OGH 2Ob93/16i

OGH2Ob93/16i28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** H*****, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, gegen die beklagten Parteien 1. M***** C*****, und 2. A*****-AG, *****, beide vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen 6.284,14 EUR sA, über die Revision der Klägerin (Revisionsinteresse 5.025,23 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2016, GZ 22 R 295/15h‑17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 19. August 2015, GZ 1 C 1/15h‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00093.16I.0628.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 551,85 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 91,97 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagten haften für die Folgen eines Verkehrunfalls, bei dem der Pkw der Klägerin beschädigt wurde. Ein im Auftrag der zweitbeklagten Haftpflichtversicherung eingeholtes Gutachten ergab einen Wiederbeschaffungswert von 18.350 EUR und Reparaturkosten von 22.090,22 EUR; ein später von der Klägerin eingeholtes Gutachten einen Wiederbeschaffungswert von 27.540 EUR. Die Zweitbeklagte überwies der Klägerin die von ihrem Sachverständigen ermittelten 22.090,22 EUR. Tatsächlich kostete die fachgerechte Reparatur dann aber 27.015,45 EUR.

Die Klägerin begehrt, soweit im Revisionsverfahren noch relevant, die Differenz zwischen den tatsächlichen Reparaturkosten und dem von der Zweitbeklagten bereits gezahlten Betrag (4.925,23 EUR) sowie eine merkantile Wertminderung von 100 EUR, insgesamt daher 5.025,23 EUR. Sie stützte sich in erster Instanz darauf, dass das von der Zweitbeklagten eingeholte Gutachten sowohl die Reparaturkosten als auch den Wiederbeschaffungswert zu gering angesetzt habe. Daher habe sie ein eigenes Gutachten zum Wiederbeschaffungswert eingeholt. Die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten hätten diesen Wert nicht überstiegen und seien daher zu ersetzen. Weiters habe sie Anspruch auf die reparaturbedingte Wertminderung des Fahrzeugs.

Die Beklagte wandte ein, dass die Reparatur untunlich gewesen sei, da deren Kosten den Wiederbeschaffungswert deutlich überstiegen hätten. Daher stehe der Klägerin nach den Grundsätzen der Totalschadensabrechnung nur die Differenz zwischen Zeit- und Restwert zu. Da die Zweitbeklagte ohnehin deutlich mehr gezahlt habe, bestehe kein weiterer Anspruch.

Das Erstgericht wies die Klage im strittigen Umfang ab. Es stellte nach Einholung eines kraftfahrtechnischen Gutachtens fest, dass der „tatsächliche Wert des Klagsfahrzeuges zur Unfallszeit“ 22.500 EUR und der Restwert danach 10.150 EUR betragen habe. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass es sich beim Betrag von 22.500 EUR um den Wiederbeschaffungswert handelte. Auf dieser Grundlage bestehe kein Anspruch, weil die Reparatur untunlich gewesen sei. Der Ersatz habe daher nach den Grundsätzen der Totalschadensabrechnung zu erfolgen. Die Klägerin habe ohnehin mehr bekommen als die ihr danach zustehende Differenz zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert.

In ihrer Berufung führte die Klägerin in erster Linie eine Verfahrens- und Beweisrüge zur Wertermittlung durch das Erstgericht aus. Unter dem Titel der unrichtigen rechtlichen Beurteilung machte sie ausschließlich geltend, dass das Erstgericht zu Unrecht auf den „Zeitwert“ und nicht auf den „Wiederbeschaffungswert“ abgestellt habe und dass es bei der Ermittlung des Restwerts zu Unrecht dem Sachverständigen gefolgt sei, der seine Ausführungen auf Daten aus einer Restwertbörse gestützt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und ließ die Revision zunächst nicht zu. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und verwies zur Rechtsrüge auf dessen zutreffende Ausführungen. Das Erstgericht habe die Begriffe „Zeitwert“ und „Wiederbeschaffungswert“ synonym verwendet; dies entspreche auch der Terminologie des Obersten Gerichtshofs.

In ihrer mit einem Zulassungsantrag verbundenen Revision macht die Klägerin als erhebliche Rechtsfragen geltend, dass

a. die Beklagten das Risiko zu tragen hätten, dass der von der Zweitbeklagten beauftragte Sachverständige die Reparaturkosten zu gering angesetzt habe („Prognoserisiko“),

b. die Reparatur angesichts des Überschreitens des Wiederbeschaffungswerts um nur 20 % nicht untunlich gewesen sei,

c. die Kosten jedenfalls im Umfang der „Tunlichkeit“ zu ersetzen seien,

d. die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Begriffen „Zeitwert“ und „Wiederbe-schaffungswert“ uneinheitlich sei.

Das Berufungsgericht erachtete die Fragen (b), (c) und (d) als erheblich und ließ die Revision aus diesem Grund nachträglich zu.

Die Beklagten beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

1. Zu den Fragen (a), (b) und (c):

1.1. Wurde die Entscheidung erster Instanz von der unterlegenen Partei nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten oder die gesamte Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, dann sind diese Versäumnisse im Revisionsverfahren nicht mehr nachholbar, und andere Punkte können in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043480; RS0043573 [T5, T29, T33, T36]; RS0043338 [T10, T13, T27]; Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 503 Rz 23).

1.2. Im konkreten Fall enthielt die Berufung der Klägerin kein Vorbringen, weshalb die angefochtene Entscheidung auf Grundlage der darin getroffenen Feststellungen zum Wert des Fahrzeugs nicht zuträfe. Weder erwähnte sie das Prognoserisiko, noch vertrat sie die Auffassung, dass die Reparatur auf Grundlage der Feststellungen tunlich gewesen sei oder dass Ersatz zumindest bis zur „Tunlichkeitsschwelle“ gebühre. Diese Fragen können daher mit der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

2. Zur Frage (d):

Erkennbar hatte die Berufung geltend gemacht, dass das Erstgericht seiner Entscheidung nicht den Wiederbeschaffungswert, sondern einen (geringeren) „Zeitwert“ zugrunde gelegt habe. Schon das Berufungsgericht hat aber dargelegt, dass das Erstgericht diese Begriffe synonym verwendet hatte (vgl US 8: „Zeitwert bzw Wiederbeschaffungswert“) und daher ohnehin – zutreffend (2 Ob 158/07k mwN ZVR 2008/227 [ Ch. Huber ]; zuletzt etwa 2 Ob 249/08v ZVR 2010/182 [ Ch. Huber ] und 2 Ob 18/13f ZVR 2013/126 [ Ch. Huber ]) – vom Wiederbeschaffungswert ausgegangen war. Damit kommt es auf die in der Revision erörterte Frage, ob die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Begriff des „Zeitwerts“ einheitlich sei, nicht an.

3. Aus diesen Gründen ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979; RS0035962).

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