OGH 2Ob18/13f

OGH2Ob18/13f14.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** T*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei U***** Versicherungen AG, *****, vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch ua, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 6.667 EUR sA (Revisionsinteresse 6.127 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2012, GZ 5 R 81/12i-23, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 30. März 2012, GZ 19 Cg 136/11h-19, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Am 19. Juni 2011 ereignete sich im Gemeindegebiet von Aflenz ein Verkehrsunfall, bei dem der im (wirtschaftlichen) Eigentum der Klägerin stehende PKW Audi A4 Avant 2,0 TDI Kombi (Erstzulassung am 30. September 2010, Laufleistung 8.225 km; in der Folge „PKW“ oder „Fahrzeug“) beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten (Haftpflichtversicherer des PKW des Unfallgegners) für die Unfallfolgen ist dem Grunde nach nicht strittig.

Der Wiederbeschaffungswert des PKW vor dem Unfall betrug 30.680 EUR. Die unfallkausalen Reparaturkosten hätten sich laut dem von der Beklagten eingeholten Schadensgutachten auf 19.397,08 EUR belaufen. Im Fall der ordnungsgemäßen Reparatur des Fahrzeugs wäre dessen merkantile Wertminderung mit 2.420 EUR anzusetzen gewesen. Die Werkstätte, bei der das Wrack besichtigt wurde, hatte der Klägerin mitgeteilt, dass sie dieses um maximal 8.500 bis 9.000 EUR erwerben würde. Daraufhin erklärte der geschiedene Ehemann der Klägerin, ein Transportunternehmer, der im Rahmen seines Betriebs eine Reparaturwerkstätte für den eigenen Fuhrpark unterhält, in diesem Fall würde er das Wrack selbst kaufen und herrichten, was er dann auch tat. Die Klägerin ließ das Fahrzeug nicht reparieren und verkaufte es am 1. August 2011 unter Ausschluss der Gewährleistung im beschädigten Zustand um 8.863 EUR ihrem geschiedenen Ehemann. „Fremdreparaturen“ führt dieser in seiner Reparaturwerkstätte nicht durch. Den Kaufpreis für das Fahrzeug ermittelte die Klägerin durch Abzug der Reparaturkosten laut dem Schadensgutachten und der merkantilen Wertminderung vom Wiederbeschaffungswert des unbeschädigten Fahrzeugs.

Außer ihrem geschiedenen Ehemann bot die Klägerin das beschädigte Fahrzeug niemandem zum Kauf an. Dass sie sich über dessen Wert bei einem Sachverständigen erkundigte, ist nicht feststellbar.

Die Klägerin nahm mit der Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkauf des Fahrzeugs keinen Kontakt auf. Sie hatte von der Beklagten zunächst die Zahlung der Reparaturkosten laut dem Schadensgutachten und die Abgeltung der merkantilen Wertminderung begehrt. Erst nachdem die Beklagte um die Übermittlung der Reparaturrechnung ersucht hatte, teilte die Klägerin am 19. August 2011 der Beklagten mit, sie habe das beschädigte Fahrzeug um 8.863 EUR verkauft, und forderte die Differenz zum Wiederbeschaffungswert des unbeschädigten Fahrzeugs.

Die Beklagte ließ der Klägerin dementsprechend keine Informationen über Verkaufsmöglichkeiten und erzielbare Preise für das Fahrzeug zukommen. Die Klägerin hatte zuvor noch nie ein beschädigtes Fahrzeug verkauft, wohl aber ein gebrauchtes an einen Kfz-Händler. Sie hatte keine Kenntnis von einer Internetplattform für den Verkauf von Autowracks an Privatpersonen.

Für den Verkauf eines Autowracks gibt es grundsätzlich zwei potenzielle Käuferkreise, nämlich einerseits Kfz-Händler und andererseits private Interessenten.

Beim Verkauf des beschädigten Fahrzeugs an eine Kfz-Werkstätte wäre ein durchschnittlicher Erlös von 8.863 EUR zu erzielen gewesen, weil eine Fachwerkstätte mit Reparaturkosten von rund 19.397 EUR und der merkantilen Wertminderung kalkuliert hätte. Die Reparaturkosten bemessen sich unter Berücksichtigung sämtlicher Steuern und Abgaben sowie erforderlicher Investitionskosten für den Werkstättenbetrieb selbst. Darüber hinaus hat der Betreiber einer Fachwerkstätte in der Regel auch einen entsprechenden Unternehmergewinn und Finanzierungskosten zu berücksichtigen, weshalb die Reparaturkosten einer Fachwerkstätte die Reparaturkosten eines Privaten auch erheblich übersteigen.

Beim Verkauf des Fahrzeugs an eine Privatperson wäre unter Berücksichtigung von in diesem Fall angemessenen Reparaturkosten von 13.500 EUR, die auch Ersatzteile und „Eigenleistung“ beinhalten, ein durchschnittlicher Erlös von 14.760 EUR zu erzielen gewesen. Es gibt einen eigenen Markt für Privatreparaturen von beschädigten Fahrzeugen, der grundsätzlich „allgemein bekannt“ ist. Dementsprechend gibt es auch einen Markt für den Verkauf von Autowracks an Privatpersonen; auf diesem können beschädigte Fahrzeuge insbesondere auch über Internetplattformen zum Kauf angeboten werden. Daneben gibt es eigene „Wrackbörsen“, zu denen aber nur Versicherer, aber keine Privatpersonen Zugang haben.

Das Fahrzeug ist ein gängiges Modell, das auch als Wrack sehr häufig nachgefragt wird.

Die Klägerin begehrt zuletzt 6.667 EUR sA. Ihr Schaden errechne sich aus den Reparaturkosten von 19.397 EUR, der merkantilen Wertminderung von 2.420 EUR und Spesen von 70 EUR mit 21.887 EUR. Infolge von Zahlungen der Beklagten von insgesamt 15.690 EUR ergebe sich der eingeschränkte Klagsbetrag. (Die Differenz des sich aus dieser Berechnung ergebenden Betrags von 6.197 EUR zum eingeschränkten Klagebegehren von 6.667 EUR erklärte das Berufungsgericht mit einem der Klägerin unterlaufenen Ziffernsturz.) Sie brachte vor, sie habe schon mangels Zugangs zu Wrackbörsen von Versicherern keine Möglichkeit gehabt, das Fahrzeugwrack teurer zu verkaufen. Die Beklagte habe ihr dazu auch nichts mitgeteilt. Die Klägerin habe ein Kaufanbot einer Kfz-Werkstätte eingeholt und das Wrack um den angebotenen Kaufpreis veräußert. Dass Private für das Wrack mehr bezahlt hätten, habe sie nicht gewusst; dies sei ihr auch nicht vorwerfbar. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, aufwändige „Marktforschung“ zu betreiben und habe auch wegen der bei einem Privatverkauf zu erwartenden größeren Probleme ein legitimes Interesse daran gehabt, das beschädigte Fahrzeug nicht an einen Privaten zu verkaufen.

Die Beklagte anerkannte einen Fahrzeugschaden in Höhe von 15.690 EUR, der sich aus der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert von 30.680 EUR und dem Wert des beschädigten Fahrzeugs von 14.990 EUR errechne. Im Übrigen wandte die Beklagte ein, die Klägerin habe den PKW nicht reparieren lassen, sondern in beschädigtem Zustand verkauft, weshalb sie lediglich Anspruch auf die objektive Minderung des Verkehrswerts habe. Der von der Klägerin erzielte Verkaufserlös von 8.863 EUR entspreche nicht den tatsächlichen Marktverhältnissen, der Wert des beschädigten Fahrzeugs sei mit 14.990 EUR gegeben. Der Minderkaufpreis könne nicht dem Schädiger angelastet werden. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses habe die Beklagte noch von einer geplanten Reparatur des Fahrzeugs ausgehen müssen, weshalb sie nicht verhalten gewesen sei, der Klägerin Informationen über Kaufanbote bzw Verkaufsmöglichkeiten für das Wrack zukommen zu lassen. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne der objektive Wert des beschädigten Fahrzeugs nicht dadurch ermittelt werden, dass vom Zeitwert des PKWs in unbeschädigtem Zustand die für die Schadensbehebung in einer Werkstatt erforderlichen fiktiven Reparaturkosten und die merkantile Wertminderung abgezogen würden, zumal es eine große Nachfrage an beschädigten Fahrzeugen der Marke Audi am Gebrauchtwagenmarkt gebe. Die Klägerin habe keinerlei Bemühungen unternommen, das beschädigte Fahrzeug am Kfz-Markt zu verkaufen; damit habe sie ihre Schadensminderungspflicht verletzt.

Das Erstgericht gab ‑ insofern unbekämpft ‑ dem Klagebegehren mit 230 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte rechtlich aus, der gemeine Wert des beschädigten Fahrzeugs richte sich nach dem dafür auf dem Privatmarkt zu erzielenden Verkaufserlös, weil die Klägerin keine zwingenden Gründe darlegen habe können, warum für sie ein Privatverkauf nicht möglich oder zumutbar gewesen sei. Ihr wäre zumindest zumutbar gewesen, vor dem Verkauf des Autowracks die Beklagte über das vorliegende Anbot zu informieren und dieser die Namhaftmachung eines anderen, mehr bietenden Käufers zu ermöglichen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass es dem Klagebegehren mit 6.127 EUR sA stattgab und das Mehrbegehren von 540 EUR sA abwies. Es führte aus, grundsätzlich stehe dem Geschädigten der Ersatz der Reparaturkosten zu, wenn die Reparatur möglich und wirtschaftlich, also tunlich, sei (RIS‑Justiz RS0030285). Stehe aber fest, dass die Reparatur nicht durchgeführt, vielmehr das Fahrzeug im beschädigten Zustand verkauft werde, stelle die objektive Wertminderung das Höchstmaß des zuzusprechenden Ersatzes dar (RIS-Justiz RS0022844 [insb T2]; OGH 2 Ob 158/07k mwN; 2 Ob 116/08k; 2 Ob 249/08v).

Nach § 1332 ABGB bestehe die objektive Wertminderung in der Differenz zwischen dem gemeinen Wert, dem Verkehrs- bzw Marktwert, der Sache im unbeschädigten und dem im beschädigten Zustand. Nach herrschender Rechtsprechung zu § 1332 ABGB sei bei der Feststellung der Höhe des Wertersatzes für eine bei einem Unfall im Inland beschädigte bewegliche Sache in der Regel auf den gemeinen Wert der Sache abzustellen, den diese am Wohnort des Geschädigten habe (RIS-Justiz RS0045278). Demnach ergebe sich der relevante Markt für die Ermittlung des Wrackwerts eines Kraftfahrzeugs regelmäßig aus dem Wohnort des Geschädigten (2 Ob 249/08v = RIS-Justiz RS0125392).

Die schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht führe zur Kürzung der Ansprüche des Geschädigten (RIS-Justiz RS0027062). Die Bandbreite erzielbarer Rest- bzw Wrackwerterlöse habe sich aufgrund der „Ostöffnung“ erheblich erweitert und die Verbreitung von Wrackbörsen im Internet (in denen mitunter dreimal so hohe Angebote wie auf dem lokalen Markt erzielbar seien) habe zugenommen. Vor allem Haftpflichtversicherer seien daran interessiert, dass der Geschädigte das Wrack an von ihm aus einer Internet-Wrackbörse ermittelten Bestbieter und nicht zum Durchschnittspreis an einen lokalen Gebrauchtwagenhändler veräußere. Im Zusammenhang mit der Schadensminderungspflicht des Geschädigten stelle sich die Frage, ob sich die Klägerin auf einen ‑ höhere Wrackpreise bietenden ‑ Sondermarkt, nämlich den ‑ auch überregionalen ‑ Markt für den Verkauf von Fahrzeugwracks an private Abnehmer, verweisen lassen müsse.

Der Oberste Gerichtshof habe die Frage, ob sich der Geschädigte auf einen Sondermarkt verweisen hätte lassen müssen, offen gelassen (2 Ob 249/08v = RIS-Justiz RS0125392).

Das Oberlandesgericht Innsbruck habe in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Wesentlichen die Ansicht vertreten, ein derartiges höheres Angebot aus einer Internetwrackbörse sei nur dann für die Ermittlung des Restwerts heranzuziehen, wenn es quasi „auf dem Silbertablett präsentiert“ realisierbar gewesen wäre. Der Zeitaufwand für den Geschädigten sei auf ein Minimum zu beschränken (OLG Innsbruck 2 R 199/07t = ZVR 2008/126 [Ch. Huber]; 3 R 12/10d = ZVR 2010/179; 3 R 162/10p = ZVR 2011/183 [Ch. Huber]; 3 R 147/10g = ZVR 2012/9 [Ch. Huber]; ähnlich LG Leoben 1 R 182/10x = RIS-Justiz RLE0000030).

Auch im Schrifttum werde diese Frage intensiv erörtert (Kriegner, Wrackwertproblematik bei Kfz‑Totalschäden in der Haftpflichtversicherung aus österreichischer und deutscher Sicht, wbl 2007, 365 [370 f]; Ch. Huber, Die Kfz-Schadensregulierung in Österreich und Deutschland, ZVR 2008/262, 535 f; derselbe, ZVR 2011/183 [300; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 162/10p]; derselbe, ZVR 2012/9 [28; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 147/10g]; derselbe, Die richtige Ermittlung des Fahrzeugrestwerts, ZVR 2010/170 [354]; je mwN; vgl Grüneberg in Palandt 71 § 249 BGB Rz 19).

Nach Ch. Huber sei ‑ unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ‑ der überregionale Markt für den Geschädigten nur dann maßgeblich, wenn ihm ein Offert „auf dem Silbertablett serviert“ werde. In einem solchen Fall sei hinsichtlich des Restwerts auf den innerhalb der Bindungsfrist erzielbaren Höchstpreis abzustellen. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht könne ‑ trotz des legitimen Interesses des Geschädigten an einer raschen Schadensabwicklung ‑ darin liegen, dass der Geschädigte ohne gute Gründe ein ihn überhaupt nicht belastendes Anbot, das Wrack derart zu verwerten, ausschlage. Dies setze aber ein für den Geschädigten, der nicht ungebührlich benachteiligt werden solle, mit keinerlei zusätzlichen Mühen verbundenes Kaufanbot, das vom Haftpflichtversicherer präsentiert werden müsse, voraus. Das sei etwa dann der Fall, wenn ein verbindlich erklärtes Anbot eine sieben- bis zehntägige Überlegungsfrist einräume und den Geschädigten nach dessen Inhalt keine weiteren Aufwendungen und Risiken treffen würden. Eine Nachfrageobliegenheit des Geschädigten sei nur dann zu bejahen, wenn dem Geschädigten alle maßgeblichen Werte vorlägen und dieser Kenntnis davon habe, dass der Wrackwert auf dem regionalen Markt signifikant unter einem vorgelegten Angebot der Restwertbörse liege. Die Marktforschung könne dem Geschädigten nicht abverlangt werden. Der nicht entschädigungspflichtige Zeitaufwand des Geschädigten müsse auf ein Minimum begrenzt werden, weshalb den Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten die Verpflichtung zur begleitenden Information und Aufklärung treffe. Diese bestehe, sobald er von einem Schadensfall Kenntnis erlange oder erlangen müsste, für den er grundsätzlich einstehen müsse. In diesem Fall habe er den Geschädigten auf die Preisspreizung am Markt sowie darauf hinzuweisen, dass er in der Lage sein werde, innerhalb einer knapp bemessenen Frist von einer Woche oder zehn Tagen ein gegenüber dem Erlös bei Veräußerung oder Inzahlunggabe auf dem lokalen Markt deutlich höheres und mit keinen zusätzlichen Mehrkosten verbundenes Angebot vorzulegen. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, sei der Geschädigte berechtigt, das Wrack ohne Verletzung der Schadensminderungspflicht an den lokalen Gebrauchtwagenhändler zu veräußern.

Nach diesen in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung und der Lehre entwickelten Grundsätzen falle der Klägerin keine Verletzung der Schadensminderung zur Last: Der Klägerin sei von der Beklagten kein Angebot aus einer Wrackbörse präsentiert worden. Unter Berücksichtigung ihres legitimen Interesses auf möglichst rasche und mühelose Verwertung des beschädigten Fahrzeuges könne der Klägerin nicht abverlangt werden, selbst Marktforschung zu betreiben oder das beschädigte Fahrzeug zu inserieren oder allenfalls selbst im Internet anzubieten. Da die Beklagte gar nicht verlangt habe, vor einem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs informiert zu werden, habe die Klägerin auch nicht dadurch ihre Schadensminderungspflicht verletzt, dass sie mit der Beklagten im Zusammenhang mit dem Wrackverkauf keinen Kontakt aufgenommen und zunächst die Bezahlung der Reparaturkosten und die Abgeltung der merkantilen Wertminderung laut dem Schadensgutachten gefordert habe. Nur wenn die Beklagte die Klägerin grundsätzlich darauf hingewiesen hätte, dass sie vor einem allfälligen Verkauf des beschädigten Fahrzeugs informiert und ihr die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, der Klägerin binnen kurzer Frist ein Angebot zu präsentieren, käme eine Verletzung der Schadensminderungspflicht in Betracht.

Der objektive Minderwert errechne sich aus dem Fahrzeugwert im unbeschädigten Zustand in Höhe von 30.680 EUR abzüglich des im Durchschnitt erzielbaren und tatsächlich erzielten Wrackerlöses von 8.863 EUR mit 21.817 EUR. Abzüglich der von der Beklagten bereits erfolgten Zahlung von 15.690 EUR ergebe sich der Restanspruch mit 6.127 EUR.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten im Zusammenhang mit der Verwertung eines beschädigten Fahrzeugs, insbesondere zur Verweisung des Geschädigten auf einen privaten auch überregionalen (Sonder-)Markt, keine abschließende oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat erwogen:

1. Der Oberste Gerichtshof erachtet die berufungsgerichtliche Begründung für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts entspricht auch der zitierten herrschenden Lehre, der sich jüngst Ofner , Bewertung von Autowracks im Rahmen der Schadensberechnung ‑ ein Überblick, in FS Aicher (2012), 515, angeschlossen hat.

3. Die Revisionsausführungen sind nicht stichhaltig:

3.1. Die Revisionswerberin führt aus, das Berufungsgericht sei von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach die fiktiven Reparaturkosten nur bis zur Höhe der objektiven Wertminderung des beschädigten Fahrzeugs erstattungsfähig seien (vgl RIS-Justiz RS0022844).

Dieser Vorwurf ist unberechtigt: Das Berufungsgericht hat ‑ wie aus seiner Begründung ersichtlich ‑ den der Klägerin gebührenden Ersatzbetrag aus der Differenz zwischen dem Fahrzeugwert im unbeschädigten Zustand und demjenigen nach der Beschädigung (bei Verkauf des Wracks an einen Kfz-Händler bzw eine Kfz-Werkstätte) ermittelt.

3.2. Soweit die Revisionswerberin meint, die Marktwertdifferenz sei nach dem Marktwert, der der Verkaufswert zwischen Privaten sei, zu berechnen, ist auf die gebilligten berufungsgerichtlichen Ausführungen zu verweisen, wonach der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, an den lokalen Gebrauchtwagenhändler zu veräußern und ihm keine Marktforschung (auch nicht über einen lokalen Markt zwischen Privaten) abverlangt werden kann.

3.3. Die Revisionswerberin vertritt weiters die Ansicht, für die Beklagte habe kein Anlass bestanden, der Klägerin allfällige höhere Erlöse für das Wrack über die Wrackbörse mitzuteilen, weil die Klägerin der Beklagten ursprünglich ihre Reparaturabsicht mitgeteilt habe. Der Klägerin wäre zumutbar gewesen, den Schädiger (bzw die Beklagte als Haftpflichtversicherer) von der Absicht, das Fahrzeug unrepariert verkaufen zu wollen, zu verständigen. Die Unterlassung dieser Verständigung bilde eine die Klägerin treffende Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht.

Auch dazu kann zunächst auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts verwiesen werden, die folgendermaßen ergänzt werden:

Die Klägerin wusste nichts von einer Internetplattform für den Verkauf von Autowracks an Privatpersonen. Dass die Klägerin überhaupt von einem Markt zwischen Privatpersonen, auf dem höhere Wrackerlöse als beim Verkauf an einen lokalen Händler bzw eine lokale Werkstatt zu erzielen sind, wusste, hat die Beklagte nicht vorgebracht und steht auch nicht fest. Diese Unkenntnis ist bzw wäre der Klägerin als Laiin nicht vorzuwerfen.

Hätte die Klägerin das Wrack reparieren lassen, hätte sie jedenfalls Anspruch auf die vollen Reparaturkosten und die Wertminderung (insgesamt 21.817,08 EUR) gehabt, da ein Totalschaden nicht vorlag (vgl RIS-Justiz RS0030559). Hätte die Beklagte der Klägerin ein Angebot eines (über das Internet von der Beklagten vermittelten) Privaten, das Wrack um 14.760 EUR zu kaufen, „auf dem Silbertablett“ übermittelt, hätte die Klägerin nach ihrer Willensänderung, das Fahrzeug nicht selbst reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, uU gegen die sie treffende Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn sie dieses Angebot nicht angenommen hätte. Diesfalls hätte die Klägerin nur Anspruch auf die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Angebotspreis des Privaten.

Da aber die Klägerin von dem „Privatmarkt“ mit höheren Angeboten nichts wusste oder nichts wissen musste, konnte bzw musste sie auch nicht wissen, dass sie mit ihrer der Beklagten zunächst nicht bekanntgegebenen Willensänderung, das Wrack nicht reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, der Beklagten die Möglichkeit nahm, über das Internet ‑ schadens-mindernd ‑ höhere Kaufangebote einzuholen und der Klägerin „auf dem Silbertablett“ zu präsentieren.

Die Unterlassung der Mitteilung an die Beklagte, das Wrack nicht reparieren zu lassen, sondern unrepariert zu verkaufen, ist daher ‑ wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat ‑ der Klägerin nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht anzulasten. Auch Ch. Huber , ZVR 2011, 303 (304; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 162/10p) nimmt eine Nachfrageobliegenheit des Geschädigten, der sich nach Vorliegen der maßgeblichen Werte letztlich für die Totalschadensabrechnung entscheidet, beim gegnerischen Haftpflichtversicherer allenfalls nur dann an, wenn der Geschädigte Kenntnis von höher erzielbaren Angeboten in der Restwertbörse hat.

Um eine solche Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten anzunehmen, müsste der Haftpflichtversicherer vom zunächst reparaturwilligen Geschädigten verlangen, dass dieser im Fall, dass er es sich anders überlegen sollte und doch nicht reparieren lassen, sondern unrepariert verkaufen wolle, den Versicherer darüber informiere und ihm so ermögliche, höhere Angebote als auf dem lokalen Kfz-Händlermarkt zu präsentieren (zur Notwendigkeit umfassender Information des ersatzberechtigten Geschädigten durch den Versicherer vgl auch Ch. Huber , ZVR 2011, 303 [304; Anm zu OLG Innsbruck 3 R 162/10p]).

4. Die hier vertretenen Grundsätze entsprechen im Übrigen der einschlägigen Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH VI ZR 119/04; VI ZR 205/08; VI ZR 318/08; VI ZR 316/09; VI ZR 232/09; Wellner , BGH‑Rechtsprechung zum Kfz‑Sachschaden [2012], 73 ff; vgl auch Ch. Huber , Die richtige Ermittlung des Fahrzeugrestwerts, ZVR 2010/170, 352 [353-355]).

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

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