European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:E98020
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Anfechtungsrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.404,17 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 400,69 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. November 2007 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Die Beklagte hat der Gemeinschuldnerin gemäß Kreditvereinbarungen vom 18. Oktober 2006 und 28. Juni 2007 zwei Kontokorrentkredite in der Höhe von jeweils 200.000 EUR gewährt. Aus diesen Krediten haftete zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein Betrag von insgesamt 444.518,21 EUR unberichtigt aus. Zur Sicherstellung aller Forderungen der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin, welche der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin aus gewährten und in Hinkunft zu gewährenden Krediten erwachsen oder erwachsen werden, trat die Gemeinschuldnerin mit Globalzessionsvereinbarung vom 19. Oktober 2006 alle bestehenden und künftigen Forderungen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs gegenüber sämtlichen Kunden sowie alle Rechte und Ansprüche aus allen gegenwärtigen und zukünftigen ihr erteilten Aufträgen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs gegenüber sämtlichen Auftraggebern an die Beklagte ab.
Die Beklagte führte im Dezember 2006 eine Zessionsprüfung bei der Gemeinschuldnerin durch und kontrollierte insbesondere auch die EDV‑Buchhaltung und die ordnungsgemäße Anbringung aller Zessionsvermerke zugunsten der Beklagten in der Buchhaltung und auf den OP‑Listen. In der gesamten Buchhaltung der Gemeinschuldnerin und auf sämtlichen OP‑Listen war der entsprechende Zessionsvermerk zugunsten der Beklagten vereinbarungsgemäß angebracht/ersichtlich.
Der Kläger begehrte von der Beklagten zunächst 201.043,97 EUR sA mit dem Vorbringen, die mit der Gemeinschuldnerin vereinbarte Sicherungszession sei nicht rechtswirksam geworden, weil kein rechtswirksamer Buchvermerk gesetzt worden sei. Der Zessionsvermerk in der EDV‑Buchhaltung der Gemeinschuldnerin könne nicht zwingend auf der Debitoren‑OP‑Liste und den Debitoren‑Konten dargestellt und ausgedruckt werden. Jedermann könne den Zessionsvermerk nach Belieben ein‑ und ausschalten und so die gesamte Buchhaltung der Gemeinschuldnerin nach Belieben mit oder ohne Zessionsvermerk der Beklagten darstellen. Auch weise nichts auf eine Sicherungszession hin. Die von der Gemeinschuldnerin verwendete Buchhaltungssoftware sei keinesfalls geeignet, einen gültigen Zessionsvermerk zu bewirken. Die Beklagte habe weiterhin alle Eingänge auf Werklohnforderungen der Gemeinschuldnerin für sich beansprucht und diese Eingänge nicht an den Kläger herausgegeben. Erst nach Konkurseröffnung seien Drittschuldnerverständigungen an die Gläubiger der Gemeinschuldnerin versandt worden.
Die Beklage wendete ein, die Zessionsvermerke seien ordnungsgemäß und daher wirksam gesetzt worden.
Bevor beim Erstgericht die vorbereitende Tagsatzung stattfand, dehnte der Kläger sein Begehren um ein zuvor bereits angekündigtes Eventualbegehren aus, mit dem er in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Forderungen einen Anfechtungsanspruch nach § 31 KO geltend macht.
Die Beklagte beantragte, diese Klageänderung nicht zuzulassen.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss aus, dass die Klageänderung nicht zugelassen werde und wies das Klagebegehren mit Urteil ab.
Das Rekursgericht änderte den Beschluss über Rekurs des Klägers dahin ab, dass die Klageänderung zugelassen wurde. Die Klageänderung vermeide einen zweiten Prozess, ohne den ersten erheblich zu erschweren oder zu verzögern. Klageänderungen seien nach der Rechtsprechung tunlichst zuzulassen, insbesondere dann, wenn durch sie ein neuer Prozess vermieden und das Ziel der endgültigen und erschöpfenden Bereinigung bereits erreicht werden könne. Klageänderungen, die am Anfang des Rechtsstreits beantragt würden, seien nicht schon deshalb nicht zuzulassen, weil das ursprüngliche Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen werden könnte.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit einer Klageänderung gefolgt sei.
Das (ursprüngliche) Klagebegehren wies das Erstgericht mit der wesentlichen Begründung ab, dass die theoretische Manipulierbarkeit eines Zessionsvermerks in einer EDV‑Buchhaltung der Wirksamkeit des Sicherungszessionsvermerks nicht entgegenstehe.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die vom Kläger behauptete Möglichkeit, den verfahrensgegenständlichen Zessionsvermerk nach Belieben ein‑ oder auszublenden zur Unwirksamkeit der Sicherungszession führe. Das Berufungsgericht verneinte vom Kläger behauptete Nichtigkeiten und Aktenwidrigkeiten, billigte die vom Erstgericht angenommenen Außerstreitstellungen im Hinblick auf das beiderseitige Parteienvorbringen in erster Instanz, ergänzte den Sachverhalt um weitere dem unstrittigen Parteienvorbringen sowie eben solchen Urkunden zu entnehmende Feststellungen zum Zessionsvermerk, erachtete die Textierung des Zessionsvermerks als unbedenklich und schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichts an, wonach die behauptete Manipulierbarkeit des EDV‑Buchvermerks nicht die Wirksamkeit des Zessionsvermerks als Publizitätsakt für die Sicherungszession beeinträchtige.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Zurückweisung der vom Rekursgericht bewilligten Klageänderung anstrebt, ist nicht zulässig.
Die Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
I. Zum Revisionsrekurs:
Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Ansicht handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz funktionell um eine Entscheidung als Rekursgericht, sodass sich die Anfechtbarkeit nicht nach § 519 ZPO, sondern nach § 528 ZPO richtet (8 Ob 263/00k = SZ 74/118; Zechner in Fasching 2 § 519 Rz 42 mwN).
Ob im Einzelfall aufgrund der besonderen Umstände eine Klageänderung im Interesse der erwünschten endgültigen und erschöpfenden Beendigung des Streits zuzulassen ist, bildet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, es sei denn, es liege eine Fehlbeurteilung vor, die im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre (RIS‑Justiz RS0115548). Die Entscheidung des Rekursgerichts bewegt sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach Klageänderungen tunlichst zuzulassen sind, insbesondere dann, wenn durch sie ein neuer Prozess vermieden und das Ziel der endgültigen und erschöpfenden Bereinigung bereits erreicht werden kann (RIS‑Justiz RS0039441, RS0039518, RS0039428). Klageänderungen, die am Anfang des Rechtsstreits beantragt wurden, schon deshalb nicht zuzulassen, weil das ursprüngliche Klagebegehren ohne jede weitere Beweisaufnahme abgewiesen werden könnte, geht nicht an (RIS‑Justiz RS0039505, zuletzt 9 ObA 110/04y).
Die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung des Klägers war gemäß §§ 508 Abs 5 letzter Satz iVm 528 Abs 3 letzter Satz ZPO als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nicht zu honorieren.
II. Zur Revision:
Im erstinstanzlichen Verfahren war die Anbringung des konkreten Zessionsvermerks in der extern geführten Buchhaltung der Gemeinschuldnerin in der zwischen den Parteien unstrittigen Form nicht Gegenstand widerstreitenden Parteienvorbringens. Strittig war lediglich die rechtliche Konsequenz des Zessionsvermerks, nämlich die Frage seiner Rechtswirksamkeit vor dem Hintergrund der vom Kläger behaupteten Manipulationsmöglichkeit. In diesem Sinn erklärte der Kläger auch in der Verhandlungstagsatzung vom 22. Oktober 2008 ausdrücklich, außer Streit zu stellen, dass der Sicherungszessionsvermerk in der von ihm vorgebrachten Form (deren Wirksamkeit er bestreitet) tatsächlich gesetzt worden ist. Wenn der Kläger nun diesbezügliche als Außerstreitstellungen bezeichnete Feststellungen der Vorinstanzen als aktenwidrig oder als Ergebnis eines mangelhaften Verfahrens zustandegekommen rügt, ist er auf das im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich geltende Neuerungsverbot zu verweisen. Dass bei zwei Kundenforderungen kein Zessionsvermerk angebracht gewesen wäre, hat er in erster Instanz nicht vorgebracht.
Es läge eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht vor, wäre es ohne Beweiswiederholung von erstinstanzlichen Feststellungen abgegangen oder hätte es ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung ergänzende Feststellungen getroffen (RIS‑Justiz RS0043461; RS0043026). In diesem Verfahren war aber in erster Instanz unstrittig, dass ein bestimmter bloß in seinen rechtlichen Auswirkungen vor dem Hintergrund der Publizitätserfordernisse einer Sicherungszession strittiger Zessionsvermerk generell gesetzt war. Weder die im Zusammenhang mit der ergänzenden Feststellung (Außerstreitstellung) des Berufungsgerichts gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens noch die in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeiten liegen daher vor.
Ebenso wenig ist die behauptete Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gegeben; erfordert der vom Revisionswerber angezogene Nichtigkeitsgrund doch das Fehlen jeglicher Begründung oder Widersprüchlichkeiten im Entscheidungstenor (RIS‑Justiz RS0042171, RS0042133).
Zu den im Übrigen vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof bereits kürzlich Stellung genommen:
Der erkennende Senat sprach aus, dass die bloße Möglichkeit einer nachträglichen Veränderung eines Zessionsvermerks (Buchvermerks) in einer EDV‑Buchhaltung unter Löschung der ursprünglichen (historischen) Daten trotz der Buchführungsvorschrift des § 190 Abs 5 UGB nicht zur Unwirksamkeit der Sicherungszession führt; erst eine tatsächlich durchgeführte Veränderung die Wirksamkeit des Publizitätsakts beseitigen könnte, dies aber nur mit Wirkung ex nunc und die Datierung der Setzung eines Buchvermerks auf demselben zwar zum Nachweis des Zeitpunkts des Rechtsübergangs zweckmäßig ist, aber kein Erfordernis für die Wirksamkeit der Sicherungszession ist (3 Ob 155/10f = Zak 2011/266 [mit zustimmendem Besprechungsaufsatz Riedlers Zak 2011, 143] = ÖBA 2011/1718, 401 [Wolkerstorfer]).
In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat zum Thema des Veränderungsverbots nach § 190 Abs 3 HGB (nunmehr § 190 UGB) und zu Schlussfolgerungen aus der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Entscheidung 5 Ob 2155/96i (= SZ 70/228) auf die Wirksamkeit des Buchvermerks Stellung genommen und dazu ausgeführt:
Im Gegensatz zu vollzedierten Forderungen, die aus den Kundenkonten und OP‑Listen nach buchhalterischen Grundsätzen ausgebucht werden müssen, bleiben die lediglich zur Sicherung abgetretenen Forderungen in der Buchhaltung des Zedenten erhalten (Riedler, ÖBA 2000, 583, 586). Zweck des Buchvermerks ist, anderen Gläubigern des Zedenten offen zu legen, dass die Forderung nicht mehr als Haftungsfonds in Betracht kommt (Riedler aaO, ÖBA 2003, 426; ders JBl 2002, 194 ff). Der Vermerk dient damit primär dem Informationsinteresse und hat Warnfunktion. Diesen Zweck erfüllt der Publizitätsakt aber, solange er in der Buchhaltung aufscheint, unabhängig davon, ob allfällige ‑ gerechtfertigt oder unrechtmäßigerweise vorgenommene ‑ Änderungen aufgrund von technischen Möglichkeiten in der EDV‑Buchhaltung nachvollzogen werden können. Für den interessierten Dritten kommt es ausschließlich darauf an, ob der Buchvermerk bei dem Kundenkonto des debitor zessus und auf der OP‑Liste aufscheint. Das ist für einen möglichen weiteren Kreditgeber des Zedenten durch die Einsichtnahme in die Bücher feststellbar. Auch wenn allfällige in der Vergangenheit vorgenommene Veränderungen der Buchhaltung gespeichert werden, kann im Sinne des Publizitätsgedankens für den Einsicht nehmenden potenziellen Kreditgeber nur das für ihn aus der Buchhaltung aktuell Erkennbare ausschlaggebend sein. Unter dem Gesichtspunkt der Publizität besteht nach Ansicht des erkennenden Senats daher keine Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Zession von der Unveränderbarkeit des Buchhaltungsprogramms oder vom Vorhandensein von technischen Kontroll‑ und Sicherungsvorkehrungen, die Änderungen in EDV‑Buchführungssystemen nachprüfbar gestalten, abhängig zu machen. Programmfunktionen, die die Tatsache einer nachträglichen Änderung und den Inhalt der ursprünglichen Eintragung erkennbar machen, erleichtern zwar ‑ etwa bei Mehrfachzessionen ‑ die Beweisbarkeit, sind aber keine zwingende Notwendigkeit für die Wirksamkeit des Publizitätsakts.
Gegen diese Begründung führt der Revisionswerber keine überzeugenden Gründe ins Treffen.
Zu 1 Ob 66/05w hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass es zur Wirksamkeit der Sicherungszession keiner Erwähnung im Zessionsvermerk bedarf, dass es sich um eine Sicherungszession handelt. Im Fall einer Vollzession schiene die abgetretene Forderung nicht mehr in der OP‑Liste des Zedenten auf; überdies würde auch ein missverständlicher Hinweis (in Richtung einer Vollzession) dem Publizitätszweck Rechnung tragen, der darin besteht, jeden potentiellen Gläubiger darüber zu informieren, dass bestimmte Forderungen als Haftungsfonds nicht zur Verfügung stehen, weil sie aufgrund einer Zession aus dem Vermögen des Zedenten ausgeschieden sind (1 Ob 66/05w mwN).
Mangels Aufzeigens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.
Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihr der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.
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