OGH 2Ob61/13d

OGH2Ob61/13d23.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 11. Dezember 2011 verstorbenen M***** H*****, über den Revisionsrekurs des Dr. R***** S*****, vertreten durch Dr. Ralf Wenzel und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. Jänner 2013, GZ 53 R 18/13f‑57, womit infolge Rekurses des Genannten die zu GZ 33 A 228/11g‑53, gemeinsam ausgefertigten Beschlüsse des Bezirksgerichts Innsbruck (richtig) vom 25. September 2012, GZ 33 A 228/11s‑44 und vom 12. Dezember 2012, GZ 33 A 228/11s‑52, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Die am 11. 12. 2011 im Alter von 92 Jahren verstorbene Erblasserin hinterließ mehrere letztwillige Verfügungen, darunter das eigenhändige Testament vom 17. 8. 2005 und das fremdhändige Testament vom 22. 11. 2011. Im eigenhändigen Testament hatte sie Dr. T***** G***** (kein Angehöriger) zum Alleinerben eingesetzt. Im fremdhändigen Testament, in dem sie alle bisherigen letztwilligen Verfügungen widerrief, scheinen hingegen ihr Neffe Mag. W***** P***** als Universalerbe und dessen Söhne M***** und C***** P***** zu gleichen Teilen als Ersatzerben auf.

Der Text des fremdhändigen Testaments wurde von dem Notariatssubstituten Dr. R***** S***** über Auftrag der Erblasserin nach deren Angaben verfasst und dann zu ihr in das Seniorenheim gebracht. Dort wurde das Testament am 22. 11. 2011 von der Erblasserin und drei Testamentszeugen unterschrieben. Einer der Testamentszeugen war der Notariatssubstitut; die beiden anderen Testamentszeugen waren Mitarbeiterinnen des Notariats.

Sowohl Dr. T***** G***** als auch Mag. W***** P***** gaben aufgrund des sie jeweils zum Alleinerben bestimmenden Testaments die bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Im Verfahren über das Erbrecht behauptete Dr. T***** G*****, dass die Erblasserin am 22. 11. 2011 nicht mehr testierfähig gewesen sei und stellte dazu Beweisanträge (ua auf Einvernahme der beiden Mitarbeiterinnen des Notariats). Mag. W***** P***** bestritt dieses Vorbringen und berief sich ua auf den Notariatssubstituten als Zeugen.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. 9. 2012, ON 44, fand die Einvernahme des Notariatssubstituten statt. Auf die Frage, „welchen Eindruck die Verstorbene am 22. 11. 2011 in Bezug auf ihren Gesundheitszustand gemacht hat“, erklärte er die Aussage zu verweigern und verwies auf § 37 NO. Daraufhin verkündete das Erstgericht den Beschluss, dass die Aussageverweigerung nicht gerechtfertigt sei (1.) und für den Fall des Beharrens eine Geldstrafe von 100 EUR verhängt werde (2.). Den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Notariatssubstituten wies das Rekursgericht zurück. Dies mit der Begründung, dass Punkt 1. des Spruchs nicht abgesondert und Punkt 2. überhaupt nicht anfechtbar sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. 12. 2012, ON 52, beharrte der Notariatssubstitut auf seinem Recht die Aussage zu verweigern. Das Erstgericht wiederholte daraufhin, dass die Aussageverweigerung nicht gerechtfertigt sei und verhängte über den Zeugen die angedrohte Geldstrafe von 100 EUR.

Die Beschlüsse über die Unrechtmäßigkeit der Aussageverweigerung und die Verhängung der Ordnungsstrafe wurden gemeinsam ausgefertigt (ON 53). Das Erstgericht führte begründend aus, der Notar dürfe zwar nicht als Zeuge über ein notarielles Testament einvernommen werden, ein solches liege hier aber nicht vor. Auch wenn der in § 37 NO enthaltene Begriff der „stattgehabten Verhandlungen“ weit ausgelegt werden müsse, sei ein Notar oder Notariatssubstitut als Testamentszeuge nicht berechtigt, Angaben über den Geisteszustand der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments schlechthin zu verweigern. Er unterliege insoweit nicht der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 37 NO.

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts und ergänzte, ein privates fremdhändiges Testament iSd § 579 ABGB setze das Zeugnis dreier Personen über die Erklärung des Erblassers voraus, dass die fremdhändig bzw maschinell erstellte Erklärung tatsächlich seinem letzten Willen entspreche. Dies beinhalte letztlich auch das Zeugnis darüber, dass der Erblasser zum Zeitpunkt dieser Erklärung geschäfts- und somit testierfähig gewesen sei. Die Möglichkeit einer Verweigerung des Zeugnisses über diese Umstände sei mit dem „Wesen“ eines fremdhändigen Testaments nicht vereinbar. Im gegenständlichen Fall sei der Notariatssubstitut primär Testamentszeuge gewesen. Diese Aufgabe betreffe nicht den durch § 37 NO geschützten Tätigkeitsbereich eines Notariatssubstituten und falle auch nicht unter eine „weitere Berufstätigkeit“ iSd § 5 NO. Dies folge auch daraus, dass die Verschwiegenheitspflicht vor allem das Vertrauensverhältnis zwischen dem Notar und seinen Klienten schützen solle. Die zwei weiteren Testamentszeugen unterlägen aber keiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht und seien jedenfalls zur Ablegung des Zeugnisses verpflichtet, sodass ein schutzwürdiges, aus der Klientenbeziehung des Notars stammendes Geheimnis gar nicht vorliege. Die Berufung des Substituten auf das Aussageverweigerungsrecht gemäß § 321 Abs 1 Z 3 ZPO iVm § 37 NO sei deshalb nicht gerechtfertigt. Das Erstgericht habe daher zutreffend die Weigerung des Notariatssubstituten gemäß § 324 Abs 1 ZPO als nicht gerechtfertigt erkannt und aufgrund seines Beharrens gemäß § 325 Abs 1 ZPO über ihn eine Geldstrafe verhängt.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob ein Notariatssubstitut, der ein fremdhändiges Testament errichtet und dieses als Testamentszeuge unterschrieben habe, der Verschwiegenheitspflicht nach § 321 Abs 1 Z 3 ZPO unterliege, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Notariatssubstituten mit dem sinngemäßen Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Weigerung der Aussage als rechtmäßig erkannt und der Ausspruch über die Verhängung einer Geldstrafe ersatzlos aufgehoben werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

I. Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses:

1. Nach der Verweisungsnorm des § 35 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die einzelnen Beweismittel (§§ 292 bis 383 ZPO) mit hier nicht relevanten Ausnahmen sinngemäß anzuwenden. Der Verweis umfasst auch die dort geregelten Rechtsmittelbeschränkungen ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 35 Rz 2).

Gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Zeugenaussage (§ 324 Abs 1 ZPO) ist gemäß § 349 Abs 1 ZPO kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. Dies gilt sowohl für die Parteien als auch für den Zeugen (SZ 40/147; Frauenberger in Fasching/Konecny ² III § 324 Rz 4). Im streitigen Verfahren ist daher die Bekämpfung eines solchen Beschlusses mit dem Rechtsmittel gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung möglich (§ 515 ZPO; 1 Ob 8/94). Dies ist für den Zeugen, wenn die Weigerung der Aussage für unrechtmäßig erkannt wurde, regelmäßig der Beschluss, mit dem die Zeugnispflicht nach § 325 Abs 1 ZPO zwangsweise durchgesetzt werden soll (SZ 40/147; vgl auch 6 Ob 279/00y; 6 Ob 1/02v; RIS-Justiz RS0040565; Frauenberger aaO § 324 Rz 4).

2. Die in § 35 AußStrG vorgesehene „sinngemäße“ Anwendung der verwiesenen Normen soll nach den Gesetzesmaterialien dazu führen, dass die nach der Terminologie der ZPO „nicht abgesondert anfechtbaren“ Beschlüsse als „nicht selbständig anfechtbare“ Beschlüsse des Verfahrens außer Streitsachen aufzufassen sind und dafür daher die Bestimmung des § 45 AußStrG über die Zulässigkeit des Rekurses und nicht die Regelung des § 515 ZPO heranzuziehen ist (ErläutRV 224 BlgNR XXII GP 43). Das würde bedeuten, dass auch ein Beschluss über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Zeugenaussage nicht mit der nächsten anfechtbaren Entscheidung, sondern nach § 45 Satz 2 AußStrG nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar ist (vgl 6 Ob 76/06d).

Diese Möglichkeit der Anfechtung steht zwar den Parteien offen, kommt aber für den betroffenen Zeugen nicht in Betracht. Für diesen muss sich daher die von § 35 AußStrG umfasste Verweisung auf § 349 Abs 1 ZPO wie im streitigen Verfahren auch auf § 515 ZPO erstrecken, sodass ein Beschluss, mit dem die Aussageverweigerung gemäß § 324 Abs 1 ZPO für unrechtmäßig erkannt wurde, auch im Verfahren außer Streitsachen zusammen mit der „nächstfolgenden“ Entscheidung, nämlich jene über die Verhängung einer Geldstrafe angefochten werden kann.

3. Weder bei der Entscheidung über die Weigerung der Aussage noch bei jener über die Verhängung einer Geldstrafe handelt es sich um einen Gegenstand, der iSd § 62 Abs 3 und 4 AußStrG rein vermögensrechtlicher Natur ist (zur Geldstrafe vgl 5 Ob 257/09v; 3 Ob 19/11g; RIS-Justiz RS0004785, RS0008617, RS0038625). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich daher allein nach § 62 Abs 1 AußStrG. Sie ist hier aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

II. Zur Sache:

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Zeuge macht geltend, er sei von der Erblasserin mit der Errichtung des Testaments vom 22. 11. 2011 beauftragt worden. Er sei daher nicht „primär“ Testamentszeuge gewesen. Als Notariatssubstitut unterliege er auch bei der Errichtung einer Privaturkunde der Verschwiegenheitspflicht. Der Zeuge habe nicht schlechthin die Aussage verweigert, sondern jene Angaben gemacht, die von einem Testamentszeugen gemacht werden müssten. Der Geisteszustand der Verstorbenen falle jedoch unter den Schutz der „stattgehabten Verhandlungen“ iSd § 37 NO. Entgegen der Meinung des Rekursgerichts seien auch die beiden weiteren Testamentszeugen (Mitarbeiterinnen des Notariats) zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Hiezu wurde erwogen:

1. Allgemeines zum Aussageverweigerungsrecht:

1.1 § 321 Abs 1 ZPO, der kraft des Verweises in § 35 AußStrG auch im Verfahren außer Streitsachen zur Anwendung gelangt, enthält eine taxative Aufzählung von Geheimnissen, die einen Zeugen berechtigen, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern ( Rechberger in Rechberger , ZPO³ §§ 321-322 Rz 1; Frauenberger aaO § 321 Rz 1; Schumacher , Geheimnisschutz im Zivilprozess aus österreichischer Sicht, ZZP 123-2010, 286). Überwiegend wird der Geheimnisschutz an gesetzliche Verschwiegenheitspflichten des Zeugen geknüpft ( Schumacher aaO 286 f).

1.2 Nach § 321 Abs 1 Z 3 ZPO darf die Aussage von einem Zeugen verweigert werden in Bezug auf Tatsachen, über welche der Zeuge nicht würde aussagen können, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zu verletzen, insoferne er hievon nicht gültig entbunden wurde. Die Regelung beruht im Grundsatz darauf, dass die Ausübung bestimmter, zumeist freier Berufe faktisch unmöglich wäre, wenn die solche Dienste in Anspruch nehmenden Personen nicht darauf vertrauen könnten, dass dem Gegenüber erteilte Informationen vertraulich bleiben. Dieses Vertrauen ist nämlich Voraussetzung dafür, dass ohne Hintergedanken und Berechnung sämtliche Informationen preisgegeben werden können, was für eine sinnvolle und kunstgerechte Ausübung dieser Berufe erforderlich ist. § 321 Abs 1 Z 3 ZPO schützt daher in seinem Kernbereich spezifische Vertrauensverhältnisse im Bereich der Dienstleistungserbringung (4 Ob 228/04i; Frauenberger aaO § 321 Rz 16; G. Kodek, Zur Verschwiegenheitspflicht des Vertragsverfassers im Prozess zwischen den Vertragsparteien, Jahrbuch Anwaltsrecht 2011, 87 [89]).

1.3 „Staatlich anerkannt“ ist eine Verschwiegenheitspflicht schon dann, wenn sie durch ein Gesetz normiert wird (vgl 4 Ob 228/04i; Schumacher aaO 287). Für Notare findet sich eine materiell-rechtliche Regelung in § 37 Abs 1 NO, die zufolge § 123 Abs 4 NO auch auf Substituten unmittelbare Anwendung findet (Prohaska-Marchried, Geheimnisschutz berufsmäßiger Parteienvertreter [1998] 68; Schilchegger/Gruber, Verschwiegenheitspflichten gegenüber Erben [2013] 57).

2. Verschwiegenheitspflicht des Notars:

2.1 Die Verschwiegenheitspflicht ist Zeichen des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen der Partei und dem Notar (Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 [2006] § 37 NO Rz 1a). Nach § 37 Abs 1 NO ist der Notar, soweit er nicht „nach diesem Gesetz Mitteilungen aus seinen Akten zu machen hat“, den Beteiligten zur Verschwiegenheit über die „vor ihm stattgehabten Verhandlungen“ verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht umfasst damit grundsätzlich alle Bereiche notarieller Berufsausübung, also auch das den Notaren in § 5 Abs 1 NO eingeräumte Recht Privaturkunden zu verfassen (Wagner/Knechtel aaO § 37 NO Rz 1b; Prohaska-Marchried aaO 19; Fenyves/Spitzer, Zur Verschwiegenheitspflicht des Notars im Fall der Nebenintervention, NZ 2010/66, 262 [263]). Sie ist zeitlich unbegrenzt und geht über den Tod der geschützten Person hinaus (Schilchegger/Gruber aaO 15 und 58).

2.2 Der Notar handelt auch innerhalb des Tätigkeitsbereichs nach § 5 NO in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amts (Wagner/Knechtel aaO § 5 NO Rz 1b). In diesem Rahmen ist er zur Verfassung jeglicher Privaturkunden berechtigt und zwar auch ohne Zusammenhang mit einer öffentlichen Beurkundungstätigkeit (Wagner/Knechtel aaO § 5 NO Rz 1). Andere als öffentliche Urkunden sind Privaturkunden (Rechberger aaO vor § 292 Rz 14). Das von einem Notar weder als Notariatsakt (§ 67 NO) noch in der Form des § 70 NO errichtete Testament ist eine Privaturkunde, somit auch jenes Testament, das der Notariatssubstitut im Auftrag der Erblasserin ohne die in den erwähnten Bestimmungen vorgesehenen Förmlichkeiten errichtet hat.

2.3 Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht des Notars schlechthin auf die „stattgehabten Verhandlungen“. Sie ist inhaltlich umfassend und inkludiert alles, was dem Notar aus seiner beruflichen Tätigkeit bekannt wird, also Namen und Daten der Parteien, schon den Umstand ihrer Vorsprache in der Notariatskanzlei, die Inhalte sämtlicher Besprechungen, Verhandlungen und Informationen, den Inhalt von Vereinbarungen jedweder Form, schließlich alle dem Notar zur Kenntnis gelangten Tatsachen aus der Interessensphäre der Beteiligten, seien sie wichtig oder unwichtig (Fenyves/Spitzer aaO 263; Schilchegger/Gruber aaO 57; Foregger in FS Wagner [1987]), Zur Verschwiegenheitspflicht des Notars, 125 [127 f]; vgl auch Frauenberger aaO § 321 Rz 26; Prohaska-Marchried aaO 19; Wagner/Knechtel aaO § 37 NO Rz 1b; Zenz, „Staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit“ bestimmter Berufsgruppen im Verhältnis zur Zeugnisablegung im Verwaltungs-, Zivil- und Strafverfahren, JRP 2005, 230 [235]).

2.4 Nun mag es zutreffen, dass der Notariatssubstitut als Verfasser einer Privaturkunde über die ihm dabei zur Kenntnis gelangten Umstände aus der Interessensphäre der Erblasserin grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht nach § 37 Abs 1 NO unterliegt, wobei noch zu klären bliebe, wem gegenüber diese Pflicht zu wahren ist. Es entspricht nämlich herrschender Auffassung, dass sich der Notar den „Beteiligten“ gegenüber nicht auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen kann (vgl dazu 5 Ob 93/08z; Foregger aaO 125; Prohaska‑Marchried aaO 19; Fenyves/Spitzer aaO 264 und 267; Schilchegger/Gruber aaO 57).

Der Frage, wer bei der Verfassung eines Testaments zum Kreis der „Beteiligten“ zählt, muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil das Erstgericht den Notariatssubstituten nicht in seiner Eigenschaft als Urkundenverfasser, sondern als Testamentszeugen einvernommen hat. Beide Funktionen sind, wie im Folgenden näher zu erläutern sein wird, strikte zu trennen.

3. Notar als Testamentszeuge:

3.1 Vorauszuschicken ist, dass nach den vorinstanzlichen Feststellungen der Notariatssubstitut mit der Erblasserin im Zusammenhang mit dem Testament vom 22. 11. 2011 (zumindest) zweimaligen Kontakt gehabt haben musste, nämlich einerseits im Zuge der Erteilung des Auftrags ein Testament mit bestimmtem Inhalt zu verfassen und andererseits bei Unterfertigung des schriftlichen „Aufsatzes“, der ja erst zur Erblasserin in das Seniorenheim gebracht werden musste. Nach der Aussage des Substituten (eine diesbezügliche Feststellung liegt nicht vor) lag zwischen diesen Kontakten ein Zeitraum von etwa einer Woche. Während das Auftragsgespräch unter die „stattgehabten Verhandlungen“ fällt, trifft dies auf die Vorgänge anlässlich der Unterfertigung des vom Zeugen verfassten „Aufsatzes“ nicht zu.

3.2 Gemäß § 579 ABGB muss der Erblasser ein fremdhändiges Testament eigenhändig unterfertigen und ferner vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte (nuncupatio). Der Testator hat die nuncupatio nicht schlechthin gegenüber irgendeiner dritten Person, sondern vor den Testamentszeugen zu erklären, die sich ihrer Zeugeneigenschaft bewusst sein müssen (vgl 6 Ob 67/11p; 5 Ob 185/12k). Dabei reicht nicht der den Testamentszeugen vermittelte Eindruck, es sei für den Testator augenfällig, dass er ein Testament unterfertigt; vielmehr besteht die nuncupatio, die ja das Unterschieben eines nicht gewollten Testaments verhindern soll, (darüber hinaus) in der Bestätigung des Erblassers, dass der betreffende „Aufsatz“ gerade seinen letzten Willen enthält. Welchen Eindruck die Testamentszeugen subjektiv im Zuge der Unterfertigung des Testaments gewonnen haben, ist soweit unerheblich, als diese Einschätzung nicht auf ein bestimmtes Verhalten des Erblassers zurückgeht (vgl 5 Ob 185/12k). Die Testamentszeugen haben demnach alle jene Vorgänge zu bezeugen, aus denen erschlossen werden kann, ob der Erblasser ausdrücklich erklärt hat, dass der „Aufsatz“ sein letzter Wille sei (vgl auch Apathy aaO § 579 Rz 2).

3.3 Bei der Ablegung des Zeugnisses über die nuncupatio ist der Notariatssubstitut nicht an die Verschwiegenheitspflicht gebunden. Er betont in seinem Rechtsmittel mehrfach, dass sich die Erblasserin aufgrund seiner „umfassenden Beratung und Belehrung“ für die gewählte Testamentsform entschieden hat. Da sie aber zweifellos ein formgültiges Testament errichten wollte, liegt es nicht nur im Interesse des darin Bedachten, sondern auch in jenem der Erblasserin, dass die Testamentszeugen die von ihnen übernommene Zeugenpflicht uneingeschränkt erfüllen. Insoweit steht gerade das schützenswerte Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Notar einer Berufung auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht nach § 37 NO entgegen. Sie wäre mit den Pflichten eines Testamentszeugen schlicht unvereinbar und würde Zweifel an seiner Zeugnisfähigkeit wecken.

Der Notariatssubstitut hat daher als Testamentszeuge die an ihn gerichteten Fragen zu den Vorgängen am 22. 11. 2011 zu beantworten, ohne dass er sich dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Fragen den Geisteszustand der Erblasserin betreffen.

4. Ergebnis:

Aus den dargelegten Erwägungen muss der Revisionsrekurs des Notariatssubstituten erfolglos bleiben.

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