OGH 3Ob155/14m

OGH3Ob155/14m18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft ***** m.b.H., *****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei em. o. Univ.-Prof. Dr. R*****, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (50.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2014, GZ 2 R 51/14h‑45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Oktober 2013, GZ 12 Cg 19/12p‑37, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. November 2013, GZ 12 Cg 19/12p‑38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00155.14M.0218.000

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts (Punkt II.) wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.775 EUR (darin 462,20 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.720,38 EUR (darin 332,73 EUR Umsatzsteuer und 2.724 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verkaufte der klagenden Partei Miteigentumsanteile an zwei Liegenschaften in Graz. Eine Verbücherung des Eigentumsrechts der klagenden Partei wurde ‑ infolge Revisionsrekurses des Beklagten ‑ vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 28. Februar 2005, 5 Ob 292/04h, abgelehnt. Das Eigentumsrecht der klagenden Partei wurde schließlich ‑ nachdem im Exekutionsweg mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 8. Juni 2011, 3 Ob 191/10z, die Vormerkung des Eigentumsrechts erwirkt worden war ‑ aufgrund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 24. April 2012, 5 Ob 62/12x, am 15. Juni 2012, einverleibt.

Im Gefolge des Kaufvertrags kam es zu drei von der klagenden Partei initiierten Zivilprozessen gegen den Beklagten (im Folgenden bezeichnet als erstes, zweites und drittes Verfahren). Den Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens (= drittes Verfahren) bildet die Frage der Feststellung der Haftung des Beklagten für die Folgen von ihm veranlasster Verzögerungen des ersten Verfahrens.

Zu den Gerichtsbezeichnungen ist anzuführen, dass das frühere Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz mit 1. Jänner 2005 im Bezirksgericht Graz aufging; ab 1. Jänner 2007 erhielt das Bezirksgericht Graz die Bezeichnung Bezirksgericht Graz-Ost (Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz, BGBl I 2004/60 sowie BGBl I 2005/66).

Erstes Verfahren:

In dem seit 23. November 2004 zu 24 C 1713/04a beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz bzw danach beim Bezirksgericht Graz bzw beim Bezirksgericht Graz-Ost zu 257 C 675/09z anhängigen Verfahren begehrte die klagende Partei auf der Grundlage des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrags die Einwilligung des Beklagten in die grundbücherliche Übertragung von ihm verkaufter Miteigentumsanteile (20/720- und 22/1920-Anteile an den Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** jeweils Grundbuch ***** Bezirksgericht Graz-Ost; die übrigen Miteigentumsanteile an den beiden Liegenschaften gehörten der klagenden Partei).

Mit Urteil vom 17. November 2006, GZ 24 C 1713/04a‑44, gab das Erstgericht der Klage statt. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten im zweiten Rechtsgang nicht Folge (Urteil vom 21. Dezember 2010, GZ 6 R 70/07v‑107). Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision des Beklagten mit Beschluss vom 14. Juli 2011, 2 Ob 52/11b, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück (zum ersten Rechtsgang siehe den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 21. Oktober 2010, 2 Ob 98/10s, womit das Berufungsurteil vom 18. Februar 2010, GZ 6 R 70/07v‑81, als nichtig aufgehoben worden war).

Die lange Verfahrensdauer war nicht auf die Komplexität des Verfahrensgegenstands oder Verzögerungen durch die Gerichte zurückzuführen, sondern beruhte nach den damaligen Feststellungen vor allem auf zahlreichen Ablehnungs- und Delegierungsanträgen des Beklagten, die ‑ von einer Ausnahme abgesehen ‑ jeweils (als verspätet, unzulässig, gänzlich unbegründet oder substanzlos) erfolglos blieben. Die Erledigung dieser Anträge führte insgesamt zu einer Verzögerung des Verfahrens in der Dauer von 41 Monaten; insgesamt dauerte das Verfahren 80 Monate.

Zweites Verfahren:

Mit der am 15. April 2009 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu 27 Cg 200/09m eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei, festzustellen, dass der Beklagte für sämtliche zukünftige Schäden hafte, die ihr aus der Verzögerung des genannten Verfahrens „zwischen 20. Jänner 2006 und 12. Juli 2010 durch rechtsmissbräuchliche Prozesshandlungen, insbesondere Ablehnungs- und Delegierungsanträge“ erwachsen.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren mit Urteil vom 28. Februar 2011, GZ 27 Cg 200/09m‑45, insoweit Folge, als es um die Haftung des Beklagten für die Verfahrensverzögerung zwischen 20. Jänner 2006 und 28. Februar 2010 ging, und wies das entsprechende Begehren betreffend den Zeitraum von 1. März bis 12. Juli 2010 ab. Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht wies das Klagebegehren mit seinem Urteil vom 28. Juli 2011, GZ 3 R 94/11k‑45, zur Gänze ab. Der Oberste Gerichtshof gab mit Feststellungsurteil vom 22. Dezember 2011, 1 Ob 227/11f, der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und sprach aus, dass der Beklagte der klagenden Partei für die zukünftigen Vermögensschäden haftet, die der klagenden Partei aus der Verzögerung des Verfahrens zu 257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost (früher 24 C 1713/04a des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz bzw des Bezirksgerichts Graz) um insgesamt 41 Monate erwachsen. Das weitere Begehren, die Haftung des Beklagten auch für eine Verzögerung durch rechtsmissbräuchliche Prozesshandlungen im Zeitraum von 1. März 2010 bis 12. Juli 2010 festzustellen, wurde abgewiesen.

Drittes (= nunmehriges) Verfahren:

Am 28. Februar 2012 brachte die klagende Partei gegen den Beklagten beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu 12 Cg 19/12p eine Klage mit dem Begehren ein, festzustellen, dass der Beklagte der klagenden Partei für sämtliche Nachteile hafte, die der klagenden Partei dadurch entstanden seien und entstehen werden, dass die beklagte Partei die Erfüllung des Kaufvertrags vom 14./31. August 2001 (Angebot) und 19. März 2004 (Annahme) um 80 Monate (darin 41 Monate entsprechend dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 22. Dezember 2011, 1 Ob 227/11f) verzögert habe.

Die klagende Partei brachte dazu vor, der Beklagte sei nach § 918 ABGB für den Verspätungsschaden schadenersatzpflichtig, weil er den Verzug durch Verweigerung der freiwilligen Erfüllung des im Jahr 2004 zustande gekommenen Kaufvertrags verschuldet habe. Das Feststellungsinteresse der klagenden Partei am derzeit noch nicht bezifferbaren Schaden liege darin, dass sich die Durchführung ihres Immobilienprojekts seit 2004 verzögert habe. Erst mit der Durchsetzung des Eigentumsverschaffungsanspruchs der klagenden Partei in dem vor dem Bezirksgericht Graz-Ost geführten Verfahren habe die klagende Partei die Bebauung und Verwertung der Liegenschaften in Angriff nehmen können. Die drohenden künftigen Schäden lägen darin, dass die Baukosten, die Gebühren für öffentlich-rechtliche Verfahren und Abgaben steigen (könnten). Die genaue Höhe des Schadens könne erst nach Abschluss des Bauprojekts beziffert werden. Darüber hinaus sei nicht auszuschließen, dass bis zur tatsächlichen Verwertung des Immobilienprojekts sinkende Liegenschaftspreise zu einem Mindererlös bei Verkauf oder Vermietung führten. Die Rechtsprechung bejahe auch vor Eintritt eines Primärschadens unter gewissen Voraussetzungen ein Feststellungsinteresse des Geschädigten; diese Voraussetzungen lägen vor, weil sämtliche Schäden der klagenden Partei nunmehr ohne weiteres Zutun des Beklagten einträten. Der Beklagte habe sich im bezirksgerichtlichen Verfahren darüber hinaus schuldhaft auf unrichtige Tatsachenbehauptungen gestützt, weil er selbst in seiner Berufung die erstgerichtliche Feststellung bekämpft habe, wonach er die Kleinstanteile im eigenen Namen und nicht als Treuhänder für einen Dritten gehalten habe. Der Beklagte sei seit 23. November 2004 subjektiv in Verzug, weil die klagende Partei zu diesem Zeitpunkt wegen der Verweigerung der freiwilligen Erfüllung des Kaufvertrags die Klage eingebracht habe. Dieser subjektive Verzug habe bis 12. August 2011, dem Datum der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 52/11b gedauert. Insgesamt mache die klagende Partei daher die Haftung des Beklagten für 80 Monate, darin 41 Monate entsprechend dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 22. Dezember 2011, 1 Ob 227/11f, geltend; diese bereits rechtskräftig festgestellte Haftung des Beklagten für die Verfahrensverzögerung um 41 Monate sei zu berücksichtigen. Im nunmehrigen Verfahren stütze sich die klagende Partei auf einen anderen Rechtsgrund als im Verfahren 27 Cg 200/09m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Der jetzige Klagegrund könne nicht von den zeitlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess 27 Cg 200/09m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz umfasst sein, weil dort die Verhandlung am 12. Juli 2010 geschlossen worden sei und der Zuspruch im bezirksgerichtlichen Eigentumsverschaffungsverfahren erst später rechtskräftig geworden sei.

Die Verjährungsfrist beginne nicht vor Eintritt eines realen Primärschadens zu laufen, ein solcher sei noch nicht eingetreten.

Der Beklagte wandte zusammengefasst ein, dass eine Prozessführung nur dann schadensbegründend sein könne, wenn es für sie keinen denkmöglichen Prozessgrund gebe; in der Verfolgung eines Rechtsanspruchs liege an sich noch kein Verschulden. Die im Verfahren vor dem Bezirksgericht Graz-Ost zu klärenden Rechtsfragen hätten einer gerichtlichen Hilfe bedurft, weshalb kein ursächliches Verhalten für den behaupteten Schaden vorliege. Im Übrigen sei eine Verzögerung der Bauführung durch das Verhalten des Beklagten nicht eingetreten, der behauptete Schaden beruhe auf einer Unwirtschaftlichkeit des Projekts. Die Delegierungs- und Ablehnungsanträge seien nicht zur Schädigung der klagenden Partei erhoben worden, sondern deshalb, weil der Beklagte vor bestimmten Richtern kein Verfahren habe führen wollen; die Erhebung dieser Anträge sei nicht Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens. Im Übrigen sei die Streitsache bereits für den Zeitraum bis 1. März 2010 bzw 12. Juli 2010 rechtskräftig entschieden worden; die klagende Partei stützte sich im nunmehrigen Verfahren auf das gleiche Sachvorbringen wie im Vorprozess 27 Cg 200/09m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Letztlich sei der Anspruch auch verjährt, weil dem Beklagten nach dem eigenen Vorbringen der klagenden Partei spätestens ab dem 23. November 2004 bewusst gewesen sei bzw bewusst sein habe müssen, dass der Beklagte seine Zustimmung zur Eigentumsübertragung nicht aus freien Stücken in Form einer verbücherungsfähigen Urkunde erteilen werde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wäre es der klagenden Partei offen gestanden, allfällige Schäden im Rahmen einer Feststellungsklage geltend zu machen.

Das Erstgericht gab der Klage statt:

Nach den ‑ vom Berufungsgericht übernommenen, hier zusammengefasst wiedergegebenen ‑ Feststellungen hatte das gesamte Vorbringen des Beklagten im Verfahren 257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost nur den Zweck, Druck auf die klagende Partei auszuüben, damit diese einen bereits außergerichtlich mit Schreiben vom 29. Mai 2004 geforderten Betrag von 100.000 EUR zahlt. Dem Beklagten war dabei von Beginn an völlig klar, dass er keinerlei Recht an den ideellen Miteigentumsanteilen an den beiden Liegenschaften hat. Mit dem im bezirksgerichtlichen Verfahren erstatteten Vorbringen verfolgte der Beklagte ausschließlich den Zweck, seinem Handeln einen rechtmäßigen Anschein zu verleihen, um seine Forderung nach Zahlung von 100.000 EUR durchzusetzen, obwohl er sich stets bewusst war, dass seine Forderung nach mehr Geld rechtswidrig war; er wollte, dass es durch die Verzögerungen zu einer Schädigung der klagenden Partei kommt, um seiner Forderung nach 100.000 EUR Nachdruck zu verleihen.

Es kann nicht festgestellt werden, „dass ein Primärschaden bereits eingetreten ist“.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, im Verfahren 257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost sei bindend entschieden worden, dass der Beklagte verpflichtet sei, der klagenden Partei an seinen Liegenschaftsanteilen das lastenfreie Eigentumsrecht durch bücherliche Einverleibung einzuräumen. Der Beklagte habe dieses Verfahren jedenfalls in schikanöser Rechtsausübung geführt, weil sein einziges Motiv für die Bestreitung des Begehrens der klagenden Partei seine Forderung nach einer Zahlung von 100.000 EUR gewesen sei. Im Verfahren 27 Cg 200/09m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz habe die klagende Partei ihr Begehren auf die durch den Beklagten verursachte Verfahrensverzögerung gestützt. Eine entschiedene Streitsache liege nicht vor, weil sich die klagende Partei hier ausdrücklich darauf berufe, der Beklagte habe schon dadurch kausal, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, dass er den Anspruch der klagenden Partei überhaupt bestritten habe. Der Rechtsgrund im Verfahren 27 Cg 200/09m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz sei daher ein anderer gewesen (nämlich Verfahrensverzögerung durch Ablehnungs- und Delegierungsanträge) als im nunmehrigen Verfahren. Die klagende Partei habe auch ausreichend deutlich dargelegt, welche (künftigen) Schäden die Verzögerung der endgültigen Klärung der Verpflichtung der Beklagten zur Eigentumsübertragung nach sich ziehen könnten, wobei es sich auch keineswegs um ganz ungewöhnliche Kausalverläufe handle. Am Feststellungsinteresse der klagenden Partei könne kein Zweifel bestehen. Der Verjährungseinwand sei nicht zielführend, weil vor Eintritt des Primärschadens die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginne. Die klagende Partei hätte ihre nun geltend gemachten Ansprüche auch nicht schon im Verfahren 257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost geltend machen müssen, weil bei Klärung von Meinungsverschiedenheiten durch das Gericht die Klage nicht mit einem abschreckenden Aufwand für die Rechtsverteidigung, etwa durch ein hoch bewertetes Feststellungsbegehren, belastet werden solle. Im Übrigen sei es damals für die klagende Partei nicht evident gewesen, dass der Beklagte derartige Verzögerungen herbeiführen werde, die erst einen definitiven Schluss auf die tatsächliche Motivation des Beklagten erlaubten.

Das Berufungsgericht, das ‑ wie das Erstgericht ‑ den Einwand der entschiedenen Rechtssache verwarf, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und sah den Verjährungseinwand des Beklagten als berechtigt an. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt der Rechtsgutverletzung (also des „Primärschadens“) zu laufen; mit dessen positiver Kenntnis werde sie aber auch schon dann in Gang gesetzt, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern könne, weil ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese noch nicht zur Gänze eingetreten seien. Der drohenden Verjährung müsse der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen. Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Erfüllungsinteresses nach § 921 ABGB beginne mit der Möglichkeit des Gläubigers, vom Vertrag zurückzutreten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Der Primärschaden sei bei der klagenden Partei zu dem Zeitpunkt eingetreten, als für sie objektiv erkennbar gewesen sei, dass sich der Beklagte dem Erfüllungsanspruch der klagenden Partei aus dem Kaufvertrag aus von der Rechtsordnung nicht gebilligten Gründen widersetze; die klagende Partei gehe selbst von einem schuldhaften Verzug des Beklagten zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im bezirksgerichtlichen Verfahren (im November 2004) aus. Unbekämpft stehe fest, dass der Baukostenindex pro Jahr zwischen 3 % und 5 % steige, was vorhersehbar zur Steigerung der Baukosten führe. Aus diesen Erwägungen erweise sich der im Februar 2012 von der klagenden Partei erhobene Schadenersatzanspruch als verjährt.

Der Entscheidungsgegenstand wurde mit über 30.000 EUR bewertet und die Revision im Hinblick auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage nicht zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils. Als Revisionsgründe werden Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch ist die Revision zulässig, weil das Berufungsgericht zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist ‑ wie die außerordentliche Revision der klagenden Partei zutreffend aufzeigt ‑ von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Die Revision ist im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils auch berechtigt.

Das Revisionsvorbringen der klagenden Partei lässt sich dahin zusammenfassen, dass bei Fällen von Verzug und fortgesetzter Schädigung der Lauf der Verjährung nicht bereits mit Eintritt des Verzugs beginne. Bestehe Unsicherheit darüber, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei, und sei zu dieser Frage ein Rechtsstreit anhängig, sei dem Geschädigten zuzubilligen, den rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens (oder zumindest das Vorliegen gesicherter Verfahrensergebnisse) abzuwarten, weil er erst dann über ausreichend sichere Informationen für seine Schadenersatzklage verfüge. Das schuldhafte Verhalten des Beklagten sei der klagenden Partei frühestens mit Zustellung des Berufungsurteils vom 18. Februar 2010 (im ersten Verfahren) mit entsprechender Sicherheit erkennbar geworden. Deshalb sei die im dritten Verfahren am 28. Februar 2012 überreichte Klage innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben worden. Der vom Beklagten allein genannte (und aus diesem Grund allein zu prüfende) Zeitpunkt der Klageeinbringung im ersten Verfahren (23. November 2004) könne schon deshalb nicht relevant sein, weil zu diesem Zeitpunkt das Eigentumsrecht der klagenden Partei im Grundbuch ‑ wenn auch noch nicht rechtskräftig ‑ eingetragen gewesen sei. Im Übrigen müsse dem Gläubiger zugestanden werden, den säumigen Schuldner zur Leistungserbringung zu bewegen. Ein entsprechender Rettungsversuch, wie er auch von der klagenden Partei unternommen worden sei, schiebe den Beginn der Verjährungsfrist hinaus (hier bis zur Einverleibung des Eigentumsrechts der klagenden Partei am 15. Juni 2012). Angesichts des Vorliegens eines Falls fortgesetzter Schädigung habe der Lauf der Verjährungsfrist gar nicht vor dem mit der rechtskräftigen Einverleibung des Eigentumsrechts der klagenden Partei anzunehmenden Ende des Verzugs beginnen können. Abgesehen davon gelte aufgrund des prozessbetrügerischen Verhaltens des Beklagten eine dreißigjährige Verjährungsfrist. Der Verjährungseinwand des Beklagten sei sittenwidrig, weil der Beklagte den berechtigten Anspruch der klagenden Partei vorsätzlich durch acht Jahre verzögert habe, um eine ungerechtfertigte Zahlung abzunötigen.

Der Beklagte weist in seiner Revisionsbeantwortung ‑ abgesehen von einer Bestreitung der Argumentation der klagenden Partei ‑ darauf hin, dass es beim Verlangen einer Ausgleichszahlung von 100.000 EUR und bei seinem Prozessverhalten im ersten Verfahren an einer sittenwidrigen Schädigungsabsicht gefehlt habe. Sein Verhalten sei auch nicht kausal für den behaupteten Schaden (aus der verspäteten Erlangung des Eigentums) gewesen. Außerdem sei die Einrede der entschiedenen Sache (im Hinblick auf das zweite Verfahren) unrichtigerweise verworfen worden.

Dazu wurde erwogen:

1. Der Einwand der entschiedenen Sache kann in dritter Instanz nicht mehr aufgegriffen werden. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft einer Vorentscheidung würde eine Nichtigkeit des späteren Urteils begründen. Insoweit hat das Berufungsgericht ‑ in Übereinstimmung mit dem Erstgericht ‑ das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache aber bereits verneint. Darin liegt ein gemäß § 519 ZPO unanfechtbarer berufungsgerichtlicher Beschluss (RIS-Justiz RS0042925 [T8]).

2. Ein Fall eines Vertragsrücktritts liegt nicht vor; vielmehr hat die klagende Partei ihren Erfüllungsanspruch (auf Eigentumsverschaffung) aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag im Gerichtsweg durchgesetzt. Der in Rede stehende Schadenersatzanspruch resultiert nicht aus einem Verlust des Erfüllungsanspruchs, sondern aus den bis zur Erfüllung eingetretenen Verzögerungen, also aus verspäteter Erfüllung. Bei „Verschulden“, nämlich (auch) subjektiver Vorwerfbarkeit des Verzugs kann der wegen des Verzugs geschädigte Vertragspartner vom säumigen Vertragsteil Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung fordern (RIS-Justiz RS0018259).

3. Unabhängig davon, ob der hier behauptete Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Erfüllung auf einer fortgesetzten Schädigung durch den Beklagten resultiert (eine fortgesetzte Schädigung bei Verzug mit einer Einzelleistung ablehnend etwa 10 Ob 72/07x = Zak 2008/20, 17 [ Riedler 7] und 8 Ob 81/10k), ist der klagenden Partei nach der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls zuzugestehen, dass sie den Ausgang des Verfahrens vor dem Bezirkgericht Graz-Ost über den geltend gemachten Anspruch auf grundbücherliche Übertragung der vom Beklagten verkauften Miteigentumsanteile oder zumindest das Vorliegen gesicherter Verfahrensergebnisse abwartete (RIS-Justiz RS0034524 [T28]; RS0034908 [T9, T12, T18, T22]; RS0034951 [T10, T22]; RS0083144 [T14]).

3.1. Selbst wenn man hier bereits die Zustellung der (ersten) Berufungsentscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Februar 2010, GZ 6 R 70/07v‑81, im ersten Verfahren (257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost) als maßgeblich ansieht (und nicht erst die Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 14. Juli 2011, 2 Ob 52/11b, womit die außerordentliche Revision des Beklagten zurückgewiesen wurde), war die dreijährige Verjährungsfrist bei Einbringung der Klage am 28. Februar 2012 noch offen.

3.2. Zutreffend zeigt die klagende Partei auf, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts (bereits mit dem Zeitpunkt der objektiven Erkennbarkeit, dass sich der Schuldner dem Erfüllungsanspruch des Gläubigers aus von der Rechtsordnung nicht gebilligten Gründen entgegensetze, beginne die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs aus der verspäteten Erfüllung zu laufen), den auf Erfüllung klagenden Gläubiger in der Regel (bei Geltung einer dreijährigen Verjährungsfrist für den Erfüllungsanspruch) dazu zwingen würde, gleichzeitig ein auf die Haftung des Schuldners für den Verzögerungsschaden gerichtetes Feststellungsbegehren zu stellen; setzt doch die Klage auf Erfüllung auch die objektive Erkennbarkeit voraus, dass der Schuldner nicht erfüllt (hat). Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu der nun in der Rechtsprechung herrschenden „gemäßigten Einheitstheorie“, wonach die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht vor Eintritt eines ersten (Teil-)Schadens (= Primärschadens) zu laufen beginnen kann (RIS-Justiz RS0083144). Die klagende Partei war daher zu einer solchen objektiven Klagenhäufung im ersten Verfahren nicht verpflichtet.

3.3. Das Berufungsgericht hat den Eintritt des Primärschadens bei der klagenden Partei darin gesehen, dass „für sie objektiv erkennbar war, dass sich der Beklagte dem Erfüllungsanspruch der Klägerin aus dem Kaufvertrag aus von der Rechtsordnung nicht gebilligten Gründen widersetzt“ und einen Zusammenhang mit der bereits damals erkennbaren Steigerung der Baukosten (infolge der Erhöhung des Baukostenindex zwischen 3 % und 5 % pro Jahr) hergestellt. Die Annahme, dass die Steigerung des Baukostenindex während der Verzögerungszeit auch einen Schadenseintritt bedeutet, ist aber keineswegs zwingend, hängt doch ein möglicher Schadenseintritt davon ab, dass es dem Bauträger nicht gelingt, die erhöhten Kosten auf potenzielle Käufer zu überwälzen. Der Eintritt eines Primärschadens zu dem vom Berufungsgericht angenommenen Zeitpunkt ist daher zu verneinen.

3.4. Da der Beginn der Verjährungsfrist frühestens mit Zustellung der im ersten Verfahren ergangenen ersten Berufungsentscheidung vom 18. Februar 2010 angenommen werden kann (siehe Punkt 3.1.), war zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage im dritten Verfahren am 28. Februar 2012 ‑ ausgehend von einer dreijährigen (nicht dreißigjährigen) Verjährungsfrist ‑ die vom Beklagten eingewendete Verjährung noch nicht eingetreten, sodass sich ein Eingehen auf die weiteren im Zusammenhang mit der Verjährung aufgeworfenen Fragen, insbesondere zur Substantiierung des Verjährungseinwands, zur Länge der Verjährungsfrist und zur Sittenwidrigkeit des Verjährungseinwands erübrigt.

Noch zu betonen ist aber, dass diejenigen Umstände, die die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs begründen, in die Behauptungs- und Beweislast des Beklagten fallen (RIS‑Justiz RS0034456 [T4]), und dass die Kenntnisabhängigkeit des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB durchaus dazu führen kann, dass die Verjährung erst lange nach dem schädigenden Ereignis zu laufen beginnt.

4. Ausgehend von seiner ‑ vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten ‑ Rechtsansicht zur Verjährung hat sich das Berufungsgericht nicht mit den weiteren in der Berufung erhobenen Rechtsrügen zur fehlenden Sittenwidrigkeit bzw Rechtsmissbräuchlichkeit des Verhaltens des Beklagten und zur mangelnden Kausalität auseinandergesetzt.

4.1. Eine die Erfüllung verzögernde Prozessführung begründet für sich allein im Allgemeinen kein „Verschulden“ (Punkt 1.). In der Regel liegt die Konsequenz einer erfolglosen Prozessführung in der Verpflichtung, dem Prozessgegner dessen Prozesskosten zu ersetzen und die eigenen Kosten endgültig selbst tragen zu müssen. Eine darüber hinausgehende, aus dem Prozessverhalten abzuleitende Schadenersatzpflicht kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wobei die Vermutung dafür spricht, dass die Anrufung des Gerichts gutgläubig erfolgt ist (RIS-Justiz RS0022777, RS0022796). Die Beweislast für ein Verschulden an der Führung des Prozesses trifft den Geschädigten (RIS-Justiz RS0022777 [T2]).

Die Rechtsprechung hat ein solches Verschulden angenommen, wenn im Rahmen der Prozessführung falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden (RIS-Justiz RS0018235) oder wenn der im Verfahren Unterlegene wusste oder wenigstens wissen hätte müssen, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist (RIS-Justiz RS0022796 [T1, T2]).

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts verfolgte der Beklagte mit dem im Verfahren 257 C 675/09z des Bezirksgerichts Graz-Ost erstatteten Vorbringen ausschließlich den Zweck, seinem Handeln einen rechtmäßigen Anschein zu verleihen, um seine Forderung nach Zahlung von 100.000 EUR durchzusetzen, obwohl er sich stets bewusst war, dass seine Forderung nach mehr Geld rechtswidrig war. Er wollte, dass es durch die Verzögerungen zu einer Schädigung der klagenden Partei kommt, um seiner Forderung nach 100.000 EUR Nachdruck zu verleihen.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in einem solchen Fall schadenersatzbegründendes Prozessverhalten vorliegt (in diesem Sinn auch 1 Ob 227/11f im zweiten Verfahren).

4.2. Die von der klagenden Partei in den Raum gestellten möglichen Schadenersatzansprüche haben ihre Grundlage in der Verzögerung der endgültigen Klärung der Verpflichtung des Beklagten zur Eigentumsübertragung. Dass der Beklagte eine solche Verpflichtung im ersten Verfahren bestritten hat, ist offensichtlich. Wenn er nun einen fehlenden Kausalzusammenhang zwischen seinem festgestellten verzögernden Prozessverhalten und dem Eintritt möglicher Schäden mit der Begründung bestreitet, die klagende Partei wäre ohne sein Zutun bereits vor dem ersten Verfahren in der Lage gewesen, eine Eigentumseinverleibung herbeizuführen, sind die Revisionsausführungen nicht nachvollziehbar. Dass dieser Versuch der klagenden Partei gescheitert ist, gab ja dem Beklagten erst die Möglichkeit, sein schadensverursachendes Verhalten, das nun die Grundlage für die Feststellung der Haftung bildet, zu setzen. Der Beklagte hätte es jederzeit in der Hand gehabt, die geschuldete Eigentumsverschaffung zu ermöglichen.

5. Im Sinn dieser Ausführungen ist das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts (Punkt II. des Spruchs) wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Verpflichtung der beklagten Partei zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Ansicht des Beklagten, die klagende Partei hätte ihr Leistungsbegehren im ersten Verfahren bereits mit einem Feststellungsbegehren verbinden müssen, wurde bereits unter Punkt 3.2. abgelehnt. Eine objektive Klagenhäufung im zweiten Verfahren scheitert schon daran, dass die im ersten Verfahren ergangene höchstgerichtliche Entscheidung, aufgrund derer die klagende Partei Kenntnis von der Dauer der vom Beklagten verursachten Verzögerung erlange, vom 14. Juli 2011 stammt. Das Ersturteil im zweiten Verfahren ist aber bereits davor ‑ am 28. Februar 2011 ‑ ergangen, sodass es gar nicht mehr möglich gewesen wäre, den rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens und die daraus zu ziehenden Konsequenzen vor Schluss der Verhandlung in erster Instanz (12. Juli 2010) in das zweite Verfahren einzubringen.

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