European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00018.21Z.0624.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte mit Haupt- und Eventualbegehren sinngemäß und zusammengefasst, den Beklagten schuldig zu erkennen, ob eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks in die Einverleibung der Dienstbarkeit des unbeschränkten Geh- und Fahrrechts sowie der Führung und Erhaltung eines Abwasserkanals und von Versorgungsleitungen aller Art zugunsten näher bezeichneter, im Eigentum der Klägerin stehender Grundstücke einzuwilligen, und zwar in einem Ausmaß, das zur Bebauung ihrer Grundstücke mit 16 Wohneinheiten und als Zu- und Abfahrt in eine Tiefgarage mit 22 (in eventu 16) Kfz‑Abstellplätzen geeignet ist.
[2] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Klägerin zeigt in ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf:
[4] 1. Das Ausmaß einer Dienstbarkeit, also der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse, richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720). Fragen des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und stellen in der Regel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0011664 [T11]; vgl RS0011720 [T7]).
[5] 2.1 Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, die strittige Dienstbarkeit sei durch eine „schlüssig zustande gekommene Vereinbarung“ begründet worden und die vom Berufungsgericht für entbehrlich erachtete Feststellung über eine vertragliche Einräumung von Wege- und Versorgungsleitungsrechten im Jahr 1961 sei daher sehr wohl von Bedeutung.
[6] 2.2 Das Berufungsgericht hat sich auch mit dieser Frage befasst und darauf hingewiesen, dass sich aus allen von der Klägerin dazu in Anspruch genommenen Beweismitteln keine konkreten Hinweise auf eine schlüssige oder ausdrückliche mündliche Vereinbarung über den Umfang der Dienstbarkeit ableiten ließen. Die Klägerin vermag sich auch in ihrer Revision für eine schlüssige Vereinbarung nur auf den „Kaufvertrag aus dem Jahre 1961 … in der Zusammenschau mit einer lebensnahen Betrachtung der Verhältnisse/Situation“ zu stützen. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage, insbesondere der im Vertrag gerade nicht geregelten Zufahrt in einer Gegend mit Einfamilienhäusern, nicht – wie von der Klägerin angestrebt – einen Dienstbarkeitsumfang angenommen hat, der „zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form beschränkt“ sein sollte, dann liegt darin keine Verkennung der typisch einzelfallbezogenen Auslegungsregeln betreffend ein allenfalls schlüssiges Verhalten (vgl RS0042936).
[7] 3. Da Ausmaß und Umfang der der Berechtigten zustehenden Befugnisse nicht eindeutig begrenzt sind, ist das Berufungsgericht von einer ungemessenen Servitut ausgegangen (vgl RS0011741; RS0011752 [T2]), was auch die Klägerin nicht beanstandet. Es entspricht dann gesicherter Rechtsprechung, dass bei ungemessenen Dienstbarkeiten nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis innerhalb der Schranken aufgrund des ursprünglichen Bestands und der ursprünglichen (RS0097856 [T8]; RS0011691 [T13]; RS0016368 [T1 und T13]; RS0011720 [T15]) oder der vorhersehbaren Bewirtschaftungsart (1 Ob 144/07v = RS0016368 [T11] = RS0016364 [T4]) maßgebend ist (8 Ob 114/18z). Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang.
[8] Zu einzelnen Aspekten der vorhersehbaren Bewirtschaftung hat das Berufungsgericht – in der Revision nicht beanstandet – unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen angenommen. Eine über die besonderen und vom Berufungsgericht im Detail gewürdigten Umstände des Einzelfalls hinaus bedeutende Rechtsfrage zeigt die Klägerin nicht auf und sie vermag auch keine höchstgerichtliche Entscheidung ins Treffen zu führen, die bei einem vergleichbaren Sachverhalt zu einem abweichenden Ergebnis gekommen wäre. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt daher auch insofern nicht vor.
[9] 4. Das Berufungsgericht ist von der Rechtsprechung ausgegangen, dass eine nur beschränkt zuerkannte Dienstbarkeit der beanspruchten gegenüber ein aliud darstellen und in einem solchen Fall das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen sein kann (RS0041040). Diese Frage hängt im Anlassfall von der Auslegung des Prozessvorbringens ab. Die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen bildet aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042828 [insb T3 und T16]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstößt (RS0042828 [T7 und T11]); Diese Voraussetzungen zeigt die Klägerin nicht auf. Auch eine Verletzung der Anleitungspflicht (§ 182a ZPO) lag in diesem Zusammenhang nicht vor, war doch gerade der vom Beklagten eingeschränkt (auf die Nutzung für ein Einfamilienhaus) zugestandene und der von der Klägerin weitergehend angestrebte Umfang der Dienstbarkeit das zentrale Thema des gesamten Verfahrens.
[10] 5. Die Klägerin zeigt damit insgesamt die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen.
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