European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00112.15I.0917.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie - einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Stattgebung des Feststellungsbegehrens - zu lauten haben:
1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 26.062,69 EUR samt 4 % Zinsen aus 31.500 EUR vom 24. 8. 2004 bis 26. 7. 2005, aus 31.457,02 EUR vom 27. 7. 2005 bis 17. 12. 2005, aus 30.262,69 EUR vom 18. 12. 2005 bis 24. 8. 2006, aus 29.062,69 EUR vom 25. 8. 2006 bis 19. 12. 2006, aus 27.862,69 EUR vom 20. 12. 2006 bis 23. 7. 2007, aus 26.812,69 EUR vom 24. 7. 2007 bis 19. 11. 2007, aus 25.462,69 EUR vom 20. 11. 2007 bis 10. 12. 2008, aus 25.162,69 EUR vom 11. 12. 2008 bis 10. 6. 2010 und aus 26.062,69 EUR seit 11. 6. 2010 Zug um Zug gegen das Angebot auf Übertragung der Rechte der klagenden Partei aus deren Beteiligung an der H***** GmbH & Co KG zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle künftigen Schäden ersatzpflichtig ist, die aus der am 4. 8. 2004 eingegangenen Beteiligung der klagenden Partei an der H***** GmbH & Co KG entstehen.
3. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die folgenden Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar
für das Verfahren erster Instanz 8.988,10 EUR (darin enthalten 1.378,55 EUR an USt und 716,80 EUR an Barauslagen),
für das Berufungsverfahren 3.806,12 EUR (darin enthalten 453,02 EUR an USt und 1.088 EUR an Barauslagen) und
für das Revisionsverfahren 2.832,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR an USt und 1.362 EUR an Barauslagen).
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, ein (mittlerweile emeritierter) Rechtsanwalt, investierte über Beratung des Beklagten, eines Vermögensberaters, in eine „Schiffsbeteiligung“. Der Beklagte riet dem Kläger zu diesem Investment und stellte die Veranlagung als sicher dar, weil die Investition in Sachwerte (Schiffe) erfolge. Es sei eine hohe Rendite zu erwirtschaften und eine Investition in Schiffe sei weniger volatil als manche der bisherigen Veranlagungen des Klägers (Aktien und Aktienfondsanteile). Die Sicherheit der Veranlagung begründete der Beklagte unter anderem damit, dass durch die Investition in verschiedene Schiffe eine breite Streuung erzielt werde. Bei den Beratungsgesprächen strich er die Vorteile der Investition heraus, über Risiken wurde nicht gesprochen. Insbesondere wies der Beklagte den Kläger nicht auf das bestehende Risiko eines Kapitalverlusts, bis hin zum Totalverlust, hin. Der Kläger ging deshalb davon aus, dass nur das Risiko bestehe, dass keine Gewinne ausgeschüttet würden. Der Beklagte vermittelte dem Kläger den Eindruck, dass im Insolvenzfall die Schiffe als werthaltige Sachwerte zur Verfügung stünden.
Der Beklagte prognostizierte eine jährliche Rendite von etwa 7 %. Er bezeichnete die geschätzten jährlichen Zahlungen an den Kläger als „Ausschüttung“, wobei er ihm den Eindruck vermittelte, dass es sich bei diesen Ausschüttungen um eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals handle und das Kapital am Ende der Laufzeit (nach einem Verkauf der Schiffe) an den Anleger zurückgezahlt werde. Der Kläger hielt es aufgrund dieser Darstellung des Beklagten nicht für möglich, dass die Ausschüttungen etwas anderes beinhalten könnten als Gewinne. Der Beklagte erwähnte nicht, dass es aufgrund von Ausschüttungen an die Anleger zu Haftungen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern kommen könne. Der Kläger gewann aufgrund der Beratungsgespräche den Eindruck, dass es sich um eine Veranlagung in Form eines Investmentfonds handle.
Tatsächlich erwarb der Kläger am 19. 8. 2004 (Datum der Unterfertigung des Zeichnungsscheins) eine Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co KG (im Folgenden: Emittentin) um 30.000 EUR zuzüglich eines Agios von 5 %, das der Beklagte als Provision für seine Vermittlungstätigkeit erhielt. Die Emittentin ist stille Gesellschafterin mehrerer Schifffahrtsgesellschaften und betreibt selbst kein operatives Geschäft. Die Anleger, also auch der Kläger, erwarben jeweils eine Kommanditbeteiligung an der Emittentin, die treuhändig von einer GmbH (im Folgenden: Treuhänderin) gehalten wurde. Die stille Beteiligung der Emittentin konnte ‑ was in weiterer Folge auch geschehen ist - mit Zustimmung von zumindest 51 % der Anleger in eine Kommanditbeteiligung umgewandelt werden, sodass die Emittentin nunmehr als Kommanditistin an den einzelnen Schifffahrtsgesellschaften beteiligt ist. Vor der Umwandlung ihrer Beteiligung erzielte die Emittentin eine Vorabvergütung ihrer stillen Einlage von 5 %, bezogen auf die geleistete Einlage, ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Schifffahrtsgesellschaften. Seit der Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung nimmt die Emittentin an Gewinn und Verlust der einzelnen Schifffahrtsgesellschaften teil und erhält eine gegenüber deren Altkommanditisten bevorrechtigte Ausschüttung von 7 % pa. Darüber hinaus erhält sie eine (ebenfalls bevorrechtigte) Berücksichtigung bei der Verteilung des Nettoverkaufserlöses, also des Erlöses abzüglich der Verbindlichkeiten, beim Verkauf eines Schiffs.
Die Anleger sind als Kommanditisten am Ergebnis der Emittentin beteiligt, die Ausschüttungen der Emittentin an die Anleger hängen von den Ausschüttungen der einzelnen Schifffahrtsgesellschaften an die Emittentin ab. Die Kommanditbeteiligungen stellen deshalb Risikokapital dar, die Veranlagung ist von ihrer Konzeption her spekulativ, ein Verlust des Werts der Beteiligung bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist möglich.
Auszahlungen (Ausschüttungen) an die Anleger können auch nach Umwandlung der Beteiligung der Emittentin an den Schifffahrtsgesellschaften in Kommanditbeteiligungen nicht nur Gewinn, sondern auch von den Anlegern einbezahltes Kapital enthalten und stellen in diesem Fall eine (teilweise) Rückzahlung der geleisteten Einlage dar. In dem Ausmaß, in dem die Kommanditeinlage durch Ausschüttungen unter den Einlagebetrag gemindert wird, hat der Anleger Nachschüsse zu leisten. Soweit er Ausschüttungen erhält, während sein Kapitalanteil durch vorangegangene Verlustzuweisungen unter den von ihm geleisteten Einlagebetrag herabgemindert ist, gilt die an sich bereits geleistete Einlage den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet, sodass es in diesem Umfang zum Wiederaufleben der Haftung des Anlegers und zu einer neuerlichen Einlageverpflichtung kommt. Eine Haftung des Anlegers über die geleistete Hafteinlage hinaus (Durchgriffshaftung) für Schäden, die durch den oder beim Betrieb der Schiffe oder aufgrund eines Unfalls entstehen, kann nicht ausgeschlossen werden.
Der Beklagte bot dem Kläger im Zuge der Beratung die Übergabe des Kapitalmarktprospekts an, was dieser jedoch ablehnte. Der Kläger nahm auch sonst nicht Einsicht in den Kapitalmarktprospekt. Den ihm vom Beklagten übergebenen Verkaufsprospekt blätterte er nur oberflächlich durch, weil er auf die Beratung durch den Beklagten vertraute, auf deren Grundlage er die Investitionsentscheidung traf. Er unterschrieb Risikohinweise, die er ebenso wenig las wie den Zeichnungsschein.
Wäre dem Kläger bewusst gewesen, dass die Veranlagung mit einem Kapitalverlustrisiko bis hin zum Totalverlust verbunden ist, hätte er von der Veranlagung Abstand genommen. Auch wenn ihm im Zeitpunkt der Veranlagung bewusst gewesen wäre, dass die prognostizierten jährlichen Ausschüttungen nicht nur Gewinne enthalten können, sondern auch eingezahltes Kapital, und dass den Anleger im Fall der Kapitalrückzahlung eine Haftung bzw Rückzahlungsverpflichtung in diesem Umfang treffen kann, hätte er die Investition nicht getätigt.
Der Kläger erhielt im Jahr 2005 Ausschüttungen von insgesamt 1.237,31 EUR, in den Jahren 2006 und 2007 jeweils von 2.400 EUR und im Jahr 2008 von 300 EUR. Seither erfolgten keine weiteren Ausschüttungen. Bisher wurde er nicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen aufgefordert.
Die Treuhänderin versandte regelmäßig Schreiben an die Anleger, in denen unter anderem die wirtschaftliche Entwicklung der Beteiligung dargestellt wurde. In einem Schreiben vom 23. 11. 2009 heißt es unter anderem, dass die Einnahmen bei einzelnen Gesellschaften nicht ausreichen, um die Kosten des Schiffsbetriebs und der Verwaltung zu decken und darüber hinaus die bestehenden Darlehen bedienen zu können, sodass Liquiditätszuführungen durch die Anleger erforderlich seien. Es sei auch erforderlich, dass bereits erhaltene „Liquiditätsausschüttungen“ von den Gesellschaftern wieder eingelegt würden, widrigenfalls die Insolvenz drohe. In einem Schreiben vom 8. 1. 2010 wurde mitgeteilt, dass sich die Mehrheit der Gesellschafter (Treugeber) der Emittentin für die Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen entschieden habe. Mit Schreiben vom 22. 2. 2010 wurden die Anleger unter anderem über den Stand der Restrukturierungsmaßnahmen informiert und eine Insolvenzgefahr in den Raum gestellt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass das Risiko bestehe, dass der Insolvenzverwalter die Gesellschafter wegen erfolgter Ausschüttungen bis zu der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme in Anspruch nehme, was den Verlust der Kommanditeinlage sowie die Rückforderung bereits erhaltener Liquiditätsausschüttungen zur Folge haben könnte. Mit Schreiben vom 25. 2. 2010 wurden den Anlegern die Unterlagen zur ordentlichen Gesellschafterversammlung übermittelt, aus denen unter anderem hervorgeht, dass die den Schiffsbeteiligungen zugrundeliegenden Schiffe im Umfang von ca 149 Mio USD sowie 20 Mio EUR fremdfinanziert wurden. Die wirtschaftliche Situation wurde als „alles andere als wünschenswert“ dargestellt. Es wurde jedoch ein positives Ergebnis von 0,2 % bezogen auf die Nominalbeteiligung kommuniziert. Mit Schreiben vom 23. 4. 2010 wurden die Anleger über die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung der Schiffsbeteiligungen, insbesondere über die Liquiditätslücken einiger Zielgesellschaften sowie über die angespannte Liquiditätslage des „Dachfonds“ (also der Emittentin) informiert. Es wurde ein Konzept zur Vermeidung einer Insolvenz einzelner „Zielfonds“ sowie letztlich auch der Emittentin vorgestellt. Als geplante Maßnahme wurde unter anderem eine freiwillige Wiedereinlage bereits erhaltener Ausschüttungen vorgeschlagen. Außerdem wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass bei einer Insolvenz der Emittentin die Gesellschafter wegen erfolgter Ausschüttungen in Anspruch genommen werden könnten. Mit Schreiben vom 31. 5. 2010 wurden die Anleger darüber informiert, dass von den Gesellschaftern eine neuerliche Restrukturierung beschlossen wurde und der von den Gesellschaftern jeweils zugesagte Restrukturierungsbeitrag eingezahlt werden solle.
Alle diese Schreiben wurden von der Treuhänderin (auch) an den Kläger abgesandt. Bei ihr ging keine Benachrichtigung ein, dass die Zustellung nicht erfolgt wäre. Der Kläger erhielt auch laufend Schreiben der Treuhänderin. Ob er alle genannten Schreiben tatsächlich erhielt, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger blätterte die Schreiben der Treuhänderin zunächst oberflächlich durch, in weiterer Folge las er diese gar nicht mehr. Es kann nicht festgestellt werden, welche Schreiben der Kläger zumindest oberflächlich durchsah und welche gar nicht. Aus den genannten Schreiben zog er, soweit er sie überhaupt oberflächlich durchsah, keine besonderen Rückschlüsse hinsichtlich der Struktur der Veranlagung sowie des damit verbundenen Risikos. Aufgrund ausbleibender Ausschüttungen wurde ihm zwar bewusst, dass die Veranlagung „nicht mehr so gut laufe“, er ging jedoch davon aus, dass aufgrund der Wirtschaftskrise bloß keine Gewinne mehr erwirtschaftet würden. Dass das eingesetzte Kapital verloren gehen könne, schloss er weder aus den ausbleibenden Zahlungen noch aus den Schreiben der Treuhänderin. Vielmehr ließ sich der Kläger durch die vorgeschlagene Restrukturierung beruhigen. Die ihm zusätzlich zu den Schreiben der Treuhänderin übermittelten Geschäftsberichte zu seiner Schiffsbeteiligung sah er nicht durch, sondern legte sie bloß ab.
Aufgrund eines (weiteren) Schreibens der Treuhänderin vom 28. 5. 2010 leistete der Kläger Mitte Juni 2010 freiwillig eine weitere Einlage von 900 EUR zum Zweck der Restrukturierung der Schiffsgesellschaften.
Im Frühjahr 2013 wurde dem Kläger aufgrund eines Gesprächs mit dem mit ihm befreundeten Klagevertreter erstmals bewusst, dass die Ausschüttungen nicht nur Gewinne beinhalten können, sondern auch das eingezahlte Kommanditkapital. Der Zeitpunkt, zu dem dem Kläger erstmals bewusst wurde, dass mit der Veranlagung ein erhebliches wirtschaftliches Risiko ‑ insbesondere ein Kapitalverlustrisiko ‑ einhergeht, kann nicht exakt festgestellt werden, es war dies aber jedenfalls nicht vor dem 30. 9. 2010.
Der Kläger begehrte mit seiner am 20. 9. 2013 eingebrachten Klage vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes den Ersatz des von ihm investierten Betrags abzüglich erhaltener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Emittentin, sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Investment. Der Beklagte habe den Kläger, der die Investition zur Altersvorsorge getätigt habe, einerseits unzureichend über die Natur der Veranlagung und das damit verbundene Risiko aufgeklärt. Andererseits sei ihm ein „Ausschüttungsschwindel“ vorzuwerfen: Er habe die prognostizierten Ausschüttungen der Veranlagung als Renditen dargestellt, obwohl es sich tatsächlich um Rückzahlungen der geleisteten Einlage - mit den Rechtsfolgen der Nachschusspflicht und des Wiederauflebens der Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern in diesem Umfang - gehandelt habe. Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt, weil ihm der anspruchsbegründende Sachverhalt weniger als drei Jahre vor Einbringung der Klage bekannt geworden sei.
Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, er habe den Kläger, der aufgrund seiner Berufserfahrung ausreichende Kenntnisse über Unternehmensbeteiligungen gehabt habe, hinlänglich aufgeklärt und anlage- und anlegergerecht beraten. Der Kläger habe das mit der Veranlagung verbundene Risiko bewusst in Kauf genommen, um höhere Gewinne zu erzielen. Jedenfalls treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden. Die geltend gemachten Ansprüche seien außerdem verjährt, weil der Kläger bereits anlässlich der Ausschüttung vom 27. 7. 2005 erkannt habe bzw erkennen hätte müssen, dass er nicht die gewünschte Veranlagung erworben habe.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung der Hälfte des eingeklagten Betrags und sprach aus, dass er zur Hälfte für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Investment hafte; das Mehrbegehren wies es ab. Der Beklagte habe die für die Anlageentscheidung des Klägers wesentliche Aufklärung über die mit der Investition verbundenen Risiken unterlassen, indem er ihn nicht über das Risiko eines Kapitalverlusts bis hin zum Totalverlust informiert und ihn auch nicht darüber aufgeklärt habe, dass er erhaltene Ausschüttungen allenfalls zurückzahlen müsse und dass eine den Kommanditanteil übersteigende Haftung nicht ausgeschlossen sei. Vom Kläger wäre allerdings zu erwarten gewesen, dass er die Vertragsunterlagen nicht „völlig blind“ unterschreibe. Dies gelte insbesondere für den von ihm an mehreren Stellen unterschriebenen Zeichnungsschein, in dem bereits in der fettgedruckten Überschrift klar zum Ausdruck komme, dass eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft erworben werde, und der auch den Hinweis enthalte, dass mit der Veranlagung das Risiko eines Totalverlusts verbunden sei. Dem Kläger sei deshalb ein Mitverschulden von 50 % anzulasten.
Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt, weil dem Kläger erstmals im Frühjahr 2012 (richtig: 2013) bewusst geworden sei, dass er vom Beklagten insofern unrichtig beraten worden sei, als Ausschüttungen nicht nur Gewinne, sondern auch das geleistete Kommanditkapital enthalten könnten. Da er aus den von ihm oberflächlich durchgesehenen Schreiben der Treuhänderin keine besonderen Rückschlüsse gezogen habe, habe er es nicht für wahrscheinlich halten müssen, pflichtwidrig beraten worden zu sein. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei deshalb auf die positive Kenntnis des Schadens im Jahr 2012 (richtig: 2013) abzustellen, sodass der Klageanspruch nicht verjährt sei. Gleiches gelte für die vom Kläger aufgrund der Beratung durch den Beklagten angenommene wirtschaftliche Risikolosigkeit der Veranlagung. Auch insoweit hätten aus Sicht des Klägers zunächst keine Anhaltspunkte für eine Fehlberatung bestanden, weil er das Ausbleiben von Ausschüttungen nicht mit einem Kapitalverlustrisiko assoziiert habe und durch die in den Schreiben der Treuhänderin genannten Restrukturierungsmaßnahmen beruhigt worden sei.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil infolge Berufung beider Parteien dahin ab, dass es das Zahlungsbegehren gänzlich abwies und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgab. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei dem Kläger kein Mitverschulden anzulasten. Der Kläger habe weder spezielle Erfahrungen mit Kommanditbeteiligungen, noch hätten ausreichende Anhaltspunkte für ihn bestanden, dass die dargestellte „jährliche Rendite“ in Wahrheit nachzuschießende Kapitalrückzahlungen umfasse. Allerdings führe der festgestellte Zugang mehrerer der Schreiben der Treuhänderin, in welcher Kombination immer, zur Bejahung des Verjährungseinwands, weil jedes einzelne davon keinen Zweifel am gegebenen Restrukturierungsbedarf infolge Insolvenzgefahr gelassen habe und der Kläger den ihm zugegangenen Schreiben auch tatsächlich einen Restrukturierungsbedarf entnommen habe, der ihn Mitte Juni 2010 zur Leistung eines entsprechenden finanziellen Beitrags, also zur Teilnahme an Maßnahmen zur Abwehr einer durchaus konkreten Insolvenzgefahr veranlasst habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe für den Kläger Anlass bestanden, seine Annahme, es bestehe kein Risiko eines Kapitalverlusts, zu hinterfragen, sich also Klarheit über das Wesen der Veranlagung zu verschaffen und zumindest nunmehr den seinerzeit erhaltenen Verkaufsprospekt und den von ihm unterfertigten Zeichnungsschein durchzulesen. Dabei hätte er erkannt, dass es sich bei der Veranlagung um eine langfristige unternehmerische Beteiligung handle, deren künftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar sei und bei der auch ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals nicht ausgeschlossen sei. Er hätte also schon damals - und damit länger als drei Jahre vor Klageeinbringung - bemerkt, dass seine aus dem Beratungsgespräch gewonnene Risikovorstellung dem tatsächlichen Risiko eklatant zuwiderlaufe.
Sein Schadenersatzanspruch sei daher verjährt, soweit er im Wege der Naturalrestitution infolge fehlerhafter Aufklärung über das Kapitalverlustrisiko die Rückzahlung des veranlagten Betrags anstrebe. Hingegen habe er nicht den Schluss ziehen müssen, dass nicht nur sein Kapital gefährdet sei, sondern ihn darüber hinaus in Zukunft sogar noch Zahlungspflichten treffen könnten. Hinweise darauf könnten sich zwar aus den „Planrechnungen“ im Verkaufsprospekt ergeben, wo in einer Fußnote von der „ganzjährigen Vorabvergütung der Stillen Einlagen im 1. Jahr mit 5 % p.a.“ die Rede sei. Wer seine Unterlagen im Hinblick auf die Gefahr eines Kapitalverlusts bei Gesellschaftsinsolvenz sichte, habe aber keine Veranlassung, der Nachvollziehbarkeit der in diesem Fall wohl ohnehin obsoleten Prognoserendite nachzugehen. Dass sich darunter, iSd § 864 ABGB geradezu versteckt, auch Hinweise auf eine weitergehende Gefahrenlage wie etwa aufgrund allfälliger Nachschusspflichten verbergen könnten, müsse er nicht ins Kalkül ziehen. Da der Schadenersatzanspruch des Klägers, soweit er die Nichtaufklärung über das Kapitalverlustrisiko betreffe, verjährt sei, habe er also den allfälligen Verlust seines eingesetzten Kapitals endgültig selbst zu tragen. Nicht verjährt seien nur Ansprüche aus künftigen Schäden, die aus noch möglichen Nachschusspflichten resultierten. Insofern seien die Interessen des Klägers aber durch das Feststellungsurteil gewahrt. Würde man ihm allein wegen dieser künftig drohenden Schäden die Naturalrestitution zubilligen, also gegen Zahlung des veranlagten Kapitals die Gesellschafterstellung an den Beklagten übertragen, wäre damit diesem auch jener bereits verjährte Vermögensverlust aufgebürdet. Daher stehe die wechselseitige Interessenlage zugunsten des Beklagten der Naturalrestitution entgegen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (insgesamt) 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Gegen die Abweisung des Zahlungsbegehrens richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag in Richtung gänzlicher Stattgebung des Klagebegehrens. Darin macht er zusammengefasst geltend, bei mehreren Beratungsfehlern, die kausal für den Erwerb eines in Wahrheit nicht gewünschten Anlageprodukts gewesen seien, beginne die Verjährungsfrist ab Kenntnis des jeweiligen Beratungsfehlers (gesondert) zu laufen, sodass er im Hinblick auf die Feststellungen zu seiner Kenntnis vom „Ausschüttungsschwindel“ entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Anspruch auf Naturalrestitution habe, selbst wenn sein auf den weiteren Beratungsfehler (bezüglich des Risikos eines Kapitalverlusts) gestützter Schadenersatzanspruch bereits verjährt sein sollte.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Dem Beklagten wurde daher die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt.
In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass von den vom Beklagten in erster Instanz erhobenen Einwendungen nur noch die Frage der Verjährung und der Mitverschuldenseinwand Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, und dass der in der Revisionsbeantwortung enthaltene Vorwurf des Beklagten, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht 30.000 EUR, unrichtig ist: Gegenstand der Berufungsentscheidung ‑ und nur darauf kommt es hier an ‑ war nämlich sowohl das Zahlungs- als auch das Leistungsbegehren.
1.1. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht. Für das Vorliegen eines „realen Schadens“ ist eine in Geld messbare Vermögenseinbuße nicht unbedingt erforderlich, sondern es reicht aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht.
Ein Primärschaden in Gestalt eines sogenannten realen Schadens liegt bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist dann also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (6 Ob 145/08d mwN; RIS‑Justiz
1.2. In einem solchen Fall hat der Anleger einen - vereinfacht als „Naturalrestitution“ bezeichneten - Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger (8 Ob 39/12m mwN; RIS-Justiz RS0120784).
2.1. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten der Schaden, die Person des Schädigers und die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS-Justiz RS0034951).
2.2. Die Verjährung bezieht sich auf den jeweils geltend gemachten Anspruch, der ‑ wie der Streitgegenstand (RIS-Justiz
RS0039255) ‑ durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert wird. Stützt der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten, liegen in Wahrheit zwei Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind (vgl RIS‑Justiz
RS0050355 zu Amtshaftungsansprüchen, die aus dem Handeln verschiedener Organe abgeleitet werden). Ausgehend davon hat der Oberste Gerichtshof in der ‑ einen Arzthaftungsanspruch betreffenden ‑ Entscheidung 4 Ob 144/11x (= RIS-Justiz RS0050355 [T7]) bereits dargelegt, dass dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, in Wahrheit zwei Ansprüche vorliegen, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind.
2.3. Nichts anderes kann im hier zu beurteilenden Fall gelten, in dem der Kläger sein auf Naturalrestitution gerichtetes Leistungsbegehren - ebenfalls alternativ - auf mehrere Beratungsfehler des Beklagten (insbesondere „Kapitalverlustrisiko“ und „Ausschüttungsschwindel“) gestützt hat (vgl dazu auch Leitner , Schiffs- und Immobilienfonds: Verjährung bei mehreren Beratungsfehlern, ecolex 2015, 452 [453 f] mwN).
In diesem Sinn hat auch der deutsche Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass im Fall eines Schadenersatzanspruchs, der sich auf mehrere Beratungsfehler stützen lässt, die jeweils eigene Schadensfolgen zeitigten, die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für jeden Beratungsfehler gesondert zu laufen beginnt (V ZR 25/07 und III ZR 169/08).
2.4. Die Verjährung des auf einen dieser Beratungsfehler („Kapitalverlustrisiko“) gestützten Ersatzanspruchs führt also entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dazu, dass bei Bejahung eines anderen, für sich genommen noch nicht verjährten Beratungsfehlers („Ausschüttungsschwindel“) die Stattgebung des Leistungsbegehrens ausgeschlossen wäre.
3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger wäre angesichts der ihm zugegangenen Schreiben, in denen von „Restrukturierungsbedarf“ und Insolvenzgefahr die Rede ist, gehalten gewesen, sich durch Lektüre des seinerzeit erhaltenen Verkaufsprospekts und des von ihm unterfertigen Zeichnungsscheins Klarheit über das Wesen der Veranlagung zu verschaffen, wodurch er bereits länger als drei Jahre vor Einbringung der Klage erkennen hätte können, dass seine Veranlagung nicht „sicher“, sondern mit der Gefahr eines Kapitalverlusts verbunden ist, ist nicht zu beanstanden.
4.1. Vom „Ausschüttungsschwindel“, also dem weiteren Beratungsfehler, der kausal für die Anlageentscheidung des Klägers war, erlangte dieser nach den Feststellungen erst weniger als drei Jahre vor Klageeinbringung Kenntnis.
4.2. Die für den Beginn der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erforderliche Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund des Entschädigungsanspruchs darstellt, wird durch die verschuldete
Unkenntnis des Geschädigten nicht ersetzt. Die Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen muss so weit reichen, dass der Geschädigte aufgrund des ihm bekannt gewordenen Materials eine Klage gegen die Person des Schädigers mit Erfolg zu begründen in der Lage ist. Die bloße Möglichkeit der Kenntnis genügt nicht (RIS-Justiz RS0034686 ua).
4.3. Allerdings darf sich der Geschädigte nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen (oder von anderen maßgeblichen Umständen) eines Tages zufällig Kenntnis erlangt (RIS-Justiz RS0065360). Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Diese Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten, die sich auf die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Anspruchsverfolgung schlechthin und nicht nur auf die Person des Schädigers erstreckt, darf umgekehrt aber auch nicht überspannt werden (RIS-Justiz
4.4. Dem Berufungsgericht ist dahin zuzustimmen, dass sich für den Kläger auch bei (nachträglicher) genauer Lektüre des ihm seinerzeit übergebenen Verkaufsprospekts und des von ihm unterfertigten Zeichnungsscheins kein ausreichend konkreter Anhaltspunkt für eine allfällige Nachschusspflicht und eine mögliche Durchgriffshaftung im Umfang der erhaltenen Ausschüttungen ergeben hätte. Erst aus den drei Schreiben der Treuhänderin vom 23. 11. 2009, vom 22. 2. 2010 und vom 23. 4. 2010 ergeben sich demgegenüber mehr oder weniger deutliche Hinweise auf diese Rechtslage, die den Kläger zu weiteren Nachforschungen veranlassen hätten müssen. Angesichts der Negativfeststellungen zu diesem Thema steht aber gerade nicht fest, dass dem Kläger diese drei Schreiben tatsächlich zugegangen sind. Dem für den Eintritt der Verjährung behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten (2 Ob 31/07h; RIS-Justiz RS0034326; RS0034456) ist somit der Nachweis jener Ereignisse (Zugang der Schreiben), die Nachforschungspflichten des Klägers ausgelöst hätten, nicht gelungen.
5. Der auch im Revisionsverfahren aufrecht erhaltene Mitverschuldenseinwand des Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen des Berufungsgerichts, auf die verwiesen wird, unberechtigt (§ 510 Abs 3 ZPO): Der Kläger hätte zwar bei genauem Studium des Kapitalmarktprospekts die rechtliche Konstruktion der erworbenen Beteiligung erkennen können. Mangels konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen des „Ausschüttungsschwindels“ bestand für den Kläger aber keine Obliegenheit, sich den Kapitalmarktprospekt zu beschaffen und zu lesen.
6. Da der auf die Fehlinformation des Beklagten bezüglich der Qualität der Ausschüttungen und der möglichen Rechtsfolgen gestützte Ersatzanspruch des Klägers also nicht verjährt ist und den Kläger auch kein Mitverschulden trifft, besteht sein Begehren auf Naturalrestitution zu Recht. Die Urteile der Vorinstanzen waren deshalb in diesem Sinn abzuändern.
7. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 41 iVm § 54 Abs 1a ZPO und hinsichtlich des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf § 41 und § 50 ZPO.
Der Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Kostenverzeichnis des Klägers zu Recht eingewendet, dass der verzeichnete vorprozessuale Kostenaufwand durch den Einheitssatz abgedeckt ist (§ 23 Abs 1 RATG). Hingegen stehen dem Kläger für den Schriftsatz vom 16. 4. 2014 (ON 12) die verzeichneten Kosten nach TP 2 RATG zu, weil es sich nicht um eine bloße Urkundenvorlage handelt, sondern auch ergänzendes Vorbringen erstattet wurde.
Da es sich bei der Berufung nicht um den verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt (RIS-Justiz RS0126594), gebührt nur ein ERV‑Erhöhungsbetrag nach § 23a RATG von 1,80 EUR.
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