OGH 3Ob41/20f

OGH3Ob41/20f8.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.‑Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Korn, Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der 1. führenden betreibenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Baden, und 2. der beigetretenen betreibenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Thomas Fraiß, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei M*****, wegen 9.600,03 EUR (zu 1.) und 6.092,36 EUR (zu 2.), über die „außerordentlichen“ Revisionsrekurse sowie „Rekurse analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO“ der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Jänner 2020, 1. zu GZ 4 R 165/19t‑60, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 20. Dezember 2018, GZ 244 E 115/18w-13, bestätigt wurde, und 2. zu GZ 4 R 168/19h‑63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 1. Juli 2019, GZ 244 E 13/19x‑37, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00041.20F.0408.000

 

Spruch:

I. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung zu AZ 4 R 165/19t wird zurückgewiesen.

II. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung zu AZ 4 R 168/19h wird, insoweit sie die Anträge auf Einstellung und Anmerkung betrifft, zurückgewiesen. Hinsichtlich der Entscheidung über die Aufschiebung werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

Vor dem Erstgericht ist zwischen den betreibenden Parteien und dem Verpflichteten ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig. M***** ist der führende betreibende Gläubiger. Dem Verfahren ist die betreibende Partei M***** beigetreten.

Rechtliche Beurteilung

Zu I:

Im Zuge seiner gegen den führenden betreibenden Gläubiger eingebrachten Oppositionsklage beantragte der Verpflichtete ua die Aufschiebung der Zwangsversteigerung.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rechtsmittel des Verpflichteten zu AZ 4 R 165/19t nicht Folge und sprach unter Bezugnahme auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei (ON 60).

Das vom Verpflichteten dagegen erhobene Rechtsmittel ist unzulässig.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO ist (auch) im Exekutionsverfahren – abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen – ein weiterer Rechtszug gegen die zur Gänze bestätigende Rekursentscheidung unzulässig (

RIS‑Justiz RS0132903). Die vom Verpflichteten nicht näher begründete Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil eine (mit dem Tatbestand dieser Norm) vergleichbare Verweigerung der Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren (durch Zurückweisung) nicht vorliegt (vgl auch RS0112263, wonach die Judikatur eine analoge Anwendung des in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO für die Zurückweisung von Klagen vorgesehenen Ausnahmetatbestands sogar bei der Zurückweisung von Exekutionsanträgen ablehnt).

Das Rechtsmittel ist daher als absolut unzulässig zurückzuweisen.

Zu II:

In einer weiteren Oppositionsklage gegen den beigetretenen Gläubiger beantragt der Verpflichtete die umgehende Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, hilfsweise dessen Aussetzung (gemeint: Aufschiebung) und deren Anmerkung im Grundbuch. In der Klage führte der Verpflichtete den Aufschiebungsantrag näher aus und forderte, dass die Liegenschaftsexekution ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung „gestoppt“ werde.

Mit seinem (den beigetretenen Gläubiger betreffenden) Beschluss vom 1. Juli 2019 verwies das Erstgericht den Verpflichteten mit dessen Einstellungsantrag auf den Rechtsweg und wies seinen Antrag auf grundbücherliche Anmerkung einer Aufschiebung bei der Bewilligung (des Beitritts) der Zwangsversteigerung mangels Rechtsgrundlage ab. Es ging davon aus, dass der Verpflichtete (letztendlich) nur die Einstellung und die Anmerkung der Aufschiebung im Grundbuch (nicht aber eine Aufschiebung selbst) begehrt habe.

Im dagegen erhobenen Rekurs rügt der Verpflichtete, dass das Erstgericht nicht über die Aufschiebung entschieden hätte. Die Anträge seien in der Klage und im Schriftsatz vom 14. Juni 2019 eindeutig.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht zu AZ 4 R 168/19h dem Rechtsmittel des Verpflichteten nicht Folge und sprach unter Bezugnahme auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei (ON 63). Das Rekursgericht ging zum Aufschiebungsantrag davon aus, dass die Ergänzung einer unterlassenen Entscheidung im Rechtsmittel gerügt werden könne. Inhaltlich kam es mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass das Verfahren aber nicht aufzuschieben sei. Im Übrigen erachtete es die Rechtsansicht des Erstgerichts für zutreffend.

Auch gegen diesen Beschluss erhebt der Verpflichtete „außerordentlichen“ Revisionsrekurs bzw „Rekurs analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO“.

Dazu war zu erwägen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei der Frage der Konformatssperre die Zulässigkeit der Anfechtung von Teilen einer Entscheidung ohne inneren Zusammenhang jeweils getrennt zu beurteilen. Eine teilweise bestätigende Entscheidung ist nur dann zur Gänze anfechtbar, wenn der bestätigende und der nicht bestätigende Teil in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert werden können und deshalb die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann. Stehen – wie hier – die Anträge, über die vom Rekursgericht entschieden wurde, hingegen nicht in einem derartigen Zusammenhang, sondern kann jeder für sich ein eigenes Schicksal haben, dann ist die Anfechtbarkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung für jeden Antrag gesondert zu beurteilen (vgl 3 Ob 21/17k mwN; RS0044191; RS0044257).

Zur Einstellung und bücherlichen Anmerkung liegen jeweils voll bestätigende Entscheidungen vor, weshalb insoweit der Revisionsrekurs nach § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zurückzuweisen ist.

Hinsichtlich der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag steht dem Rechtsmittel des Verpflichteten die Konformatssperre aber nicht entgegen. Das Erstgericht ging davon aus, dass der Verpflichtete gar keinen Aufschiebungsantrag gestellt habe. Das Rekursgericht setzte sich in der Rekursentscheidung aber mit der Frage der Aufschiebung erstmals inhaltlich auseinander. Damit liegen zur Aufschiebung keine übereinstimmenden Entscheidungen der Vorsinstanzen vor, der erstgerichtliche Beschluss wurde vom Rekursgericht in diesem Umfang nicht zur Gänze bestätigt, sodass eine Zurückweisung des Rechtsmittels wegen § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht in Betracht kommt.

Im Anlassfall übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht 30.000 EUR (vgl RS0121365). Das Erstgericht wird daher den Akt dem Rekursgericht, das offenbar von einer generellen Unanfechtbarkeit des von ihm gefassten Beschlusses ausgegangen ist, vorzulegen haben. Dieses wird den erforderlichen Ausspruch (§ 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO), ob der ordentliche Revisionsrekurs wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO zulässig ist, zu ergänzen haben.

Verneint das Rekursgericht in diesem zu ergänzenden Ausspruch die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses, steht der betreibenden Partei die Möglichkeit offen, einen Abänderungsantrag gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 ZPO und § 78 EO zu stellen, wobei es der Beurteilung des Rekursgerichts obläge, ob das von der Betreibenden bereits erhobene Rechtsmittel einen entsprechenden Abänderungsantrag enthält.

Erklärt das Rekursgericht hingegen den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, wird der bereits erhobene Revisionsrekurs des Verpflichteten erneut vorzulegen sein.

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