OGH 3Ob45/18s

OGH3Ob45/18s14.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der (klagenden und) gefährdeten Partei E*, England, vertreten durch Mag. Wolfgang P. Winkler, MAS, Rechtsanwalt in Neudauberg, wider (die beklagte Partei und) den Gegner der gefährdeten Partei S*, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Jänner 2018, GZ 48 R 56/17s‑62, mit dem die Einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Döbling vom 1. Jänner 2017, GZ 35 C 13/14k‑49, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E122477

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen trägt die gefährdete Partei vorläufig selbst.

 

Begründung:

Das Erstgericht nahm – zusammengefasst – folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Streitteile schlossen am 26. September 1993 die Ehe und sind (noch) aufrecht verheiratet. Das Ehepaar zog 1998 nach London und lebte dort in aufrechter Ehegemeinschaft bis Anfang 2011. Der Gegner der gefährdeten Partei (kurz: Ehemann) ist österreichischer Staatsbürger; er hielt sich im Lauf der Jahre, vor allem ab 2010 immer häufiger in Österreich auf; ab Anfang April 2011 lebte er hauptsächlich in Wien und hatte hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Am 29. September 2011 brachte der Ehemann gegen die gefährdete Partei (kurz: Ehefrau), die amerikanische Staatsbürgerin ist, die Scheidungsklage beim Erstgericht ein, dessen Zuständigkeit rechtskräftig feststeht. Spätestens seit Dezember 2011 (Zustellung der Scheidungsklage an die Ehefrau) leben die Eheleute endgültig getrennt. Das Scheidungsverfahren ist noch anhängig.

Während aufrechter Ehe trug der Ehemann die gesamten Kosten des Haushalts. Der Ehefrau standen Beträge von insgesamt rund 98.000 EUR monatlich für ihre persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung. Im Jahr 2010 (dem letzten Jahr, das vollständig in ehelicher Gemeinschaft verbracht wurde) betrugen die privaten Ausgaben des Ehepaars insgesamt 10.306.799 USD.

Nach der Zustellung der Scheidungsklage im Dezember 2011 änderte sich die Ausgabenstruktur. Der Ehemann zahlte bestimmte Haushaltskosten weiter, und überwies seiner Ehefrau Geld, es gab aber keine gemeinsamen Ausgaben mehr. In dieser Zeit (bis Ende Dezember 2015) erbrachte er im Wesentlichen nachfolgende Leistungen als Natural‑ bzw Geldunterhalt: Er überwies jeweils zu Monatsbeginn 18.000 GBP (das sind rund 24.600 EUR) an seine Ehefrau. Diese verfügt über keine vom Ehemann finanzierten Kreditkarten mehr. Die Kosten für etwaige medizinische Versorgung trug der Ehemann, ebenso wie für Taxifahrten der Ehefrau. Bis 2014 trug er auch noch Kosten für Reinigungsmittel und die Kosten der Putzerei. Für diese Ausgaben wendete der Ehemann im Jahr 2014 518.602,69 EUR (627.509,26 USD) auf. Dazu bezahlte er noch 52.448,52 EUR für zwei Villen in Frankreich. Eine der beiden Villen befindet sich im gemeinsamen Eigentum der Streitteile. Mit Einstweiliger Verfügung (EV) vom 23. Mai 2016 wurde die Nutzung dieser Villa zwischen den Streitteilen aufgeteilt. Seither trägt der Ehemann die Betriebskosten für jene Zeit, während der er die Villa nicht nutzen kann, nicht mehr.

Die Ehefrau wohnt nach wie vor in der ehemals gemeinsamen Ehewohnung in London. Diese steht zwar nicht im persönlichen Eigentum des Ehemanns; dieser hat seiner Frau aber in den vergangenen Jahren jeweils die Möglichkeit zugesichert, in der Ehewohnung zu verbleiben, allerdings jeweils nur für ein halbes Jahr. Ob der Ehemann für die Benützung der Ehewohnung außer den Betriebskosten (Strom, Versicherung, Steuern, Fernsehen, Telefon und Internetkosten) und Liegenschaftsabgaben Zahlungen leistet, ist nicht bescheinigt. Jedenfalls trug er bis Ende 2015 auch die Personalkosten für zwei Angestellte, nämlich eine Hausangestellte und einen Hausbesorger, die der Ehefrau zur Verfügung stehen. Die Hausangestellte bezahlt der Ehemann nach wie vor, die Kosten des Hausbesorgers von monatlich 2.916,67 GBP jedoch nicht mehr. Ende 2015 stellte der Ehemann jede Geldleistung an seine Ehefrau ein, weil er auf dem Standpunkt steht, sie wolle ihn ruinieren.

Neben den Kosten für die Lebensführung hat die Ehefrau noch einen Prozesskredit aufgenommen, der mit monatlich rund 5.000 EUR an Rückzahlungsraten zu bedienen ist. Dieser Kredit wurde nicht durch den mit EV vom 12. Februar 2016 gewährten Prozesskostenvorschuss abgedeckt.

Die Ehefrau ist neben dem Hälfteanteil an einer Villa in Frankreich auch Eigentümerin eines Appartements in New York, das vermietet ist. Sie ist weiters an Liegenschaftsbesitz in St. Petersburg beteiligt, die exakten Eigentumsverhältnisse sind aber noch nicht bescheinigt. Es ist nicht bescheinigt, dass sie aus dem Liegenschaftsbesitz nennenswerte Einkünfte erzielt.

Das Ehepaar hatte am Anfang der Ehe kein Vermögen; sämtliche vorhandenen Vermögenswerte wurden während aufrechter Ehe erworben und Teile des Vermögens in Trusts eingebracht. Der Ehemann verweigert Informationen und vertritt den Standpunkt, dieses Vermögen unterliege ebenso wie jene Liegenschaften, die nicht im Eigentum der Streitteile stehen, nicht der Aufteilung. Die Ehefrau hat auf während der Ehe erworbene Ersparnisse keinen Zugriff.

Als der Ehemann die Ehefrau kennenlernte, gab er ihr den Spitznamen „Difi“, das sollte dokumentieren, dass sie eine „difficult person“ war, eine eher schwierige, aber willensstarke und ausgeprägte Persönlichkeit. Der Ehemann schätzte das und war davon beeindruckt, wie selbstständig und durchsetzungsfähig sie war. Immer wieder kam es dazu, dass die Ehefrau Verwandte oder Freunde des Ehemanns vor den Kopf stieß. Der Ehemann litt zwar unter dem Verhalten seiner Frau, formulierte aber kaum Vorwürfe. Auch gegenüber ihrem Ehemann verhielt sich die Ehefrau manchmal respektlos und unhöflich. So kam es zu einem Vorfall, bei dem sie auf ihn körperlich losging und versuchte, ihn zu kratzen. Er hielt sie an den Armen von sich weg und zog sich in ein anderes Zimmer zurück, um dem Angriff auszuweichen. Die Ehefrau versperrte daraufhin das Zimmer von außen und ließ ihn längere Zeit nicht aus dem Zimmer. Erst als er die Polizei rief, öffnete sie die Tür. Er teilte den Beamten bei deren Einschreiten mit, dass sich die Sache erledigt hätte. Es kam auch bei anderen Gelegenheiten vor, dass die Ehefrau ihn körperlich attackierte. So trug er nach einer Attacke Kratzspuren davon. Für die Ehe ist charakteristisch, dass der Ehemann häufig mit der Vorgangsweise und Ausdrucksweise seiner Frau nicht einverstanden war, sich ihrem Verhalten aber meist nicht entgegensetzte. Gegenüber Dritten verteidigte er seine Frau lange Zeit, war aber nichts desto weniger mit ihrem Verhalten häufig nicht einverstanden.

Bereits ab Frühjahr 2011 bewegte er sich innerlich weg von ihr, indem er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegte, ohne seine Frau darin einzubinden. Diese interessierte sich auch nur mehr marginal für ihren Mann, sodass sie nicht bemerkte, wie stark er sich zurückzog. Für den Ehemann war um den 20. Juli 2011 die Ehe am Ende. Spätestens Ende Juli 2011 begann er eine außereheliche Beziehung zu einer anderen Frau, die er kurz vorher näher kennengelernt hatte. Im August verbrachte er Urlaubstage bereits mit der anderen Frau (in Hinkunft Lebensgefährtin), wovon seine Ehefrau aber nichts wusste. Er machte nicht sofort tabula rasa, sondern hielt vor seiner Ehefrau nicht nur die Beziehung, sondern auch die wenige Wochen später (Ende September 2011) eingebrachte Scheidungsklage geheim, weil seine Anwälte ihm dies so empfahlen.

Die Zustellung der Klage an die Ehefrau erfolgte erst am 13. Dezember 2011 in London. Trotzdem reiste der Ehemann mit seiner Ehefrau zwischen September 2011 und November 2011 noch nach Florenz und nach Lugano. Als die Ehefrau die Scheidungsklage zugestellt erhielt und aus allen Wolken fiel, kam der Ehemann noch für einen Tag nach Hause, verweigerte aber im Wesentlichen das Gespräch. Sie war durch sein Verhalten außerordentlich verletzt und reagierte zornig. Der Ehemann ließ das Inventar in der Ehewohnung in London durch einen Innendesigner und seine Anwälte zur Gänze katalogisieren. Die Ehefrau fühlte sich dadurch gedemütigt und beschmutzt.

Kurz nach der Trennung wendete sich die Ehefrau mit vorerst höflich formulierten E‑Mails an ihren Ehemann, womit sie ihn um diverse Geldleistungen erst ersuchte, später diese auch einforderte. Nachdem er zu diesem Zeitpunkt kaum mehr zu einer Kommunikation mit seiner Frau bereit war, sondern sie auf seine Anwälte verwies, wurden die E-Mails der Ehefrau schärfer und wütender. Auch der Umstand, dass ihr Leben sich so plötzlich zu ihrem Nachteil verändert hatte, traf sie tief und veranlasste sie zu massiven Beschimpfungen. Dies äußerte sich insbesondere in der Versendung von zahlreichen E‑Mails zwischen 2012 und 2014, in denen sie ihren Ehemann ua als Nazi und Faschisten bezeichnete. Sie wusste, dass dies dazu geeignet war, ihn besonders zu verletzen. Im Jahr 2014 fokussierte die Ehefrau ihre Beschimpfungen in den an ihren Ehemann gerichteten E-Mails stärker auf seine Lebensgefährtin und sein mittlerweile geborenes Kind. In einem E‑Mail vom 14. April 2014 warf sie seiner Lebensgefährtin Prostitution vor, seine Tochter bezeichnete sie als Bastard. In einem E‑Mail vom 5. Juni 2014 schrieb die Ehefrau an den Ehemann: „Dein Schicksal liegt in meiner Hand, du hast nicht mehr die Kontrolle.“ In zwei E‑Mails (vom 2. Februar 2013 und vom 31. Mai 2012) die auch an andere Personen adressiert waren, attackierte sie zwar auch ihren Ehemann, mäßigte aber ihren Ton etwas.

Abgesehen von den E-Mails schickte die Ehefrau über die Jahre auch zahlreiche SMS. Sie rief den Ehemann und seine Lebensgefährtin zur Nachtzeit wiederholt und häufig an, und zwar zB im Dezember 2013 sowie im März, April und November 2014.

In der Zeitschrift „Format“ erschien im Jahr 2013 ein Artikel über den Ehemann, in welchem er auch namentlich genannt wurde. Der Artikel beruhte ua auf Informationen, die die Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr von ihrem Ehemann getrennt lebte, einer Redakteurin bei Format, samt einem Foto gegeben hatte. In dem Artikel wurde die Adresse des Wohnsitzes des Ehemanns in Wien zwar nicht genannt, aus den Details des Artikels ließ sich dies aber ermitteln, aber das Foto des Wohnhauses war abgedruckt. Die Ehefrau wusste, das der Ehemann die Nennung seines Namens in der Öffentlichkeit und Homestories nicht schätzte. Sie stellte der Journalistin trotzdem weiteres Fotomaterial aus dem privaten Bestand der Familie zur Verfügung. Für die Ehefrau war durch diesen Artikel nichts zu gewinnen.

In der Schweizer Zeitschrift „Sonntagsblick“ erschienen am 4. Mai 2014 und am 11. Mai 2014 Artikel. Darin war ua der Vorwurf enthalten, dass der Ehemann unter Umgehung schweizerischer Gesetze durch Falschangaben eine Aufenthaltsbewilligung erschlichen hätte, und dass sein Geschäftspartner ihm dabei geholfen habe. Diesem Artikel lag ua zugrunde, dass die Ehefrau ein Interview gegeben hatte, im Rahmen dessen sie sehr offen über die Art des Erwerbs der Wohnung in der Schweiz gesprochen und ausgeführt hatte, „man hätte es eben arrangiert, dass wir eine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätten in diesem Kanton“. Diese Aussagen tätigte sie ohne Wissen ihres Ehemanns und lange nach der Trennung.

In der österreichischen Zeitung „Wirtschaftsblatt“ erschien am 21. November 2013 ein Artikel, in welchem der Ehemann namentlich erwähnt und darüber berichtet wurde, dass er Rechnungen nicht gezahlt hätte und deswegen geklagt worden wäre.

Die Veröffentlichung der Artikel bereiteten dem Ehemann Schaden auch in geschäftlicher Hinsicht, weil in der streng geregelten Finanzbranche der Vorwurf, Aufenthaltsbewilligungen zu „organisieren“ und Rechnungen nicht zu bezahlen, für die Geschäftstätigkeit jedenfalls nachteilig ist, auch wenn der Schaden nicht beziffert werden kann. Die Ehefrau gab diese Informationen absichtlich und böswillig. Es war ihr klar, dass die Veröffentlichungen nicht im Sinne ihres Mannes sein können.

Tatsächlich wurde gegen ihn ca ein Jahr später eine Zahlungsklage beim Handelsgericht Wien eingebracht (in Hinkunft: Maklerprozess). Der Streitwert der Klage betrug 1,26 Mio EUR. Eine Makler‑GmbH klagte ua den Ehemann auf Leistung eines Maklerhonorars im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Villa in Wien. Die vom Rechtsvertreter der Maklerin kontaktierte Ehefrau war daran interessiert, diesem Informationen zukommen zu lassen, die für ihn im Maklerprozess nützlich – und dem Ehemann damit nachteilig – sein könnten. Dazu bevollmächtigte sie den Anwalt der Maklerin im Scheidungsprozess als weiteren Rechtsvertreter der in dieser Eigenschaft an Scheidungsverhandlungen am 11. und 13. November 2013 teilnahm. Die Ehefrau erteilte dem Rechtsvertreter der Maklerin die Erlaubnis, die im Scheidungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse, die der Maklerin im Verfahren gegen den Ehemann nützen könnten, zu verwerten. Sie übermittelte ihm auch Fotos von Dokumenten, die sie in der Ehewohnung in London gefunden hatte, weil diese aus ihrer Sicht ebenfalls interessant und geeignet schienen, den Standpunkt des Prozessgegners ihres Ehemanns zu stützen. Die Unterlagen und Protokolle bildeten wichtige Beweise im Maklerprozess. Der Ehemann unterlag in diesem Verfahren schließlich zur Gänze. Der Rechtsvertreter der Maklerin wertete den Beitrag der Ehefrau als wichtig für den Prozessgewinn. Die Ehefrau wollte ihrem Mann in diesem Prozess schaden.

Am 3. Dezember 2015 erstattete die Maklerin Strafanzeige ua gegen den Ehemann, warf ihm ua das Verbrechen des schweren Betrugs vor und beantragte am 16. Februar 2016 nach Einstellung des Verfahrens – erfolglos – dessen Fortsetzung verbunden mit einer Nachtragsanzeige. Dass die Ehefrau das Strafverfahren entriert hätte oder Unterlagen speziell zu dem Zweck zur Verfügung gestellt hätte, dass sie als Beweismittel zu einer Strafanzeige dienen sollten, ist nicht bescheinigt; sie hatte allerdings die Unterlagen ohne Einschränkung zur Verfügung gestellt.

Noch vor Ablauf der Leistungsfrist stellte die Maklerin einen Exekutionsantrag gegen den Ehemann, der davon Kenntnis erlangte und die Bewilligung der Exekution abwenden konnte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Ehefrau von dem Exekutionsantrag der Maklerin gewusst hätte.

Am 27. November 2014 brachte die Ehefrau eine Unterhaltsklage gegen den Ehemann ein, mit der sie rückständigen Unterhalt für die Monate Jänner 2012 bis November 2014 von je 127.000 EUR (zusammen 4.445.000 EUR) begehrte sowie ab 1. Dezember 2014 einen monatlichen Unterhalt von 150.000 EUR.

Der Ehemann wendete im Wesentlichen ein, die Ehefrau habe den Unterhaltsanspruch durch ihr – detailliert dargestelltes – Verhalten sowohl während der Ehe als auch nach Einbringung der Scheidungsklage nach dem anzuwendenden österreichischen Sachrecht und auch nach englischem Recht verwirkt. Zum englischen Recht verwies der Ehemann im Hauptverfahren (Schriftsatz vom 20. Mai 2015, ON 8) auf § 25 Matrimonial Causes Act (MCA) 1973, der als ein Kriterium bei der Beurteilung von finanziellen Ansprüchen von Ehegatten ua auch deren Verhalten anführe. Das müsse jedenfalls zur Reduzierung des Anspruchs der Ehefrau führen.

Am 27. Mai 2015 stellte die Ehefrau den Antrag, dem Ehemann mittels einstweiliger Verfügung (EV) einen Prozesskostenvorschuss aufzuerlegen, dem ebenfalls Verwirkung entgegen gehalten wurde. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit rechtskräftigem Beschluss vom 12. Februar 2016 teilweise. Im Rahmen der Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Ehemanns beurteilte der erkennende Senat mit Beschluss vom 22. September 2016 zu 3 Ob 152/16y auf der Grundlage österreichischen Rechts einen Rechtsmissbrauch durch die Ehefrau als noch nicht verwirklicht.

Am 6. März 2016 beantragte die Ehefrau die Zuerkennung vorläufigen Unterhalts von 27.075 EUR monatlich ab 1. März 2016 und brachte im Wesentlichen vor, ihr Ehemann habe sie ganz gezielt in eine Vielzahl von Verfahren mit mehrjähriger Verfahrensdauer vor ein österreichisches Gericht gezwungen. Er beziehe ein jährliches Einkommen von zumindest 100.000.000 EUR, während sie über kein eigenes Einkommen verfüge. Ihr stünde neben erbrachten Naturalunterhaltsleistungen im Zusammenhang mit der Ehewohnung ein Geldunterhalt von zumindest 150.000 EUR zu. Ab Jänner 2012 habe ihr der Ehemann monatlich insgesamt 20.916,67 GBP (= 27.075 EUR) überwiegend in bar zukommen lassen, seit Jänner 2016 jedoch sämtliche Zahlungen eingestellt. Der Ehemann beabsichtige damit, sie finanziell in die Enge zu treiben. Es sei englisches materielles Recht anzuwenden, das eine – auch nach österreichischem Sachrecht nicht eingetretene – Verwirkung von Ehegattenunterhalt nicht kenne.

Der Ehemann bestritt weder die Behauptungen über seine finanzielle Leistungsfähigkeit noch die Höhe der begehrten monatlichen Unterhaltsleistung substantiiert, sondern wendete im Wesentlichen nur ein, auch für das Verfahren über den einstweiligen Unterhalt sei jedenfalls österreichisches Recht anzuwenden; der Unterhaltsanspruch sei verwirkt.

Das Erstgericht verpflichtete den Ehemann mit EV vom 1. Jänner 2017, ON 49, zu einem vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 27.075 EUR ab 1. März 2016. Dazu nahm es den eingangs zusammenfassend dargestellten Sachverhalt als bescheinigt an, der zum Teil von dem laut EV vom 12. Februar 2016 bescheinigten (und vom erkennenden Senat zu 3 Ob 152/16y beurteilten) Sachverhalt abweicht. Rechtlich verneinte es die eingewendete Verwirkung auch unter Bedachtnahme auf das Verhalten des Ehemanns. Diesem sei die Leistung des einstweiligen Unterhalts in finanzieller Hinsicht problemlos möglich, während die Ehefrau darauf zumindestens derzeit angewiesen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Ehemanns nur teilweise Folge, indem es den vorläufigen Unterhaltsbetrag für März 2016 – von der Ehefrau unbekämpft – auf 22.708 EUR reduzierte, weil ein einstweiliger Unterhalt nicht für die Vergangenheit bestimmt sei, während es die EV im Übrigen bestätigte.

Dagegen richtete sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Ehemanns, der zur Aufhebung der Rekursentscheidung führte. Der erkennende Senat gelangte zur Ansicht, dass englisches Sachrecht anzuwenden ist und trug dem Rekursgericht dessen Ermittlung auf (3 Ob 104/17s = EF‑Z 2018/26 [zust Lurger]).

Das Rekursgericht wendete sich an das Bundesministerium für Justiz, das am 3. November 2017 die Auskunft erteilte, es stünden ihm keine weiterreichenden Informationen zur englischen Rechtslage zur Verfügung, die über die Darstellung in Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe‑ und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, hinausgingen. Die Beantwortung einer Anfrage nach dem Europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen dauere erfahrungsgemäß entweder mehrere Jahre oder erfolge gar nicht.

Der Ehemann brachte daraufhin vor, gemäß § 4 Abs 2 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden; er habe nach Art 6 Abs 1 MRK Anspruch auf Entscheidung „within a reasonable time“.

Die Ehefrau legte (am 19. Dezember 2017) ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten zum englischen Recht (beglaubigt übersetzt in die deutsche Sprache) von T* QC, Barrister, London, samt Beilagen (diese aber nur in englischer Sprache) vor.

Der Ehemann bemängelte daraufhin die Vorlage der Beilagen der zum Rechtsgutachten nur in englischer Sprache und verwies neuerlich auf seine Meinung, dass österreichisches Recht anzuwenden sei. Sollte das Rekursgericht anderer Ansicht sein, ersuche er um Einräumung „einer angemessenen Frist zur Stellungnahme“ zu den Unterlagen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs (mit Beschluss vom 26. Jänner 2018, ON 62), soweit darüber nicht schon im ersten Rechtsgang rechtskräftig entschieden wurde, (neuerlich) nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Es verwarf die Mängel‑ und Beweisrügen und beurteilte auch die Rechtsrüge des Ehemanns (einschließlich der Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel) als nicht berechtigt.

Zum anzuwendenden Recht hielt es zunächst (Seite 6) fest, ob die Darstellung des englischen Rechts durch die Ehefrau (und die von ihr beauftragten Gutachter) wahrscheinlich richtig sei, könne in Ermangelung von einschlägigen Informationen nicht beurteilt werden, weil die Richtigkeit vom Antragsgegner nicht zugestanden werde. Es sei daher gemäß § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden, welches zum selben Ergebnis führe wie das bisher von der Ehefrau dargestellte englische Sachrecht. An anderer Stelle (Seite 25) wird allerdings ausgeführt, die Ehefrau habe den Unterhalt auch nach englischem Recht nicht verwirkt: Die Richtigkeit des bisher dazu vorliegenden Materials sei wahrscheinlich, weil der Rechtsgutachter ausdrücklich anführe, dass er mit dem Inhalt der Eidesstättigen Erklärung ./C übereinstimme, und dass es nach englischem Recht grundsätzlich keine Verwirkung des vorläufigen Unterhalts gebe.

Der Ehemann erhebt auch dagegen außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung der beantragten EV; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Zum anzuwendenden Recht zeigt er den dargestellten Widerspruch in der Rekursentscheidung auf und wendet sich gegen die Verwertung des vorgelegten Rechtsgutachtens. Das Rekursverfahren sei auch mangelhaft geblieben. Der Schwerpunkt des Rechtsmittels liegt in den Argumenten für eine von der Ehefrau zu vertretende Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs nach dem gemäß § 4 Abs 2 IPRG anzuwendenden österreichischen Sachrecht. In diesem Zusammenhang wirft der Ehemann dem Rekursgericht mehrere Aktenwidrigkeiten vor. Das Rekursverfahren sei (auch) mangelhaft, weil im Rekurs enthaltene Rügen sekundärer Feststellungsmängel inhaltlich nicht behandelt worden seien.

Die Ehefrau erstattete die ihr freigestellte Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zur Klarstellung aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Nur zur verneinten Schädigungsabsicht der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Maklerprozess und den Zeitungsartikeln ist die Rekursentscheidung aktenwidrig. Das ist dadurch zu bereinigen, dass der Oberste Gerichtshof die tatsächlichen Feststellungen, die eingangs bereits dargestellt wurden, einer rechtlichen Beurteilung unterzieht (RIS‑Justiz RS0116014). Im Übrigen liegen die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten nicht vor (§§ 510 Abs 3, 528a iVm § 78 EO).

2. Die gerügten Mängel des Rekursverfahrens betreffend weitere Verletzungen des Ehemanns, die Beschädigung seiner Brille, ein Foto mit der Ehegattin des Bundespräsidenten, weitere Beschimpfungen betreffend die Lebensgefährtin des Ehemanns und die Absicht der Ehefrau, das Scheidungsverfahren öffentlich machen zu wollen, liegen nicht vor (§§ 510 Abs 3, 528a iVm § 78 EO).

3. Zunächst ist zu prüfen, ob die nunmehr zu beurteilende Aktenlage, die sich gegenüber jener bei Fassung des Beschlusses zu 3 Ob 104/17s wesentlich geändert hat, (schon) die Anwendung des – hier maßgebenden (3 Ob 104/17s [P 5.4.]) – englischen Sachrechts ermöglicht.

3.1. Die demonstrative Aufzählung in § 4 Abs 1 IPRG nennt als zulässige Hilfsmittel für die Ermittlung des fremden Rechts „auch“ die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Gutachten von Sachverständigen. Dem Gericht stehen jedoch alle Erhebungsquellen offen, darunter – über die in Abs 1 genannten hinaus – auch Informationen in‑ und ausländischer Vertretungsbehörden, durch die Parteien, durch Zeugen oder aus dem Internet (Neumayr in KBB5 [2017] § 4 IPRG Rz 1); ihre Auswahl steht dem Richter frei (Verschraegen in Rummel ABGB³ [2004] § 4 IPRG Rz 1 f). Wie sich das Gericht die notwendigen Kenntnisse des fremden Rechts verschafft, liegt in seinem Ermessen (3 Ob 104/17s mwN). Da das fremde Recht nicht als Tatsache gewertet wird (10 Ob 96/04x; 4 Ob 122/06d), steht das Neuerungsverbot der Vorlage von Erkenntnisquellen in Rechtsmittelschriften nicht entgegen (8 Ob 530/84; 10 Ob 96/04x; 7 Ob 59/11v; Rechberger in Rechberger 4 [2014] § 271 ZPO Rz 1). Sämtliche eingeholten Auskünfte, auch die von den Parteien angebotenen Ermittlungshilfen, unterliegen der freien Überprüfung dh der rechtlichen Beurteilung des Gerichts (7 Ob 14/98d; 10 Ob 96/04x), somit auch ein von einer Partei vorgelegtes Rechtsgutachten (6 Ob 247/12k).

3.2. Die Überprüfung und Beurteilung der vorliegenden Ermittlungshilfen ist ein Akt der rechtlichen Beurteilung. Das Rekursgericht hat mit seinen widersprüchlichen Standpunkten daher keine widersprüchlichen Feststellungen zum englischen Sachrecht getroffen, sondern eine unschlüssige rechtliche Beurteilung vorgenommen, deren Korrektur vom Obersten Gerichtshof vorzunehmen ist.

3.3. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ist es dem Obersten Gerichtshof also (auch) möglich, selbständig und unabhängig von den Rechtsansichten der Vorinstanzen bzw der Parteien – gegebenenfalls sogar gegen deren Willen (RIS‑Justiz RS0045126 [T1]) – zu entscheiden, ob die vorliegenden Erhebungsergebnisse ausreichen und die Anwendung ausländischen Sachrechts (schon) ermöglichen.

4. Dabei ist zu beachten, dassentgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers –ausländisches Sachrecht im Provisorialverfahren im Allgemeinen schon dann anzuwenden ist, wenn die Richtigkeit des erhobenen Materials wahrscheinlich ist (RIS‑Justiz RS0115011). Dazu liegen bereits wesentliche Erkenntnisquellen vor:

4.1. Dem Standardwerk Bergmann/Ferid/ Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Länderteil Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Einführung, 43 f, ist ua zum Thema „Unterhalt und finanzieller Ausgleich“ zu entnehmen, dass sich die Anspruchsgrundlage für einen Unterhaltsanspruch von Ehegatten entweder aus dem Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 oder aus Sec 27 Matrimonial Causes Act (MCA) 1973 ergibt. Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts hänge von einer Reihe von Gesichtspunkten ab, die im Einzelnen in Sec 3 Abs 2 des erstgenannten Gesetzes bzw in Sec 25 Abs 2 des zweitgenannten Gesetzes aufgezählt seien. In erster Linie komme es auf das Wohl der bei dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten lebenden Kinder an. Zum Unterhalt während der Dauer eines Scheidungsverfahrens (maintenance pending suit) wird auf Sec 22 MCA 1973 verwiesen.

Sec 3 Abs 2 des Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 ist unter den gesetzlichen Bestimmungen (Seite 111) in deutscher Übersetzung wie folgt wiedergegeben:

Sec 3 Umstände, die das Gericht bei Ausübung seiner Befugnisse gemäß Sec 2 zu berücksichtigen hat [...]

(2) Was die Ausübung der Befugnisse nach Sec 2 Abs 1 (a) oder (b) [Anm: bzgl Unterhaltsleistungen eines Ehegatten an den anderen] betrifft, so hat das Gericht zu berücksichtigen:

a) die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in der vorhersehbaren Zukunft, eingeschlossen die Verdienstmöglichkeiten und deren mögliche Steigerung, die dann erwartet werden kann, wenn ein Ehegatte sich bemüht;

b) die finanziellen Bedürfnisse, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten der Ehegatten zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in der vorhersehbaren Zukunft;

c) die bisherigen ehelichen Lebensverhältnisse;

d) das Alter der Ehegatten und die Dauer der Ehe;

e) körperliche und geistige Behinderungen der Ehegatten;

f) den Beitrag, den jeder Ehegatte für den Familienunterhalt erbracht hat oder in der vorhersehbaren Zukunft voraussichtlich erbringen wird, eingeschlossen den Beitrag durch Besorgung des Haushalts und Sorge für die Familie;

g) das Verhalten eines jeden Ehegatten, wenn dieses Verhalten dergestalt ist, dass es nach Ansicht des Gerichts unbillig wäre, wenn es nicht berücksichtigt würde.

 

Sec 22 des MCA 1973 ist (nur) in englischer Sprache wiedergegeben (Seite 164).

Sec 25 des MCA 1973 ist in englischer Sprache abgedruckt; dessen Inhalt wird in deutscher Sprache wie folgt zusammengefasst:

Sec 25 Umstände, welche das Gericht bei der Entscheidung, wie es von seinen Befugnissen gemäß Sec 23 [betrifft Unterhaltsanordnungen im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren usw], 24, 24A, 24B und 24E Gebrauch machen soll, zu berücksichtigen hat:

Besondere Umstände, die das Gericht bei seiner Entscheidung gemäß Sec 23, 24, 24A, 24B oder 24E zu berücksichtigen hat: Oberstes Gebot ist das Wohl der familienangehörigen Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zu berücksichtigen sind ferner das Einkommen und die sonstigen Vermögensverhältnisse der Ehegatten, ihre finanziellen Bedürfnisse, der Lebensstandard vor dem Scheitern der Ehe, das Alter der Ehegatten, die Dauer der Ehe, körperliche oder geistige Behinderung, geleistete Beiträge zum Familienunterhalt, das Verhalten der Ehegatten, zu erwartende Nachteile (zB Verlust von Pensionsansprüchen). [...]“

 

4.2. In der Eidesstättigen Erklärung vom 26. Mai 2015 in beglaubigter deutscher Übersetzung (Beilage ./C) legt M* offen, dass sie als auf Familienrecht spezialisierte Rechtsanwältin des Obersten Gerichtshofs (Supreme Court) von England und Wales von der Ehefrau beauftragt worden sei, diese im Zusammenhang mit Angelegenheiten zu vertreten, die aus dem Scheitern deren Ehe entstehen. Sie führt ua aus, dass in England und Wales der Grund für das Scheitern der Ehe dazu „tendiert“, für den finanziellen Ausgleich bei einer Scheidung irrelevant zu sein, wobei die einzige Ausnahme dann bestehe, wenn das Verhalten eines Ehegatten sehr extrem sei; die weniger dazu belegten Fälle seien: Sexuelle Nötigung und versuchte Vergewaltigung der Ehefrau durch den Ehemann; Unterschlagung von Vermögenswerten durch den Ehemann und Veranlassung des Schwiegervaters in Täuschungsabsicht, ihm Geld auszuzahlen (Rz 15). Gemäß § 22 MCA 1973 könne das Gericht anordnen, dass ein Ehegatte dem anderen während laufenden Verfahrens, also bis zum endgültigen Scheidungsurteil, Unterhalt bezahlen müsse. Die genannte Bestimmung ist wie folgt ins Deutsche übersetzt (Rz 22):

Bei einem Antrag auf Ehescheidung, Ehenichtigkeit oder gerichtliche Trennung kann das Gericht Unterhalt während laufenden Verfahrens anordnen, das bedeutet eine Verfügung, die von jeder Partei der Ehe verlangt, an die andere Partei regelmäßige Zahlungen für seinen oder ihren Unterhalt und für einen solchen Zeitraum zu leisten, der nicht vor dem Einlangen des Antrags beginnt und mit dem Tage der Beendigung des Verfahrens endet, wie es das Gericht für vernünftig erachtet.

 

Schlechtes Verhalten habe keinen Einfluss auf den Anspruch eines Antragstellers auf Unterhalt während laufenden Verfahrens. Sie sei sich sicher, dass das Verhalten der Ehefrau, wie vom Ehemann behauptet, vor einem englischen Gericht ihren Anspruch auf Unterhalt nicht beeinflussen würde (Rz 25).

4.3. Im beglaubigt ins Deutsche übersetzten „Gutachten für das österreichische Gericht“ des T* QC (Barrister, London) vom 15. Dezember 2017, bezeichnet sich der Autor als auf Familienrecht spezialisierter englischer Barrister (dh Rechtsbeistand und Prozessanwalt), der auch in deutscher Sprache vor allem zum englischen Unterhaltsrecht veröffentlicht habe (s den Artikel Beilage ./A). Dieses Rechtsgutachten nennt als Grundlagen die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 152/16y und 3 Ob 104/17s, die EV des Erstgerichts ON 49, den Beschluss des Rekursgerichts ON 55 und den Schriftsatz des Ehemanns vom 20. Mai 2015 ON 8 (Rz 8).

Der Rechtsgutachter bestätigt ausdrücklich, dass er mit dem Inhalt der Eidesstättigen Erklärung (Beilage ./C) ua zu den Rz 15 und 22 bis 30 „übereinstimme“ (Rz 10). Der herrschende Grundsatz laute, dass Unterhalt während der Prozessdauer (maintenance pending suit, kurz MPS) mit dem Betrag angesetzt werde, der dem jeweiligen Richter im Einzelfall angemessen erscheine; unangebrachtes Verhalten sei fast immer irrelevant für das Ergebnis, sowohl wegen des kurzen und summarischen Charakters der MPS‑Verhandlung (und weil eine allfällige Unter‑ oder Überzahlung bei der Schlussverhandlung berichtigt werde), als auch deshalb, weil das Verhalten fast immer für das abschließende Ergebnis irrelevant sei; wenn man von den Feststellungen des Erstgerichts (gemeint: in der EV ON 49) ausgehe, würde sich das Verhalten der Ehefrau in keiner Weise auf die Zuerkennung des MPS auswirken (Rz 6); nach englischem Recht gebe es keine Bestimmung bezüglich Verwirkung des Unterhalts, wie sie § 74 EheG vorsehe, sondern nur den Faktor des Verhaltens als einen der Faktoren des § 25 MCA 1973, der nur in „extremen Ausnahmefällen“ relevant sei (Rz 15).

Der Rechtsgutachter bezeichnet die Bezugnahme des Ehemanns auf die englische Causa „Evans v Evans“ [1989] als verfehlt, weil es dort nicht um MPS gegangen sei, sondern darum, dass ein Ehemann von seiner nachehelichen, viele Jahre erfüllten Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau befreit worden sei, nachdem diese einen Auftragsmörder engagiert habe, um den Ehemann zu töten, und zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei (Rz 17). MPS sei durch § 22 MCA 1973 geregelt, welcher den Zuspruch jenes Unterhalts [MPS] vorsehe, den „das Gericht für angemessen erachtet“. Dennoch werde das Gericht bei dieser Ermessensentscheidung was angemessen sei, auch die Faktoren gemäß § 25 MCA 1973 bedenken (Rz 23). Es sei auch das Verhalten des Ehemanns zu würdigen (Rz 31d).

Der Rechtsgutachter führt aus, er sei wegen des – hier – sehr hohen Lebensstandards der Ehegatten (Rz 31e) und des Umstands, dass die Ehefrau anscheinend über keine sonstigen erheblichen liquiden Ressourcen verfüge (Rz 31f), überzeugt, dass ein englisches Gericht den status quo ante (als nach den Präzedenzfällen wesentliche Überlegung) wiederherstellen würde. Die übliche Herangehensweise eines englischen Gerichts bestehe nämlich darin, als angemessenen Betrag gemäß § 22 MCA 1973 jenen zu bestimmen, der zuvor bezahlt worden sei (Rz 31g).

5. Der Ehemann macht als Mangel des Rekursverfahrens im zweiten Rechtsgang geltend, das Rekursgericht habe es unterlassen, ihm eine Frist zur Stellungnahme zu den von der Ehefrau vorgelegten Urkunden einzuräumen und es habe entgegen Art 8 Abs 1 B‑VG und § 53 Abs 1 Geo Urkunden verwertet, die nicht in deutscher Sprache abgefasst seien.

5.1. Ob der erstgenannte Vorwurf gegenüber dem Rekursgericht zutrifft, kann hier dahingestellt bleiben, weil der Grundsatz des Parteiengehörs nur fordert, dass der Partei ein (zulässiger) Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt vortragen kann (vgl RIS‑Justiz RS0006048). Der Ehemann hätte schon gegenüber dem Rekursgericht nur eine schriftliche Stellungnahme erstatten können; diese Möglichkeit bestand aber auch – ohne gegen das Neuerungsverbot zu verstoßen (vgl 10 Ob 96/04x; 4 Ob 122/06d) – noch im vorliegenden Revisionsrekurs und wurde hier ohnehin genutzt.

5.2. Abgesehen davon, dass der Ehemann der englischen Sprache ganz offenkundig mächtig ist und (sein Vertreter) in seinen Schriftsätzen – so auch in seinem Revisionsrekurs – immer wieder Passagen in englischer Sprache (ohne Übersetzung ins Deutsche) aufnimmt (vgl etwa S 7 f des Revisionsrekurses), reicht schon die Übersetzung des Rechtsgutachtens zur Ermittlung des englischen Rechts im vorliegenden Verfahren.

5.3. Der Verwertung des Rechtsgutachtens stehen keine (wesentlichen) Mängel des Rekursverfahrens entgegen. Durch die Anwendung englischen Sachrechts, die vom Obersten Gerichtshof vorgegeben war, kann der Ehemann auch nicht überrascht werden: Hat er doch zu dessen Inhalt schon im erstinstanzlichen Verfahren Stellung genommen.

6. Der erkennende Senat legt daher die dargestellten Ergebnisse der Erhebungen zum englischen Recht den weiteren rechtlichen Überlegungen zugrunde: Das Rechtsgutachten ist ausführlich und sachlich abgefasst, setzt sich eingehend mit der englischen Rechtslage und Entscheidungspraxis (RIS‑Justiz RS0080958 und RS0113594 [T1]) auseinander, stellt diese sehr anschaulich und detailliert dar und ist schon deshalb eine taugliche Erkenntnisquelle im vorliegenden Provisorialverfahren; wozu noch kommt, dass es in den wesentlichen Punkten nicht nur mit der Eidesstättigen Erklärung (Beilage ./C) übereinstimmt, sondern auch mit dem Inhalt des Standardwerks von Bergmann/Ferid/Heinrich.

7. Die Einwände des Ehemanns gegen die Verwertung des Rechtsgutachtens vermögen hingegen nicht zu überzeugen:

Dass auch von den Parteien vorgelegte Rechtsgutachten taugliche Hilfsmittel zur Erhebung fremden Rechts sein können, wurde bereits dargelegt. Warum der – im Gutachten nicht erwähnte – Rekurs des Ehemanns, der sich im Wesentlichen nur mit der Verwirkung nach österreichischem Recht auseinandersetzt, für die Darstellung der englischen Rechtslage bedeutsam sein sollte, ist nicht nachvollziehbar: Wurden im Rechtsgutachten doch die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ungeachtet des Hinweises auf eine gegenteilige Praxis englischer Gerichte berücksichtigt, das die (keineswegs mit Verwirkung iSd § 74 EheG gleichzusetzende) Möglichkeit, das Verhalten beider Parteien bei der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch als eines von mehreren Kriterien ausnahmsweise zu berücksichtigen, ebenso offenlegt wie deren geringe Bedeutung in der Praxis.

8. Daher steht nunmehr ausreichendes Material zur Verfügung, das – ungeachtet des Umstands, dass es zum Teil von der Ehefrau vorgelegt wurde – im Provisorialverfahren bereits ermöglicht folgende englische Rechtslage und Entscheidungspraxis als wahrscheinlich richtig anzuwenden:

Das englische Recht kennt keine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, die als Konsequenz schuldhaften Fehlverhaltens des unterhaltsberechtigten Ehegatten die gänzliche Vernichtung seines Unterhaltsanspruchs ausdrücklich anordnet.

Unterhalt während der Prozessdauer (maintenance pending suit, MPS) ist nach § 22 MCA 1973 mit dem Betrag zu bemessen, der dem jeweiligen Richter im Einzelfall angemessen erscheint; in der Entscheidungspraxis englischer Gerichte ist unangebrachtes Verhalten der Ehegatten – ausgenommen extreme Ausnahmefälle (wie zB schwerwiegende strafbare Handlungen) – irrelevant für das Ergebnis einer solchen Unterhaltsbemessung; zur Beurteilung, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, bedarf es auch der Würdigung des Verhaltens des anderen Ehegatten; die übliche Herangehensweise eines englischen Gerichts besteht darin, als angemessenen Betrag gemäß § 22 MCA 1973 jenen zu bestimmen, der während aufrechter Ehe bezahlt wurde.

9. Nach diesen Prämissen englischen Unterhaltsrechts wäre grundsätzlich ein (vorläufiger) Unterhalt während der Dauer des Scheidungsprozesses im ursprünglich (während aufrechter Ehe) tatsächlich geleisteten Ausmaß von rund 98.000 EUR monatlich als angemessen anzusehen, der zweifellos im Rahmen der außergewöhnlichen Leistungsfähigkeit des Ehemanns liegt. Die Ehefrau begehrt allerdings ohnehin nur 27.075 EUR monatlich.

10. Die strittige Frage besteht also nur noch darin, ob das als bescheinigt angenommene Verhalten der Ehefrau gegenüber dem Ehemann und seiner Lebensgefährtin zu berücksichtigen ist, und ob es zu einer Reduzierung des vorläufigen Unterhaltsanspruchs der Ehefrau (allenfalls gegen Null) führen muss, weil es „dergestalt ist, dass es nach Ansicht des Gerichts unbillig wäre, wenn es nicht berücksichtigt würde“ (§ 25 Abs 2 lit g MCA 1973 und § 3 Abs 2 lit g Domestic Proceedings and Magistrates’ Courts Act 1978 [wobei sich die beiden Bestimmungen nur durch den Umstand unterscheiden, an welchen Gerichtstyp sie gerichtet sind – vgl Bergman/Ferid/Heinrich 43]). Insoweit ist die Entscheidungspraxis englischer Gerichte für solche Unterhaltsbemessungen maßgebend, wonach unangebrachtes Verhalten eines Ehegatten bis auf extreme Ausnahmefälle unberücksichtigt bleibt.

10.1. Nach Ansicht des erkennenden Senats verwirklicht das während aufrechter Ehe an den Tag gelegte Benehmen der Ehefrau, das den Ehemann nicht einmal veranlasste, ihr gegenüber Vorwürfe zu erheben, daher keinesfalls einen solchen von englischen Gerichten als relevant angesehenen Sachverhalt.

10.2. Für die Zeit danach ist hingegen ein Vorgehen der Ehefrau über mehrere Jahre bescheinigt, das einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt und von der Absicht getragen war, den Ehemann (und ihm Nahestehende) zu beleidigen und zu kränken sowie seine privaten, beruflichen und vermögensrechtlichen Interessen zu beeinträchtigen. Dazu ist einerseits klarzustellen, dass eine aktive Veranlassung der Strafanzeigen gegen den Ehemann durch die Ehefrau nicht bescheinigt ist; andererseits ist jedoch – wie bereits erwähnt – von einer Schädigungsabsicht der Ehefrau im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen und dem Maklerprozess auszugehen. Jedenfalls bei der Bemessung des (vorläufigen) Unterhalts während des Scheidungsverfahrens (in England: MPS) muss dieses für den Ehemann zweifellos höchst unangenehme und lästige Vorgehen aber dennoch unbeachtet bleiben, weil es den von englischen Gerichten als beachtlich angesehenen, von beträchtlicher krimineller Energie gekennzeichneten, Extremfällen nicht einmal nahe kommt.

10.3. Außerdem ist nach englischem Recht auch das Verhalten des Ehemanns bei dieser Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.

Selbst wenn daher das Verhalten der Ehefrau nach der Trennung als bei der Unterhaltsbemessung beachtlich anzusehen wäre, könnten dabei auch die Art und Weise, wie der Ehemann die von ihm offensichtlich strategisch geplante, rechtsanwaltlich begleitete und überfallsartig vorgenommene Trennung von der Ehefrau vollzog, sowie seine folgende Weigerung, persönliche Gespräche zu führen und sie auf Anwaltskontakte zu verweisen, also die insgesamt kompromisslose Neugestaltung seines Lebens mit einer anderen Frau verbunden mit dem Fallenlassen der Ehefrau unter Berücksichtigung des damit einhergehenden, nicht nur kurzfristigen Empfindens der Ehefrau von Demütigung, Hintergehung, Enttäuschung und Verrat, nicht unbeachtet bleiben. Auch wenn die Ehefrau dadurch nicht exkulpiert, sondern nur die Beachtlichkeit ihres eigenen Verhaltens relativiert würde, läge daher nach Ansicht des erkennenden Senats ein Vorgehen beider Ehegatten vor, das den nur ausnahmsweise in Frage kommenden Entfall des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau während des laufenden Scheidungsverfahrens (oder auch nur die Reduzierung dieses Anspruchs) nicht verlangen würde.

11. Der Zuspruch des von der Ehefrau begehrten vorläufigen Unterhalts erweist sich somit auch bei Anwendung des (bisher) erhobenen englischen Sachrechts als im Ergebnis zutreffend, weshalb dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Ehemanns nicht Folge zu geben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 erster Satz ZPO.

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