatz FÜR DIE Schädigung ihrer Persönlichkeit fordern könne. Anspruchsmindernd sei die partielle Schmerzunempfindlichkeit in den Beinen zu berücksichtigen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts wären für die objektiv erlittenen Verletzungen typischerweise 18.000 bis 20.000 EUR als angemessene Ausgleichssumme als Sockelbetrag festzulegen. Als mindernd sei nach den Feststellungen rund ein Drittel zu berücksichtigen, erhöhend die über den typischen Fall hinausgehende, allerdings nur geringe seelische Belastung. Im Rahmen der Gesamtabwägung aller dieser Nachteile sei die Bewertung des immateriellen Nachteils der Klägerin mit 14.000 EUR nicht zu beanstanden.
Der Bemessung des in der zitierten Entscheidung angesprochenen Sockelbetrags komme über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus Bedeutung zu; eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu liege nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Parteien ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs der zweiten Instanz nicht zulässig.
Entgegen deren von den Revisionswerbern geteilten Ansicht ist eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO hier - nach der im ersten
Rechtsgang ergangenen aufhebenden Entscheidung 3 Ob 116/05p (= ZVR
2006/202 [Karner] = ecolex 2007, 26 [Wilhelm]; zust
Hinghofer-Szalkay/Prisching, Schmerzengeld ohne Schmerzen - Neue Entwicklungen?, ZVR 2007, 116; dieselben, Schmerzunempfindlichkeit bereits vor Schadenszufügung durch den Schädiger: pro und contra Schmerzengeld ohne körperliche Schmerzen, Zak 2007, 143) - nicht mehr zu beantworten.
Abgesehen davon, dass die Schmerzengeldbemessung in jedem Fall von dessen konkreten Umständen abhängt, was auch für die Verletzung von schon vor der Verletzung teilweise schmerzunempfindlichen Personen gelten muss, und daher mangels nicht aufgezeigter krasser Fehlbeurteilung im Einzelfall keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (7 Ob 566/85 = SZ 58/80 = JBl 1986, 114 uva; RIS-Justiz RS0042887), wurden die besonderen Kriterien für die Bemessung des immateriellen Schadenersatzes für solche Geschädigte in der angeführten Entscheidung bereits dargelegt. Ein Abweichen davon durch das Berufungsgericht vermögen die Beklagten nicht darzustellen. Dabei verkennen sie, dass es einer Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Erstgerichts nicht bedarf, kann doch Gegenstand der Rechtsrüge in dritter Instanz nach § 503 Z 4 ZPO nur diejenige des Gerichts zweiter Instanz sein, das im vorliegenden Fall zufolge der in der Berufung gestellten Rechtsfrage seine eigene (nur im Ergebnis auf dasselbe hinauslaufende) rechtliche Beurteilung traf. Davon, dass der Sockelbetrag (entgegen Karner in Anm zu ZVR 2006/202) jedenfalls geringer als das einer voll Schmerz empfindenden Person zustehende Schmerzengeld sein müsse, ist in der zitierten Entscheidung 3 Ob 116/05p nicht die Rede. Allerdings ist nach dieser Entscheidung nicht der einer solchen Vergleichsperson zustehende Schadenersatz für körperliche Schmerzen mit dem Sockelbetrag gleichzusetzen, vielmehr haben bei dessen Bemessung die tatsächlich vom Verletzten erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen wie auch der Umstand Berücksichtigung zu finden, dass eben (hier in den unteren Extremitäten) ein körperliches Schmerzempfinden teilweise bereits vor dem Unfall fehlte. Dabei kann aber ein Abstellen auf eine rein zeitliche Reduktion der Schmerzperioden auf zwei Drittel - wie sie offenbar den Revisionswerbern, allerdings mit der Absicht, die Erwägungen der zweiten Instanz ad absurdum zu führen, vorschwebt - kein gangbarer Weg sein.
Die Bemessung des einer Vergleichsperson zustehenden Schmerzengelds (ohne konkrete seelische Schmerzen) mit 18.000 bis 20.000 EUR hält sich im Rahmen des bestehenden Ermessensspielraums nach § 1325 ABGB. Diesen hat das Berufungsgericht aber auch bei der Einbeziehung der konkret erlittenen seelischen Schmerzen und der teilweisen Schmerzunempfindlichkeit nicht überschritten.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.
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