OGH 3Ob23/11w

OGH3Ob23/11w13.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin E*****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei DI Markus R*****, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2010, GZ 4 R 364/10y-15, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 24. August 2010, GZ 2 C 1653/09g-11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 489,70 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 81,62 EUR an USt) und die mit 521,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 56,14 EUR an USt und 185 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist staatlich befugter und beeideter Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen und Geometer. Er verwendet für die Durchführung von Vermessungsarbeiten ein mit einer auf diese Tätigkeit hinweisenden Aufschrift versehenes Fahrzeug und war mit der Durchführung einer Zusatzvermessung für die Erstellung einer Studie für einen Fußgängerübergang an einer Kreuzung in einer Tiroler Stadtgemeinde beauftragt. Am 28. September 2009 suchte der Beklagte mit zwei Mitarbeitern diese Kreuzung auf, um Vorbereitungen für die am folgenden Tag geplante Vermessung durchzuführen. Einer der Mitarbeiter lenkte das erwähnte Fahrzeug von der öffentlichen Straße auf das Grundstück des Klägers und stellte es dort im freien Bereich ab. Daraufhin beauftragte der Beklagte einen Mitarbeiter mit der Erkundung des südlich liegenden Einschaltpunkts 82107-147, während er sich selbst mit dem anderen Mitarbeiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Aufnahmegebiet ansah und eine Feldskizze anzufertigen begann.

Das Grundstück des Klägers ist teilweise asphaltiert und geschottert. Es grenzt im Norden unmittelbar an die öffentliche Straße an und wird vom Kläger zum Abstellen eines Busses benutzt. Von der Studie war das Grundstück des Klägers betroffen, weil vorgeschlagen wurde, in dessen Randbereich eine Bushaltestelle und einen Gehsteig zu errichten. Südwestlich des Grundstücks des Klägers befindet sich das Grundstück Nr 311/7, auf dem der Vermessungspunkt 82107-147 (Zwillingspunkt) liegt, der den nächsten Fixpunkt zur gegenständlichen Kreuzung bildet, anhand dessen die Vermessung erfolgte. Das Grundstück Nr 311/7 ist über das Grundstück des Klägers von der öffentlichen Straße aus erreichbar.

Nach etwa 5 bis 10 Minuten bemerkte der Kläger das abgestellte Fahrzeug des Beklagten und einen seiner Mitarbeiter, der ihm über Befragen mitteilte, er sei beim Vermessen und suche Fixpunkte. Der Kläger forderte ihn daraufhin auf, sein Grundstück zu verlassen und den PKW zu entfernen, was umgehend geschah.

Zum Auffinden eines Fixpunktes benötigt man gegebenenfalls einen Pickel, eine Schaufel oder auch einen Metallsucher; welche Gegenstände am 28. September 2009 dafür tatsächlich benötigt wurden, ist nicht feststellbar. Ein Theodolit kam erst am folgenden Tag zum Einsatz, an dem die beauftragte Zusatzvermessung fertiggestellt wurde.

Für die Tätigkeit des Beklagten am 28. und 29. September 2009 wurde kein Antrag gemäß § 58 Abs 2 TirStraßenG gestellt.

Der Kläger begehrt wegen unberechtigten Eingriffs in sein Eigentumsrecht die Verpflichtung des Beklagten, dafür Sorge zu tragen, dass seine Mitarbeiter in Hinkunft das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Grundstück des Klägers unterlassen. Die Behauptung des Beklagten, es seien Skizzen und Fotos angefertigt sowie die Umgebung erkundet worden, nehme der Kläger zur Kenntnis, vermessungstechnische Arbeiten seien jedoch jedenfalls nicht durchgeführt worden, weshalb § 43 VermG nicht zur Anwendung kommen könne. Eine Bekanntmachung nach § 58 TirStraßenG sei nie erfolgt. Keine der beiden Bestimmungen erlaube ihrem Wortlaut nach das Abstellen eines Fahrzeugs, das ohne zu fragen und nur aus Bequemlichkeit am Grund des Klägers erfolgt sei. Das bilde aber keinen tauglichen Rechtsgrund für einen Eingriff in das Eigentum des Klägers.

Der Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil nach § 58 Abs 3 TirStraßenG die Verwaltungsbehörde über die Zulässigkeit von Vermessungsarbeiten entscheide.

Er bestritt auch die Rechtswidrigkeit des Abstellens. Er habe im Auftrag der Stadtgemeinde als Straßenverwalter notwendige Vorarbeiten für vermessungstechnische Arbeiten (Erkundung des amtlichen Festpunktfelds) durchgeführt. Da sich ein maßgeblicher Fixpunkt am Grund des Klägers befinde, sei er gezwungen gewesen, dessen Liegenschaft in Anspruch zu nehmen. Beim Grundstück des Klägers handle es sich um eine asphaltierte, damals freie Parkfläche, eine Wirtschaftserschwernis für das Grundstück des Klägers habe nicht bestanden. Sowohl nach § 58 Abs 1 TirStraßenG als auch nach § 43 Abs 1 Z 1 VermG sei es dem Beklagten und seinen Mitarbeitern gestattet, das Grundstück des Klägers zu betreten und zu befahren; das Wort „befahren“ sei so zu verstehen, dass der Vermessungsingenieur mit einem Fahrzeug nicht nur zufahren, sondern auch seine Gerätschaften vor Ort bringen und das Fahrzeug auch abstellen könne. Das verwendete Betriebsfahrzeug sei als Vermessungsfahrzeug gekennzeichnet und diene zum Transport der Vermessungsausrüstung. Auch für eine Legalservitut müsse die vom Kläger zugestandene bequemere Nutzung des herrschenden Guts reichen. Selbst wenn ein Mitarbeiter des Beklagten auf der anderen Straßenseite gewesen wäre, sei das Abstellen am Grund des Klägers gerechtfertigt gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es sei dem Beklagten gemäß § 43 Abs 1 Z 1 VermG erlaubt gewesen, das Grundstück des Klägers zu befahren. Da der Zweck des Befahrens in der Durchführung von Vermessungsarbeiten liege, sei von diesem Begriff - soweit es wie hier die Bewirtschaftungsverhältnisse erlaubten - auch das Abstellen während der Vermessungsarbeiten umfasst, weil ein Befahren im Sinne eines „Durchfahrens“ keinen Sinn ergebe.

Der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht Folge und dem Klagebegehren statt. Wegen der im VermG vorgenommenen abschließenden Regelung der damit angeordneten Befugnisse des betroffenen Personenkreises sei nur § 43 Abs 1 VermG maßgeblich. Damit sei eine als Legalservitut bezeichnete Eigentumsbeschränkung privatrechtlicher Natur begründet, die dem Berechtigten die Sacheinwendung gegen die Eigentumsfreiheitsklage gewähre. § 43 Abs 1 VermG stelle eine gesetzliche Erlaubnis und somit einen Rechtfertigungsgrund dar, der die Eigenmacht des Eingreifenden ausschließe. Die Berechtigung zum Befahren fremder Grundstücke berechtige zwar auch zum (kurzfristigen) Anhalten, Aussteigen und Ausladen, nicht jedoch zum Abstellen eines Fahrzeugs für die Dauer von mindestens 5 bis 10 Minuten ohne zwingende Notwendigkeit. Auch im allgemeinen Dienstbarkeitsrecht herrsche der Grundsatz, dass Servituten unter möglichster Schonung des dienenden Grundstücks ausgeübt werden müssen (§ 484 ABGB). Dass das Abstellen aber unbedingt notwendig gewesen sei, um die konkreten vermessungstechnischen Arbeiten (Aufsuchen eines Fixpunktes; Anfertigen einer Feldskizze) überhaupt durchführen zu können, sei vom Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand - anders als der Kläger - mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend. Der vorliegende Rechtsstreit gehe in seiner Bedeutung über typische Eigentumsfreiheitsklagen im Zusammenhang mit dem Abstellen von Kraftfahrzeugen hinaus, weil er für den gesamten Berufsstand der Vermesser von Bedeutung sei. Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 43 Abs 1 Z 1 VermG vorliege.

Dagegen richtet sich die ordentliche Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht.

Der Kläger tritt dem in seiner Revisionsbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Zum einen besteht nämlich - entgegen der Ansicht des Revisionsgegners - keine Bindung des Berufungsgerichts an die Bewertung nach § 56 Abs 2 JN durch den Kläger von 1.500 EUR (RIS-Justiz RS0043252 [T1]), wohl aber eine Bindung des Obersten Gerichtshofs an jene des Berufungsgerichts, da eine offenkundige Überbewertung nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0043252 [T2]; RS0118748; RS0042515); zum anderen fehlt Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der mit § 43 Abs 1 VermG eingeräumten Legalservitut des Betretens und Befahrens. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1.1. Der Beklagte macht die Nichtigkeit des Berufungsurteils (gemeint: nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs unter Hinweis auf § 58 Abs 3 TirStraßenG geltend. Zutreffend weist er auch darauf hin, dass sich die Vorinstanzen mit seinem entsprechenden, schon in erster Instanz erhobenen Einwand mit keinem Wort auseinandersetzten. Da die bloß implizite Bejahung der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs (nur) durch meritorische Behandlung des Begehrens nicht für die Annahme einer Entscheidung mit bindender Wirkung nach § 42 Abs 3 JN ausreicht (RIS-Justiz RS0046249 [T7] = 7 Ob 110/08i; RS0039811 [T2]), ist dem Obersten Gerichtshof die nunmehrige Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht verwehrt.

§ 58 TirStraßenG („Benützung fremder Grundstücke für Vorarbeiten“) lautet ua:

„(1) Die Organe und die sonstigen Beauftragten des Straßenverwalters sind berechtigt, zur Durchführung von Vorarbeiten für die Planung einer Straße Grundstücke zu betreten und zu befahren sowie auf diesen die erforderlichen Vermessungen, Geländeaufnahmen, [...] und sonstigen technischen Vorarbeiten durchzuführen, […] soweit dies für die zweckmäßige Durchführung der Vorarbeiten unbedingt erforderlich ist, und die erforderlichen Vermessungszeichen anzubringen.

(2) Die Organe und die sonstigen Beauftragten des Straßenverwalters haben die Vorarbeiten so durchzuführen, dass die Interessen der Eigentümer der betroffenen Grundstücke bzw. der sonst hierüber Verfügungsberechtigten so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Die beabsichtigte Durchführung von Vorarbeiten ist mindestens zwei Wochen vorher durch öffentlichen Anschlag und in sonst ortsüblicher Weise in der Gemeinde bekanntzumachen. [...]

(3) Die Eigentümer der betroffenen Grundstücke bzw. die sonst hierüber Verfügungsberechtigten haben die Benützung der Grundstücke durch die Organe und die sonstigen Beauftragten des Straßenverwalters zu den im Abs. 1 genannten Zwecken zu dulden. Über die Zulässigkeit einzelner Vorarbeiten entscheidet auf Antrag des Straßenverwalters oder des Eigentümers des betroffenen Grundstückes bzw. des sonst hierüber Verfügungsberechtigten die Behörde. [...]“

1.2. Maßgebend für die Zulässigkeit des Rechtswegs sind Klagebegehren und Klagebehauptungen sowie die Natur des erhobenen Anspruchs (RIS-Justiz RS0045584, RS0045718, RS0005896, RS0045539). Seine inhaltliche Berechtigung ist unerheblich; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (RIS-Justiz RS0045491).

Mit der Eigentumsfreiheitsklage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, falls sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind; die Rechtsnatur der Einwendung ist unerheblich (RIS-Justiz RS0012079, RS0045584). Ebenso wenig schadet es, dass derselbe Sachverhalt Gegenstand sowohl eines gerichtlichen als auch eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens sein kann (RIS-Justiz RS0045497). Die Entscheidungsbefugnis des Zivilgerichts wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass Vorfragen geprüft werden müssen, zu deren selbständiger Entscheidung nicht die Zivilgerichte zuständig sind. Nur dort, wo das Gesetz ausdrücklich auch die Entscheidung über eine solche Vorfrage verwehrt, muss die Entscheidung der zuständigen Behörde eingeholt werden (RIS-Justiz RS0045567). Soll von der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über bürgerliche Rechtssachen (§ 1 JN) eine Ausnahme geschaffen werden, muss sie in dem hiefür erforderlichen „besonderen Gesetz“ klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0045474).

1.3. Da die zitierte landesgesetzliche Bestimmung eine Entscheidung über die Zulässigkeit einzelner Maßnahmen durch die Gerichte als Vorfrage (ob ein rechtswidriger Eingriff des Beklagten in das Eigentumsrecht des Klägers vorliegt) in keiner Weise ausschließt, steht sie der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs für die Prüfung des vom Kläger zweifelsfrei erhobenen privatrechtlichen Anspruchs nicht im Weg. Abgesehen davon zielt § 58 Abs 3 TirStraßenG (wegen der vorgesehenen Bekanntmachungspflicht) erkennbar darauf ab, vorweg Streitigkeiten über die Zulässigkeit ganz konkret geplanter Vorarbeiten für die Planung einer Straße im Verwaltungsweg klären zu lassen; dem gegenüber strebt der Kläger als Folge eines (seiner Ansicht nach) bereits geschehenen rechtswidrigen Eigentumseingriffs die allgemeine Verpflichtung des Beklagten an, für alle Zukunft gleichartige Störungen zu unterlassen. Daher unterscheiden sich auch die Rechtsschutzziele der beiden Verfahren.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO liegt nicht vor.

2. § 43 VermG ist eine Bestimmung eines Bundesgesetzes, § 58 TirStraßenG eine des Landesrechts. Mangels Identität der Rechtssetzungszuständigkeit kommt daher eine Derogation eines Bundesgesetzes durch ein Landesgesetz und umgekehrt nicht in Betracht (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht³ Rz 521). Daher bestehen beide Vorschriften nebeneinander und es steht dem Beklagten frei, sich auf jede von ihnen zu berufen.

3.1. Die Norm des § 43 VermG mit der Überschrift „Sonderbestimmungen für Vermessungsbefugte“ lautet ua:

„(1) Die Organe und Beauftragten der in § 1 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 sowie Abs. 2 des Liegenschaftsteilungsgesetzes [...] bezeichneten Personen oder Dienststellen sind unbeschadet der Vorschriften […] befugt, zur Durchführung ihrer vermessungstechnischen Arbeiten

1. jedes Grundstück mit Ausnahme der darauf errichteten Gebäude zu betreten und, soweit es die Bewirtschaftungsverhältnisse erlauben, zu befahren,

2. einzelne, die Vermessungsarbeiten hindernde Bäume, Sträucher und sonstige Pflanzen im notwendigen Umfang zu beseitigen und

3. alle erforderlichen Vermessungszeichen vorübergehend und Grenzzeichen anzubringen.

(2) Bei Ausübung der Befugnisse nach Abs. 1 sind Beeinträchtigungen der Ausübung von Rechten an den Grundstücken soweit wie möglich zu vermeiden.“

Im § 1 Abs 1 Z 1 LiegTeilG sind die Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen erwähnt.

Die genannte Bestimmung des VermG stellt eine sogenannte Legalservitut im Sinn des § 364 Abs 1 ABGB dar (Twaroch, Kataster- und Vermessungsrecht § 43 VermG Anm 5 und § 4 VermG Anm 4; Kaluza/Burtscher, Das österreichische Vermessungsrecht³ § 4 VermG Anm 1; LG St. Pölten 21 R 19/07p = RSP0000060), also eine Eigentumsbeschränkung privatrechtlicher Natur, die einer dinglichen Verpflichtung gleichzusetzen ist und dem Berechtigten die Sacheinwendung gegen die Eigentumsfreiheitsklage gewährt (RIS-Justiz RS0011505; Memmer in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 472 Rz 21; Hofmann in Rummel³, § 472 Rz 1). Deren Verfassungskonformität wird - angesichts des bestehenden öffentlichen Interesses an einem effizienten Vermessungswesen und der wegen der vorgesehenen Einschränkungen zu bejahenden Verhältnismäßigkeit zu Recht (vgl Mayer, B-VG4 Art 5 StGG Anm II.2 und III.3; LG für ZRS Wien 36 R 170/06a = VGI 1/2008) - weder von den Vorinstanzen noch von den Parteien bezweifelt, sodass darauf nicht näher eingegangen werden braucht.

3.2. Inhaltlich ist zwischen den eingeräumten Rechten (einschließlich deren Voraussetzungen) nach § 43 Abs 1 VermG und den Vorgaben für deren Ausübung gemäß § 43 Abs 2 VermG zu unterscheiden.

3.2.1. Zunächst wird Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen und deren Mitarbeitern (arg „Beauftragte“) ua gestattet, jedes Grundstück (ausgenommen Gebäude) zur Durchführung ihrer vermessungstechnischen Arbeiten zu betreten und auch zu befahren, letzteres nur wenn es die Bewirtschaftungsverhältnisse erlauben. Vor dem Hintergrund, dass Vermessungen grundsätzlich in der Natur und - aus der Sicht des Vermessers - regelmäßig auf fremden Grund stattfinden müssen, dient die Bestimmung erkennbar der Sicherung der reibungslosen und raschen Abwicklung von Vermessungsarbeiten, ohne von jedem einzelnen betroffenen Grundeigentümer oder sonst Berechtigten zuvor eine Zustimmung einholen zu müssen.

Das Geh- und Fahrrecht darf „zur Durchführung“ vermessungstechnischer Arbeiten ausgeübt werden, wobei der damit geforderte Zusammenhang nicht näher klargestellt wird. Mit Rücksicht auf die schon erwähnte Absicht der Rechtseinräumung und darauf, dass jedenfalls mit dem Betreten, aber auch mit dem nur entsprechend den Bewirtschaftungsverhältnissen zulässigen Befahren ohnehin nur geringfügige Eingriffe in fremdes Eigentum verbunden sind, ist als Voraussetzung zu fordern, dass die Rechtsausübung für die zweckmäßige Durchführung der Vermessungsarbeiten erforderlich ist (vgl den Text des § 58 Abs 3 TirStraßenG mit sehr ähnlichem Regelungsgehalt). Damit ist zum einen ein strenger Maßstab zur Beurteilung der Notwendigkeit anzulegen, der unnötige Eigentumseingriffe verhindert; zum anderen wird aber für die konkrete Ausführung der Arbeiten dennoch ein gewisser Spielraum eingeräumt, der es zulässt, auch legitime Interessen des Vermessenden, zB Aspekte der Zeitersparnis, zu berücksichtigen. Das betrifft vor allem den Einsatz von Fahrzeugen, weil damit die raschere Erreichbarkeit der jeweiligen Arbeitsorte und die Möglichkeit gesichert ist, damit auch nur allenfalls benötigte Werkzeuge und Geräte (zB zum Beseitigen von Bäumen etc, zur Anbringung von Vermessungs- und Grenzzeichen, aber auch zur - hier thematisierten - Auffindung von einzubeziehenden Vermessungspunkten) ständig vor Ort zur Verfügung zu haben - ohnehin nur soweit es die Benützungsverhältnisse erlauben. Ein Zusammenhang, dass das benutzte Grundstück von den Vermessungsarbeiten betroffen sein muss, wird vom Gesetz nicht gefordert.

Wie schon das Erstgericht zutreffend dargelegt hat, ist vom Begriff „Befahren“ auch das Anhalten, Aussteigen und Ausladen, aber auch das Abstellen des Fahrzeugs während der (möglicherweise auch länger dauernden) Durchführung der Vermessungsarbeiten umfasst, weil andernfalls eine Ausübung der eingeräumten Legalservitut entsprechend der dahinter stehenden Absicht gar nicht sinnvoll möglich wäre. Da somit eine teleologische Auslegung ausreichende Klarheit über die Bedeutung des Begriffs „Befahren“ schafft, liegt keine planwidrige Unvollständigkeit des § 43 VermG vor, weshalb sich eine in der Revisionsbeantwortung als unzulässig beanstandete Lückenfüllung erübrigt.

Die - wegen der von Fahrzeugen gegenüber Fußgängern vermehrt ausgehenden negativen Auswirkungen - nachvollziehbare Einschränkung des Fahrrechts „soweit es die Benützungsverhältnisse erlauben“ bedeutet, dass das Befahren im soeben erläuterten Sinn nur zulässig ist, wenn dadurch weder Beeinträchtigungen (zB Verstellen einer Garagenausfahrt) noch Schäden (zB Zerstörung des Bodenbewuchses) entstehen (vgl Twaroch, aaO § 4 VermG Anm 6; Kaluza/Burtscher, aaO § 4 VermG Anm 7), was eine Bedachtnahme auf die Bodenverhältnisse und sonstigen Umstände in der Umgebung erfordert.

Da kein Grund ersichtlich ist, in der Natur, wenn auch ohne aufwändige technische Ausstattung auszuführende, jedoch notwendige Vorarbeiten für die „eigentliche“ Vermessungstätigkeit unter Verwendung technischer Geräte (zB eines Theodoliten) anders zu behandeln, fallen auch diese unter den Begriff der „vermessungstechnischen Arbeiten“. Darauf, ob sämtliche Arbeiten in einem Zug oder getrennt an verschiedenen Tagen bewerkstelligt werden, kommt es nicht an.

§ 43 Abs 1 VermG räumt daher einem Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen und dessen Mitarbeitern ua das Recht ein, bei (Vor-)Arbeiten für Vermessungen fremden Grund zu betreten und zu befahren, wenn dies für deren zweckmäßige Durchführung unbedingt erforderlich ist; dabei darf ein Fahrzeug auch abgestellt werden. Durch die Verwendung des Fahrzeugs dürfen aber keine Beeinträchtigungen oder Schäden des Grundeigentümers entstehen. Wegen des verlangten Zusammenhangs zwischen der Zulässigkeit des Befahrens fremden Grundes und den vorzunehmenden Arbeiten erweist sich der Vorwurf der Revisionsbeantwortung, die hier vorgenommene Auslegung bedeute eine (unsachliche) Privilegierung der Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen bei der Parkplatzsuche, als haltlos.

3.2.2. Im Sinn eines (auch sonst im Zivilrecht anerkannten [§ 484 ABGB]) Grundsatzes, die Legalservitut möglichst schonend auszuüben, sieht § 43 Abs 2 VermG vor, dass Beeinträchtigungen der Ausübung von Rechten (also auch des Eigentumsrechts) an den Grundstücken soweit wie möglich zu vermeiden sind. Da Bewirtschaftungsverhältnisse die Ausübung des Fahrrechts schon von vornherein unzulässig machen können, bezieht sich diese Bestimmung im gegebenen Zusammenhang primär auf das (keinen Gegenstand der Unterlassungsklage bildenden) Betreten fremder Grundstücke. Sie verlangt, die Belastung daraus so gering zu halten, wie dies der Zweck der Dienstbarkeit gerade noch erlaubt (vgl Memmer aaO § 484 Rz 3).

3.3. Auf den festgestellten Sachverhalt angewandt, bedeutet dieses Auslegungsergebnis Folgendes:

Die am 28. September 2009 vom Beklagten und seinen Mitarbeitern vorgenommenen Vorarbeiten für die Vermessung am folgenden Tag (Erkundung eines zu berücksichtigenden Fixpunktes und des Aufnahmegebiets sowie Anfertigung einer Feldskizze davon) fielen in den Anwendungsbereich des § 43 Abs 1 VermG. Nach den Feststellungen benötigt man zum Aufsuchen eines Fixpunktes gegebenenfalls einen Pickel, eine Schaufel oder auch einen Metallsucher, sodass es notwendig war, diese dabei zur Verfügung zu haben. Dass im vom Beklagten benutzten, als solches erkennbaren Betriebsfahrzeug für die Ausübung seiner Tätigkeit nötige Ausrüstung transportiert wird, wurde vom Beklagten behauptet (S 3 ON 3) und blieb vom Kläger unbestritten. Es ist daher davon auszugehen, dass sich auch die genannten, für das Auffinden eines Fixpunktes allenfalls erforderlichen Werkzeuge, am 28. September 2009 im Fahrzeug befanden. Seine Annäherung an den zu erkundenden Fixpunkt war daher nicht nur notwendig, sondern zweifellos auch zweckmäßig, um für den Fall des Bedarfs der Werkzeuge rasch darauf zurückgreifen zu können und auch den Aufenthalt am fremden Grund möglichst kurz zu halten. Ob die genannten Werkzeuge tatsächlich zum Auffinden des Fixpunktes benötigt wurden, was nicht festgestellt werden konnte, ist für diese Beurteilung unerheblich. Das gilt auch für den Umstand, dass im nahen Kreuzungsbereich weitere Vorarbeiten für die Vermessung auf anderen Grundstücken, die nicht im Eigentum des Klägers standen, vorgenommen wurden.

Das Abstellen des Fahrzeugs des Beklagten am Grundstück des Klägers im Nahbereich des zu erkundenden Fixpunktes war daher zur zweckmäßigen Durchführung der beauftragten Vermessungsarbeiten notwendig. Eine dadurch verursachte Beeinträchtigung (der Nutzung) oder Schädigung (des Bodens) der befestigten Grundfläche des Klägers wurde weder vom Kläger behauptet noch festgestellt; Derartiges war für den Beklagten auch nicht absehbar. Das Verbleiben des Fahrzeugs für längstens zehn Minuten während der Ausführung von Vermessungsvorarbeiten hielt sich jedenfalls im Rahmen der durch § 43 Abs 1 VermG dem Beklagten eingeräumten Legalservitut. Seine darauf gestützte Sacheinwendung gegen die Eigentumsfreiheitsklage ist berechtigt.

5. Es erübrigt sich daher, auf die weiteren Argumente der Revision einzugehen, weil ihr schon aus den dargelegten Gründen Folge zu geben und das Ersturteil wieder herzustellen war.

Damit blieb der Beklagte sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren erfolgreich und hat deshalb nach den §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf die Kosten seiner Rechtsmittelschriften. Die Bemessungsgrundlage beträgt aber für beide nur 1.500 EUR (§ 4 RATG).

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