Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.856,24 EUR (darin 476,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit die Streitgegenstandsdefinition des Art 27 EuGVVO auch bei Beurteilung der Rechtskraftwirkung einer ausländischen Entscheidung nach Art 33 EuGVVO einzufließen habe.
Die Klägerin war Eigentümerin einer Eigentumswohnung in P*****, Spanien, der Beklagte Eigentümer einer solchen in L*****. Die Parteien waren in früheren Zeiten Lebensgefährten.
1. Die Klägerin brachte ihre Eigentumswohnung in die am 25. 8. 2004 gegründete, im Handelsregister von Mallorca eingetragene und in P***** residierende H***** S.L. Uniperson ein. Sie war zu diesem Zeitpunkt Alleingesellschafterin; Geschäftsführer der Gesellschaft war und ist der Beklagte.
Mit Abtretungsvertrag vom 11. 10. 2005 übertrug die Klägerin dem Beklagten sämtliche Gesellschaftsanteile. Als Gegenleistung übereignete der Beklagte der Klägerin mit Kaufvertrag vom 6. 10. 2005 seine Eigentumswohnung in L*****. Nach dem Willen der Parteien sollten mit diesen Verträgen letztendlich die beiden Wohnungen getauscht werden.
Am 3. 9. 2007 klagte die Klägerin vor dem Erstinstanzlichen Gericht Nr. 8, Palma de Mallorca, zu GZ 997/2007 den Beklagten und die Gesellschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des Anteilskaufvertrags vom 11. 10. 2005 sowie eines am selben Tag abgeschlossenen Kaufvertrags betreffend einen PKW‑Abstellplatz. Mit dem Anteilskaufvertrag habe die beiderseitige Absicht bestanden, einen Teil des Vermögens der Klägerin zum Nachteil ihres angeblichen Stiefbruders verschwinden zu lassen; es habe sich daher um einen Scheinvertrag ohne realen Inhalt gehandelt, der der Figur der vollständigen Vortäuschung eines Rechtsgeschäfts zu subsumieren und daher nichtig sei. Als Folge dieser Nichtigkeit solle zum einen im Handelsregister die Löschung jener Eintragung verfügt werden, wonach der Beklagte Alleingesellschafter der Gesellschaft sei; zum anderen solle dem Grundbuchsregister aufgetragen werden, als Eigentümer des PKW-Abstellplatzes die Gesellschaft auszuweisen. Der Beklagte trat diesen Begehren entgegen.
Mit Urteil vom 17. 11. 2008 wies das spanische Gericht diese Klage ab. Entgegen den Angaben der Klägerin sei der Vertrag nicht rechtsgrundlos erfolgt, sondern sei es zwischen den Parteien zu einem Wohnungstausch gekommen. Damit liege jedoch nicht ein absolutes Scheingeschäft vor, sondern lediglich ein relatives; die Parteien hätten ja nicht kein Rechtsgeschäft abschließen, sondern lediglich ein Rechtsgeschäft vortäuschen wollen, um ein anderes zu verschleiern, das tatsächlich abgeschlossen werden sollte. Auf eine Gleichheit des Wertes der beiderseitigen Tauschleistungen komme es dabei nicht an. Auf Willensmängel wie Irrtum oder arglistige Täuschung habe sich die Klägerin nicht gestützt.
Am 8. 6. 2009 bestätigte der Provinz-Gerichtshof Palma de Mallorca diese Entscheidung, die damit in Rechtskraft erwachsen ist.
Bereits am 25. 9. 2008 hatte die Klägerin beim Erstgericht eine Klage eingebracht, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten zur Rückübertragung der Gesellschaftsanteile begehrt; eventualiter begehrt sie die Einräumung sämtlicher Rechte an den Gesellschaftsanteilen und die Eintragung der Übertragung der Gesellschaftsanteile im Handelsregister beziehungsweise die Zahlung von 372.000 EUR durch den Beklagten beziehungsweise die Rückgabe der Eigentumswohnung in P*****, Spanien, an die Klägerin beziehungsweise die Verpflichtung des Beklagten, in die Übertragung des Eigentums an dieser Wohnung an die Klägerin einzuwilligen und die Eigentumsübertragung im Handelsregister eintragen zu lassen, dies alles Zug um Zug gegen Übergabe der Eigentumswohnung in L***** an den Beklagten. Der Beklagte habe sich unter Vortäuschung unrichtiger Tatsachen den größten Vermögenswert der Klägerin mit einem Verkehrswert von rund 430.000 EUR angeeignet, wobei er ihr falsche Ratschläge und Informationen gegeben habe. Die Geschäfte seien von den Parteien in der Absicht geschlossen worden, die Wohnungen zu tauschen; allerdings habe die Klägerin unter Berücksichtigung des Wertes der spanischen Wohnung und von ihr erbrachter Zahlungen insgesamt rund 472.000 EUR geleistet, der Beklagte hingegen lediglich 90.000 EUR. Damit seien die Voraussetzungen einer Aufhebung der Verträge wegen Verkürzung über die Hälfte gemäß § 934 ABGB gegeben. Im Übrigen verstoße der Vertrag gegen die guten Sitten; der Beklagte habe Leichtsinn, Zwangslage, Unerfahrenheit und Gemütsaufregung der Klägerin ausgenutzt.
Nachdem der Oberste Gerichtshof am 5. 8. 2009 die vom Beklagten auf Art 27 EuGVVO gestützte Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen hatte (6 Ob 122/09y), wendete der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. 10. 2009 im Hinblick auf die spanischen Entscheidungen und gestützt auf Art 33 EuGVVO entschiedene Rechtssache ein.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage (neuerlich) zurück. Das Rekursgericht vertrat dabei die Auffassung, maßgeblich sei die materielle Rechtskraft der spanischen Entscheidungen, weshalb ihnen in Österreich dieselben Rechtswirkungen zukämen wie in Spanien. Da nach Artt 222, 400 spZPO die materielle Rechtskraft der Entscheidungen einem weiteren Verfahren zwischen denselben Parteien ‑ gestützt auf neue Tatsachen und neue Rechtsgrundlagen ‑ entgegenstünde, wenn diese bereits im Vorverfahren vorgebracht hätten werden können, sei im Hinblick auf Art 33 EuGVVO ein weiteres Verfahren auch in Österreich unzulässig. Dass der Oberste Gerichtshof die im spanischen und im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche als nicht ident angesehen habe, sei vor dem Hintergrund des Art 33 EuGVVO ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass Verkürzung über der Hälfte in Spanien gar nicht geltend gemacht werden könne; im Hinblick auf Art 4 EVÜ hätten sowohl spanische als auch österreichische Gerichte dieselbe Rechtsordnung ‑ im Hinblick auf die engeren Verbindungen der Parteien zu Österreich wohl die österreichische ‑ anwenden müssen.
2. Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
2.1. Nach Art 33 Abs 1 EuGVVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Da die abweislichen spanischen Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen sind, haben die Vorinstanzen zu Recht die Frage geprüft, inwieweit dieser Umstand Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren hat.
Die materielle Rechtskraft ist die wichtigste Urteilswirkung, die nach Art 33 EuGVVO anzuerkennen ist. Die objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung dem Recht des Erststaats (hier: Spanien) zu entnehmen. Ein Urteil eines ausländischen Gerichts kann daher im Inland nur jene Wirkungen entfalten, die ihm im Bereich der Jurisdiktion dieses (ausländischen) Gerichts zukommen (stRsp, etwa 9 Ob 31/08m; 9 Ob 88/10x ecolex 2011/207; vgl auch die Literaturnachweise bei Rassi in Fasching/Konecny, ZPO² Bd V/I [2008] Art 33 EuGVVO Rz 5). Ein ausländisches Urteil entfaltet demnach im Anwendungsbereich des EuGVVO in Österreich grundsätzlich dieselben Rechtswirkungen wie im Urteilsstaat (stRsp, etwa 3 Ob 212/06g; 9 Ob 88/10x). Dazu gehören auch die Sperrwirkung und die Präklusionswirkung (vgl 9 Ob 88/10x; ebenso Rassi aaO Rz 8 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur).
Auch nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sollen den (ausländischen) Entscheidungen die Wirkungen beigelegt werden, die ihnen in dem Staat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind, weshalb eine gemäß Art 33 EuGVVO anerkannte ausländische Entscheidung im Anerkennungsstaat (hier: Österreich) grundsätzlich dieselben Wirkungen entfalten muss wie im Ursprungsstaat (Rs 145/86 [Hoffmann] RNr 10 f; Rs C‑420/07 [Apostolides/Orams] RNr 66; Rs C‑456/11 [Gothaer Allgemeine Versicherung AG ua/Samskip GmbH] RNr 34). Die in der EuGH-Entscheidung Rs C‑420/07 (Apostolides/Orams) enthaltene (scheinbare) Einschränkung, dass einem Urteil bei seiner Vollstreckung nicht Rechtswirkungen zuerkannt werden dürfen, „die ein unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde“, ändert an dieser Rechtslage nichts. In seiner weiteren Entscheidung Rs C‑456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung AG ua/Samskip GmbH) RNr 42 hat der EuGH nämlich klargestellt, dass „zur Bestimmung der Wirkungen einer Entscheidung […] auf den Rechtskraftbegriff des Unionsrechts abzustellen“ ist; das Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts verlange, „dass der genaue Umfang [der] Beschränkung [einer Bindung des Anerkennungsstaats an Gerichtsentscheidungen des Ursprungsstaats] auf Unionsebene festgelegt ist und nicht von den unterschiedlichen nationalen Vorschriften über die Rechtskraft abhängt“. Dem Rechtskraftbegriff des Unionsrechts liegt aber ‑ wie bereits dargestellt ‑ die Wirkungserstreckungstheorie zugrunde.
Von dieser Rechtsprechung ist das Rekursgericht nicht abgewichen.
2.2. Die Vorinstanzen haben sich bei der Ermittlung und Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des spanischen Verfahrensrechts auf das Sachverständigengutachten Beilage ./9 gestützt. Diese Vorgehensweise entspricht § 4 Abs 1 IPRG. Die Klägerin erhebt im außerordentlichen Revisionsrekurs ‑ wie bereits im Rekursverfahren ‑ den Vorwurf, bei diesem Gutachten handle es sich um ein „Gelegenheitsgutachten [gemeint wohl 'Gefälligkeitsgutachten'] im Auftrag des Beklagten“.
An der Richtigkeit dieses Rechtsgutachtens über das spanische Zivilverfahrensrecht bestehen jedoch keine Bedenken. Zwar unterliegen sämtliche im Sinn des § 4 Abs 1 IPRG eingeholten Auskünfte der freien Überprüfung durch das Gericht (7 Ob 14/98d ZfRV 1998, 246; Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 4 IPRG Rz 1; vgl auch 1 Ob 70/11z), somit auch Rechtsgutachten. Die Behauptung des Revisionsrekurses, „auch nach spanischem Recht [wäre es] in Spanien grundsätzlich noch möglich, eine neue Klage gestützt darauf einzubringen, dass das vorliegende (doch bestehende) Vertragsverhältnis zwischen den hier wie auch dort verfahrensbeteiligten Parteien ein Tauschvertrag ist“, lässt jedoch Art 400 spZPO außer Betracht. Danach ist es unzulässig, die Behauptung anderer Tatsachen, Rechtsgrundlagen oder Rechtstitel, auf die ein Anspruch ebenfalls gestützt werden kann, für einen späteren Prozess zurückzuhalten, sofern sie in dem früheren Prozess behauptet werden können. Art 400 spZPO verbietet es also, in einem Rechtsstreit eine Forderung abzuleiten, die in dem vorangegangenen Rechtsstreit hätte formuliert werden können (spOGH vom 26. 9. 2011, Nr 628/2011).
Damit ist aber die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, dass die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche in Spanien von der Bindungswirkung der (früheren) spanischen Entscheidungen erfasst wären, durchaus vertretbar.
2.3. Die spanischen Entscheidungen ergingen am 17. 11. 2008 und am 8. 6. 2009, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 122/09y am 5. 8. 2009. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung erging letztere somit nicht früher als die spanischen Entscheidungen. Weitere Ausführungen zu den offensichtlich auf einer unrichtigen Prämisse aufbauenden Überlegungen der Klägerin erübrigen sich.
3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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