OGH 2Ob98/10s

OGH2Ob98/10s21.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft ***** mbH, *****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. Rudolf B*****, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen Einverleibung des Eigentums, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18. Februar 2010, GZ 6 R 70/07v-81, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz vom 17. November 2006, GZ 24 C 1713/04a-44, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Durchführung einer weiteren Berufungsverhandlung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Rechtsmittelwerber macht die Nichtigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Die Ladung für die Berufungsverhandlung vom 15. 2. 2010 sei erst am 11. 2. 2010 hinterlegt worden. Der damalige Rechtsvertreter des Rechtsmittelwerbers sei aber vom 11. 2. bis 16. 2. 2010 krank und daher nicht in der Kanzlei anwesend gewesen. Er habe über kein Kanzleipersonal verfügt, die Kanzlei sei unbesetzt gewesen. Er habe von der Ladung erst am 17. 2. 2010 erfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt vor:

Tatsächlich ist dem Akt zu entnehmen, dass die Ladung zur Berufungsverhandlung am 15. 2. 2010 dem damaligen Beklagtenvertreter nach einem Zustellversuch am 11. 2. 2010 durch Hinterlegung beim Postamt 1010 Wien am 11. 2. 2010 zugestellt werden sollte. Weiters erliegt im Akt (ON 87) ein ärztliches Attest über seine Erkrankung in der Zeit vom 11. 2. bis inklusive 17. 2. 2010.

Aus § 7a Abs 4 RAO ergibt sich, dass sowohl die Kanzlei als auch eine allfällige Niederlassung eines Rechtsanwalts Abgabestelle iSd § 13 Abs 4 ZustG sind. Daraus folgt zwar, dass diese als Abgabestelle für eingeschriebene Briefe und Rückscheinsendungen aller Art regelmäßig zur Verfügung stehen müssen (RIS-Justiz RS0112905), eine Verletzung dieses Gebots kann allerdings lediglich zu disziplinärer Verantwortlichkeit führen. Eine Zustellfiktion oder eine von den Zustellvorschriften des ZustG abweichende Möglichkeit der Zustellung sieht auch diese Bestimmung nicht vor (2 Ob 93/08b; 3 Ob 149/08w).

Da, wie sich aus der Tatsache der Hinterlegung der Sendung ergibt, der Zusteller an der Abgabestelle niemand angetroffen hat und daher auch keine Zustellung iSd § 13 Abs 4 ZustG erfolgen konnte, ist im Zusammenhalt mit der Krankheitsbestätigung eine wirksame Zustellung nicht ausgewiesen. Damit wurde der Beklagte aber gehindert in der einzigen Berufungsverhandlung vor dem Berufungsgericht zu verhandeln. Nur soweit das Gericht im Einklang mit dem Gesetz ohne Zuziehung einer Partei tätig wird, zB wegen deren Säumnis, liegt mangels ungesetzlichen Vorgangs der Tatbestand des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht vor. Soweit die Säumigkeit aber Folge einer nicht gehörigen Ladung ist, ist der Nichtigkeitsgrund verwirklicht (Kodek in Rechberger § 477 ZPO Rz 7).

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