OGH 1Ob144/07v

OGH1Ob144/07v22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1. Milan C*****, und 2. Kata C*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte und widerklagende Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Sonja Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert EUR 12.500) sowie EUR 4.000 sA bzw Beseitigung (Streitwert EUR 16.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden und widerbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. April 2007, GZ 2 R 43/07x-47, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 19. Dezember 2006, GZ 7 Cg 9/05k-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit (in der Folge verbüchertem) Servitutsbestellungs-Vertrag vom 12. 12. 1884 räumte der Eigentümer der Liegenschaft EZ 151 KG R***** den Eigentümern der Liegenschaft EZ 159 derselben KG das Recht ein, über eine Brücke sowie den daran anschließenden, auf der Wiesenparzelle Nr 703/2 befindlichen Weg zu gehen und zu fahren, wofür ein Entgelt von 200 Gulden entrichtet wurde. Im Vertrag wurde unter anderem festgelegt:

„Diese Bewilligung zur Benützung der oben bezeichneten Brücke und des Weges erstreckt sich naturgemäß nicht bloß auf die Eigentümer der Realität EZ 159, sondern auf diejenigen Personen, welche auf dieser Realität bzw in der darauf zu erbauenden Villa überhaupt zu verkehren haben."

Die mit der Erhaltung des Fahrwegs und der Zufahrtsbrücke verbundenen Kosten sind vertragsgemäß von den Eigentümern der beiden Liegenschaften „gemeinschaftlich zu gleichen Teilen" zu bestreiten, außer im in Abs 5 des Vertrags vorgesehenen Fall. Dieser Absatz lautet folgendermaßen:

„Sollte auf dem zur Realität EZ 159 gehörigen Grund und Boden eine zweite Villa oder überhaupt ein größeres Gebäude (Wohnung, Stallung oder dergleichen) erbaut werden, so ist die außergewöhnliche, durch die in einem solchen Fall notwendige Materialzufuhr verursachte Abnützung der beiden Fahrwege und der Brücke nicht auf gemeinschaftliche Kosten zu beseitigen, sondern trifft der zur Wiederherstellung der Brücke und der Fahrwege erforderliche Aufwand die Eigentümer der Realität EZ 159 alleine."

Bis 1962 wurde die Villa auf der herrschenden Liegenschaft von drei Parteien bewohnt, die jedoch keinen PKW besaßen. Der Servitutsweg war 1962 ein unbefestigter Wiesenweg. Später wurde in der (entsprechend adaptierten) Villa ein Sanatorium betrieben, wobei auch der Servitutsweg asphaltiert wurde. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde das Sanatorium weiter ausgebaut und hatte zuletzt eine Kapazität von 45 Betten. Im Jahr 2000 erwarb die Beklagte diese Liegenschaft und baute die Villa zu einem Wohnhaus mit 19 Mietwohnungen um, wobei auch zahlreiche PKW-Abstellplätze errichtet wurden. Jedenfalls seit der Besiedelung dieser Wohnanlage findet ein reger PKW-Verkehr über das dienende Grundstück statt.

Die Kläger erwarben im Jahr 1999 die Liegenschaft EZ 276 der genannten Katastralgemeinde, die unmittelbar an das dienende Grundstück angrenzt. Die im Servitutsbestellungsvertrag als dienendes Grundstück bezeichnete Wiesenparzelle Nr 703/2 war mehrfach geteilt worden und wurde zuletzt als Weggrundstück Nr 703/18 von den Klägern mit Kaufvertrag vom 29. 7. 2003 erworben. Im Kaufvertrag wurde auf die bestehende Dienstbarkeit hingewiesen. Im Jahr 2003 errichtete das Land Steiermark anschließend an den Servitutsweg anstelle der bisherigen Brücke eine neue. Zu diesem Zeitpunkt war ein von der Voreigentümerin der EZ 276 auf einem gemauerten Sockel errichteter Zaun vorhanden. Da die Brücke gegenüber dem Vorzustand angehoben wurde, wurde eine neue Stützmauer zwischen der über die Brücke führenden Straße und dem Wohnhaus der Kläger errichtet. Dabei veranlasste der Erstkläger die Herstellung eines Betonsockels auf dem Grundstück Nr 703/18, der das Abbiegen in den Servitutsweg erschwert. Die Kläger begehrten primär die Feststellung, dass die einverleibte Dienstbarkeit für die Dienstbarkeitsberechtigten die Befahrung dieses Wegs mit höchstens fünf Fahrzeugen pro Tag und nur in der derzeit bestehenden Fahrbahnbreite gestatte, sowie den Ausspruch der Verpflichtung der Beklagten, es zu unterlassen, den Weg auch in Zukunft durch mehr als fünf Fahrzeuge pro Tag oder über die derzeit bestehende Fahrbahnbreite hinaus zu befahren oder befahren zu lassen, weiters die Zahlung von EUR 4.000. Daneben stellten sie mehrere Eventualbegehren. Die bestehende Dienstbarkeit sei sowohl in der Anzahl der Fahrten als auch in der in Anspruch genommenen Breite unzulässig erweitert worden. Der Zufahrtsweg sei anfänglich nur durch Fuhrwerke, später täglich ca zweimal mit PKW befahren worden. Die Errichtung von beliebigen Gebäuden sei im Dienstbarkeitsbestellungsvertrag nicht vorgesehen gewesen. Die eingeräumte Servitut decke maximal den Fahrzeugverkehr zu zwei Villen. Durch die vorgenommene Nutzungsänderung des herrschenden Grundstücks dürften die Kläger nicht zusätzlich belastet werden. Eine konkludente Zustimmung zur gewerblichen Nutzung sei nicht erfolgt und könne die Kläger auch nicht binden. Vom begehrten Schadenersatzbetrag entfielen EUR 1.000 auf die Minderung des Wohnwerts und EUR 3.000 auf die Verschmutzung der Fassade auf Grund der unzulässigen Servitutsausweitung. Die den Wegeberechtigten verbleibende Fahrbahnbreite entspreche dem eingeräumten Wegerecht, sodass durch die Herstellung des Betonsockels keine unzulässige Einschränkung erfolgt sei.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, das grundbücherlich einverleibte Geh- und Fahrrecht sei in keiner Weise beschränkt und richte sich in seinem Ausmaß nach dem jeweiligen Bedarf des herrschenden Grundstücks. An eine künftige Mehrbelastung sei bereits bei Vertragsabschluss gedacht worden; dies ergebe sich bereits aus der Größe des herrschenden Guts. Auch aus der bisher widerspruchslos vorgenommenen Nutzung sei abzuleiten, dass die Servitutsverpflichteten zumindest konkludent der jeweiligen Nutzung nach Bedarf der herrschenden Liegenschaft zugestimmt hätten. Es lägen auch die Voraussetzungen für eine Ersitzung vor, da zumindest seit 1. 6. 1963 durch den Umbau der Villa in ein Sanatorium das Ausmaß der Wegenutzung derart gestiegen sei, wie es die Beklagte heute benötige und auch ausübe. Die Rechtsvorgänger der Kläger hätten das uneingeschränkte Servitutsrecht nie in Frage gestellt. Der Servitutsweg sei immer in einer Durchschnittsbreite von 4 m befahrbar gewesen, die Breite der Asphaltfläche in der Kurve habe sogar mehr als 5 m betragen. Durch die von den Klägern errichtete Stützmauer sei die Fahrbahn um 1 m eingeengt worden, was zu erheblichen Erschwernissen, insbesondere im Winter bei Schneeanhäufungen sowie beim Befahren mit längeren Fahrzeugen führe. Auch im Begegnungsverkehr gebe es seit der Errichtung der Mauer große Probleme. Diese erhebliche Einengung werde durch die teilweise abgefahrene Böschung auf der gegenüber liegenden Seite des Wegs nicht wettgemacht. Die Beklagte begehrte daher mit Widerklage, die Kläger (und Widerbeklagten) schuldig zu erkennen, den auf dem Grundstück 703/18 errichteten Betonsockel - entsprechend der Einzeichnung auf einem bestimmten Plan „bis zur Verschneidungslinie mit der alten Mauer" - zu entfernen.

Das Erstgericht wies die Klage in sämtlichen Haupt- und Eventualbegehren ab und gab der Widerklage statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, die Kläger hätten im Zusammenhang mit beabsichtigten Umbaumaßnahmen an ihrem Wohnhaus im Jahr 2002 in Erfahrung gebracht, dass das unmittelbar westlich an ihr Haus anschließende Grundstück nicht von ihnen erworben worden war. Sie hätten daraufhin - durch den Erwerb des Grundstücks Nr 703/18 - jene Grundstücksteile erworben, auf denen der Servitutsweg liegt sowie einen Bereich zwischen dem Servitutsweg und ihrem Wohnhaus. Die lichte Weite des „vorliegenden" Servitutsweges betrage fast überall 3,5 m. Zur Erhaltung dieser Durchfahrtsbreite von 3,5 m seien keine direkten Maßnahmen zur Abstützung der westlich anschließenden Böschung notwendig. Der Servitutsweg werde zwischenzeitig täglich von bis zu 100 Fahrzeugen befahren, die zum herrschenden Grundstück zufahren.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, es handle sich um eine uneingeschränkte und ungemessene Dienstbarkeit, deren Inhalt sich jeweils nach den Bedürfnissen der Eigentümer des herrschenden Grundstücks richte. Schon zum Zeitpunkt der Servitutsbestellung sei auf die weitere Errichtung von Gebäuden Rücksicht genommen worden. Die jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks hätte im Zuge diverser Bauvorhaben niemals Einwendungen gegen die mit den jeweiligen Bauvorhaben einhergehende, offenkundig zunehmende Häufigkeit der Benutzung des Servitutswegs erhoben. Da die Kläger das Weggrundstück in Kenntnis der bestehenden Servitut erworben hätten, müssten sie auch die nunmehr im Rahmen des Servitutsbestellungsvertrags vom 12. 12. 1884 ausgeübte Benützung durch die Mieter der 19 Wohnungen dulden. Sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren sei daher abzuweisen. Die Widerklage sei hingegen berechtigt, selbst wenn schon die Rechtsvorgängerin der Kläger durch die Errichtung einer bis ins Jahr 2003 bestehenden Stützmauer den Servitutsweg eingeengt haben sollte. Durch die im Zuge der Brückensanierung im Jahr 2003 errichtete Stützmauer ergebe sich in zweifelsfreier Weise eine Erschwernis beim Einbiegen von der Brücke in den Servitutsweg, woran auch der Umstand nichts ändere, dass die daran anschließende Durchfahrtsbreite des Servitutswegs bis zur Böschung 3,5 m betrage.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils EUR 20.000 übersteige; die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liege nicht vor, weil die Klageabweisung ausreichend begründet sei. Auch im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Widerklage sei der Vorwurf einer Mangelhaftigkeit unberechtigt, da das Erstgericht mit seinem Ausspruch im Ergebnis dem modifizierten Widerklagebegehren teilweise nicht stattgegeben habe, worüber sich die Kläger nicht beschweren könnten. Das Ausmaß einer Dienstbarkeit richte sich nach dem Inhalt des Titels, der im Streitfall ausgelegt werden müsse. Die Interpretation habe sich am Zweck der Servitutseinräumung zu orientieren, doch dürften nur vorhersehbare Zwecke berücksichtigt werden. Im Zweifel sei das Servitutsrecht gemäß § 484 ABGB einschränkend zu interpretieren. Der Servitutsvertrag habe der wegmäßigen Erschließung der Liegenschaft EZ 159 gedient, die damals (nur) mit einer Villa bebaut werden sollte. Zugleich sei aber ausdrücklich des Falles weiterer Bebauungsmaßnahmen gedacht und dazu eine Kostenregelung getroffen worden. Da an „eine zweite Villa oder überhaupt ein größeres Gebäude, Gärtnerwohnung, Stallung oder dgl" gedacht worden sei, sei klar, dass hinsichtlich der Bebauung - und damit der Wegbenützung - keine zahlenmäßige und/oder bestimmte gattungsmäßige Begrenzung vereinbart worden sei. Auch wenn nur von „einer" zweiten Villa etc die Rede sei, erscheine klar, dass im Textzusammenhang gesehen keineswegs nur an ein weiteres zu errichtendes Objekt gedacht worden sei, sondern dass den Servitutsberechtigten praktisch jegliche in Hinkunft zulässige Bebauung ermöglicht werden sollte. Jedenfalls aber erscheine klar, dass das Befahren des Wegs nicht auf fünf Fahrzeuge pro Tag begrenzt sein sollte. Vielmehr sollte der Weg - entsprechend der ohnehin erwarteten Bebauung - „zweifellos" von den diesbezüglich Berechtigten insbesondere zahlenmäßig durchaus unbeschränkt begangen und befahren werden können. Gegen die Stattgebung der Widerklage könne nicht eingewendet werden, der 2003 errichtete Betonsockel stelle keine Erschwernis bei der Servitutsausübung dar. Die erstgerichtlichen Ausführungen im Tatsachenbereich seien hinreichend deutlich dahin zu verstehen, dass der frühere Zaun für die Wegbenützer wesentlich weniger hinderlich gewesen sei. Da der Betonsockel eine Erschwernis darstelle, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Fahrbahnbreite ausreichend sei. Dabei sei zu beachten, dass es sich um eine Kurve handle und auf der gegenüber liegenden Seite eine steile Böschung liege, die - wohl gerade wegen der Erschwernis - schon „abgefahren" worden sei. Es könne daher auch dem Begehren der Kläger - was die Fahrbahnbreite bzw -situierung anlange - nicht stattgegeben werden. Es sei nämlich nicht zweifelhaft, dass die Kläger mit der derzeitigen Fahrbahnbreite und -situierung jene unter gänzlichem Bestehenbleiben der Stützmauer/des Betonsockels meinten. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage reichten die erstgerichtlichen Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung „gerade noch aus". Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinaus gehenden grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht stellten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Kläger ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Ob der festgestellte Sachverhalt für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreicht, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass sich das Ausmaß einer Dienstbarkeit in erster Linie nach dem Inhalt des Titels richtet, auf dem sie beruht. Die Auslegung der Vorinstanzen, mit dem Servitutsbestellungsvertrag sei den (jeweiligen) Eigentümern des herrschenden Guts eine ungemessene Dienstbarkeit eingeräumt worden, die dazu berechtigt, den Weg „zahlenmäßig unbeschränkt" zu begehen und zu befahren, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Aus dem Vertragstext kann nämlich nicht abgeleitet werden, dass den Servitutsberechtigten praktisch jegliche in Hinkunft zulässige Bebauung ermöglicht werden sollte und der Belastete jede damit verbundene Erhöhung des Verkehrsaufkommens auf dem Servitutsweg hinnehmen müsse. Einerseits wird in der Vereinbarung aus dem Jahr 1884 nämlich lediglich von der Errichtung eines weiteren Gebäudes - beispielsweise einer zweiten Villa oder einer Wohnung (nicht aber mehrerer Wohnungen!) - gesprochen. Andererseits wurde eine Tragung der Kosten der Erhaltung des Fahrwegs zu gleichen Teilen vereinbart, was markant darauf hindeutet, dass an eine erhebliche Mehrbelastung des Wegs durch eine unabsehbare Zahl zusätzlicher zukünftiger Bewohner des herrschenden Guts nicht gedacht war. Es kann dem seinerzeitigen Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht unterstellt werden, ohne entsprechende weitere Gegenleistung zusätzliche Lasten, nämlich Erhaltungskosten, übernommen zu haben, die überwiegend auf die Wegbenützung durch die Servitutsberechtigten zurückzuführen wären.

Sollten sich im fortgesetzten Verfahren nicht weitere Anhaltspunkte für eine hievon abweichende Vertragsauslegung ergeben, haben die Kläger daher eine unbeschränkte Wegbenutzung durch die Bewohner der 19 Wohneinheiten der Beklagten auf der Basis des Servitutsbestellungsvertrags nicht zu dulden, zumal auch bei ungemessenen Dienstbarkeiten Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen oder vorhersehbaren Bewirtschaftungsart bestehen (vgl nur SZ 54/154, SZ 70/201; RIS-Justiz RS0016368, RS0016364, RS0097856 uva). Berücksichtigt man weiters, dass eine Anpassung der Benützungsart durch den Servitutsberechtigten an die fortschreitende technische Entwicklung grundsätzlich zulässig ist (1 Ob 551/93 uva), haben die Kläger - in Anbetracht der schon seinerzeit im Raum stehenden Errichtung eines zweiten Gebäudes - jenes Verkehrsaufkommen zu dulden, das nach den heutigen Gegebenheiten mit dem Bewohnen von zwei (größeren) Privatvillen verbunden ist.

Soweit sich die Beklagte als Rechtsgrund für eine unbeschränkte Wegbenützung auch auf ein konkludentes Verhalten von Rechtsvorgängern der Kläger im Liegenschaftseigentum beruft, ist ihr entgegen zu halten, dass eine allfällige konkludente Zustimmung nur obligatorische Vertragsbindungen zur Folge haben könnte, jedoch die Kläger als spätere Erwerber der Liegenschaft nicht bindet, weil sich diese - mangels gegenteiliger Kenntnis - darauf verlassen können, dass sich ein bestehendes Wegerecht in den aus dem Grundbuch und der Urkundensammlung ersichtlichen Grenzen hält (vgl etwa SZ 72/103). Soweit die Beklagte die Ersitzung eines - über den seinerzeit vertraglich begründeten Umfang hinausgehenden - Fahrrechts im Ausmaß der derzeitigen Wegbenützung behauptet hat, ist darauf zu verweisen, dass sie dafür beweispflichtig wäre, dass eine Benützung in diesem Umfang während der gesamten Ersitzungszeit stattgefunden hat. Dazu fehlt es an ausreichendem Tatsachensubstrat, hat doch das Erstgericht lediglich festgestellt, dass die Villa bis 1962 von drei Parteien bewohnt wurde, die keinen PKW besaßen, und dass das Sanatorium ursprünglich Platz für 25 bis 28, später für 45 Gäste hatte. Sollte die Beklagte ihr Vorbringen zur Ersitzung aufrecht halten, werden weitere Feststellungen zur Benützungsfrequenz im behaupteten Ersitzungszeitraum zu treffen sein.

Neben der Frage der Frequenz der Wegbenützung ist auch strittig, auf welcher Trasse der Servitutsweg verläuft und ob die Errichtung der Betoneinfriedung durch die Kläger einen unzulässigen Eingriff in das Wegerecht der Beklagten darstellt. Auch hier reichen die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht zur Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfragen aus. Die Vorinstanzen sind allein auf Grund der Tatsache, dass durch das Herstellen des Betonsockels auf dem belasteten Grundstück das Abbiegen in den Servitutsweg „erschwert" werde, davon ausgegangen, dass ein unzulässiger Eingriff in das Wegerecht der Beklagten vorliege, weshalb das auf Beseitigung gerichtete Widerklagebegehren berechtigt, das sich auf die „derzeit bestehende Fahrbahnbreite" beziehende Feststellungs- und Unterlassungsbegehren der Kläger hingegen unberechtigt sei. Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich ihr Wegerecht auf das gesamte dienende Grundstück erstreckt. Nach dem seinerzeitigen Servitutsbestellungsvertrag wurde ein Geh- und Fahrrecht über einen unbefestigten Wiesenweg eingeräumt, wobei ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass dieser nicht die gesamte Breite der nunmehrigen Wegparzelle 703/18 einnahm. Die Beklagte wird zu behaupten und zu beweisen haben, inwieweit es - allenfalls im Wege der Ersitzung - zu einer Veränderung der ursprünglichen Wegtrasse, insbesondere im Sinne einer Verbreiterung - gekommen ist und wo genau zum Zeitpunkt des Erwerbs des dienenden Grundstücks durch die Kläger die im Rahmen der Servitut zu benützende Wegtrasse verlief. Darauf, wo der Fahrzeugverkehr zuletzt tatsächlich stattfand, kommt es hingegen - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht vorrangig an.

Sollte sich ergeben, dass durch die Errichtung des Betonsockels die von der Beklagten (bzw deren Mietern) im Rahmen der ihr zustehenden Dienstbarkeit befahrene Wegtrasse beeinträchtigt wurde, ist weiters zu berücksichtigen, dass eine Veränderung des bisherigen Wegverlaufs durch den Servitutsverpflichteten bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände in Frage kommt, die klar für eine stärkere Berücksichtigung seiner Interessen sprechen; dieser kann dann etwa auf einer mit einem Fahrtrecht belastenden Liegenschaft eine Einfriedung errichten oder den Weg verlegen, solange der Servitutszweck nicht beeinträchtigt wird (vgl nur die Judikaturnachweise bei Koch in KBB² § 484 ABGB Rz 7). Es entspricht auch herrschender Rechtsprechung (vgl nur RIS-Justiz RS0011733), dass ein Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit in ein billiges Verhältnis zu setzen ist. Ergibt sich etwa eine erhöhte Belastung des dienenden Grundstücks daraus, dass ein ursprünglich selten und nur mit Fuhrwerken befahrener Weg entsprechend der fortschreitenden technischen Entwicklung später - zulässigerweise - häufiger und mit Kraftfahrzeugen befahren wird, ist eine „Verschiebung" der Wegtrasse durch den Verpflichteten etwa dann nicht ausgeschlossen, wenn er damit berechtigte eigene Interessen verfolgt und andererseits der Servitutszweck, nämlich die Möglichkeit in bestimmtem Umfang zur herrschenden Liegenschaft zuzufahren, nicht beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Fall liegt auf Seiten der Kläger das grundsätzlich anerkennenswerte Interesse vor, ein zu nahes Heranfahren an ihr Wohnhaus - und damit eine Gefährdung ihres Hauses bzw im Nahbereich aufhältiger Personen - zu verhindern. Eine damit verbundene „Verschiebung" des Wegs in etwas größere Entfernung vom Haus wäre dann nicht zu beanstanden, wenn eine Wegbreite übrig bliebe, die dem bisherigen Wegerecht entspricht und auch keine sonstigen unzumutbaren Erschwernisse, etwa beim Einbiegen in den Servitutsweg, mit sich bringt. All dies kann angesichts der unzureichenden Feststellungen der Vorinstanzen nicht abschließend beurteilt werden. Das Argument der Beklagten, es komme insbesondere im „Begegnungsverkehr" zu Problemen, hätte nur dann Bedeutung, wenn sich ergibt, dass die Beklagte (oder deren Rechtsvorgänger) - abweichend von der ursprünglich eingeräumten Servitut, die ersichtlich nur einen schmäleren Weg vorgesehen hat - ein Wegerecht im Sinne einer Trasse ersessen hätte.

Das Erstgericht wird daher nach Verfahrensergänzung die noch fehlenden Feststellungen zu treffen und neuerlich zu entscheiden haben. Dabei wird mit den Klägern auch die Formulierung ihres Hauptbegehrens zu erörtern seinn, bei dem nicht klar ist, ob damit das Befahren mit fünf bestimmten Fahrzeugen in beliebiger Häufigkeit oder (eher) insgesamt fünf Fahrten pro Tag mit beliebigen Fahrzeugen gemeint sind. Weiters werden die Kläger klar zu stellen haben, ob sie ihre Eventualbegehren nur für den Fall der gänzlichen oder aber auch der bloß teilweisen Abweisung ihrer Hauptbegehren erheben wollen. Schließlich wird das Erstgericht bei seiner neuerlichen Entscheidung über die Widerklage - worauf die Kläger zu Recht hinweisen - auf die geänderte Fassung des Urteilsbegehrens Bedacht zu nehmen haben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte