OGH 2Ob75/14i

OGH2Ob75/14i22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj L***** L*****, geboren am ***** 2005, vertreten durch die Mutter V***** L*****, die Mutter vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. (richtig) F***** M*****gesellschaft m.b.H., *****, und 2. Z*****-Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 151.879,40 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 3.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. März 2014, GZ 2 R 22/14y‑26, womit infolge Rekurses der erstbeklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Jänner 2014, GZ 40 Cg 24/13k‑20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00075.14I.0522.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichts wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass die Bezeichnung der erstbeklagten Partei auf „F***** M*****gesellschaft m.b.H.“ richtiggestellt wird.

F***** M***** ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.735,72 EUR (darin 456,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Am 2. 6. 2010 ereignete sich in Innsbruck ein Verkehrsunfall, bei dem die damals 5‑jährige Klägerin unter das rechte Hinterrad eines Lkws geriet.

Mit der am 16. 4. 2013 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin vom Halter und vom Haftpflichtversicherer des Lkws den Ersatz ihres mit 151.879,40 EUR bezifferten Schadens sowie die Feststellung deren Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 2. 6. 2010. Den erstbeklagten Halter bezeichnete sie in der Klage mit „F***** M*****“, was der im aktenkundigen Polizeibericht enthaltenen Datenaufnahme entsprach.

Die Passivlegitimation des F***** M*****blieb zunächst in mehreren Schriftsätzen und auch am Beginn der ersten mündlichen Streitverhandlung unbestritten. Im Zuge der Einvernahme des Lkw-Lenkers (M***** M*****, Sohn des F***** M*****) und des F***** M***** stellte sich heraus, dass Zulassungsbesitzer des Lkws nicht dieser, sondern die (richtig) „F***** M*****gesellschaft m.b.H.“ ist. F***** M***** ist laut Firmenbuch alleiniger Geschäftsführer dieser GmbH, deren Geschäftsanschrift mit der in der Klage angeführten Adresse übereinstimmt (FN *****). Die beklagten Parteien wandten die fehlende Passivlegitimation des F***** M***** ein.

Die Klägerin beantragte die Richtigstellung der Parteibezeichnung in „M***** F***** Ges.m.b.H.“ (so die Bezeichnung im Zulassungsschein Beilage ./1).

Die beklagten Parteien sprachen sich dagegen aus. Es würde ein fremdes Rechtssubjekt in den Prozess einbezogen werden.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und berichtigte die Parteibezeichnung in „M***** F***** GmbH“.

Es vertrat die Ansicht, die bloße Richtigstellung einer nur falsch bezeichneten, aber eindeutig erkennbaren Partei sei selbst dann zulässig, wenn es durch die Richtigstellung zu einem Personenwechsel komme. Ergebe sich aus der Klagserzählung eindeutig, wer der Beklagte sein soll, sodass der in Anspruch Genommene wissen müsse, wen die Klage tatsächlich betraf, liege auch im Fall der Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts keine unzulässige Klageänderung vor. Im vorliegenden Fall habe der zunächst als Erstbeklagter in Anspruch genommene F***** M***** dem Inhalt der Klage entnehmen können, dass Haftungsansprüche gegen den Halter eines Lkws aus dem Fuhrpark der namensgleichen GmbH geltend gemacht werden würden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs, soweit er von der zweitbeklagten Partei erhoben wurde, mangels Beschwer (rechtskräftig) zurück. Im Übrigen änderte es die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht bejahte zunächst die Rekurslegitimation des F***** M*****. Inhaltlich erörterte es, beide Rechtssubjekte seien existent. Nach den Prozessbehauptungen der Klägerin sei F***** M***** Halter des bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Lkws. Das treffe objektiv nicht zu. Es komme nicht darauf an, wen die Klägerin in Anspruch nehmen wollte, sondern darauf, wen sie nach dem objektiven Wortlaut ihres Begehrens und ihres Vorbringens in Anspruch genommen hat. Aus diesem Grund sei der Erstbeklagte passiv nicht legitimiert. Der Mangel der Sachlegitimation könne aber nicht durch die Änderung der Parteibezeichnung saniert werden.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

F***** M***** beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, die Klage richte sich nach dem Klagsvorbringen gegen den Halter des Lkws. Dies sei aber, wie F***** M***** immer gewusst habe, die gleichnamige GmbH.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass die Rechtsmittellegitimation des infolge der bekämpften Richtigstellung der Parteibezeichnung aus dem Prozessrechtsverhältnis ausgeschiedenen F***** M***** in zweiter Instanz zutreffend bejaht worden ist (vgl 8 Ob 51/10y mwN; 1 Ob 12/12i; RIS‑Justiz RS0039313 [T11]; vgl auch RS0035319, RS0107893). Das Rekursgericht ist daher zu Recht auf den Rekurs inhaltlich eingegangen.

2. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, etwa durch die Anführung der Bezeichnung ihres Unternehmens, das Klagebegehren erhoben worden ist. Eine solche Berichtigung ist in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmen, gegebenenfalls durch die Anwendung der §§ 84 und 85 ZPO.

Die Existenz zweier Rechtssubjekte ist zwar in der Regel Indiz für einen (unzulässigen) Parteiwechsel (1 Ob 12/12i; RIS‑Justiz RS0039297) und es trifft auch zu, dass der Mangel der Sachlegitimation nicht durch eine Änderung der Parteibezeichnung saniert werden kann (8 Ob 112/12x; RIS‑Justiz RS0035266). Wenn aber schon aus dem gesamten Inhalt der Klage in einer „jeden Zweifel ausschließenden Weise“ erkennbar ist, wen der Kläger als Beklagten in Anspruch nehmen will, kann die Berichtigung der Parteibezeichnung auch dann erfolgen, wenn es zu einem Personenwechsel kommt (vgl 1 Ob 107/07b; 7 Ob 25/08i; 8 Ob 51/10y; 6 Ob 128/13m; RIS‑Justiz RS0039337, RS0039871).

Demnach liegt eine Parteiänderung selbst im Fall der Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts etwa dann nicht vor, wenn sich durch Bezugnahme auf ein bestimmtes Arbeits‑ oder sonstiges Vertragsverhältnis oder auf eine Rechnung eindeutig ergibt, wer der Beklagte sein soll (vgl 9 Ob 145/03v; 1 Ob 68/04p; 9 ObA 101/05a; 1 Ob 107/07b; RIS‑Justiz RS0039300). Dabei wird auch darauf abgestellt, ob der als Beklagter in Anspruch Genommene seine Nennung in der Klage als offenbar irrig erkennen musste (9 ObA 11/89; 1 Ob 68/04p; 9 ObA 101/05a; 1 Ob 107/07b; 6 Ob 128/13m).

3. Die Klägerin hat in der Klagserzählung F***** M***** als Halter des am Unfall beteiligten Lkws bezeichnet. Die Richtigstellung der Parteibezeichnung beantragte sie, als sich herausstellte, dass nicht er, sondern die GmbH der Zulassungsbesitzer sei. Nun müssen Zulassungsbesitzer und Halter zwar keineswegs ident sein (vgl 2 Ob 192/12t; RIS‑Justiz RS0058149 [T2 und T3], RS0058249), bei einem „Firmenfahrzeug“ wird man in aller Regel aber annehmen können, dass das Unternehmen auch die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat und es auf eigene Rechnung gebraucht (vgl 2 Ob 192/12t mwN). Zwischen den Parteien ist im vorliegenden Fall auch gar nicht strittig, dass zwischen Halter und Zulassungsbesitzer Identität besteht.

Von dieser Prämisse ausgehend, musste aber für den in Anspruch genommenen F***** M*****, der als einziger Geschäftsführer der gleichnamigen GmbH fungiert, aus der Klagserzählung ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass in Wahrheit nicht er persönlich, sondern nur die gleichnamige GmbH als Halter gemeint sein konnte (vgl etwa 6 Ob 240/02s [für den Standort einer Werkstätte verantwortlicher Unternehmensträger]; 9 Ob 145/03v [Mieterin eines bestimmten Objekts]; 1 Ob 68/04p [Transportauftragnehmer]; 1 Ob 107/07b [Krankenhaus-betreiber]).

4. Damit liegen aber im vorliegenden Fall die in der erörterten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Voraussetzungen für eine Berichtigung der Parteibezeichnung trotz Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts vor. Die vom Rekursgericht abgeänderte Entscheidung des Erstgerichts ist daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. F***** M***** ist im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteibezeichnung unterlegen (vgl 1 Ob 107/07b; RIS‑Justiz RS0035924), weshalb er der klagenden Partei die Hälfte der Kosten ihrer Rekursbeantwortung sowie die Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen hat. Pauschalgebühren sind für den Revisionsrekurs nicht zu entrichten (Anm 1 zu TP 3 GGG) und werden daher auch nicht zuerkannt.

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